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1. Der Beklagten wird aufgegeben, die …………………..aufzuheben und bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,- nicht mit einer anderen Bewerberin bzw. einem anderen Bewerber als der Klägerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens zu besetzen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf EUR 3.333,33 festgesetzt.
Tatbestand
2Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) begehrt Konkurrentenschutz im Wege der einstweiligen Verfügung.
3Die Klägerin ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50 und war seit dem 26.04.2013 bei der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) zunächst befristet bis zum 31.12.2013, und dann nochmals verlängert bis zum 31.05.2015 als …………….. in ……… beschäftigt.
4Seit dem 22.08.2014 galt für die Klägerin ein ärztliches Beschäftigungsverbot aufgrund Schwangerschaft. Am 13.03.2015 brachte die Klägerin ihr zweites Kind zur Welt. Am 01.04.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten für die Zeit vom 01.06.2015 bis zum 01.04.2016 Elternzeit, „sollte der Vertrag verlängert werden“ (Bl. 35 d.A.). Zu einer Verlängerung des Vertrags kam es nicht.
5Während ihrer Beschäftigung erhielt die Klägerin durchwegs sehr gute Leistungsbeurteilungen. Auf das Zwischenzeugnis vom 31.07.2014 (Bl. 32 d.A.) und das Endzeugnis vom 31.05.2015 (Bl. 34 d.A.) wird Bezug genommen.
6Im Mai 2015 schrieb die Beklagte die von der Klägerin noch bis zum 31.05.2015 besetzte Stelle erneut aus. Auf die Stellenausschreibung (Bl. 39 d.A.) wird Bezug genommen. Die Klägerin bewarb sich am 25.05.2015 auf die ausgeschriebene Stelle.
7Mit Wirkung vom 01.07.2015 übernahm die Beklagte …………… in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis und übertrug ihr die ausgeschriebene Stelle zum selben Zeitpunkt (Bl. 120 f. d.A.).
8Mit Schreiben vom 04.08.2015 (Bl. 45 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie sich für eine andere Bewerberin entschieden habe. Weitere Angaben zur Person oder Qualifikation der anderen Bewerberin erfolgten nicht.
9Die Klägerin bezweifelt die ordnungsgemäße Durchführung des Auswahlverfahrens, da eine Auskunft über die Ablehnungsentscheidung durch die Beklagte nicht erfolgte. Sie selbst erfülle sämtliche Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle, insbesondere, da sie die ausgeschriebene Stelle unstreitig nunmehr bereits seit rund zwei Jahren innegehabt und ihre Tätigkeit überdurchschnittlich gut bewertet worden sei. Im Übrigen rügt sie das Auswahlverfahren insoweit, als sie von ihrer Ablehnung und der Stellenbesetzung erst erfahren habe, als diese bereits vollzogen worden sei. Auch hätte man ihr die Entscheidungsgrundlagen der Ablehnung mitteilen müssen.
10Mit Schreiben vom 19.08.2015, bei Gericht am selben Tage eingegangen, hat die Klägerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel der einstweiligen Untersagung der Stellenbesetzung anhängig gemacht. Nach Klarstellung des Antrags im Kammertermin am 04.09.2015
11beantragt die Klägerin:
12Der Beklagten wird aufgegeben, die………………., Stellenausschreibung ……, Besoldungsgruppe ……, Tätigkeitsebene ……., in …… aufzuheben und bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,- nicht mit einer anderen Bewerberin bzw. einem anderen Bewerber als der Klägerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens zu besetzen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie ist der Ansicht, dass die Klägerin im einstweiligen Verfügungsverfahren keinen Erfolg haben könne, da sie, die Beklagte, die fragliche Stelle bereits zuvor dauerhaft besetzt habe. Im Rahmen des Auswahlverfahrens seien vier Bewerber/innen – unter ihnen die Klägerin – zu Auswahlgesprächen eingeladen worden. Im Ergebnis der Auswahlgespräche sei die Antragstellerin nicht als die bestgeeignetste Bewerberin einzuordnen gewesen. Näheres zum Auswahlverfahren solle erst im Hauptsacheverfahren dargelegt werden.
16Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
17Entscheidungsgründe
18Die zulässige Klage ist begründet.
19I.
20Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung entsprechend des § 62 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 935, 940 ZPO ist das Vorliegen eines Verfügungsanspruches, also eines materiell-rechtlichen Anspruches in der Sache, sowie eines Verfügungsgrundes, d.h. eines besonderen Bedürfnisses für die Eilbedürftigkeit der Sache.
211.
22Die Klägerin hat nach Auffassung der erkennenden Kammer im Rahmen der im einstweiligen Verfügungsverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung hinreichend glaubhaft gemacht, dass das Auswahlverfahren fehlerhaft war und ein Anspruch auf Wiederholung besteht. Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.
23a.
24Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG gilt, dass jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat. Öffentliche Ämter im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche, die von Arbeitnehmern besetzt werden können. Art. 33 Abs. 2 GG begründet ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessenfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl sowie ein subjektives Recht eines jeden Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren (vgl. nur BAG, Urt. v. 06.05.2014 – 9 AZR 724/12).
25Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgt hierbei, dass einem abgelehnten Bewerber die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle der Auswahlentscheidung offensteht. Dem öffentlichen Arbeitgeber steht jedoch bei der Anwendung des Art. 33 Abs. 2 GG ein verfassungsrechtlich gewährter Beurteilungsspielraum zu. Die Auswahlentscheidung unterliegt daher nur beschränkt einer gerichtlichen Kontrolle. Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe der Gerichte, den am besten geeigneten Bewerber zu ermitteln. Eine solche Auswahlentscheidung steht vielmehr dem öffentlichen Arbeitgeber und den für ihn handelnden Organen zu. Diesen obliegt es festzustellen, ob ein Bewerber über die notwendigen fachlichen Leistungen, Befähigungen und die notwendige Eignung verfügt. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich hierbei darauf, ob der öffentliche Arbeitgeber diesen gesetzlichen Rahmen beachtet hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertungsmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (vgl. LAG Nürnberg, Urt. v. 06.12.2005 – 7 Sa 192/05, Rn. 43; zitiert nach juris).
26Da der abgelehnte Bewerber nicht in der Lage ist, die entscheidungserheblichen Tatsachen selbst vorzutragen, hat er einen Auskunftsanspruch gegen die Behörde über Namen und Qualifikation des Mitbewerbers gemäß Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG bzw. § 242 BGB (vgl. BAG, Urt. v. 28.05.2002 – 9 AZR 751/00). Dem unterlegenen Bewerber ist binnen einer Frist von zwei bis vier Wochen vor der Stellenbesetzung mitzuteilen, aufgrund welcher Umstände die Wahl nicht auf ihn gefallen ist (Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 3. Aufl., 2015, I Rn. 292 jeweils m.w.Nachw.). Die Problemlage ist im Grunde die gleiche wie bei der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung. Auch dort hat die Rechtsprechung eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast für den Fall entwickelt, dass der Arbeitnehmer keine Kenntnis von den Gründen hat, die den Arbeitgeber zu der getroffenen sozialen Auswahl bewogen haben (vgl. BAG, Urt. v. 24.03.1983 – 2 AZR 21/82; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 3. Aufl., 2015, I Rn. 305). Kommt der Arbeitgeber dieser Darlegungslast nicht nach und gibt er keine oder keine vollständige Auskunft über seine subjektiven Erwägungen betreffend die soziale Auswahl, dann kann der Arbeitnehmer seiner Substantiierungspflicht nicht genügen. In diesem Fall ist der der fehlenden Kenntnis des Arbeitnehmers entsprechende Vortrag, es seien sozial stärkere Arbeitnehmer als er vorhanden, schlüssig und ausreichend. Der Vortrag, der Arbeitgeber habe soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend beachtet, ist zugleich unstreitig, wenn der Arbeitgeber bei seiner die Auskunft verweigernden Haltung verbleibt, denn er hat damit nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht hinreichend bestritten (LAG Thüringen, Urt. v. 13.01.1997 – 8 Sa 232/96). Folglich hat der öffentliche Arbeitgeber im Konkurrentenschutzverfahren konkret zum Auswahlverfahren und den Auswahlgründen vorzutragen und sein Vorbringen glaubhaft zu machen. Geschieht dies nicht, ist der Vortrag des Bewerbers, die Durchführung des Verfahrens sei fehlerhaft gewesen, als zutreffend zu unterstellen.
27b.
28Die Beklagte ist der soeben skizzierten Darlegungslast – auf die bereits die Klägerin in ihrer Antragsschrift hingewiesen hat –nicht nachgekommen. Sie hat vielmehr erst eine Darlegung im Hauptsacheverfahren in Aussicht gestellt. Inwiefern ………. geeigneter, leistungsstärker oder befähigter als die Klägerin im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG sein soll, konnte die Kammer aufgrund des Beklagtenvortrags nicht erkennen.
29c.
30Die bereits erfolgte Besetzung der fraglichen Stelle steht dem vorliegend nicht entgegen.
31aa.
32Grundsätzlich setzt der Anspruch auf Zugang zu einem öffentlichen Amt eine freie Stelle voraus. Art. 33 Abs. 2 GG verpflichtet den Arbeitgeber nicht, ein Amt mehrfach zu vergeben. Daher erledigt sich eine Konkurrentenklage grundsätzlich mit der endgültigen Übertragung des Amts auf den Mitbewerber, dem unterlegenen Bewerber stehen allenfalls Schadensersatzansprüche zu (vgl. BAG, Urt. v. 18.09.2007 – 9 AZR 672/06, m.w.Nachw.). Danach wäre der Anspruch der Klägerin mit der Stellenbesetzung durch ………. am 01.07.2015 erschöpft.
33bb.
34Anderes gilt aber entsprechend der soeben zitierten Rechtsprechung, wenn der öffentliche Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf effektiven Rechtsschutz vereitelt.
35(1)
36Die Gerichte müssen das Verfahrensrecht in einer Weise auslegen und anwenden, die dem Gebot effektiven Rechtsschutzes genügt. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch eine tatsächliche und wirksame gerichtliche Kontrolle. Mit diesen Vorgaben aus Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG ist die Annahme unvereinbar, der Bewerbungsverfahrensanspruch gehe auch dann unter, wenn der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber unter Verstoß gegen eine den Anspruch sichernde einstweilige Verfügung einen Konkurrenten einstellt oder befördert. Denn Art. 33 Abs. 2 GG iVm. Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 20 Abs. 3 GG verbieten dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber, durch Schaffung vollendeter Tatsachen statusverändernde Maßnahmen zu treffen. Der Betroffene hat einen Anspruch auf Wiederherstellung. Nach den Rechtsgedanken aus § 162 Abs. 2 BGB sowie §§ 135, 136 BGB kann der Dienstherr einem zu Unrecht übergangenen Bewerber nicht mit Erfolg entgegenhalten, er könne dessen Bewerbungsverfahrensanspruch nicht mehr erfüllen, weil die Stelle schon besetzt sei. Der Betroffene kann vielmehr verlangen, verfahrensrechtlich und materiellrechtlich so gestellt zu werden, als sei die einstweilige Verfügung beachtet und das Bewerbungsverfahren noch nicht beendet worden (BAG, a.a.O., m.w.Nachw.).
37(2)
38Die gleichen Erwägungen gelten, wenn der Arbeitgeber es – wie im vorliegenden Fall – entgegen seiner Auskunftsverpflichtung bereits unterlässt, den unterlegenen Arbeitnehmer vor der Einstellung des ausgewählten Bewerbers über diesen Ausgang des Verfahrens zu informieren, damit vollendete Tatsachen schafft und dem Arbeitnehmer somit die Möglichkeit des effektiven Rechtsschutzes abschneidet (ebenso LAG Niedersachsen, Urt. v. 08.11.2004 – 5 Sa 576/04).
39c.
40Folglich kann die Klägerin im Rahmen des soeben skizzierten Wiederherstellungsanspruchs verlangen, dass die Beklagte denjenigen Zustand wieder herstellt, der bestehen würde, wenn sie die Klägerin rechtzeitig über ihr Unterliegen im Bewerbungsverfahren unterrichtet hätte. Dann hätte sie vor der Besetzung einstweiligen Rechtsschutz erwirken können und die Stelle wäre erst gar nicht besetzt worden, so dass die Klägerin einerseits die Aufhebung der Besetzung verlangen kann. Andererseits kann sie verlangen, dass bis zur Klärung der Frage, ob das Bewerbungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde, die Stelle nicht neu besetzt wird.
412.
42Auch ein Verfügungsgrund ist gegeben. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin ist durch die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle durch …….. unmittelbar gefährdet. Denn durch die Besetzung der Stelle mit ……….hat diese die Möglichkeit, einen Erfahrungsvorsprung gegenüber der Klägerin zu erwerben, der ihr bei einem eventuell nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens durchzuführenden neuen Bewerbungsverfahren zugutekommen könnte. Das Abwarten des Hauptsacheverfahrens kann daher nicht abgewartet werden.
433.
44Die Androhung des Ordnungsgelds hat ihre rechtliche Grundlage in § 890 Abs. 1 ZPO. Jene kann bereits im gegebenenfalls zu vollstreckenden Titel selbst erfolgen (vgl. Stöber, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., 2014, § 890 Rn. 12 a).
45II.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 495, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
47III.
48Der Wert des Streitgegenstands war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Die Kammer hat ihn auf 2/3 des Hilfsstreitwerts gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 RVG festgesetzt (vgl. Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 3. Aufl., 2015, I Rn. 317).