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Kein Leitsatz
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Befristung vom 28.12.2016 nicht zum 07.07.2017 beendet wurde.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.985,-- Euro festgesetzt.
4. Die Berufung wird gesondert zugelassen.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung im Rahmen der zweiten Inanspruchnahme des 5-jährigen Befristungshöchstzeitraums nach § 14 Abs. 3 TzBfG durch denselben Arbeitgeber.
2Die Beklagte ist eine Kommanditgesellschaft mit Sitz in Düsseldorf und betriebt Bekleidungsgeschäfte an 69 Standorten bundesweit, ua. in Köln-Weiden. In dem dortigen Betrieb sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit, nach den Angaben der Beklagten sind es 56 Arbeitnehmer, beschäftigt. Ein Betriebsrat existiert am Standort Köln-Weiden nicht.
3Die Klägerin ist am 08.03.1955 geboren und verheiratet.
4Die Klägerin war bei der Beklagten zunächst auf Grundlage eines Vertrages vom 16.04.2005 (Bl. 46-47 d.A.) in der Zeit vom 21.04.2005 bis zum 20.04.2007 als Verkaufsberaterin befristet beschäftigt, wobei der Vertrag insgesamt dreimal verlängert wurde (Bl. 48-50 d.A.). Die Beklagte stützt diese damalige Befristung auf § 14 Abs. 2 TzBfG.
5Anschließend war die Klägerin mindestens vier Monate beschäftigungslos iSv. § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III.
6Die Klägerin wurde sodann bei der Beklagten aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 21.08.2007 (Bl. 105-110 d.A.) bzw. vom 31.08.2007 (Bl. 51-56 d.A.) ab dem 01.09.2007 – damals war die Klägerin bereits älter als 52 Jahre – aufgrund mehrerer Befristungen bzw. deren Verlängerungen – insgesamt handelt es sich um acht Zusatzvereinbarungen (Bl. 59-66 d.A.) – bis einschließlich zum 29.02.2012 als Mitarbeiterin in der Abteilung Verkauf beschäftigt. Die Beklagte ist insofern der Auffassung, dass diese knapp 4,5 Jahre andauernde Befristung auf § 14 Abs. 3 TzBfG zu stützen ist.
7Anschließend war die Klägerin mindestens vier Monate beschäftigungslos iSv. § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III.
8Die Klägerin wurde sodann bei der Beklagten aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 02.07.2012 (Bl. 4-11, 67-74 d.A.) ab dem 08.07.2012 aufgrund mehrerer Befristungen bzw. Verlängerungen – insgesamt handelt es sich um neun Zusatzvereinbarungen (siehe Bl. 13-20, 77-85 d.A.) – bis einschließlich zum 07.07.2017 als Mitarbeiterin in der Abteilung Verkauf beschäftigt. Die letzte Befristungsvereinbarung vom 28.12.2016 betrifft den Zeitraum vom 08.01.2017 bis zum 07.07.2017 (Bl. 21, 85 d.A.). Die Beklagte ist insofern der Auffassung, dass diese fünf Jahre andauernde Befristung – erneut – auf § 14 Abs. 3 TzBfG gestützt werden könnte.
9Das Bruttogehalt der Klägerin im Jahre 2016 betrug insgesamt 7.940,- Euro, woraus sich ein durchschnittliches Monatsgehalt iHv. 661,67 Euro brutto ergibt.
10Die Klägerin ist der Ansicht, dass die letzte Befristung bzw. Verlängerung unwirksam sei, da sie sich zu Unrecht auf die Regelung des § 14 Abs. 3 TzBfG stützen würde. Die Regelung sei vielmehr, soweit sie die mehrfache Inanspruchnahme des 5-jährigen Befristungshöchstzeitraums durch denselben Arbeitgeber bei Beschäftigten über 52 Jahren ermöglichen würde, altersdiskriminierend und daher verfassungswidrig und würde zudem gegen Unionsrecht verstoßen. Jedenfalls sei die letzte Befristung angesichts der Vielzahl der Befristungen bzw. deren Verlängerungen rechtsmissbräuchlich.
11Die Klägerin beantragt zuletzt,
12festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Befristung vom 28.12.2016 nicht zum 07.07.2017 beendet wurde.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine erneute Befristung nach § 14 Abs. 3 TzBfG gewahrt seien. Insbesondere sei die Regelung verfassungskonform und verstoße nicht gegen Unionsrecht.
16Die Klägerin hat die Klage am 12.07.2017 beim Arbeitsgericht Köln eingelegt, die der Beklagten am 24.07.2017 (Bl. 24 d.A.) zugestellt worden ist. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von ihnen eingereichten Unterlagen und damit auf die Gerichtsakte Bezug genommen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
17Entscheidungsgründe
18Die zulässige Klage ist begründet, so dass ihr stattzugeben ist. Die streitbefangene Befristung ist nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG unzulässig. § 14 Abs. 3 TzBfG ist in der seit dem 1. Mai 2007 geltenden Fassung, soweit hiernach auch die mehrfache Inanspruchnahme der Befristungsregelung durch denselben Arbeitgeber ermöglicht wird, mit höherrangigem Recht unvereinbar. Die Normkollision ist durch eine unionsrechtskonforme Auslegung aufzulösen, so dass in Übereinstimmung mit den Ausführungen des 7. Senats des BAG (Urteil vom 28. Mai 2014 – 7 AZR 360/12, Rz. 10 ff., BAGE 148, 193 ff. = NZA 2015, 1131 ff.) die Regelung dahingehend auszulegen ist, dass bei demselben Arbeitgeber die Regelung des § 14 Abs. 3 TzBfG nur einmal in Anspruch genommen werden kann. Die Vereinbarkeit von § 14 Abs. 3 TzBfG mit dem Grundgesetz, soweit es die mehrfache Inanspruchnahme durch denselben Arbeitgeber betrifft, kann insofern dahinstehen.
19I. Die zulässige Klage ist begründet. Der Befristungskontrollklage ist stattzugeben, da die streitgegenständliche Befristungsabrede vom 28.12.2016 bezüglich des Zeitraums vom 08.01.2017 bis zum 07.07.2017 unwirksam ist.
201. Entsprechend der ständigen Rspr. des 7. Senats des BAG ist bei einer Befristungskontrollklage bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen grundsätzlich nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrags auf ihre sachliche Rechtfertigung zu prüfen. Durch den Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage, die künftig für ihre Rechtsbeziehung allein maßgebend ist. Damit wird zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben, so dass frühere Befristungsabreden zwischen den Parteien nicht streitgegenständlich sind, soweit sie nicht ggfls. Gegenstand einer Rechtsmissbrauchskontrolle sind. Anders verhält es sich ausnahmsweise, wenn die Parteien in einem nachfolgenden befristeten Arbeitsvertrag dem Arbeitnehmer – ausdrücklich oder konkludent – das Recht vorbehalten, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung prüfen zu lassen. In diesem Fall ist die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle auch für den davor liegenden Vertrag eröffnet (siehe bspw. BAG, Urteil vom 11. Juli 2007 – 7 AZR 708/06, Rn. 11, juris). Da letzteres vorliegend in der Befristungsvereinbarung zwischen den Parteien vom 28.12.2016 bezogen auf den Zeitraum vom 08.01.2017 bis zum 07.07.2017 nicht vorbehalten war, ist allein diese Befristungsabrede Gegenstand der vorliegenden Befristungskontrollklage.
212. Die Befristungsabrede vom 28.12.2016 ist nicht mangels Verstoßes gegen das Schriftformgebot nach § 125 Satz 1 BGB nichtig. Die Vereinbarung vom 28.12.2016 entspricht dem für die Befristung nach § 14 Abs. 4 TzBfG, § 126 Abs. 2 BGB bestehenden Schriftformerfordernis.
223. Die Befristung gilt ferner nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam, denn die Klägerin hat die Rechtsunwirksamkeit der vereinbarten Befristung rechtzeitig geltend gemacht. Mit ihrer am 12.07.2017 beim (zuständigen) Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sie die dreiwöchige Klagefrist nach § 17 Satz 1 TzBfG gewahrt. Die Klage genügt den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Klageerhebung gemäß § 17 Satz 1 TzBfG zu stellen sind (vgl. hierzu bspw. BAG, Urteil vom 16. April 2003 – 7 AZR 119/02, zu I 1 a der Gründe, BAGE 106, 72). Die Klage wurde der Beklagten auch „demnächst“ iSv § 167 ZPO zugestellt. Es liegt insofern keine materielle Präklusion vor.
234. Die streitgegenständliche Befristung kann nicht auf § 14 Abs. 2 TzBfG gestützt werden. Unabhängig von den beiden früheren Befristungszeiträumen vor der letzten Beschäftigungslosigkeit der Klägerin und der Frage, wie lange das Vorbeschäftigungsverbot („bereits zuvor“) des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zurückwirkt (vgl. dazu BAG, Urteil vom 6. April 2011 – 7 AZR 716/09, BAGE 137, 275; BAG, Urteil vom 21. September 2011 – 7 AZR 375/10, BAGE 139, 213) kommt es daher nicht an., ist die Klägerin seit dem 08.07.2012 mehrfach und durchgehend befristet beschäftigt ist. Das jeweilige Ende dieser Befristungen liegt nicht mehr als drei Jahre zurück, so dass wegen des Vorbeschäftigungsverbots eine erneute sachgrundlose Befristung ausscheidet.
245. Die streitgegenständliche Befristung ist auch nicht wegen eines Sachgrundes gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG zulässig, da sich die Beklagte auf keinen Sachgrund beruft.
256. Die streitgegenständliche – sachgrundlose – Befristung ist auch nicht wegen § 14 Abs. 3 TzBfG zulässig. Die Beklagte hat bereits für den Zeitraum vom 01.09.2007 bis zum 29.02.2012 bei der Klägerin die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Beschäftigten über 52 Jahren nach vorheriger viermonatiger Beschäftigungslosigkeit in Anspruch genommen. Die erneute und damit mehrfache Inanspruchnahme der Befristungsmöglichkeit von § 14 Abs. 3 TzBfG ab dem 07.07.2012 und damit auch im Rahmen der streitgegenständlichen Befristungsabrede ist unzulässig.
26a) Zwar liegen die formalen Voraussetzungen von § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG vor. So war die Klägerin – sowohl bereits zu Beginn des letzten zusammenhängenden Befristungszeitraums ab dem 08.07.2012 als auch im Zeitpunkt des Beginns der streitgegenständlichen Befristungsabrede zum 08.01.2017 – jeweils älter als 52 Jahre. Vor dem erstgenannten Zeitpunkt war die Klägerin mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gewesen, nämlich ab dem 01.03.2012. Auch wurde mit der letzten Befristung auf Grund der Zusatzvereinbarung vom 28.12.2016 nicht die maximale Gesamtbeschäftigungsdauer von fünf Jahre überschritten, § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG. Ein etwaiges Vorbeschäftigungsverbot oder ein Verbot, die Regelung mehrfach durch denselben Arbeitgeber in Anspruch zu nehmen, lässt sich dem Wortlaut der Regelung nicht entnehmen.
27b) § 14 Abs. 3 TzBfG ist jedoch, soweit hiernach die mehrfache Inanspruchnahme durch denselben Arbeitgeber ermöglicht wird, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Die Regelung ist – unter Berücksichtigung der Ausführungen des BAG im Urteil vom 28. Mai 2014 (– 7 AZR 360/12, Rz. 10 ff., BAGE 148, 193 ff. = NZA 2015, 1131 ff.), die sich allerdings nur mit der erstmaligen Inanspruchnahme von § 14 Abs. 3 TzBfG befassen, weder mit der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 (Rahmenvereinbarung) noch mit der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) vereinbar. Die Regelung verstößt insofern gegen Unionsrecht.
28aa) § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG ist, soweit hiernach die mehrfache Inanspruchnahme der Befristungsmöglichkeit durch denselben Arbeitgeber ermöglicht wird, mit der Rahmenvereinbarung unvereinbar. Der Anwendungsbereich der Rahmenrichtlinie ist eröffnet, denn nach der Rechtsprechung des EuGH gilt § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung nur für wiederholte Befristungen (EuGH, Urteil vom 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 90, Slg. 2009, I-3071). Vorliegend ist die Klägerin bereits mehrfach aufgrund diverser Befristungen, die nicht nur auf § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG gestützt sind oder in denen es nicht nur gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG um die mehrfache Verlängerung eines nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG befristeten Vertrags ging, bei der Beklagten beschäftigt.
29Nach § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung ergreifen die Mitgliedstaaten, um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse zu vermeiden, unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:
30„a) sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;
31b) die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder -verhältnisse;
32c) die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse.“
33Sinn und Zweck des § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung gehen dahin, den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse, der als eine Quelle potenziellen Missbrauchs zu Lasten der Arbeitnehmer gesehen wird, einzugrenzen, indem eine Reihe von Mindestschutzbestimmungen vorgesehen wird, die die Prekarisierung der Lage der Beschäftigten verhindern sollen (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 64 f., Slg. 2006, I-6057; EuGH, Urteil vom 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 73, Slg. 2009, I-3071; EuGH, Urteil vom 26. Januar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 25; EuGH, Urteil vom 13. März 2014 - C-190/13 - [Márquez Samohano] Rn. 41). Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei § 14 Abs. 3 TzBfG für die Einführung einer Höchstbefristungsdauer und damit für ein in § 5 Nr. 1 Buchst. b der Rahmenvereinbarung ausdrücklich genanntes Merkmal entschieden. Der Zeitrahmen von fünf Jahren, innerhalb dessen nach § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrags zulässig ist, überschreitet zwar bei einmaliger Inanspruchnahme den dem nationalen Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraum nicht (BAG, Urteil vom 28. Mai 2014 – 7 AZR 360/12, Rz. 14, BAGE 148, 193 ff. = NZA 2015, 1131 ff.).
34Unvereinbar mit der Rahmenvereinbarung ist es allerdings, wenn § 14 Abs. 3 Sätze 1 und 2 TzBfG es ermöglichen würden, was nach dessen jedoch Wortlaut möglich ist, dass auch die wiederholte Anwendung zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien gestattet ist, sofern nur zwischen den mehrfachen Inanspruchnahmen jeweils eine Zeit der Beschäftigungslosigkeit von mindestens vier Monaten liegt. § 14 Abs. 3 TzBfG wäre in diesem Fall kein effektives Mittel zur Bekämpfung des Missbrauchs durch aufeinanderfolgende befristete Verträge. Vielmehr könnten Beschäftigte, die älter als 52 Jahre sind, in diesem Fall – je nach persönlicher Altersgrenze – bis zu 3 x 5 Jahre und mit einer Vielzahl von Verlängerungsabreden durch denselben Arbeitgeber beschäftigt werden, solange der jeweilige 5-Jahresezitraum nicht überschritten werden. Damit würde der Missbrauch befristeter Verträge nicht verhindert, sondern es würde gerade hierzu eingeladen werden. Es besteht die Gefahr, dass Arbeitnehmer über 52 Lebensjahren dauerhaft, nämlich bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung – abgesehen von zwischenzeitlichen Phasen einer mindestens viermonatigen Beschäftigungslosigkeit – von unbefristeten Arbeitsverhältnisses ausgenommen werden könnten, obwohl ein durchgehender Beschäftigungsbedarf bei demselben Arbeitgeber besteht.
35bb) § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG ist, soweit hiernach die mehrfache Inanspruchnahme der Befristungsmöglichkeit durch denselben Arbeitgeber ermöglicht wird, auch mit der Richtlinie 2000/78/EG unvereinbar. Die Regelung führt zu einer unionsrechtlich verbotenen Altersdiskriminierung.
36(1) Das TzBfG fällt in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Sein befristungsrechtlicher Teil dient der Umsetzung der Rahmenvereinbarung (BT-Drs. 14/4374 S. 1; vgl. auch BAG, Urteil vom 25. März 2009 –7 AZR 710/07, Rn. 19, BAGE 130, 146). Mit der ab 1. Mai 2007 geltenden Neufassung des § 14 Abs. 3 TzBfG sollen die „Vorgaben“ aus der Entscheidung des EuGH vom 22. November 2005 (- C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-9981) und „die anderen gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen“ beachtet werden (BT-Drs. 16/3793 S. 1 und 7).
37(2) § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG führt zu einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters. Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG liegt eine unmittelbare Diskriminierung iSd. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vor, „wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“. Das ist bei § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG der Fall. Da nach der Vorschrift bei Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, die kalendermäßige Befristung des Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von fünf Jahren für zulässig erklärt wird, erfahren diese Personen wegen ihres Alters eine weniger günstige Behandlung als andere, jüngere Personen, bei denen die kalendermäßige Befristung des Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nur bis zu einer Dauer von zwei Jahren zulässig ist. Dementsprechend hat der EuGH auch bereits zu § 14 Abs. 3 TzBfG in der ab dem 1. Januar 2003 geltenden Fassung, der bis zum 31. Dezember 2006 die Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung vorsah, wenn der Arbeitnehmer das 52. Lebensjahr vollendet hatte, ausdrücklich entschieden, dass dies eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung begründe (EuGH, Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 57, Slg. 2005, I-9981; nachfolgend BAG, Urteil vom 26. April 2006 - 7 AZR 500/04 - BAGE 118, 76; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - [Honeywell] BVerfGE 126, 286).
38(3) Die aus § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG folgende Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt, wenn es um die mehrfache und nicht nur einmalige Inanspruchnahme dieser Regelung und der damit verbundenen Befristungsmöglichkeiten zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien geht.
39(aa) Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG nennt Beispiele, in denen Ungleichbehandlungen gerechtfertigt sein können (EuGH, Urteil vom 18. November 2010 –C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 36, Slg. 2010, I-11869). Dazu gehört nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG auch „die Festlegung … besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen“.
40(aaa) Legitime Ziele im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sind – wobei die Aufzählung nicht abschließend ist – solche, die mit der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung in Zusammenhang stehen (EuGH, Urteil vom 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 80, Slg. 2011, I-8003).
41(bbb) Die zur Erreichung derartiger Ziele eingesetzten Mittel müssen „angemessen und erforderlich“ iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sein (EuGH, Urteil vom 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 49, Slg. 2010, I-11869). Dabei verfügen die Mitgliedstaaten nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Ermessensspielraum (EuGH, Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005, I-9981; EuGH, Urteil vom 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 50, aaO). Dieser Spielraum darf allerdings nicht dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird (EuGH, Urteil vom 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569). Die Prüfung, ob eine Altersgrenze dem Anliegen gerecht wird, die angeführten Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen, obliegt dem nationalen Gericht (EuGH, Urteil vom 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 56 mwN, aaO).
42(ccc) Mit der Frage, ob eine nationale Bestimmung, nach der ab einem bestimmten Lebensalter ohne Sachgrund befristete Arbeitsverträge ohne weitere Voraussetzungen unbegrenzt für zulässig erklärt werden, mit der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar ist, hat sich der EuGH im Urteil vom 22. November 2005 (- C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-9981) näher befasst (vgl. auch EuGH, Urteil vom 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 57 bis 59, Slg. 2010, I-11869). Er hat dabei zum einen festgestellt, dass die Legitimität des im Allgemeininteresse stehenden Ziels, die berufliche Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer zu fördern, weil diese erhebliche Schwierigkeiten haben, wieder einen Arbeitsplatz zu finden, außer Zweifel stehe (EuGH, Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 59, 60, aaO).
43Der EuGH hat aber auch betont, dass durch eine nationale Regelung, die ab einem bestimmten Lebensalter - damals war das, ebenso wie vorliegend, das vollendete 52. Lebensjahr - unterschiedslos den Abschluss befristeter, unbegrenzt häufig verlängerbarer Arbeitsverträge gestatte, eine große, ausschließlich nach dem Lebensalter definierte Gruppe von Arbeitnehmern während eines erheblichen Teils ihres Berufslebens Gefahr laufe, von festen Beschäftigungsverhältnissen ausgeschlossen zu sein, die doch, wie sich aus der Rahmenvereinbarung ergebe, einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes darstellten (EuGH, Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 64, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch EuGH, Urteil vom 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 59, Slg. 2010, I-11869). Er hat ferner ausgeführt, dass solche Vorschriften über das, was zur Erreichung des Ziels der beruflichen Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer angemessen und erforderlich ist, hinausgehen, sofern sie das Alter des Arbeitnehmers als einziges Kriterium für die Befristung des Arbeitsvertrags festlegen, ohne dass nachgewiesen wäre, dass die Festlegung einer Altersgrenze als solche unabhängig von anderen Erwägungen im Zusammenhang mit der Struktur des jeweiligen Arbeitsmarktes und der persönlichen Situation des Betroffenen zur Erreichung des Ziels objektiv erforderlich ist (EuGH, Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65, aaO; vgl. auch EuGH, Urteil vom 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 59, aaO); die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bedeute, dass bei Ausnahmen von einem Individualrecht die Erfordernisse des Gleichbehandlungsgrundsatzes so weit wie möglich mit denen des angestrebten Ziels in Einklang gebracht werden müssen (EuGH, Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65, aaO).
44(bb) Hiernach ist § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG, wenn demselben Arbeitgeber die mehrfache Inanspruchnahme ermöglicht wird, mit der Richtlinie 2000/78/EG unvereinbar (im Ergebnis ebenso ErfK/Müller-Glöge, 17. Aufl. 2017, § 14 TzBfG, Rz. 110b; Rz. 112b; Bader, NZA 2007, 713 [716]; KR/Lipke, 11. Aufl. 2016, § 14 TzBfG, Rz. 678 mwN; HaKo-KSchR/Mestwerdt, 5. Aufl. 2015, § 14 TzBfG, Rz. 239; HWK/Rennpferd, 7. Aufl. 2016, § 14 TzBfG, Rz. 126; APS/Backhaus, 5. Aufl. 2017, § 14 TzBfG, Rz. 435f; aA Schiefer/Köster/Korte, DB 2007, 1083; Grimm/Brock. ArbRB 2007, 157; Bayreuther, BB 2007, 1114).
45(aaa) Mit § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG verfolgt der deutsche Gesetzgeber zwar ein legitimes Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG. Die Regelung soll die Beschäftigungschancen älterer Arbeitsuchender verbessern und Anreize zu ihrer Einstellung schaffen. Sie soll „Unternehmen … ermutigen, mehr Ältere einzustellen“ (BT-Drs. 16/3793 S. 2) und ihnen „die Entscheidung zur Einstellung älterer Arbeitsuchender erleichtern“ (BT-Drs. 16/3793 S. 7). Zugleich verbindet der Gesetzgeber damit die Erwartung, eine befristete Einstellung könne „auch für Ältere eine Brücke zu einer dauerhaften Beschäftigung sein“ (BT-Drs. 16/3793 S. 7). Er sieht in der Zulassung befristeter Arbeitsverträge ein „Mittel der beruflichen Eingliederung in Abweichung vom Regelfall der unbefristeten Beschäftigung“ (BT-Drs. 16/3793 S. 8). Dieses Ziel, die berufliche Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer zu fördern, hat der EuGH ausdrücklich als legitim anerkannt (EuGH, Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 60, Slg. 2005, I-9981).
46(bbb) Die durch § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung der Arbeitsverträge älterer Arbeitnehmer ist allerdings im Falle der mehrfachen Anwendung der Regelung zwischen denselben Vertragspartnern kein angemessenes Mittel, um das vom Gesetzgeber verfolgte legitime beschäftigungspolitische Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. Die mit § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG verbundene Ungleichbehandlung älterer Arbeitnehmer erweist sich bei der mehrfachen Inanspruchnahme durch dieselben Vertragsparteien nicht mehr als „angemessen“. Unter Berücksichtigung des mit der Regelung verfolgten Ziels werden die älteren Arbeitnehmer in diesem Fall im Ergebnis unverhältnismäßig benachteiligt. Die mehrfache Inanspruchnahme der Befristungsmöglichkeit von § 14 Abs. 3 TzBfG würde im Ergebnis einen Sachgrund der Altersbefristung ermöglichen und es würde Arbeitnehmern über 52 Jahren sehr schwer gemacht, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, das immer noch den gesetzlichen Regelfall darstellt, zu erreichen. Es besteht somit die Gefahr, dass ältere Arbeitnehmer „während eines erheblichen Teils ihres Berufslebens … von festen Beschäftigungsverhältnissen ausgeschlossen“ werden. Letztlich könnte auch die persönliche Notlage älterer Beschäftigungssuchender bei mehrfacher Inanspruchnahme von § 14 Abs. 3 TzBfG durch denselben Arbeitgeber ausgenutzt werden, ohne dass es hierfür nachvollziehbare beschäftigungspolitische Argumente gibt.
47cc) Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV an den EuGH ist nicht veranlasst. Die vorliegend maßgeblichen unionsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der befristeten Beschäftigung älterer Arbeitnehmer sind im Sinne der acte-claire-Doktrin insbesondere durch die Entscheidungen des EuGH vom 22. November 2005 (- C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-9981) und vom 18. November 2010 (- C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Slg. 2010, I-11869) geklärt.
48c) Die sich aus der Unvereinbarkeit von § 14 Abs. 3 TzBfG, soweit hierdurch die mehrfache Inanspruchnahme der Befristungsmöglichkeit durch denselben Arbeitgeber ermöglicht würde, mit dem Unionsrecht ergebende Normkollision führt grundsätzlich nicht zur Unbeachtlichkeit der Vorschrift. Im Unterschied zu Normen des Primärrechts und Regelungen in EU-Verordnungen kommen Richtlinien keine unmittelbaren Wirkungen im Verhältnis zwischen Privaten zu. Sie wenden sich nach Art. 288 AEUV an die Mitgliedstaaten und verpflichten diese, die betreffenden Vorgaben im nationalen Recht umzusetzen. Damit wirken Richtlinien nicht direkt zwischen Bürgern. Richtlinienwidriges nationales Recht muss angewendet werden; das Unionsrecht enthält keinen Mechanismus, der es dem nationalen Gericht erlaubt, von einer Vorschrift einer nicht umgesetzten Richtlinie abweichende nationale Vorschriften zu eliminieren (vgl. EuGH, Urteil vom 26. September 1996 - C-168/95 - [Arcaro] Rn. 40, 43, Slg. 1996, I-4705). Korrektive der fehlenden unmittelbaren Wirkung von Richtlinien zwischen Rechtspersönlichkeiten des Privatrechts sind vielmehr die unionsrechtskonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung und Schadenersatzansprüche gegen den Mitgliedstaat (BAG, Urteil vom 17. November 2009 – 9 AZR 844/08, Rn. 23, BAGE 132, 247). Vorliegend kann die Normkollision aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts allerdings durch eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 14 Abs. 3 TzBfG beseitigt werden.
49aa) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH müssen die Gerichte bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auslegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2012 – C-282/10 – [Dominguez], Rn. 24 mwN, juris). Die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist dem System des AEU-Vertrags immanent, da den nationalen Gerichten dadurch ermöglicht wird, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, wenn sie über die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden (zur Umsetzungspflicht des Mitgliedstaats als Geltungsgrund für eine richtlinienkonforme Auslegung vgl. Höpfner in Anm. zu AP Nr. 65 zu § 11 BUrlG). Ermöglicht es das nationale Recht durch Anwendung seiner Auslegungsmethoden, eine innerstaatliche Bestimmung so auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm innerstaatlichen Rechts vermieden wird, sind die nationalen Gerichte verpflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn die nationalen Gerichte die Reichweite der innerstaatlichen Bestimmung zu diesem Zweck einschränken müssen (BAG, Urteil vom 7. August 2012 – 9 AZR 353/10, Rn. 30, juris; BAG, Urteil vom 17. November 2009 – 9 AZR 844/08, Rn. 25 mwN zur Rspr. des EuGH, BAGE 132, 247 [255]). Allerdings unterliegt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts Schranken. Die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege findet ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG, Urteil vom 26. September 2011 – 2 BvR 2216/06 ua., Rn. 47, NJW 2012, 669 [670 f.]; BAG, Urteil vom 7. August 2012 – 9 AZR 353/10, Rn. 31, juris). Sie darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2012 – C-282/10 ‑ [Dominguez], Rn. 25 mwN, juris; BAG, Urteil vom 17. November 2009 – 9 AZR 844/08, Rn. 26, BAGE 132, 247 [255]). Ob und inwieweit das innerstaatliche Recht eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulässt, können nur die innerstaatlichen Gerichte beurteilen (BVerfG 26. September 2011 – 2 BvR 2216/06 ua., Rn. 47 f., NJW 2012, 669 [670 f.]).
50bb) Hieran gemessen schließt sich die erkennende Kammer nach eigener Prüfung der Auslegung von § 14 Abs. 3 TzBfG durch den 7. Senat des BAG (BAG, Urteil vom 28. Mai 2014 – 7 AZR 360/12, BAGE 148, 193 ff. = NZA 2015, 1131 ff.) dahingehend an, dass § 14 Abs. 3 TzBfG einschränkend auszulegen ist, so dass hiernach lediglich die erstmalige, nicht aber die mehrfache Inanspruchnahme durch denselben Arbeitgeber zulässig ist (so auch APS/Backhaus, 5. Aufl. 2017, § 14 TzBfG, Rz. 435f; Bader, NZA 2007, 713 [716]; Mohr, Anm. zu AP Nr. 135 zu § 14 TzBfG). Mit einer derartigen Auslegung wird der Wortlaut von § 14 Abs. 3 TzBfG nicht überschritten und dem Willen des Gesetzgebers, die sachgrundlose Beschäftigung älterer Arbeitsloser zu ermöglichen, wird in dem mit dem Unionsrecht zulässigen Maße ermöglicht.
51c) Angesichts der vorstehenden unionsrechtskonformen Auslegung kann es dahinstehen, ob § 14 Abs. 3 TzBfG, soweit hiernach die mehrfache Inanspruchnahme der Befristungsregelung durch denselben Arbeitgeber ermöglicht wird, in Einklang mit dem Grundgesetz steht und ob ggfls. eine verfassungskonforme Auslegung in dem og. Sinne vorgenommen werden könnte. Die Kammer schließt sich unter Berücksichtigung der vorzunehmenden unionsrechtskonformen Auslegung von § 14 Abs. 3 TzBfG durch den 7. Senat des BAG an, wonach jedenfalls die erstmalige Inanspruchnahme durch denselben Arbeitgeber keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. § 14 Abs. 3 TzBfG ist in dieser Auslegung insoweit sowohl mit Art. 12 Abs. 1 GG als auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen des 7. Senats des BAG hingewiesen (BAG, Urteil vom 28. Mai 2014 – 7 AZR 360/12, Rz. 38 ff., BAGE 148, 193 ff. = NZA 2015, 1131 ff.).
527. Da zugunsten der Beklagten keine gesetzliche zugelassene Befristungsmöglichkeit nach dem TzBfG eingreift, ist die streitgegenständliche Befristungsabrede vom 28.12.2016 unwirksam, so dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht (§ 16 Satz 1 TzBfG). Auf einen etwaigen institutionellen Rechtsmissbrauch iSv. § 242 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 29. April 2015 – 7 AZR 310/13, Rn. 24 mwN., NZA 2015, 928 ff.) seitens der Beklagten durch die Inanspruchnahme zulässiger Befristungsregelungen kommt es daher nicht – mehr – an.
53II. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte , da sie unterlegen ist, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 91 Abs. 1 ZPO.
54III. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Der Wert des Streitgegenstandes ist vorliegend auf 1.985,- Euro festzusetzen. Dies entspricht drei durchschnittlichen Bruttomonatsgehältern für den Befristungskontrollantrag.
55IV. Die Berufung wird vorliegend gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zugelassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gemäß §§ 64 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 2 lit. a.) ArbGG zukommt, denn bislang ist – soweit ersichtlich – die Frage noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob die mehrfache Inanspruchnahme des sachgrundlosen 5-jährigen Befristungshöchstzeitraums durch denselben Arbeitgeber mit Unionsrecht und dem Grundgesetz vereinbar ist. Die ohnehin gegebene Zulässigkeit der Berufung gemäß § 64 Abs. 2 lit. c.) ArbGG bleibt hiervon unberührt. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ist in den Urteilstenor aufzunehmen (§ 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG). Die Sprungrevision gem. § 76 ArbGG war – trotz gerichtlicher Anregung – nicht zuzulassen, da die Beklagte ihr Einverständnis hierzu nicht schriftlich erklärt hat.
56V. Eine Rechtsmittelbelehrung findet sich auf der nächsten Seite.