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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 1.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.03.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Streitwert: 1.500,00 €
Tatbestand
2Die Parteien streiten über eine Entschädigung wegen Diskriminierung bei der Einstellung.
3Die am geborene, mit einem GdB von schwerbehinderte Klägerin ist ausgebildete Industriekauffrau. Sie bewarb sich mit einer E-Mail vom 31.07.2017, zu deren Inhalt auf die Kopie Bl. 13 ff. d.A. verwiesen wird, auf eine Stellenanzeige der Beklagten (Kopie Bl. 21 ff. d.A.), in der es u.a. heißt:
4Wir sind die führende Unternehmensberatung für Einrichtungen im Gesundheitswesen. (…)
5Für unser junges und dynamisches Team in K suchen wir per sofort eine/n Teamassistent/in in Vollzeit (40 Stunden).
6Zu Ihren Aufgaben gehören:
7- Vorbereitung Buchführung
8- Reiseplanung, -koordination und –abrechnung
9- Kundenkontakt und –betreuung
10- Projektkoordination
11- Terminverwaltung
12- Unterstützung der Geschäftsführung
13Ihr Profil:
14- hohes Verantwortungsbewusstsein
15- Zuverlässigkeit und Sorgfalt
16- Beherrschung der deutschen Sprache in Wort + Schrift
17- Kenntnisse im Umgang mit MS-Office und Internet
18- serviceorientierte, kommunikative und teamfähige Persönlichkeit
19Die Beklagte nahm vor der Stellenausschreibung und -besetzung keinen Kontakt mit der Agentur für Arbeit auf.
20Nachdem die Klägerin bis zur Klageerhebung keine Antwort der Beklagten auf ihre Bewerbung erhalten hatte, verlangt sie mit ihrer am 05.03.2019 bei Gericht eingegangenen Klage eine Entschädigung, weil sie sowohl wegen ihres Alters als auch wegen ihrer Behinderung diskriminiert worden sei. Dies werde hinsichtlich des Alters durch die Formulierung „für unser junges und dynamisches Team“ in der Stellenanzeige und hinsichtlich der Behinderung durch die Verletzung der in § 164 Abs. 1 S. 2 SGB IX n.F. festgelegten Meldepflicht indiziert.
21Die Klägerin beantragt,
22die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu bezahlen, welche vollständig in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie behauptet, die Stelle sei nicht nach den sozialrechtlichen Vorschriften gemeldet worden, da diese der Beklagten unbekannt gewesen seien. Die Klägerin sei nur wegen ihrer fehlenden Buchhaltungskenntnisse nicht eingestellt worden. Für die Vorbereitung der Buchführung sei Erfahrung in Buchführung erforderlich, um die Belege zu sammeln, zu sortieren und vorzukontieren. Die Klägerin sei dafür aber nicht nur objektiv offensichtlich nicht geeignet. Vielmehr sei ihre Klage auch rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, bereits 55 mal Entschädigungsforderungen gestellt zu haben. Sie habe seit 2009 nur sechs Monate in einem Minijob gearbeitet und vertrete sich in diesem Rechtsstreit selbst. Sie sei in ihrer Bewerbung nicht auf Buchhaltungskenntnisse eingegangen und habe auch nicht gezeigt, dass sie sich über die Beklagte informiert habe. Außerdem pendele niemand für ein Gehalt von 2500 € von Gelsenkirchen nach Köln.
26Die Klägerin erwidert darauf, Buchhaltungskenntnisse habe die Beklagte in dem Anforderungsprofil in der Stellenanzeige nicht gefordert. Außerdem habe sie als ausgebildete Industriekauffrau auch Buchführungskenntnisse erworben. Im Rahmen eines Praktikums habe sie im internen Rechnungswesen gearbeitet. Ihre zahlreichen Bewerbungen sprächen nur für ihr ernsthaftes Bemühen. Diese Bemühungen seien erfolglos geblieben wegen der mit verbundenen langen Krankheitszeiten und der dadurch verursachten Langzeitarbeitslosigkeit. Eine Fahrzeit von 2 Stunden täglich sei noch zumutbar. Außerdem hätte sie auch nach Köln umziehen können, wenn sie die Stelle bekommen hätte.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe
29Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigung wegen Diskriminierung als Schwerbehinderte und wegen ihres Alters gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 1.500 €.
30Der Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Als Bewerberin gilt die Klägerin gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 als Beschäftigte im Sinne des AGG. Weder die objektive Eignung des Bewerbers noch die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung sind für den persönlichen Anwendungsbereich des AGG erheblich (BAG, Urteil vom 23.08.2012, NZA 2013, 37, 38 Rn 18 m.w.N.). Die Beklagte ist als Arbeitgeberin i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG passivlegitimiert.
31Die Klägerin hat ihren Entschädigungsanspruch rechtzeitig nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG und § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht und eingeklagt. Sie hat ihn eingeklagt, ohne zuvor eine Absage auf ihre länger als anderthalb Jahre zurückliegende Bewerbung erhalten zu haben, und damit sowohl die Zweimonatsfrist zur Geltendmachung des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG als auch die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt.
32Durch die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung hat die Klägerin eine weniger günstige Behandlung erfahren als die eingestellte Arbeitnehmerin oder der eingestellte Arbeitnehmer. Diese unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG erlitt sie wegen ihrer Behinderung und wegen ihres Alters und damit wegen zwei in § 1 AGG genannten Merkmalen. Dies wird vermutet, weil die Beklagte die zu Gunsten Behinderter erlassene Verfahrensvorschrift des § 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX verletzt hat und in ihrer Stellenanzeige zum Ausdruck gebracht hat, dass sie einen jungen Menschen einstellen wolle.
33Verletzungen von Pflichten des Arbeitgebers, die dem Schutz der Träger eines verpönten Merkmals nach § 1 AGG dienen, kommen als Indiztatsachen in Betracht (Deubler/Bertzbach‑Bertzbach, AGG, 3. Auflage Baden-Baden 2013, § 22 Rz 44e m.w.N.). Gegenüber Menschen, die ihre Schwerbehinderung deutlich angezeigt haben, kann die Verletzung von Verfahrens‑ und Förderpflichten nach dem SGB IX zugunsten schwerbehinderter Menschen in diesem Sinne zur Umkehr der Beweislast führen (HWK/Rupp, 7. Auflage Köln 2016, § 22 AGG Rz 4 m.w.N.), denn grundsätzlich können alle Verstöße gegen gesetzliche Verfahrensregelungen, die zur Förderung der Chancen der schwerbehinderten Menschen geschaffen wurden, eine Vermutungswirkung i.S.d. § 22 Halbs. 1 AGG begründen (BAG, Urteil vom 17.08.2010, NZA 2011, 153, 156 unter C III 2 b bb (2) der Gründe; Urteil vom 21.02.2013, NZA 2013, 840, 842 unter B IV 2 a) der Gründe; Urteil vom 26.06.2014, AP Nr. 10 zu § 22 AGG unter B III 4 e aa (1) der Gründe je m.w.N.).
34Eine Diskriminierung wird vermutet, wenn der Arbeitgeber gegen spezielle Schutzvorschriften des 2. Teils des SGB IX verstößt (FKS‑SGB IX‑Faber, 3. Auflage Frankfurt a. M. 2015, § 81 Rz 144 m.w.N.). Dem Schutz behinderter Arbeitnehmer dient insbesondere die Regelung des § 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX in der zur Zeit der Stellenausschreibung im Juli 2017 geltenden Fassung. Die Beklagte hat diese Pflicht verletzt. Sie hat weder vor der Stellenausschreibung noch vor der Stellenbesetzung Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufgenommen, um dieser zu ermöglichen, einen bei ihr als arbeitssuchend gemeldeten Behinderten für die zu besetzende Stelle vorzuschlagen. Dass die Beklagte als „führende Unternehmensberatung für Einrichtungen im Gesundheitswesen“ vorträgt, diese Pflicht nicht gekannt zu haben, ist unerheblich, denn für den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG sind schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht nicht erforderlich (BAG, Urteil vom 12.12.2013, AP Nr. 17 zu § 15 AGG unter B IV 1. der Gründe m.w.N.). Durch ihren Pflichtverstoß hat die Beklagte die Vermutung einer diskriminierenden Behandlung der Klägerin wegen ihrer Behinderung begründet.
35Daneben hat sie durch die Formulierung in ihrer Stellenanzeige, sie suche eine/n Teamassistenten/in „für ihr junges und dynamisches Team“ die Vermutung einer Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters begründet. Denn mit einer solchen Angabe erweckt der Arbeitgeber den Eindruck, dass er einen Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin sucht, der/die in das Team passt, weil er/sie ebenso jung und dynamisch ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. Andernfalls wäre die so formulierte Passage der Stellenausschreibung ohne Aussagegehalt und damit überflüssig (BAG, Urteil vom 11.08.2016, AP Nr. 22 zu § 15 AGG Rn. 35). Eine Diskriminierung wird auch dann vermutet, wenn eine Stelle unter Verstoß gegen §§ 11, 7, 1 AGG ausgeschrieben wird (BAG, Urteil vom 11.08.2016, AP Nr. 22 zu § 15 AGG Rn. 31 m.w.N.)..
36Angesichts dieser Indizien für eine Diskriminierung der Klägerin oblagen der Beklagten damit gemäß § 22 AGG die Darlegung und der Beweis dafür, dass sie sie nicht diskriminiert hat. Dies hat sie aber nicht in erheblicher Weise dargelegt. Ihre Behauptung, sie habe die Klägerin allein wegen deren fehlender Buchführungskenntnisse nicht eingestellt, reicht zur Widerlegung der Vermutungen nicht aus, denn zum einen hat sie solche Kenntnisse nicht für so wichtig gehalten, dass sie sie in das Anforderungsprofil in ihrer Stellenanzeige aufgenommen hätte, in dem sie statt dessen in fachlicher Hinsicht lediglich die „Beherrschung der deutschen Sprache in Wort + Schrift“ sowie „Kenntnisse im Umgang mit MS-Office und Internet“ verlangt hat. Zum anderen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, warum die Klägerin als ausgebildete Industriekauffrau nicht über die notwendigen Kenntnisse zum Sortieren der Belege und zur Vorkontierung verfügen sollte.
37Die Klage ist auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB unbegründet.
38Ein Entschädigungsverlangen eines/einer erfolglosen Bewerbers/Bewerberin nach § 15 Abs. 2 AGG ist rechtsmissbräuchlich, wenn ein/e Kläger/in sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm/ihr darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber/in iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen (BAG, Urteil vom 11.08.2016, AP Nr. 22 zu § 15 AGG Rn. 48 ff.). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den - rechtshindernden - Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (BAG, Urteil vom 26.01.2017 – 8 AZR 848/13 – juris Rn 126 m.w.N.).
39Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB auch keinen unionsrechtlichen Bedenken (EuGH, Urteil vom 28.07.2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 35 ff.). Das Missbrauchsverbot ist allerdings nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils (EuGH, Urteil vom 28.07.2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40). Außerdem darf die Handhabung des Missbrauchsverbots die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen (EuGH, Urteil vom 17.12.2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 65 mwN).
40Gemessen an diesen Vorgaben lassen die von der Beklagten vorgetragenen Umstände weder für sich betrachtet noch in ihrer Gesamtschau den Schluss zu, dass die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchseinwands (§ 242 BGB) erfüllt sind.
41Dass die Bewerbung der Klägerin nicht erkennen lasse, dass sie sich über die Beklagte informiert habe, lässt den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht zu. Wie viel „Mühe“ ein Bewerber sich mit seinem Bewerbungsschreiben und den weiteren Bewerbungsunterlagen gegeben hat, wie ansprechend seine Präsentation ist und wie eindringlich und überzeugend er ein Interesse an der ausgeschriebenen Stelle bekundet hat, mag zwar ein Umstand sein, der für die konkrete Auswahlentscheidung des Arbeitgebers den Ausschlag geben kann. Es existiert hingegen weder ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass nur derjenige, der ein solches Bewerbungsschreiben verfasst, an der Stelle interessiert ist, noch der gegenteilige Erfahrungssatz, dass derjenige, dessen Bewerbungsschreiben diesen Vorgaben nicht entspricht, sich nur mit dem Ziel bewirbt, die formale Position des Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG geltend machen zu können (BAG, Urteil vom 11. August 2016 - 8 AZR 4/15 – AP Nr. 21 zu § 15 AGG Rn. 56).
42Eine andere Bewertung kann allerdings dann geboten sein, wenn entweder dem Bewerbungsschreiben selbst oder in Verbindung mit weiteren Umständen zu entnehmen ist, dass die Klägerin eine Ablehnung ihrer Bewerbung provozieren wollte mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche nach § 15 AGG geltend zu machen. Entgegen der Annahme der Beklagten bietet das Bewerbungsschreiben der Klägerin hierfür jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte.
43Soweit die Beklagte desweiteren geltend macht, die Klägerin habe bereits 55 mal Entschädigungsforderungen erhoben, erlaubt auch dies noch nicht den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Dies lässt weder für sich betrachtet noch in einer Gesamtschau den Schluss auf ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen der Klägerin zu, das auf der Annahme beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben.
44Auf Rechtsmissbrauch kann nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt (vgl. etwa BAG 11. August 2016 - 8 AZR 4/15 - Rn. 59; 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 50, BAGE 155, 149; 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 63; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 56 mwN; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 52, BAGE 131, 232). Ein solches Verhalten für sich betrachtet lässt sich ebenso damit erklären, dass ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der jeweiligen Stelle bestand und dass der/die Bewerber/in, weil er/sie sich entgegen den Vorgaben des AGG bei der Auswahl- und Besetzungsentscheidung diskriminiert sieht, mit der Entschädigungs- und/oder Schadensersatzklage zulässigerweise seine/ihre Rechte nach dem AGG wahrnimmt.
45Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstands, dass selbst dann, wenn die Geltendmachung von Entschädigungs- und/oder Schadensersatzansprüchen aufgrund anderer erfolgloser Bewerbungen rechtsmissbräuchlich (gewesen) sein sollte, dies nicht ohne Weiteres auch für die jeweils streitgegenständliche gelten muss, sind an die Annahme des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Es müssen im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtfertigen. Dies kann in diesem Zusammenhang nur angenommen werden, wenn sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen der Person feststellen lässt, das auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben, weil der Arbeitgeber - sei es bereits unter dem Druck einer angekündigten Entschädigungs- bzw. Schadensersatzklage oder im Verlaufe eines Prozesses - freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Zahlung einlässt (BAG, Urteil vom 11.08.2016 - 8 AZR 4/15 – AP Nr. 21 zu § 15 AGG Rn. 67; Urteil vom 19.05.2016 - 8 AZR 470/14 - BAGE 155, 149 Rn. 58).
46Dies kann der Klägerin nicht als alleinige Motivation für ihre Bewerbung bei der Beklagten unterstellt werden. Sie ist bereits seit mehreren Jahren arbeitslos und hat auch aufgrund ihrer mit verbundenen längeren Krankheitszeiten erhebliche Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden. Dass sie sich deshalb häufig bewerben muss und dabei auch immer wieder Situationen erlebt, die sie als diskriminierend empfindet, spricht nicht dagegen, dass die Klägerin an der von der Beklagten ausgeschriebenen Stelle, deren Anforderungsprofil sie erfüllte, wirklich interessiert war. Auch die Entfernung zwischen ihrem Wohnort und dem Büro der Beklagten bietet keinen Anhaltspunkt für das Fehlen dieses Interesses, denn es ist gerichtsbekannt, dass viele Arbeitnehmer zwischen dem Ruhrgebiet und Köln pendeln. Außerdem verweist die Klägerin zu Recht darauf, dass sie im Falle ihrer Einstellung auch hätte umziehen können.
47Bei der Höhe der zuzusprechenden Entschädigung hat das Gericht 3/5 eines Monatsgehalts in der von der Beklagten für die Stelle angegebenen Höhe für angemessen gehalten. Dafür war ausschlaggebend, dass die Beklagte einerseits sowohl die dem Schutz von Behinderten dienenden Verfahrensvorschriften bei der Stellenbesetzung verletzt hat und andererseits mit ihrer Stellenanzeige auch noch zum Ausdruck gebracht hat, keine nicht mehr „jungen und dynamischen“ Bewerber einstellen zu wollen. Dadurch hat sie das Persönlichkeitsrecht der Klägerin gleich in zweifacher Hinsicht verletzt. Andererseits hat das Gericht bei der Festsetzung des Betrages berücksichtigt, dass die Klägerin in den vergangenen Jahren bereits mehr als 50 Entschädigungsforderungen geltend gemacht hat. Auch wenn dies nach dem oben Gesagten noch nicht genügt, um die vorliegende Klage oder die ihr vorangegangene Bewerbung bei der Beklagten für rechtsmissbräuchlich zu halten, so ist bei der Höhe der Entschädigung doch darauf zu achten, dass die Klägerin auch zukünftig nicht in Versuchung gerät, aus ihren Entschädigungsklagen ein „lukratives Geschäftsmodell“ zu machen.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.