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1. Eine Arbeitnehmervereinigung ist nicht gegnerunabhängig, wenn ihr Vorstand überwiegend aus Leitungspersonal des sozialen Gegenspielers besteht.
2. Eine Arbeitnehmervereinigung ist nicht gegnerunabhängig, wenn sie finanzielle Zuwendungen der Arbeitgeber erhält, die in erheblichem Umfang das anzunehmende Einkommen an Mitgliedsbeiträgen übersteigen.
3. Eine Arbeitnehmervereinigung, die zwei im wesentlichen gleichlautende Tarifverträge über Mindestlohn abschließt und damit das bereits durch einen anderen Branchentarifvertrag vorgegebene Mindestlohnniveau in erheblicher Weise und ohne erkennbare anderweitige Kompensation unterschreitet, kann durch diese Tarifabschlüsse nicht ihre soziale Mächtigkeit belegen.
4. Ein Antrag nach § 97 ArbGG kann abhängig von seiner Formulierung sowohl eine gegenwartsbezogene als auch eine vergangenheitsbezogene Feststellung der Tariffähigkeit einer Vereinigung zum Gegenstand haben.
Es wird festgestellt, dass die Gewerkschaft der keine tariffähige Gewerkschaft ist.
2. Es wird festgestellt, dass die Gewerkschaft der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen für Mehrwertbriefdienstleistungen mit dem Arbeitgeberverband der und des Tarifvertrags
im Dezember 2007 keine tariffähige Gewerkschaft war.
G r ü n d e : I. Die Beteiligten streiten über die Tariffähigkeit der " ". Antragstellerin ist die zu 1) beteiligte . Sie beansprucht nach ihrer Satzung bundesweit die Interessenvertretung ihrer derzeit ca. 2,3 Millionen Mitglieder, insbesondere durch den Abschluss und die Durchsetzung von Tarifverträgen, ua. in dem Organisationsbereich . Dieser umfasst nach Ziffer 1.1 des Anhangs ihrer Satzung auch Betriebe, Unternehmen, Konzerne und Einrichtungen, deren hauptsächliche Betätigung sich auf Bereiche erstreckt, die herkömmlich zu den Aufgaben der ehemaligen oder deren Teilunternehmen gehören oder gehörten. Die Antragstellerin schloss am 29. November 2007 mit dem Arbeitgeberverband - 3 -
2einen "Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne in der Branche (TV Mindestlohn)", der sich auf "alle Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern", erstreckt. Er sieht einen Mindestbruttolohn von EUR 9,00 in den neuen und von EUR 9,80 pro Stunde in den alten Bundesländern für die Briefzustellung vor. Durch die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene und auf der Grundlage des § 1 Abs. 3a AEntG erlassene Verordnung des zu 5) beteiligten Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 (BriefArbbV) finden die Normen dieses Tarifvertrags auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung, die unter seinen Geltungsbereich fallen. Diese Rechtsverordnung ist Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens OVG Berlin-Brandenburg, VG 1 B 13/08 (VG Berlin 4 A 439/07). Einen mit dem TV Mindestlohn gleichlautenden Tarifvertrag schloss der mit der aus der und der zu 7) beteiligten bestehenden Tarifgemeinschaft. Die zu 2) beteiligte wurde laut Pressemitteilung vom 12. Oktober 2007 ( ) am 8. Oktober 2007 gegründet. Nach § 2.1 ihrer Satzung besteht der Zweck der in dem Zusammenschluss des Personals der privaten Brief- und Zeitungszusteller im Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. § 2.4 ihrer Satzung lautet auszugsweise wie folgt: "Die wesentlichen Ziele der sind die Mitwirkung am Wohl der privaten Brief- und Zeitungszustellunternehmen sowie die Wahrung und Verfolgung der berufspolitischen und tariflichen Interessen ihrer ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder. Die Ziele sollen insbesondere erreicht werden durch: - 4 -
32.4.1. Einwirkung auf die Gesetzgebung, im Besonderen in den Bereichen der Ausbildung und Einsatzbedingungen von privaten Brief- und Zeitungszustellern betreffenden Regelungen, 2.4.2. Mitbestimmung bei der Gestaltung der Arbeits- und Gehaltsbedingungen, insbesondere durch den Abschluss von Tarifverträgen in allen Betrieben der privaten Brief- und Zeitungszustellung unter Anwendung der zur Verfügung stehenden Mittel, ( )". Gemäß § 2.5 ihrer Satzung ist sie "befugt, Tarifverträge abzuschließen und bildet hierzu eigene Tarifkommissionen", wobei das Nähere Ordnungen und Richtlinien regeln sollen, die durch den Vorstand beschlossen werden. Auf den übrigen Inhalt der Satzung wird Bezug genommen. In dem die Wirksamkeit der BriefArbbV betreffenden Verfahren vor dem VG Berlin/OVG Berlin-Brandenburg, in dem sie Beigeladene ist, gab die an, rund 1300 Mitglieder zu haben. Angaben auf ihrer Internetseite zufolge betragen die Beiträge für Mitglieder, deren Bruttoverdienst mehr als EUR 410,- monatlich beträgt, 0,5 % des regelmäßigen monatlichen Bruttoverdienstes. Alle weiteren ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder haben EUR 1,50 monatlich zu zahlen. Ihr vormaliger geschäftsführender Vorstand war in der Geschäftsleitung des und ist von Beruf Unternehmens- und Steuerberater. Ihr Vorstandsmitglied ist Leiter der Abteilung Qualitäts- und Bildungsmanagement, ihr Vorstandsmitglied ist Abteilungsleiter Qualitätssicherung bei der . Das Vorstandsmitglied ist Leiter des Schulungs-Depots City, das Vorstandsmitglied ist Leiter des Depots desselben Unternehmens. Das Vorstandsmitglied ist Bürokraft in diesem Unternehmen. - 5 -
4Mit Schreiben vom 17. Oktober 2007 informierte der Leiter des Depots München der die Mitarbeiter über die Gründung der . In dem Schreiben heißt es ua.: "Wir möchten Sie bitten, durch Ihren Beitritt bei der Gewerkschaft Ihren Einfluss als Arbeitnehmer auf den neuen Tarifvertrag zu nehmen. Der monatliche Gewerkschaftsbeitrag beträgt max. 0,5% eines Monatsgehalts. Die Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft können Sie jederzeit kündigen. ( ) Das Antragsformular für einen Gewerkschaftsbeitritt liegt bei Ihrem Depotleiter vor." Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 informierte die ihre Mitarbeiter und den Betriebsrat über die Gründung der . Das Schreiben hat auszugsweise folgenden Inhalt:
5"( ) wir möchten Sie darüber informieren, dass im Zuge der geführten Mindestlohndebatte und des Vorgehens der die Newcomer am Markt am 10. Oktober 2007 in Berlin eine eigene Gewerkschaft gegründet haben. Der Sitz befindet sich in Köln. Die Internetadresse lautet: www. .de. Unter dieser Adresse kann man sich ausführlich über die Ziele und eine Mitgliedschaft informieren. ( ) Wir richten daher den dringlichen Appell an Sie, sich über die neue Gewerkschaft " " zu informieren, nach Abwägung aller Argumente, nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden, in wie weit Sie sich mit einer Mitgliedschaft engagieren wollen. Nur wenn die Organisation eine gewisse Stärke erreicht, kann ein Tarifvertrag geschlossen werden, der den jetzigen Umständen und der Leistungsfähigkeit der angeschlossenen Unternehmen Rechnung trägt und Ihre Interessen über die Lohndebatte hinaus zukünftig vertritt." - 6 -
6Am 11. Dezember 2007 schloss die mit dem Arbeitgeberverband der einen "Tarifvertrag zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen für Mehrwertbriefdienstleistungen" (TV Mehrwertbrief), der einen Mindestbruttolohn von EUR 6,50 für die neuen und EUR 7,50 pro Stunde für die alten Bundesländer vorsieht. Wohl am 12. Dezember 2007 schloss sie mit dem Bundesverband der einen "Mindestlohntarifvertrag" mit entsprechenden Mindestlöhnen ab. Der Inhalt beider Tarifverträge beschränkt sich nach den unwidersprochenen Angaben der Antragstellerin auf die Regelung des Mindestlohns. Beide Tarifverträge beanspruchen bundesweit Geltung. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 informierte der seine Mitglieder über den Abschluss des "Mindestlohn-Tarifvertrags". In dem Schreiben heißt es auszugsweise: "Positiv unterstützend wäre, wenn möglichst viele Mitarbeiter Ihres Betriebes Mitglied in der neuen Gewerkschaft werden (Mitgliedsantrag, www. .de). Es ist verrückt, aber genau das schützt sie rechtlich und tariflich." In einer Pressemitteilung vom 20. März 2008 ( ) berichtet die , dass ihr Insolvenzverwalter der Kölner Staatsanwaltschaft Unterlagen übergeben habe, die den Verdacht nahelegten, dass die finanziert habe. Aus diesen Unterlagen ergebe sich, dass bis zum 10. Dezember 2007 Zahlungen in Höhe von EUR 133.526,69 über einen Umweg an die geflossen seien. Aus ebenfalls vorgefundenen Rechnungen einer größeren Kölner Beratungskanzlei sei klar geworden, dass über diese Rechnungen die Beträge erstattet worden seien, die diese zur Finanzierung der und deren Vorsitzenden gezahlt habe. Auf den weiteren Inhalt der Pressemitteilung wird Bezug genommen. Mit dem am 10. Juli 2008 eingegangenen und unter dem 2. September 2008 erweiterten Antrag begehrt die Antragstellerin die Feststellung, dass die - 7 -
7keine tariffähige Gewerkschaft ist und auch zum Zeitpunkt des Abschlusses der beiden Tarifverträge mit dem und dem keine tariffähige Gewerkschaft war. Die Antragstellerin behauptet, die sei organisatorisch und personell eine Schöpfung der Arbeitgeberseite und vertrete Arbeitgeberinteressen. Dies ergebe sich daraus, dass im Herbst 2007 mehrere Unternehmen der neuen privaten Postdienste, insbesondere der und der der Auffassung gewesen seien, der neu gründete Arbeitgeberverband benötige einen neuen Tarifpartner. Auf diese Weise sollte der von ihr mit dem abgeschlossene TV Mindestlohn unterlaufen und eine weitere Beschäftigung von Mitarbeitern im Niedriglohnsektor ermöglicht werden. Der Vorstandsvorsitzende der habe eine Rechtsanwaltskanzlei beauftragt, eine entsprechende Gewerkschaft zu initiieren. Diese habe als geschäftsführenden Vorstand gewinnen können. Daneben sei noch eine weitere Rechtsanwaltskanzlei mit Aufgaben im Rahmen der Gründung der betraut worden. Der als ein weiterer Arbeitgeberverband der neuen privaten Postdienste und seine Mitgliedsunternehmen hätten sich um die Werbung und Mitgliederwerbung für die bemüht, indem sie Anmeldeformulare bereitgestellt und auf Mitarbeiter eingewirkt hätten. Es sei außerdem davon auszugehen, dass eine Satzung fehle, Gremien neben dem Vorstand nicht existierten und Personen von Arbeitgeberseite unter den Mitgliedern seien, da eine Satzung und Informationen über den Vorstand und die Mitgliederstruktur bis heute nicht veröffentlicht seien. Die Vorstandsmitglieder arbeiteten bis auf eine Ausnahme in geschäftsleitenden Positionen überwiegend in der .
8Die werde außerdem in erster Linie von Arbeitgeberseite finanziert. Dies werde bereits aus einer Gegenüberstellung der Kosten der und ihren Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge, die kaum mehr als EUR 15.000 - 8 -
9monatlich betragen könnten, deutlich. Seit mindestens Mitte Oktober 2007 miete sie Räumlichkeiten an. Bei ihrer Gründung und bei weiteren Aktivitäten sei sie anwaltlich beraten worden. Eine der beiden Anwaltskanzleien habe sich an Rechtsanwalt gewandt und angefragt, ob dieser die bei Abschluss eines Tarifvertrags beraten könne, was Kosten iHv. mindestens EUR 20.000,00 verursacht hätte. Außerdem fielen Kosten durch das Betreiben eigener Internet-Seiten, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie für Sachmittel an. Die Tätigkeit des Vorstandsmitglieds sei mit EUR 25.000,- monatlich vergütet worden. Ein Großteil dieser Kosten sei wegen des vierteljährlichen Einzugs der Mitgliedsbeiträge bereits vor dem erstmaligen Einzug Ende Dezember 2007 angefallen. Die arbeitgeberseitigen Gelder stammten zu 50% aus Mitteln der und zu 50% aus Mitteln der , wobei die Zahlungen an die zunächst von einer Anwaltskanzlei verauslagt und sodann den Unternehmen in Rechnung gestellt worden seien. Unter dem 5. Dezember 2007 habe ein Anwalt mit dem Betreff " " einem Herrn von der in Luxemburg mitgeteilt, dass er insgesamt EUR 133.526,69 an Kapitalausstattung, Computern und Bildschirmen sowie Fremdarbeiten verauslagt habe bzw. verauslagen werde. Die Rechnung sei mit "bezahlt am 10. Dezember 2007" gestempelt. Eine Rechnung vom 7. Dezember 2007 unter demselben Betreff und an denselben Adressaten habe sich ua. auf Schriftverkehr mit Herrn bzgl. "der Gewerkschaft", eine Reise mit diesem nach Essen am 2. Oktober 2007, Tätigkeiten bzgl. der Satzung und des Aufnahmeantrags und die Fertigung eines Anstellungsvertrags von Herrn bezogen. Der Insolvenzverwalter der habe überdies mitgeteilt, dass eine weitere Anwaltskanzlei der darüber hinaus EUR 900.000,- in Rechnung gestellt habe. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, die sei nicht tariffähig, da sie nicht gegnerunabhängig sei. Ihre Abhängigkeit von den Unternehmen des
10und des sei strukturell angelegt und verstetigt durch personelle Verflechtungen und finanzielle Zuwendungen. Es fehle an einer - 9 -
11eigenständigen Wahrnehmung der Mitgliederinteressen und an der Gegnerfreiheit. Die sei gegenüber dem sozialen Gegenspieler auch nicht durchsetzungsfähig. Ihr fehle es an sozialer Mächtigkeit. Die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge seien sog. Gefälligkeitstarifverträge. Nach Kenntnisnahme der Satzung der im Termin zur Anhörung vor der Kammer machte sie außerdem Bedenken im Hinblick auf den demokratischen Aufbau der geltend, da nicht deutlich werde, wer welches Organ wähle. Der zu 3) beteiligte schließt sich dem Vortrag der Antragstellerin an. Die Aussagen der sprächen dafür, dass es ihr nicht um die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer gehe und sie auch nicht willens sei, Tarifverträge für diese Arbeitnehmer abzuschließen. Es sei davon auszugehen, dass ihre Aufgabe darin bestehe, Gefälligkeitstarifverträge abzuschließen. Das zu 5) beteiligte ist der Ansicht, bereits die Koalitionseigenschaft der sei in Frage zu stellen, da sie nicht finanziell und organisatorisch von der Arbeitgeberseite unabhängig sei. Ihr fehle es zudem an der erforderlichen sozialen Mächtigkeit und organisatorischen Leistungsfähigkeit. Zur näheren Begründung verweist es auf ein von Professor Dr. , Dr. und erstelltes und zur Gerichtsakte gereichtes Rechtsgutachten vom 27. Dezember 2007. Auf den Inhalt dieses Gutachtens wird Bezug genommen. Die Antragstellerin, der und das beantragen, 1. festzustellen, dass die Beteiligte zu 2) keine tariffähige Gewerkschaft ist. Die Antragstellerin beantragt außerdem, - 10 -
122. festzustellen, dass die Beteiligte zu 2) zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen für Mehrwertbriefdienst- leistungen mit dem Arbeitgeberverband und des Tarifvertrags Mindestlohn mit dem Bundesverband der im Dezember 2007 keine tariffähige Gewerkschaft iSv. § 2 Abs. 1 TVG war. Die beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie behauptet unter Verweis auf einen Schriftsatz der in dem Verfahren OVG Berlin-Brandenburg, S. 6 und 7 sowie S. 54 bis 63, gegründet worden zu sein, um die Interessen der Wettbewerber der zu vertreten. Dies sei notwendig gewesen, da die Antragstellerin nicht bereit gewesen sei, sich für diese Mitarbeiter einzusetzen. Das Verfahren diene allein dazu, eine missliebige Konkurrenz loszuwerden. Viele der von der Antragstellerin aufgestellten Behauptungen seien nicht zutreffend. Im Termin zur Anhörung vor der Kammer hat der von ihr am 28. Oktober 2008 beauftragte Verfahrensbevollmächtigte die Einräumung einer weiteren Stellungnahmefrist beantragt und gerügt, dass keine hinreichende Möglichkeit zur Einsichtnahme in die beigezogene staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte eingeräumt worden sei. Die zu 4) beteiligte sowie der zu 6) haben mitgeteilt, derzeit keine Stellungnahmen abzugeben. Ebenso wie die zu 7) beteiligte stellen sie keine Anträge.
13Das Gericht hat die Akte Js /08 der Staatsanwaltschaft Köln sowie die Akte des Verfahrens ArbG Köln, Ca /08, die ua. die Satzung der - 11 -
14zum Inhalt hat, beigezogen und zum Gegenstand der Anhörung gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. II. Die zulässigen Anträge sind begründet. A. Über die angehörten Beteiligten hinaus sind keine weiteren Personen, Vereinigungen oder Stellen am Verfahren beteiligt. Diejenigen Stellen und Organisationen, die von Amts wegen zu beteiligen sind, sind beteiligt worden. I. Wer in einem Verfahren nach § 97 Abs. 1, § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG beteiligt ist, ergibt sich aus § 83 Abs. 3 ArbGG, der gemäß § 97 Abs. 2 ArbGG entsprechende Anwendung findet. Maßgeblich ist die unmittelbare Betroffenheit in der Rechtsstellung als Arbeitnehmer- oder Arbeitgebervereinigung. Neben der Vereinigung, über deren Tariffähigkeit gestritten wird, ist daher stets die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite beteiligt, soweit die Entscheidung sie berühren kann. Dabei ist grundsätzlich die Beteiligung der jeweiligen Spitzenverbände ausreichend (BAG 28. März 2006 1 ABR 58/04 BAGE 117, 308; 25. November 1986 1 ABR 22/85 BAGE 53, 347). Deren Beteiligung sowie die Beteiligung der Vereinigung, die durch diese Spitzenorganisationen nicht repräsentiert wird, ist im Streitfall erfolgt. Mit der , dem und dem sind die Spitzenorganisationen beteiligt worden. Die , die nicht Mitglied des ist, ist darüber hinaus beteiligt, da sich ihr fachlicher und räumlicher Zuständigkeitsbereich wie der von ihr in Tarifgemeinschaft mit der getroffene Tarifabschluss mit dem zeigt mit dem der deckt und die Entscheidung sie daher auch iSd. oben zitierten Rechtsprechung berühren kann. - 12 -
15Die Beteiligung weiterer Stellen und Vereinigungen, wie etwa des oder des , war demgemäß von Amts wegen nicht geboten. Nach der Rechtsprechung des BAG (25. November 1986 1 ABR 22/85 aaO.) können sich zwar weitere Personen, Vereinigungen oder Behörden am Verfahren beteiligen. Denn ebenso wie eine räumlich und sachlich zuständige Vereinigung von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern durch einen entsprechenden Antrag ein Verfahren nach § 97 ArbGG anhängig machen kann, kann sie sich dadurch, dass sie einen eigenen auf die Tariffähigkeit der umstrittenen Vereinigung bezogenen Antrag stellt, an einem anhängigen Verfahren beteiligen. Im Streitfall haben sich weitere, nicht von Amts wegen zu beteiligende Vereinigungen indes nicht auf diese Weise am Verfahren beteiligt. B. Der auf die Feststellung gerichtete Antrag zu 1), dass die zu 2) beteiligte keine tariffähige Gewerkschaft ist, ist sowohl zulässig als auch begründet. I. Der Antrag ist zulässig. 1. Sowohl als auch der als auch das sind gemäß § 97 Abs. 1 ArbGG antragsberechtigt. a) Die Antragsberechtigung von folgt daraus, dass sich ihr räumlicher und sachlicher Zuständigkeitsbereich zumindest teilweise mit dem Zuständigkeitsbereich der deckt. An ihrer Tariffähigkeit bestehen keine Zweifel. b) Die Berechtigung des , sich dem Antrag der Antragstellerin anzuschließen, folgt daraus, dass er als Spitzenorganisation nach der unter A II 1) zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Beteiligter des Verfahrens nach § 97 ArbGG ist. Als solcher kann er einen Sachantrag stellen (vgl. zur Rechtsstellung der Beteiligten Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 6. Aufl. § 83 Rdn. 35). - 13 -
16c) Die Antragsberechtigung des folgt unmittelbar aus § 97 Abs. 1 ArbGG. 2. Die antragstellenden Beteiligten haben auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung. Dieses folgt schon daraus, dass die rechtskräftige Entscheidung über die Tariffähigkeit Wirkung für und gegen alle hat (BAG 28. März 2006 1 ABR 58/04 BAGE 117, 308). II. Der Antrag ist auch begründet. Die ist keine tariffähige Gewerkschaft. 1. Weder der Begriff der Tariffähigkeit noch die Anforderungen, die an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung zu stellen sind, sind gesetzlich definiert. Auch der von der Antragstellerin in ihren Anträgen zitierte § 2 Abs. 1 TVG bestimmt den Begriff der tariffähigen Gewerkschaft nicht, sondern setzt ihn voraus. Es ist daher Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, im Rahmen der an sie herangetragenen Streitigkeit den unbestimmten Rechtsbegriff durch Auslegung im Lichte des Art. 9 Abs. 3 GG auszufüllen (BAG 28. März 2006 1 ABR 58/04 BAGE 117, 308). Vor diesem Hintergrund hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung bestimmte Mindestvoraussetzungen entwickelt, die eine Arbeitnehmervereinigung erfüllen muss, um tariffähig zu sein. Diese Kriterien hat es zuletzt mit Beschluss vom 28. März 2006 ( 1 ABR 58/04 BAGE 117, 308) nochmals einer an Art. 9 Abs. 3 GG ausgerichteten Prüfung unterzogen und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass insbesondere das richterrechtliche Erfordernis der sozialen Mächtigkeit zwar in die Betätigungsfreiheit einer Arbeitnehmervereinigung eingreift, dieser Eingriff jedoch im Interesse einer funktionsfähigen Tarifautonomie gerechtfertigt ist. Die erkennende Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung an und macht die von ihr entwickelten Kriterien zur Grundlage der beantragten Überprüfung der Tariffähigkeit der - 14 -
17. 2. Danach muss eine Arbeitnehmervereinigung sich als satzungsmäßige Aufgabe die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer gesetzt haben und willens sein, Tarifverträge abzuschließen. Sie muss frei gebildet, gegnerfrei, unabhängig und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert sein und das geltende Tarifrecht als verbindlich anerkennen. Weiterhin ist Voraussetzung, dass die Arbeitnehmervereinigung ihre Aufgabe als Tarifpartnerin sinnvoll erfüllen kann. Dazu gehört zum einen die Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler und zum anderen eine gewisse Leistungsfähigkeit der Organisation (BAG 28. März 2006 1 ABR 58/04 BAGE 117, 308; 14. Dezember 2004 1 ABR 51/03 BAGE 113, 82; 25. November 1986 1 ABR 22/85 BAGE 53, 347). Die Antragstellerin trägt durchgreifende Bedenken im Hinblick auf das Vorliegen jedes dieser Merkmale vor. Die Kammer kann letztlich dahinstehen lassen, ob diese Bedenken in vollem Umfang gerechtfertigt sind. Die nimmt schon nicht mit der erforderlichen Ausschließlichkeit die Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer wahr. Ihr fehlt es darüber hinaus an der erforderlichen Gegnerunabhängigkeit, der sozialen Mächtigkeit und der Leistungsfähigkeit ihrer Organisation.
18a) Der mangelt es bereits am Vorliegen des grundlegenden Erfordernisses der Tariffähigkeit - der ausschließlichen Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer, denn sie nimmt jedenfalls auch die Interessen der Arbeitgeberseite wahr. Nach § 2.4 ihrer Satzung ist zwar eines der wesentlichen Ziele der die Wahrung und Verfolgung der berufspolitischen und tariflichen Interessen ihrer ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder. Dem vorangestellt wird jedoch das Ziel der Mitwirkung am Wohl der privaten Brief- und Zeitungszustellungsunternehmen. Dem Wortlaut dieser Satzungsbestimmung zufolge werden von der damit gleichermaßen die Interessen der sozialen Gegenspieler wahrgenommen. Die hat sich zum Hintergrund - 15 -
19dieser Regelungen ihrer Satzung nicht erklärt. Vielmehr hat sie die darin zum Ausdruck kommende Zielsetzung durch ihr schriftsätzliches Vorbringen, sie sei gegründet worden, um die Interessen der Wettbewerber der zu vertreten, im vorliegenden Verfahren wiederholt. Die Kammer konnte daher nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass es sich dabei allein um eine "sprachlich missglückte" Formulierung der Satzung handelt. Die offenbar gleichermaßen beabsichtigte Wahrnehmung der Interessen der privaten Brief- und Zeitungszustellungsunternehmen erscheint aufgrund der übrigen Satzungsbestimmungen auch nicht ausgeschlossen. Durch die in der Satzung vorgesehene Förder- und Ehrenmitgliedschaft kann vielmehr eine arbeitgeberseitige Einflussnahme auf die Willensbildung der erfolgen (vgl. hierzu auch das Rechtsgutachten von Preis/Greiner/Ulber, S. 22). Denn die mit dieser Art der Mitgliedschaft verbundene Rechtsstellung findet in der Satzung keine konkrete Regelung. b) Die besitzt nicht die erforderliche Gegnerunabhängigkeit.
20aa) Das Kriterium der Gegnerunabhängigkeit bedeutet für eine Koalition, welche die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder durch den Abschluss von Tarifverträgen wahren und fördern will, dass sie vom tariflichen Gegenspieler unabhängig genug sein muss, um die Interessen ihrer Mitglieder wirksam und nachhaltig vertreten zu können. Sie muss über ihre eigene Organisation und ihre Willensbildung selbst entscheiden können (BAG 14. Dezember 2004 1 ABR 51/03 BAGE 113, 82). Hieran fehlt es, wenn die Vereinigung strukturell vom sozialen Gegenspieler abhängig ist, dh. wenn die Abhängigkeit vom sozialen Gegenspieler in der Struktur der Arbeitnehmervereinigung angelegt und verstetigt ist und die eigenständige Interessenwahrnehmung als Tarifvertragspartei durch personelle Verflechtungen, auf organisatorischem Weg oder durch wesentliche Zuwendungen ernsthaft gefährdet ist (BAG 14. Dezember 2004 1 ABR 51/03 aaO.; 20. April 1999 3 AZR 352/97 AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 28). Hiervon ist auszugehen, wenn sich eine Gewerkschaft im Wesentlichen - 16 -
21nicht aus den Beiträgen der Mitglieder, sondern aus Zuwendungen der Arbeitgeber finanziert und zu befürchten ist, dass die Arbeitgeberseite durch Androhung der Zahlungseinstellung die Willensbildung auf Arbeitnehmerseite beeinflussen kann. bb) Diesen Maßstäben genügt die nicht. (1) Die Antragstellerin hat in der Antragsschrift personelle Verflechtungen der mit der Arbeitgeberseite aufgezeigt. So sind oder waren zum einen die Vorstandsmitglieder , und sowie in leitenden Positionen bei der tätig. Der vormalige geschäftsführende Vorstand wurde zum anderen auf Initiative der von der beauftragten Anwaltskanzlei gewonnen. Diese Behauptungen der Antragstellerin hat die weder schriftsätzlich noch im Termin zur Anhörung vor der Kammer in Abrede gestellt. Sie konnten daher der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Die schriftsätzliche Erklärung der , viele der von aufgestellten Behauptungen seien nicht zutreffend, begründete keine Verpflichtung der Kammer zur weitergehenden Aufklärung: Auch nach Maßgabe des § 83 Abs. 1 ArbGG sind Ermittlungen durch das Gericht nur dann auszudehnen oder aufzunehmen, als das bisherige Vorbringen der Beteiligten und der schon bekannte Sachverhalt bei pflichtgemäßer Würdigung Anhaltspunkte dafür bieten, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt noch weiterer Aufklärung bedarf. Soweit die Beteiligten einen Sachverhalt übereinstimmend vortragen oder das substantiierte Vorbringen von anderen nicht bestritten wird oder sich an dessen Richtigkeit keine Zweifel aufdrängen, bedarf es idR. keiner Beweisaufnahme (BAG 10. Dezember 1992 2 ABR 32/92 AP ArbGG 1979 § 87 Nr. 4).
22Nach Maßgabe dieser Grundsätze bot das pauschale Bestreiten des tatsächlichen Vorbringens der Antragsstellerin durch die keine - 17 -
23Veranlassung, Maßnahmen zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zu ergreifen, da keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, die auf eine unzutreffende Tatsachendarstellung hindeuteten. Diese deckt sich im übrigen mit der im Rechtsgutachten von Preis/Greiner/Ulber dargestellten Tatsachenlage. Einer Erklärung auf diese Tatsachen musste auch nicht die von der zunächst geltend gemachte Einsichtnahme in die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte vorangehen. Die vermag über die Zusammensetzung und den beruflichen Hintergrund ihres Vorstands selbst am besten Auskunft zu geben. Ebenso wenig war die Einräumung der im Anhörungstermin beantragten weiteren Stellungnahmefrist für die angezeigt. Der wurde Gelegenheit zur schriftsätzlichen Stellungnahme gegeben. Eine solche hätte sie auch noch nach der Ende August 2008 vorgenommenen Einsichtnahme in die staatsanwaltliche Ermittlungsakte, die durch Übersendung der Akte an einen von ihr beauftragten Rechtsanwalt erfolgte, abgeben können. Die von der Antragstellerin aufgezeigten und aus den vorangehend dargestellten Gründen der Entscheidung zugrunde zu legenden personellen Verflechtungen sind nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen geeignet, die Gegnerunabhängigkeit der in Frage zu stellen. Zwar steht der Tariffähigkeit einer Gewerkschaft nicht entgegen, dass ihr einzelne leitende Angestellte angehören. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn diese Mitglieder zB. durch ihre Zugehörigkeit zum Vorstand der Gewerkschaft entscheidenden Einfluss auf die Willensbildung der Organisation nehmen können (Däubler TVG 2. Aufl. § 2 Rdn. 43). Die erforderliche Unabhängigkeit vom sozialen Gegenspieler wird bereits dann gefährdet, wenn der Vorstand der Arbeitnehmervereinigung ganz überwiegend aus Personen besteht, die im Erwerbsleben typischerweise Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen und darüber hinausgehend sogar wie im Fall des vormaligen Vorstandsmitglieds auf Initiative der Arbeitgeberseite diese Position erlangt haben.
24(2) Weitergehend ergibt sich aus den Darlegungen der Antragstellerin sowie den vorgelegten und zitierten Äußerungen der Arbeitgeberseite kurz nach Gründung der , dass die auch in organisatorischer Hinsicht auf - 18 -
25die Unterstützung durch die Arbeitgeberseite angewiesen ist. So übernahm diese für die in erheblichem Umfang die Mitgliederwerbung, indem sie Mitarbeiter über deren Gründung informierte und zT. sogar Beitrittsformulare bereithielt (vgl. die Schreiben vom 17. und 24. Oktober 2007). Der hielt seine Mitglieder in seinem Schreiben vom 12. Dezember 2007 ausdrücklich an, auf einen Beitritt der Mitarbeiter hinzuwirken. Inwieweit die aufgrund fehlenden eigenen "Know-hows" darüber hinaus auf eine externe, durch die Arbeitgeberseite vermittelte und finanzierte Beratung angewiesen ist und war, kann dahinstehen. (3) Wesentlich gegen die Gegnerunabhängigkeit der sprechen jedoch die von der Antragstellerin dargelegten, in der Pressemitteilung der vom 20. März 2008 offengelegten und sich überdies aus dem Inhalt der beigezogenen staatsanwaltlichen Ermittlungsakte ergebenden erheblichen finanziellen Zuwendungen durch die Arbeitgeberseite. Danach soll die über eine Rechtsanwaltskanzlei von der im Zeitraum von Oktober 2007 bis Januar 2008 jedenfalls EUR 133.526,69 ua. zur Sachmittelausstattung und zur Vergütung ihres Vorstands erhalten haben. Diese Zahlungen überwiegen bei weitem das mangels näherer Angaben zu schätzende Beitragsaufkommen der , welches monatlich nach den Berechnungen der Gutachter , und (Anlage zum Rechtsgutachten) bei rund EUR 4500,- und nach den Berechnungen der Antragstellerin bei EUR 15.000,- liegen wird. Dies lässt den Schluss zu, dass sich die im wesentlichen nicht aus den Beiträgen ihrer Mitglieder, sondern aus Zuwendungen der Arbeitgeber finanziert (hat).
26Auch dieses tatsächliche Vorbringen bedurfte keiner weiteren Aufklärung durch die Kammer. Der schriftsätzliche Vortrag der lässt nicht erkennen, ob sie dieses überhaupt bestreitet. Auch im Termin zur Anhörung vor der Kammer erfolgte eine nähere Erklärung hierzu nicht. Angesichts des Umstands, dass diese Tatsachen sich auch aus der Pressemitteilung der und dem Inhalt der beigezogenen staatsanwaltlichen Ermittlungsakte (dort insbes. Bl. 34ff.) ergeben, bestand keine Veranlassung, weitere Aufklärungsmaßnahmen - 19 -
27zu ergreifen oder der nochmals Gelegenheit zu geben, hierauf Stellung zu nehmen. c) Die besitzt auch nicht die für die Tariffähigkeit erforderliche soziale Mächtigkeit. aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (28. März 2006 1 ABR 58/04 BAGE 117, 308) muss eine Arbeitnehmervereinigung Durchsetzungskraft besitzen, um sicherzustellen, dass der soziale Gegenspieler Verhandlungsangebote nicht übergehen kann. Ein angemessener, sozial befriedender Interessenausgleich kann nur zustande kommen, wenn die Arbeitnehmervereinigung zumindest soviel Druck ausüben kann, dass sich die Arbeitgeberseite veranlasst sieht, sich auf Verhandlungen über eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen einzulassen. Die Arbeitnehmervereinigung muss von ihrem sozialen Gegenspieler ernst genommen werden, so dass die Arbeitsbedingungen nicht einseitig von der Arbeitgeberseite festgelegt, sondern tatsächlich ausgehandelt werden. Ob eine Arbeitnehmervereinigung eine solche Durchsetzungsfähigkeit besitzt, muss aufgrund aller Umstände im Einzelfall festgestellt werden. Für die Beurteilung der Durchsetzungskraft kommt im Einzelfall insbesondere der Mitgliederzahl entscheidende Bedeutung zu (BAG 14. Dezember 2004 1 ABR 51/03 BAGE 113, 82). Die Organisationsstärke ist dabei im Verhältnis zu dem von der Arbeitnehmerkoalition selbst gewählten räumlichen und fachlichen Organisationsbereich zu bewerten. In diesem muss sie sich gegenüber der Arbeitgeberseite durchsetzen können. Bei einer nur kleinen Zahl von Mitgliedern kann sich die Möglichkeit einer Arbeitnehmervereinigung, empfindlichen Druck auf den sozialen Gegenspieler auszuüben, auch daraus ergeben, dass es sich bei den organisierten Arbeitnehmern um Spezialisten in Schlüsselstellungen handelt.
28Für die gerichtliche Prüfung der sozialen Mächtigkeit einer Arbeitnehmervereinigung ist dabei wesentlich, ob diese bereits aktiv am - 20 -
29Tarifgeschehen teilgenommen hat. Hat eine Arbeitnehmervereinigung schon in nennenswertem Umfang Tarifverträge geschlossen, belegt dies regelmäßig ihre Durchsetzungskraft und Leistungsfähigkeit. Fehlt es hieran, bedarf es der Darlegung von Tatsachen, die den Schluss rechtfertigen, die Arbeitnehmerseite werde die Arbeitnehmervereinigung voraussichtlich nicht ignorieren können (BAG 28. März 2006 1 ABR 58/04 BAGE 117, 308). bb) An diesen Voraussetzungen fehlt es der . Die hat bislang zwei Tarifverträge, nämlich einen mit dem am 11. Dezember 2007 und einen weiteren kurz darauf mit dem geschlossen. Auf eine aktive Teilnahme am Tarifgeschehen in nennenswertem Umfang lässt dies nicht schließen. Darüber hinaus vermögen auch nach Auffassung der Kammer diese beiden einzigen Tarifabschlüsse der keine indizielle Wirkung für das Vorliegen ihrer sozialen Mächtigkeit entfalten. Nach der bereits mehrfach zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur 28. März 2006 1 ABR 58/04 BAGE 117, 308) reicht der Abschluss von Tarifverträgen zur Begründung der sozialen Mächtigkeit einer Gewerkschaft nicht aus, wenn es sich bei diesen Tarifverträgen um sog. Gefälligkeitstarifverträge handelt. Hierunter sind insbesondere solche Vereinbarungen zu verstehen, bei denen die Arbeitnehmervereinigung der Arbeitgeberseite "gefällig" ist, wovon in Fällen eines kollusiven Zusammenwirkens der Arbeitnehmervereinigung und der Arbeitgeberseite ausgegangen werden kann. Anhaltspunkte hierfür können sein, dass in einem Tarifvertrag unter Ausnutzung einer gesetzlichen Tariföffnungsklausel gesetzliche Mindestarbeitsbedingungen ohne Kompensation unterschritten werden oder ein besonders krasses Missverhältnis zwischen den vereinbarten Leistungen vorliegt (BAG 28. März 2006 1 ABR 58/04 aaO.).
30Ein vergleichbarer Sachverhalt ist im Streitfall gegeben. Zwar vermag der Umstand, dass in diesen Tarifverträgen ungünstigere Regelungen enthalten - 21 -
31sind als in dem von der Antragstellerin abgeschlossenen TV Mindestlohn, deren Charakter als Gefälligkeitstarifverträge noch nicht zu begründen. Die offenbar weitgehend inhaltsgleichen Tarifverträge beschränken sich auf die Regelung des Mindestlohns und unterschreiten den von mit dem ausgehandelten Mindestlohn für die alten Bundesländer um EUR 2,30. Bei dieser erheblichen Differenz kann - ohne anderweitige Kompensation - schwerlich von einem die Durchsetzungsfähigkeit der belegenden "Aushandeln" ausgegangen werden. Dies gilt um so mehr, als die Tarifpartner der aus ihrer Sicht zum Zeitpunkt der Tarifabschlüsse an sich dringend auf diese als Tarifpartner angewiesen waren. Denn zuvor hatte der mit der Antragstellerin bereits den TV Mindestlohn vereinbart und am 29. November 2007 beim die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags beantragt. Die Tarifpartner der , die die darin geregelten Mindestlöhne ablehnten, waren aus ihrer Sicht gehalten, durch eigene kurzfristig zu vereinbarende tarifliche Regelungen die Geltung des TV Mindestlohn zu umgehen. Hierzu stand dem und dem keine andere Gewerkschaft zur Verfügung. Ihre Wahl musste zwangsläufig auf die fallen. Die ausgehandelten Arbeitsbedingungen lassen indes nicht erkennen, dass die diese starke Verhandlungsposition zugunsten ihrer Mitglieder genutzt hat. Kann danach von einer die soziale Durchsetzungsfähigkeit indizierenden Beteiligung am Tarifgeschehen nicht ausgegangen werden, bedurfte es anderer Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberseite die voraussichtlich nicht ignorieren wird und sich (Tarif-)Verhandlungen auf Dauer nicht entziehen können. Dazu hat die Arbeitnehmervereinigung, die Tariffähigkeit beansprucht, Tatsachen darzulegen und im Streitfall zu beweisen, die diesen Schluss rechtfertigen. (BAG 28. März 2006 1 ABR 58/04 BAGE 117, 308). Dem ist die im Streitfall nicht nachgekommen. Sie ist den von der Antragstellerin und den weiteren Beteiligten vorgetragenen tatsächlichen Umständen, die gegen diese Annahme sprechen, auch nicht entgegentreten. Die hat danach bundesweit höchstens 1300 Mitglieder. Nach den von - 22 -
32in ihrem Rechtsgutachten (dort S. 29f.) angestellten Berechnungen verfügt sie damit über einen Organisationsgrad von unter 1%, bei einer engeren Fassung des Zuständigkeitsbereichs von höchstens 2,76%. Dieser geringe Organisationsgrad erlaubt ihr nicht, hinreichenden Druck auf Arbeitgeberseite auszuüben. Auch ist nicht ersichtlich, dass die in bestimmten Schlüsselpositionen so stark vertreten wäre, dass davon ausgegangen werden kann, die Arbeitgeberseite werde sich wegen dieses Druckpotentials ernsthaften Verhandlungen nicht entziehen können. d) Schließlich fehlt es der an der notwendigen organisatorischen Leistungsfähigkeit. aa) Eine Gewerkschaft muss von ihrem organisatorischen Aufbau her in der Lage sein, die ihr gestellten Aufgaben zu erfüllen. So erfordern sowohl der Abschluss als auch die tatsächliche Durchführung von Tarifverträgen organisatorische Vorkehrungen. Dabei ist entscheidend, ob die Organisation ihre Aufgaben in dem selbst bestimmten Zuständigkeitsbereich erfüllen kann. Erstreckt sich dieser wie im Fall der auf das gesamte Bundesgebiet, wird regelmäßig eine gewisse organisatorische Ausstattung auch in der Fläche erforderlich sein (BAG 28. März 2006 1 ABR 58/04 BAGE 117, 308; 16. Januar 1990 1 ABR 10/89 BAGE 64, 16). Beschränkt eine Gewerkschaft ihre Zuständigkeit dagegen auf eine Berufsgruppe und räumlich wenige Schwerpunkte, kann auch ein relativ kleiner, zentralisierter Apparat ausreichen, um Tarifvertragsverhandlungen effektiv zu führen, die Durchführung von Tarifverträgen zu überwachen und abzusichern sowie die Mitglieder zu betreuen (BAG 14. Dezember 2004 1 ABR 51/03 BAGE 113, 82). Meist wird nach dieser Rechtsprechung eine leistungsfähige Organisation einen hauptamtlichen Mitarbeiterapparat erfordern. Allerdings ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, eine leistungsfähige Organisation auch auf der Grundlage ehrenamtlicher Mitarbeiter aufzubauen. In diesem Fall müssen diese jedoch über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen. - 23 -
33bb) Auch diese Kriterien erfüllt die nicht. Obgleich ihre Mitglieder bundesweit beschäftigt sind, verfügt sie lediglich über ein Büro an ihrem Standort in Köln. Wie in dem Rechtsgutachten von zum Tatsächlichen ausgeführt wird, fehlt es im Übrigen an Zweigstellen und an einer regionalen Infrastruktur. Weder die Betreuung ihrer Mitglieder noch die Überwachung und Durchsetzung der mit bundesweitem Geltungsbereich von ihr bisher abgeschlossenen Tarifverträge können auf diese Weise gewährleistet werden. Des weiteren ist nicht ersichtlich, dass die über eine ausreichende personelle Stärke verfügt. Die ausweislich der Satzung überwiegend ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitglieder haben keine juristischen oder tarifpolitischen Erfahrungen. Dass die darüber hinausgehend hauptamtliche Mitarbeiter beschäftigt, ist nicht erkennbar. Die selbst hat nicht ausgeführt, wie sie die Wahrnehmung der satzungsgemäßen Aufgaben beabsichtigt zu organisieren oder wie sie die bereits angefallenen Aufgaben wie die Vorbereitung und den Abschluss der beiden Tarifverträge und die Betreuung der Mitglieder organisatorisch bewältigt hat. C. Der auf die Feststellung gerichtete Antrag zu 2), dass die auch zum Zeitpunkt der beiden Tarifabschlüsse im Dezember 2007 keine tariffähige Gewerkschaft war, ist ebenfalls zulässig und begründet. I. Der ebenfalls nach Maßgabe des § 97 ArbGG zu beurteilende Antrag ist zulässig, insbesondere hat an der begehrten Feststellung das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse. Dieses entfällt nicht durch den ausschließlichen Vergangenheitsbezug des Antrags.
341. Der zu 1) gestellte Antrag hat allein die Tariffähigkeit der zum Schluss der mündlichen Anhörung vor der Kammer zum Gegenstand. Er ist damit ausschließlich auf die Gegenwart gerichtet und nicht vergangenheitsbezogen. Mit diesem Antrag kann daher keine verbindliche Klärung der Frage erreicht werden, ob die bereits im Dezember 2007, zum Zeitpunkt des Abschlusses der Tarifverträge mit dem und dem , tariffähig war. Der vergangenheitsbezogene Antrag betrifft damit einen anderen - 24 -
35Verfahrensgegenstand als der zu 1) gestellte Antrag (vgl. auch BAG 14. Dezember 2004 1 ABR 51/03 BAGE 113, 82). 2. Der Antrag nach § 97 ArbGG kann auch Vergangenheitsbezug haben. Dies ist worauf zutreffend hinweist regelmäßig der Fall, sofern Anlass für das Verfahren ein Aussetzungsbeschluss nach § 97 Abs. 5 ArbGG ist. In dieser Konstellation kann die begehrte Feststellung nur vergangenheitsbezogener Natur sein, da sie andernfalls für die Entscheidung des ausgesetzten Rechtsstreits nicht erheblich wäre. 3. Es ist kein Grund erkennbar, warum eine vergangenheitsbezogene Feststellung nicht auch dann beantragt werden kann, wenn der Antrag nach § 97 Abs. 1 ArbGG nicht auf ein ausgesetztes Verfahren zurückzuführen ist. Eine derartige Differenzierung, die, sofern kein ausgesetztes Verfahren vorliegt, nur die Feststellung der (fehlenden) Tariffähigkeit zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung vor der Kammer zuließe, kann der Vorschrift nicht entnommen werden. Wäre eine vergangenheitsbezogene Feststellung in dieser Konstellation ausgeschlossen, hätte dies zudem zur Folge, dass es von der Dauer des Verfahrens nach § 97 ArbGG abhinge, in welchem Umfang und in welchem zeitlichen Ausmaß eine Vereinigung, deren Tariffähigkeit im Streit steht, rechtsgültige Tarifverträge abschließen kann. Die Möglichkeit der Überprüfung der Tariffähigkeit einer Vereinigung hinge damit allein von dem ungewissen und rein zufälligen Umstand ab, dass es in einem anderen Verfahren gerade auf die Tariffähigkeit ankommt.
364. Der Antragstellerin steht auch kein einfacherer Weg zur Verfügung, um die letztlich mit dem vorliegenden Antrag beabsichtigte Klärung, ob die beidem im Dezember 2007 abgeschlossenen Tarifverträge rechtswirksam zustande gekommen sind, herbeizuführen. Jeder denkbare Rechtsstreit, in dem die Unwirksamkeit der Tarifverträge mit der Begründung, der habe es bei dem Abschluss der Tarifverträge an der Tariffähigkeit gefehlt, geltend gemacht würde, müsste nach § 97 Abs. 5 ArbGG ausgesetzt werden, um eine dann vergangenheitsbezogene Feststellung zu bewirken. Auf diesen wie - 25 -
37ausgeführt ungewissen und von Zufälligkeit abhängenden prozessualen Umweg kann die Antragstellerin nicht verwiesen werden. II. Der Antrag ist auch begründet. Insoweit kann in vollem Umfang auf die Ausführungen zu B II) verwiesen werden. Es ist nicht dargetan oder erkennbar, dass die zur Begründung der fehlenden Tariffähigkeit der herangezogenen tatsächlichen Umstände nicht bereits im Dezember 2007 vorlagen. Vielmehr beziehen sie sich im Gegenteil ganz überwiegend auf die Situation im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2007 und genügen daher in gleicher Weise zur Begründung des vorliegenden wie des zu 1) gestellten Antrags. Denn auch umgekehrt ist nicht erkennbar, dass sie sich bis zum Anhörungstermin vor der Kammer in einer für die Entscheidung erheblichen Weise geändert hätten. D. Den Anträgen war nach alledem in vollem Umfang stattzugeben. - 26 -
38Rechtsmittelbelehrung
39Gegen diesen Beschluss kann B e s c h w e r d e eingelegt werden. Die Beschwerde muss innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
40beim Landesarbeitsgericht Köln, Blumenthalstraße 33, 50670 Köln eingegangen sein. Die Notfrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung des Beschlusses. Die Beschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
411. Rechtsanwälte,
422. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
433. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
44Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
45* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.