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1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird auf 14.400,-- € festgesetzt.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Klauseln in einer Vorruhestandsvereinbarung.
3Zum 01.08.1986 trat der Kläger in die Dienste der …., der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Seit 2003 war für die …. auf Projektbasis in Korea tätig. Anfang 2009 beschloss die …., die Repräsentanz in Korea zu schließen.
4Am 29.07.2009 schloss sie mit dem Kläger eine Vorruhestandsvereinbarung (Bl. 17 bis 21 d.A.). Gemäß § 1 der Vorruhestandsvereinbarung endete das Arbeitsverhältnis der Parteien im gegenseitigen Einvernehmen am 31.10.2010. Ab diesem Zeitpunkt erhielt der Kläger gemäß § 2 der Vorruhestandsvereinbarung ein monatliches Vorruhestandsgeld in Höhe von 80 % seines Bruttoarbeitsentgelts, was einem ausgezahlten Betrag in Höhe von 5.402,00 € brutto entsprechen sollte. Gemäß § 4 der Vorruhestandsvereinbarung endet der Vorruhestand zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger erstmals eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer mit ihr vergleichbare Leistung in Anspruch nehmen kann, spätestens am 31.10.2018. Ferner heißt es in der Vorruhestandsvereinbarung:
5"§ 5
6Ruhen und Erlöschen der Ansprüche
7Abs. 1: Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld und sonstige Leistungen nach der Vorruhestandsrahmenregelung ruht während der Zeit, während der der Mitarbeiter eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit ausübt, die die Geringfügigkeitsgrenze von § 8 SGB IV überschreitet.
8Abs. 2: Die Ansprüche erlöschen, wenn die Ansprüche nach Abs. 1 mindestens 150 Tage geruht haben. Mehrere Ruhezeiträume sind zusammenzurechnen.
9(…)
10§ 7
11Mitarbeiterpflichten während der Dauer des Vorruhestandes
12Abs. 1: Der Mitarbeiter ist verpflichtet, der Gesellschaft Umstände, die zur Änderung oder zum Wegfall der Anspruchsvoraussetzung führen oder Einfluss auf die Höhe des Vorruhestandsgeldes haben (z. B. Bezug von Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Renten), unverzüglich mitzuteilen und die entsprechenden Nachweise hierüber zu erbringen. Insbesondere hat er die Gesellschaft zu informieren, wenn er
13- vorzeitige Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, ähnliche Bezüge öffentlich‑rechtlicher Art, vergleichbare Leistungen einer Versicherungs‑ oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens oder Knappschaftsausgleichsleistungen beanspruchen kann oder erhält;
14- Beschäftigungen oder selbstständige Tätigkeiten ausübt, die die Geringfügigkeitsgrenzen des § 8 SGB IV übersteigen;
15(…)"
16Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 13.05.2011 (Bl. 28/29 d.A.) wandte sich der Kläger an die Beklagte und bat darum, die §§ 5 Abs. 1 und 2 und § 7 der Vorruhestandsvereinbarung ersatzlos zu streichen, da er durch diese Klauseln in seiner beruflichen Fortentwicklung erheblich eingeschränkt sei.
17Mit weiterem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01.07.2011 (Bl. 30/31 d.A.) erklärte der Kläger die Anfechtung der Vorruhestandsvereinbarung. In diesem Schreiben vertrat er die Auffassung, dass die fraglichen Klauseln sittenwidrig seien und eine unangemessene Benachteiligung darstellen würden. Mit seiner am 02.08.2011 bei dem Arbeitsgericht Köln eingereichten Klage begehrt der Kläger die Streichung der fraglichen Passagen. Er behauptet, die Vertreter der Beklagten hätten ihm wahrheitswidrig mitgeteilt, dass die besagten Klauseln unabdingbar seien. Dies sei jedoch nicht der Fall. So habe die Beklagte in den Fällen der Mitarbeiter …., …. und …. auf die Bestimmungen nicht bestanden. Erst später habe er erfahren, dass es dieser Bestimmung nicht bedurft hätte. Hätte er bei Unterzeichnung der Vorruhestandsvereinbarung gewusst, dass die Klauseln nicht zwingend vorgeschrieben seien, hätte er sich mit ihr nicht einverstanden erklärt. Dies stelle zugleich einen Wegfall der Geschäftsgrundlage dar, so dass der Vertrag gemäß § 313 BGB entsprechend anzupassen sei.
18Der Kläger beantragt,
191. festzustellen, dass der § 5 Abs. 1 und 2 und § 7 Abs. 1.2 der Vorruhestandsvereinbarung zwischen der DKV Deutsche Krankenversicherung AG und ihm vom 29.07.2009 unwirksam sind;
202. die Beklagte zu verurteilen, die Vorruhestandsvereinbarung zwischen der ….und ihm vom 29.07.2009 dahingehend anzupassen, dass der § 5 Abs. 1 und 2 und § 7 Abs. 1.2 ersatzlos gestrichen werden.
21Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Sie hält den Feststellungsantrag für unzulässig, da der Kläger sein Ziel allein mit dem Antrag zu 2. erreichen könne. Jedenfalls sei die Klage unbegründet, da eine Vorruhestandsregelung zwingend voraussetze, dass der Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben scheide. Bei Erklärung der Anfechtung sei die gesetzliche Jahresfrist bereits abgelaufen gewesen. Der Kläger sei mit den Mitarbeitern …., …. und …. nicht vergleichbar. Herr …. sei Außendienstmitarbeiter gewesen und habe lediglich seinen Bestand weitergeführt. Herr …. habe eine Altersteilzeit‑ und keine Vorruhestandsvereinbarung geschlossen. Herr …. sei nicht für die …. tätig gewesen, sondern für die Geschäftsführung der …. Branch in Großbritannien tätig gewesen.
24Wegen der näheren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte Bezug genommen.
Die - mit dem Antrag zu 1. gemäß § 256 Abs. 2 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG als Zwischenfeststellungsklage - zulässige Klage ist unbegründet. Weder sind § 5 Abs. 1 und 2, § 7 Abs. 1.2 der Vorruhestandsvereinbarung vom 29.07.2009 unwirksam, noch sind sie ersatzlos zu streichen.
261. Die vom Kläger beanstandeten Bestimmungen sind nicht gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist dabei im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Beides ist hier nicht der Fall. Die Vorruhestandsvereinbarung der Parteien enthält in den beanstandeten Klauseln Regelungen, die nach dem gesetzlichen Leitbild für eine Vorruhestandsregelung notwendig sind. Obgleich das Vorruhestandsgesetz dies im Wortlaut nicht ausdrücklich verlangt, setzt die Zahlung eines Vorruhestandsgeldes zwingend voraus, dass der Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist. Nur dieser Umstand begründet eine besondere Schutzbedürftigkeit mit dem Erfordernis einer Pflichtversicherung in der Kranken‑ und Rentenversicherung. Eine weitere Erwerbstätigkeit des ausscheidenden Arbeitnehmers würde den Charakter einer arbeitgeberseitigen Leistung als Vorruhestandsgeld nehmen. Nur die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung oder einer geringfügigen selbstständigen Tätigkeit im Sinne des § 8 SGB IV wäre insoweit unschädlich. Dies entspricht sowohl der Rechtsprechung (BSG vom 24.09.2008 - 12 R 10/07 -, Juris), als auch der Auffassung der Spitzenverbände der DKV (1/93, Top 1). Zwar war und ist der Kläger weder in der gesetzlichen Krankenversicherung noch in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Dies spielt für die Frage der Unwirksamkeit nach § 307 BGB jedoch keine Rolle. Denn maßgeblich ist insoweit nur, dass die Vereinbarung der Parteien keine mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbare Bestimmung darstellt.
272. Die Beklagte ist nicht gemäß § 313 BGB zur Anpassung der Vorruhestandsvereinbarung verpflichtet. Nach § 313 BGB kann die Anpassung eines Vertrages verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder nur mit anderem Inhalt geschlossen hätten, hätten sie die Veränderung vorausgesehen. Voraussetzung ist ferner, dass einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Die Voraussetzungen des § 313 BGB liegen hier schon deswegen nicht vor, da nach dem Vertragsschluss keine Änderung der zu Grunde liegenden Umstände eingetreten ist. Wie der Kläger selbst ausführt, hatte schon bei Abschluss der Vorruhestandsregelung die Möglichkeit bestanden, auf die entsprechenden Klauseln zu verzichten. Bereits nach seinem eigenen Vortrag ist somit nicht von einer nachträglichen Störung der Geschäftsgrundlage auszugehen.
283. Dass der Kläger die Vorruhestandsvereinbarung gemäß §§ 119, 123 BGB angefochten hat, kann ebenfalls nicht zum Erfolg der Klage führen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen eines Inhalts-, oder Erklärungsirrtums oder einer arglistigen Täuschung vorgelegen haben. Denn eine berechtigte Anfechtung führt gemäß § 142 Abs. 1 BGB dazu, dass das anfechtbare Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Zwar wäre gemäß § 139 BGB nicht der gesamte Vertrag nichtig, wenn anzunehmen wäre, dass er auch ohne den nichtigen Teil, also ohne die beanstandeten Klauseln, abgeschlossen worden wäre. Hiervon ist jedoch nicht auszugehen, da sich die Beklagte nach wie vor auf die entsprechenden vertraglichen Bestimmungen beruft. Insoweit kann ihr auch nicht der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs gemacht werden, da sie im Hinblick auf das von ihr gezahlte Vorruhestandsgeld nach Auffassung der Kammer ein berechtigtes Interesse daran hat, dass der Kläger keine anderen Erwerbstätigkeiten nachgeht. Sie ist nicht gehalten, dem Kläger eine doppelte Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.
294. Schließlich kann sich der Kläger nicht auf den Grundsatz der Gleichbehandlung berufen. Dieser Grundsatz ist nur dann anwendbar, wenn der Arbeitgeber nach allgemeinen Kriterien Leistungen gewährt. Dies ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Der Vortrag des Klägers, dass die entsprechenden Mitarbeiter mit ihm vergleichbar seien, ist zu pauschal. Auch hat der Kläger nicht im Einzelnen vorgetragen, wie deren Vereinbarungen mit der Beklagten aussehen.
30Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 ArbGG.
31Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG in Anlehnung an § 42 Abs. 2 GKG, wobei die Kammer den Dreijahresbetrag des möglichen Hinzuverdienstes zu Grunde gelegt hat.