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1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten wird für unzulässig erklärt.
2. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Landgericht F verwiesen.
Gründe
2A.
3Die Parteien streiten in dem Verfahren über das Vorliegen einer Altersdiskriminierung und damit einhergehender Schadenersatzansprüche nach §§ 15 Abs. 1 und 2 AGG.
4Der 28-jährige Kläger ist Schiedsrichter im Fußballkreis B. Der Fußballkreis B ist eine Untergliederung des Landesverbandes Fußball-Verband M (FVM), der wiederum eine Untergliederung des Regionalverbandes Westdeutscher Fußballverband (WDFV) ist. Seit der Saison 2021/2022 wird der Kläger vom WDFV in der Regionalliga eingesetzt. Bei der nächsthöheren Spielklasse handelt es sich um die 3. Liga, deren Spielbetrieb durch den D (D) organisiert wird. Die Beklagte ist für die Besetzung der Spiele der Profiligen der Deutschen Fußballliga und der 3. Liga des D mit geeigneten Schiedsrichtern zuständig. Hierfür führt sie sog. Schiedsrichterlisten.
5Die Aufnahme auf die Schiedsrichterliste der 3. Liga erfolgt unter anderem dadurch, dass Schiedsrichter der Regionalligen durch die Regionalverbände für sog. D-Schiedsrichter-Coaching-Plätze gemeldet werden. Im Rahmen dieses Coachings werden die Schiedsrichter für die Folgesaison neben den regulären Beobachtungen der Regionalverbände auch durch Beobachter der Beklagten beobachtet und ihre Leistungen sowie die Persönlichkeit bewertet. Daneben werden auch die Plätze der Schiedsrichterassistenten der 3. Liga auf Vorschlag der Regionalverbände durch die Geschäftsführung der Beklagten besetzt.
6Dem WDFV wurden von der Beklagten fünf D-SR-Coaching-Plätze und sechs Plätze für Assistenten in der 3. Liga zugewiesen. Intern wurden die Plätze auf die einzelnen Landesverbände aufgeteilt, wobei auf den FVM, dem der Kläger angehört, jeweils ein D-SR-Coaching-Platz und zwei Assistentenplätze in der 3. Liga entfallen sind. Der Verbandsschiedsrichterausschuss des FVM entschied sich dafür, den Schiedsrichter E für einen der fünf D-SR-Coaching-Plätze und damit auch einen der sechs Plätze als Schiedsrichterassistent in der 3. Liga vorzuschlagen. Der Kläger wurde nicht berücksichtigt.
7Der Verbandsschiedsrichterausschuss des WDFV meldete sodann die fünf für die D-SR-Coaching-Plätze gemeldeten Schiedsrichter auch für fünf der sechs Plätze als Assistenten der 3. Liga. Zudem wurde der Schiedsrichter Da, der bereits in der vorherigen Saison als Schiedsrichterassistent in der 3. Liga tätig war und ebenfalls dem FVM angehört, als 6. Platz als Schiedsrichterassistent gemeldet. Weitere Voraussetzungen für den Einsatz als Schiedsrichterassistent sind u.a. der Nachweis der persönlichen Eignung durch ein aktuelles Führungszeugnis und eine Schufa- Auskunft, zudem muss an einer sportmedizinischen Untersuchung teilgenommen bzw. ein entsprechendes Attest zur Sporttauglichkeit vorgelegt und insbesondere sportliche Leistungsprüfungen und theoretische Regeltests erfolgreich absolviert werden. Alle gemeldeten Schiedsrichter werden in der Saison 2024/2025 als Schiedsrichterassistenten in der 3. Liga eingesetzt und von der Beklagten für die D-SR-Coachings – mit Ausnahme des bereits in der Vorsaison tätigen D - vorgesehen.
8Der zwischen einem Schiedsrichterassistenten der 3. Liga und der Beklagten geschlossene Vertrag lautet auszugsweise wie folgt (vgl. Anlage B 1, Bl. 139 d. A.):
9Mit der vorliegenden Vereinbarung, die vom D und Vertretern der Schiedsrichter gemeinsam erarbeitet wurde, verständigen sich der D und der Schiedsrichter auf den Rahmen ihrer Zusammenarbeit im vorbezeichneten Bereich:
101.1 Grundlagen/Selbständigkeit
111. Grundlage der Zusammenarbeit
12Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Schiedsrichters prägend und unerlässlich für die Ausübung seiner Tätigkeit sind. Schon aus diesem Grunde sind sich die Vertragsparteien darüber einig, dass durch die vorliegende Vereinbarung zwischen ihnen kein Arbeitsverhältnis begründet werden soll und kann, da ein solches maßgeblich von der Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation und einer bestehenden Weisungsabhängigkeit bestimmt wäre. Dem Schiedsrichter soll vielmehr die volle Entscheidungsfreiheit bei der Verwertung seiner Arbeitskraft belassen werden. Der Schiedsrichter kann deshalb nur auf selbständiger Basis für den D tätig sein, was dem übereinstimmenden Willen beider Vertragsparteien entspricht.
13Der Schiedsrichter ist daher zur Übernahme von Spielleitungen nicht verpflichtet. Umgekehrt besteht kein Anspruch des Schiedsrichters auf die Ansetzung von Spielleitungen.
14Die Schiedsrichterordnung des D vom 30.09.2022 lautet auszugsweise wie folgt (Anlage K 2, Bl. 27 ff. d.A.):
15§ 11 Ahndungsbefugnisse der Schiedsrichterausschüsse
161. Unbeschadet der Bestimmung des § 10 Absatz 2 können Verstöße der Schiedsrichter (vgl. § 13 Absatz 1, Satz 1), Schiedsrichtercoaches und Schiedsrichterbeobachter sowie Mitglieder und Mitarbeiter in Schiedsrichtergremien des D und seiner Mitgliedsverbände gegen die Schiedsrichterordnungen und Handlungen gegen das Ansehen des Schiedsrichterbereichs von den Schiedsrichterausschüssen der Mitgliedsverbände geahndet werden.
17Hierzu gehören insbesondere:
18a) wiederholtes unbegründetes Absagen von Spielleitungen,
19b) verspätetes Absagen ohne ausreichenden Grund,
20c) Missachtung von Anordnungen der Schiedsrichterausschüsse,
21d) Missbrauch des Schiedsrichterausweises,
22e) wiederholtes unentschuldigtes Fernbleiben von den Lehrabenden,
23f) Verstöße gegen die Kameradschaft,
24g) Verstöße gegen § 1 Absatz 3.
252. Zur Ahndung derartiger Verstöße können Schiedsrichterausschüsse Verweise, befristete Nichtansetzung zu Spielen oder Streichung von der Schiedsrichterliste verfügen. Gegen derartige Entscheidungen ist dem Betroffenen eine zweite Instanz zu gewährleisten.
26Die Beklagte vergibt die Spielaufträge über das sog. „Dnet“. Die Schiedsrichterassistenten tragen im Vorfeld – teilweise über einen Monat im Voraus –, Termine, an denen sie keine Einsätze übernehmen können, in dem System als „Freistellungen“ ein. Im Anschluss werden sie von der Beklagten für bestimmte Einsätze eingeteilt. Der Spieleinsatz kann nach der Einteilung von den Schiedsrichterassistenten noch abgelehnt werden. Die Schiedsrichterassistenten der 3. Liga erhalten keine monatliche Grundvergütung, sondern werden für jeden einzelnen Einsatz vergütet. Für die Tätigkeit als Schiedsrichterassistent wird pro Spieleinsatz ein Betrag in Höhe von 675 € gezahlt, als Vierter Offizieller ein Betrag in Höhe von 330 € (vgl. Spielleitungshonorare Anlage B 2, BL. 140 d. A.).
27Für die Saison 2024/2025 stehen der Beklagten 154 Schiedsrichter bzw. Schiedsrichterassistenten für alle drei Profiligen zur Verfügung.
28Die Beklagte rügt den Rechtsweg vorab, da sie der Auffassung ist, dass der Kläger auch nach erfolgreicher Berücksichtigung nicht als Arbeitnehmer für die Beklagte tätig gewesen wäre. Der Kläger trage nicht vor, dass er die weiteren Voraussetzungen für die Vergabe von Spielaufträgen erfülle. Auch könne er keine konkrete Weisung benennen, welche zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses führen könnte. Weisungen gegenüber anderen Schiedsrichtern ließen zudem nicht den Rückschluss zu, dass diese gegenüber dem Kläger als Mitglied eines sog. Perspektivteams erfolgt wären. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG benötige es im Fall eines abgeschlossenen Dienstvertrags– so wie unstreitig auch hier– für eine abweichende Bewertung dieses Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis nicht nur das Vorliegen bspw. von überwiegenden arbeitsbezogenen Weisungen, die in der Gesamtschau zu dieser Bewertung führten, sondern auch eine ausdrückliche Kenntnis und Billigung dieser Weisungen seitens des Auftraggebers, woran es hier fehle.
29Jeder Schiedsrichter sei vollkommen frei darin, sich für einzelne Tage zu melden und im Folgenden auch weiterhin frei, diese Termine wieder abzusagen. Pönalisierungen im Sinne eines Nichtansetzens zu Spielen hätten – soweit seit Beginn der Tätigkeit im D des aktuellen Geschäftsführers der Beklagten vor über 10 Jahren nachvollziehbar– nicht ein einziges Mal stattgefunden. Es finde auch keine Pönalisierung mithilfe von Strafzahlungen oder Ähnlichem statt, ein solches System existiere bei der Beklagten schlicht nicht. Das „Perspektivteam“ für „Einsteiger“ sei dabei gerade kein eigener Kader, sondern lediglich ein Schulungs- und Coachinginstrument. Lediglich ergänzend dazu könnten Schiedsrichter aus dem Perspektivteam(vereinzelt) als Schiedsrichterassistenten in der 3. Liga tätig sein; auch Einsätze als 4.Offizieller in der 3. Liga seien daneben ebenfalls möglich, ansonsten aber ausdrücklich nichts Weiteres. Es handele sich damit lediglich um eine Option. Der Kläger nehme lediglich die Tätigkeit des Hauptschiedsrichters in den Blick, d.h. eine Tätigkeit, die von der avisierten Tätigkeit des Klägers nicht erfasst sei. In der letzten Saison habe es Fälle gegeben, die bei 38 Spieltagen bspw. nur 9 Einsätze gehabt hätten und sogar Fälle ohne Einsatz. Aufgrund der Anzahl der Schiedsrichter ergebe sich eine Vielzahl von Einsatzoptionen. Eine Grundvergütung fehle vollkommen. Die Schiedsrichter hätten einen erheblichen inhaltlichen Entscheidungsspielraum. Einzelne Aufträge seien nicht wirtschaftlich völlig unbedeutend. Die Ahndungsmaßnahmen nach der D-SO seien ausschließlicher sportrechtlicher Natur und begründeten keine rechtliche Verpflichtung zur Annahme eines Spielauftrags. Die Vorgabe nach Ort und Zeit richte sich auch bei einem Handwerker nach den Notwendigkeiten des Auftrags. Die regelmäßigen Fortbildungen zur Regelauslegung dienten neben der Qualitätssicherung einzig dem Zweck, eine einheitliche Regelauslegung zu gewährleisten. Daraus folge jedoch gerade keine fachliche Weisungsgebundenheit. Nicht nur bei Arbeitnehmern, sondern auch bei freien Dienstnehmern bestehe ein berechtigtes Interesse des Auftraggebers, diesen über eine Fortbildung die Kenntnisse zu vermitteln oder zu erhalten, die aus Sicht des Auftraggebers für eine erfolgreiche Zusammenarbeit erforderlich seien. Zwar sei die Tätigkeit persönlich zu erbringen. Dabei sei jedoch vor allem in den Blick zu nehmen, dass bei einer freien und ggf. auch kurzfristigen „Tauschmöglichkeit“ für Schiedsrichter, Manipulationsrisiken– sei es aufgrund persönlicher Präferenz oder infolge von Beeinflussung/Bedrohung– geradezu „Tür und Tor“ geöffnet würde. Ein Schiedsrichterassistent der 3. Liga könne auch in den darunterliegenden Bezirken und Kreisen als Schiedsrichter(-assistent) tätig werden, in diesen Fällen dann für die Regional-bzw. Landesverbände, mithin andere Auftraggeber. Die Beklagte sei nicht auf den Einsatz von allen Schiedsrichtern angewiesen. Es komme in der Praxis vor allem im Bereich der 4. Offiziellen und Videoassistenten häufig vor, dass Schiedsrichter mehrere Einsätze – auch in verschiedenen Rollen – an einem Wochenende absolvierten.
30Der Kläger ist der Auffassung, dass er als Schiedsrichterassistent der 3. Liga und 4. Offizieller die Tätigkeit nicht mehr ehrenamtlich, sondern als Arbeitnehmer wahrgenommen hätte. Bei der Arbeitgeberin handele es sich vorliegend um die Beklagte. Denn diese führe die Schiedsrichterliste, teile die Schiedsrichter für die von ihr mit Schiedsrichtern zu besetzenden Spiele der 3. Liga ein und sei insbesondere Vertragspartnerin der Verträge mit den Schiedsrichterassistenten der 3. Liga. Zwar handele es sich bei den D-SR-Coaching-Plätzen um eine bloße Erweiterung der Beobachtungen durch Beobachtungen des D, mit der keine Veränderung des Status als Amateur-Schiedsrichter zum Profi-Schiedsrichter einhergehe. Allerdings liege bei der Tätigkeit als Schiedsrichterassistent in der 3. Liga ein Statuswechsel vor. Für diese Tätigkeit werde ein Arbeitsvertrag abgeschlossen. Mit der Vergabe der D-SR-Coaching-Plätze gehe faktisch zwingend auch eine Vergabe der Schiedsrichterassistentenplätze in der 3. Liga einher.
31Für die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis bei der Ausübung der Tätigkeit als Profischiedsrichter bestehe, sei es irrelevant, ob der Kläger die weiteren persönlichen Voraussetzungen für die Qualifikation von Spielaufträgen erfüllt hätte. Es könne dahinstehen, ob sich aus der Schiedsrichtervereinbarung keine konkrete Arbeitspflicht ergebe. Diese sei – jedenfalls mit Blick auf das Urteil des BAG in Sachen Crowd-Working (vom 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20 –, BAGE 173, 111-137, Rn. 36 ff.) nicht zwingend erforderlich. Gemäß diesem Urteil genüge es für die Annahme eines Arbeitsvertrages bereits, wenn auf Grund der organisatorischen Maßnahmen des Arbeitgebers der Arbeitnehmer zur kontinuierlichen Übernahme von Arbeitsaufträgen motiviert werde. An die Stelle der vertraglich vereinbarten Arbeitspflicht trete die tatsächliche regelmäßige Übernahme von Aufträgen infolge der durch den Arbeitgeber gestalteten Struktur des Arbeitsverhältnisses. Ein starkes Indiz für eine solche tatsächlich gelebte persönliche Abhängigkeit liege zudem vor, wenn der Arbeitgeber auf die regelmäßige Übernahme von Arbeitsaufträgen durch die Arbeitnehmer angewiesen sei, da er andernfalls seinen Betrieb nicht aufrechterhalten könne. Eine persönliche Abhängigkeit liege nach der Rechtsprechung des BAG auch ohne vertraglich vereinbarte Arbeitspflicht vor, wenn sich die persönliche Abhängigkeit aus der regelmäßigen Übernahme der Aufträge, dem Bestehen eines Anreiz-bzw. Sanktionssystems für die Annahme bzw. Ablehnung von Aufträgen sowie der einseitigen Gestaltungsmacht des Arbeitgebers ergebe.
32Der Einsatz von Profi-Schiedsrichterin in den Profiligen erfolge in der Regel an mehr als 50 % der Spieltage und damit um zusammen regelmäßig mindestens 19 Einsätze als Schiedsrichterassistent und Vierter Offizieller in der 3. Liga.
33Die Beklagte vergebe die Spielaufträge über das sog. „DFBnet“, in dem als „Ansetzer“ fungierende Funktionäre der Beklagten die Spieleinsätze zuteilten. Dabei werde bereits darauf hingewiesen, dass sich eine übermäßige Anzahl an Freistellungen negativ auf die weitere Berücksichtigung für Spieleinsätze sowie die Aufnahme auf die Schiedsrichterliste in der Folgesaison auswirke. Selbiges gelte für den Fall, in dem die Schiedsrichter Einsätze, für die sie eingeteilt wurden, ablehnten. Dies sei sogar ausdrücklich in § 11 Nr. 1 lit. a Schiedsrichterordnung-D niedergeschrieben. Die Beklagte verfüge lediglich über eine begrenzte Anzahl an Schiedsrichtern, die in den Profiligen als Schiedsrichter und Schiedsrichterassistenten eingesetzt werden könnten. Mit diesen begrenzten Mitteln müsse sie sämtliche Spiele, die die Deutsche Fußball-Liga veranstalte, mit Schiedsrichtern besetzen. Gemäß § 13 SRO-DFB könne die Beklagte etwaige Einteilungen der Profischiedsrichter als Schiedsrichter auf unteren Spielebenen aufheben und die Profischiedsrichter für Einsätze in den Profiligen einplanen. Möchte beispielsweise ein Profischiedsrichter im Rahmen seiner Freizeit als Schiedsrichter in seinem Heimatkreis ein Amateurspiel leiten und werde er von dem Kreis hierfür auch eingeteilt, könne die Beklagte den Profischiedsrichter von diesem Spiel absetzen und ihn für ein Profispiel einteilen. Die Beklagte plane die Einsätze selbst, habe die alleinige Gestaltungsmacht über die Ausübung der Schiedsrichtertätigkeit im Rahmen der Schiedsrichtervereinbarung und habe eine Quasi-Monopolstellung hinsichtlich des Profi- und Amateurfußballs inne. Als Fußballschiedsrichter könne man in Deutschland allein unter den Vorgaben des D tätig werden. Zwar handele es sich nicht um eine einfach gelagerte Tätigkeit, doch werde daran deutlicher, dass die Beklagte das Bedürfnis habe, einen Tätigkeitszwang zu schaffen, da die Arbeitnehmer nicht jederzeit ausgetauscht werden könnten. Andererseits – und insoweit sei das Kriterium der einfach gelagerten Tätigkeit erfüllt – sei aufgrund des Umstandes, dass es sich im Bereich der 1. bis 3. Liga ausnahmslos um einschlägig qualifizierte Personen handele, eine Austauschbarkeit, um die es dem BAG gehe, unproblematisch gegeben.
34Die Tätigkeit sei hinsichtlich Zeit und Ort sowie der konkreten Ausübung weisungsgebunden aufgrund der Einteilung für bestimmte Spieleinsätze. Darüber hinaus werde die Regelauslegung bei regelmäßigen Fortbildungen thematisiert und Vorgaben gemacht, wie bestimmte Szenen zu bewerten seien. Aufgrund der gemeinsamen Fortbildungen und Trainings mit den weiteren Schiedsrichtern seien die Schiedsrichter auch in eine Arbeitsstruktur eingegliedert. Die Teilnahme sei verpflichtend. Allein die Beklagte entscheide, in welchem Schiedsrichterteam, das heißt mit welchen weiteren Kollegen in den anderen Funktionen (Schiedsrichter, Schiedsrichterassistenten, Vierte Offizielle), der einzelne Schiedsrichter zusammenarbeite. Im Übrigen sei der Schiedsrichter auch nicht berechtigt, die ihm übertragene Spielleitung weiter zu übertragen, sondern es werde eine persönliche Leistung geschuldet. Aus der Quasi-Monopolstellung der Beklagten folge auch, dass die Schiedsrichter keine Möglichkeit hätten, unternehmerische Chancen und Risiken wahrzunehmen, was jedoch für eine selbstständige Tätigkeit prägend sei. Die Bewertung, ob ein Dienstvertrag als Arbeitsvertrag zu qualifizieren sei, stehe nicht zur Disposition der Parteien.
35Das „Sportrecht“ setze sich aus im Zusammenwirken von Sportverbänden autonom geschaffenen Regelungen und dem vom Gesetzgeber geschaffenen Recht zusammen. Somit sei bereits qua definitionem eine Wechselwirkung zwischen diesen Bereichen gegeben. Die Regelungen der Schiedsrichterordnung wirkten sich somit auf den Arbeitsvertrag zwischen der Beklagten und dem Schiedsrichter aus und konkretisieren diesen. Damit sichere sich die Beklagte durch eine Strafregelung ihr Direktionsrecht ab. Aufgrund der Pönalisierungsmöglichkeit liege nicht ein bloßer Rahmenvertrag vor.
36Bei Berücksichtigung der pro Spiel benötigten Schiedsrichter ergebe sich beispielhaft für das Wochenende vom 31.1.25 bis zum 02.02.25 allein ein Bedarf von 148 Schiedsrichtern. Weiche der Schiedsrichter bei einer Spielleitung von den vorgegebenen Regelauslegungen ab, habe dies zur Folge, dass die Bewertung seiner Spielleitung schlechter ausfalle. Diese schlechtere Bewertung der Spielleitung könne zur Folge haben, dass der Schiedsrichter in der kommenden Saison keinen neuen Vertrag angeboten bekomme und somit nicht mehr für Spielleitungen eingesetzt werde. Die Verbindlichkeit der Auslegungsvorgaben und damit der fachlichen Weisungen werde auch durch den vor einiger Zeit eingeführten „Konformitätstest“ abgesichert. Bei diesem würden den Schiedsrichtern Spielsituationen als Video vorgespielt, die die Schiedsrichter dann bewerten sollten. Dabei seien nicht die IFAB-Fußballregeln, die einen weiteren Auslegungsspielraum zulassen, maßgeblich, sondern die konkreten Auslegungsvorgaben, die die Beklagte mache. Die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit auf dem Platz werde zuletzt auch noch durch das Mittel des Videoassistenten komplettiert, der berechtigt sei, die Entscheidung des Schiedsrichters in Zweifel zu ziehen und teilweise zu überstimmen. Die auf beiden Seiten aufgebrachten Zeit- und Geldmittel verdeutlichten, dass es beiden Seiten nicht darauf ankomme, lediglich für einen singulären Einsatz oder einige wenige Einsätze im Profibereich zusammenzuarbeiten.
37Im Übrigen wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst deren Anlage Bezug genommen.
38B.
39Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nicht eröffnet.
401.
41Die Gerichte für Arbeitssachen sind ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses, § 2 Abs. 1 c) ArbGG.
42Hierzu sind auch Ansprüche auf Schadensersatz oder Entschädigung nach § 15 AGG wegen einer benachteiligenden Nichteinstellung zu rechnen. Doch setzt § 2 I Nr. 3 lit. c ArbGG in jedem Fall voraus, dass die arbeitsvertragliche Beziehung zwischen den Streitparteien begründet werden sollte (BAG, Beschluss vom 27.08.2008, 5 AZB 71/08, juris RN. 5). Insofern ist auch die Kammer nach weiterer Prüfung der Auffassung, dass § 6 AGG den Anwendungsbereich des § 15 AGG nicht auf Arbeitsverhältnisse beschränkt und deswegen allein die Rechtsbehauptung, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handele, nicht für die Begründung des Rechtswegs ausreichend ist.
432.
44Vorliegend fehlt es an der Voraussetzung, dass eine arbeitsvertragliche Beziehung zwischen den Parteien begründet worden wäre.
45a)
46Unstreitig hätte allein die Aufnahme in das sog. Perspektivteam ein Arbeitsverhältnis nicht begründet.
47b)
48Die Kammer ist der Auffassung, dass auch die Aufnahme auf die Schiedsrichterliste mit Abschluss des bezeichneten Jahresvertrags sowie der Ablauf des dem Kläger geschilderten Rechtsverhältnis kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet hätte.
49Die Frage, ob es sich bei der Schiedsrichtertätigkeit in der Profiliga um ein Arbeitsverhältnistnis handelt, wurde vom LAG Niedersachsen in seinem Urteil vom 12.02.2020, Az 2 Sa 172/19, sowie vom LAG Frankfurt a.M. im Urteil vom 15.03.2018, Az. 9 Sa 1399/16 verneint. Wie vom Kläger wird auch in der Literatur diese Auffassung insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung des BAG zu den „Crowdworkern“ BAG, Urt. v. 01.12.2020– 9 AZR 102/20 teilweise kritisch gesehen (vgl. bspw. den Aufsatz von Jakob Schneck, LLM. in RdA 2022, 85; „Die Auswirkungen der Crowdworker-Entscheidung auf den Arbeitnehmerstatus von Fußballschiedsrichtern“; der Auffassung folgend Prof. Dr. Fischinger, LLM. in NZA-RR 2023, 561, „Aktuelle Entwicklungen im Sportarbeitsrecht“). Nach Auffassung der Kammer ist die Tätigkeit des Schiedsrichterassistenten in der 3. Liga sowie 4. Offiziellen, auf welche es hier ankommt, jedoch nicht mit der Tätigkeit eines „Crowdworkers“ vergleichbar.
50aa)
51Nach § 611a Abs. 1 BGB wird ein Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet (Satz 1). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen (Satz 2). Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmten kann (Satz 3). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab (Satz 4). Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen (Satz 5). Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an (Satz 6).
52Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich danach von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit des Verpflichteten. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Die Begriffe der Weisungsgebundenheit und Fremdbestimmung sind eng miteinander verbunden und überschneiden sich teilweise. Eine weisungsgebundene Tätigkeit ist in der Regel zugleich fremdbestimmt. Die Weisungsbindung ist das engere, den Vertragstyp im Kern kennzeichnende Kriterium, das durch § 611a Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BGB näher ausgestaltet ist. Es kann, muss aber nicht gleichermaßen Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Nur wenn jedwede Weisungsgebundenheit fehlt, liegt idR kein Arbeitsverhältnis vor. Das Kriterium der Fremdbestimmung erfasst insbesondere vom Normaltyp des Arbeitsvertrags abweichende Vertragsgestaltungen. Sie zeigt sich insbesondere in der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers.
53Nach § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB ist weisungsgebunden, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.
54Weisungsgebundenheit kann in verschiedenen Erscheinungsformen bestehen. In der Regel wird eine vertraglich nur rahmenmäßig bestimmte Arbeitspflicht - dh. die dem Umfang nach bereits bestimmte Leistung des Beschäftigten - durch die Ausübung des Weisungsrechts konkretisiert. Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. § 106 Satz 2 GewO erkennt zusätzlich die Ordnung und das Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb als Gegenstand des Weisungsrechts an. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers korrespondiert mit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Durch die Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 Satz 2 GewO wird regelmäßig erst die Voraussetzung dafür geschaffen, dass der Beschäftigte seine Arbeit leisten und das Rechtsverhältnis praktisch durchgeführt werden kann. Weisungsgebundenheit kann sich aber auch - wie § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB zeigt - aus einer detaillierten und den Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung stark einschränkenden rechtlichen Vertragsgestaltung oder tatsächlichen Vertragsdurchführung ergeben.
55In zeitlicher Hinsicht besteht eine Abhängigkeit von Weisungen, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeitszeiten letztlich „zugewiesen“ werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben. Die Einteilung eines Mitarbeiters in Organisations-, Dienst- und Produktionspläne ohne vorherige Absprache stellt ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft dar .
56Allerdings können Weisungsrechte auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses bestehen. Weisungsgebundenheit iSv. § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB setzt voraus, dass der Beschäftigte in der Gestaltung seiner Tätigkeit nicht „im Wesentlichen frei“ ist. Zeitliche Vorgaben oder die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind für sich allein kein wesentliches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Auch gegenüber einem freien Mitarbeiter können Termine für die Erledigung der Arbeit bestimmt werden, ohne dass daraus eine arbeitnehmertypische zeitliche Weisungsgebundenheit folgt. Zudem steht einem Auftraggeber gegenüber einem freien Mitarbeiter grundsätzlich das Recht zu, Anweisungen hinsichtlich des Arbeitsergebnisses zu erteilen. Die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis ist daher gegenüber dem Weisungsrecht für Vertragsverhältnisse mit Selbständigen und Werkunternehmern abzugrenzen. Die Anweisung gegenüber einem Selbständigen ist typischerweise sachbezogen und ergebnisorientiert und damit auf die zu erbringende Dienst- oder Werkleistung ausgerichtet. Im Unterschied dazu ist das arbeitsvertragliche Weisungsrecht personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert geprägt. Es beinhaltet Anleitungen zur Vorgehensweise und zur Motivation des Mitarbeiters, die nicht Inhalt des werkvertraglichen Anweisungsrechts sind. Für die Bestimmung des Vertragstypus kommt es indiziell darauf an, inwieweit der Arbeitsvorgang durch verbindliche Anweisungen vorstrukturiert ist. Weisungen, die sich ausschließlich auf das vereinbarte Arbeitsergebnis beziehen, können auch gegenüber Selbständigen erteilt werden. Wird die Tätigkeit aber durch den „Auftraggeber“ geplant und organisiert und der Beschäftigte in einen arbeitsteiligen Prozess in einer Weise eingegliedert, die eine eigenverantwortliche Organisation der Erstellung des vereinbarten „Arbeitsergebnisses“ faktisch ausschließt, liegt ein Arbeitsverhältnis nahe. Richten sich die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen nach dem jeweiligen Bedarf des Auftraggebers, so kann auch darin ein Indiz gegen eine werk- und für eine arbeitsvertragliche Beziehung liegen, wenn mit der Bestimmung von Leistungen auch über Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit entschieden wird.
57Auch tatsächliche Zwänge durch eine vom Auftraggeber geschaffene Organisationsstruktur können geeignet sein, den Beschäftigten zu dem gewünschten Verhalten zu veranlassen, ohne dass dazu konkrete Weisungen ausgesprochen werden müssen. So ist von einem Arbeitsverhältnis auszugehen, wenn der Auftraggeber in der Lage ist, Art und Umfang der Beschäftigung maßgeblich zu steuern und dadurch über eine Planungssicherheit verfügt, wie sie bei einem Einsatz eigener Arbeitnehmer typisch ist. Dafür genügt es allerdings nicht, dass sich zufällig eine feste Personengruppe findet, die immer wieder - frei und selbstbestimmt - angebotene Aufträge annimmt. Eine langfristige und kontinuierliche Zusammenarbeit führt für sich gesehen nicht zu einer persönlichen, sondern allenfalls zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, die für sich genommen ein Arbeitsverhältnis nicht zu begründen vermag. Der Auftraggeber muss für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses vielmehr organisatorische Maßnahmen ergriffen haben, durch die der Beschäftigte - wenn auch nicht unmittelbar angewiesen, aber doch mittelbar gelenkt - angehalten wird, kontinuierlich Arbeitsaufträge anzunehmen und diese in einem bestimmten Zeitrahmen nach präzisen Vorgaben persönlich zu erledigen […].
58In die Beurteilung, ob der - für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche - Grad der persönlichen Abhängigkeit erreicht ist, ist nach § 611a Abs. 1 Satz 4 BGB die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit einzubeziehen. Die Art der Dienstleistung und die Zugehörigkeit der Tätigkeit zu einem bestimmten Berufsbild können den zugrundeliegenden Vertragstyp ebenso beeinflussen wie Organisation der zu verrichtenden Arbeiten. Bestimmte Tätigkeiten lassen sich sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch in einem Werk- oder freien Dienstvertrag verrichten, während andere regelmäßig im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden. Bei untergeordneten, einfachen Arbeiten besteht eher eine persönliche Abhängigkeit als bei gehobenen Tätigkeiten. Ein Beschäftigter, der sich zur Erbringung einfacher Arbeitsleistungen verpflichtet hat, verfügt von vornherein über nur geringe Gestaltungsmöglichkeiten. Daher können ihn schon wenige organisatorische Vorgaben in der Ausübung der Tätigkeit so festlegen, dass er seine Tätigkeit nicht mehr im Wesentlichen frei gestalten kann. Die Arbeitnehmereigenschaft lässt sich in einem solchen Fall auch nicht dadurch ausschließen, dass der Auftraggeber die wenigen erforderlichen Vorgaben bereits in der vertraglichen Vereinbarung festschreibt.
59Nach § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB bedarf es für die Feststellung des Rechtsverhältnisses im konkreten Fall einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls. Anknüpfungspunkt für die Zuordnung des Rechtsverhältnisses zu einem bestimmten Vertragstyp sind insbesondere die in § 611a Abs 1 Satz 1 BGB genannten Abgrenzungskriterien, können aber auch weitere Umstände sein, die teleologisch zur Abgrenzung beitragen können. Vom Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses kann (erst) dann ausgegangen werden, wenn den Kriterien, die für eine persönliche Abhängigkeit sprechen, im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung hinreichendes Gewicht beizumessen ist oder sie dem Rechtsverhältnis ihr Gepräge geben.
60Leistet der Beschäftigte abweichend von den getroffenen Vereinbarungen tatsächlich weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit, erklärt § 611a Abs. 1 Satz 6 BGB die Bezeichnung im Vertrag für unbeachtlich. Der Widerspruch zwischen Vertragsbezeichnung und Vertragsdurchführung wird durch gesetzliche Anordnung zugunsten letzterer aufgelöst. Aus ihr ergibt sich der wirkliche Geschäftsinhalt. Für die Bestimmung des Vertragstyps ist dann allein die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses maßgeblich. Damit wird dem zwingenden Charakter des Arbeitsrechts Rechnung getragen. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben (vgl. BAG, Urteil vom 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20 –, BAGE 173, 111-137, juris Rn. 30 – 40 mwN.)
61bb)
62Es ist unstreitig, dass allein der für eine Saison abgeschlossene Vertrag, welcher der Kammer nur in der zitierten Länge vorliegt, die Pflicht zur Annahme einer bestimmten Spielleitung nicht begründet. Die Schiedsrichterassistenten können im Vorhinein angeben, an welchen Tagen sie keinen Einsatz vornehmen können. Darüber hinaus können sie nach Einteilung einen Einsatz weiterhin absagen. Es steht der Beklagten frei, Schiedsrichterassistenten überhaupt einzuplanen. Insofern besteht wie vom LAG Niedersachsen (Urteil vom 12.02.2020, Az. 2 Sa 172/19, juris, Rn. 42) ausgeführt, das Konsensprinzip.
63Wie auch das LAG Niedersachsen (im Einzelnen aaO juris Rn. 44 – 48) geht die Kammer davon aus, dass der Kläger trotz der bestehenden Sanktionsmöglichkeiten nach § 11 D-SO und des damit verbundenen Anreiz- und Sanktionssystem nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist.
64Die Sanktionen beschränken sich darauf, dass der Schiedsrichterassistent im schlechtesten Fall nicht mehr zu einem Spiel eingeteilt wird. Die Pflicht zur Einteilung besteht für die Beklagte nach der Vereinbarung nicht. Auch bei Selbstständigen oder freien Mitarbeitern besteht das Anreizsystem, einen Auftrag gut zu erbringen, um einen weiteren Auftrag zu erhalten. Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Kläger nicht nur die Möglichkeit hat, die Schiedsrichterassistenz in der 3. Liga zu übernehmen, sondern wie bisher in der Regionalliga oder in den darunter liegenden Ligen Schiedsrichteraufgaben wahrzunehmen. Auch die Schiedsrichterordnung des WDFV sieht sogar noch weitereichendere Sanktionsmöglichkeiten in § 8 vor (Anlage K 1 Bl. 17 – 26 d. A), die wie folgt lauten:
65§ 8 Ahndungsbefugnisse und Streichung von Schiedsrichtern
66[…]Geahndet wird jede Art unsportlichen Verhaltens, insbesondere:
67a) wiederholtes unbegründetes Absagen von Spielleitungen
68b) verspätetes Absagen ohne ausreichenden Grund oder
69Nichtantreten zu Spielleitungen,
70c) Missachtung der Anordnung der Schiedsrichterausschüsse,
71d) Missbrauch des Schiedsrichterausweises,
72e) wiederholtes unentschuldigtes Fernbleiben von den Lehrabenden,
73f) Verstöße gegen die Kameradschaft.
74(2) Die Schiedsrichterausschüsse sind berechtigt, folgende Ordnungsmaßnahmen zu ergreifen:
75a) Ordnungsgeld,
76b) Verweis,
77c) befristete Nichtansetzungen zu Spielen,
78d) Rückversetzung in eine niedrigere Leistungsklasse,
79e) Streichung von der Schiedsrichterliste.
80In der Regionalliga haben sich die Schiedsrichter ebenfalls an die Fußballspielregeln und Ausführungsbestimmungen zu halten (§ 2), sowie an Lehrgängen teilzunehmen und eine Abschlussprüfung zu absolvieren (vgl. Anhang zur Schiesrichterordnung des WDFV).Die Schiedsrichter werden ebenfalls beobachtet und bewertet. Unstreitig erhalten sie für diese Tätigkeit lediglich eine Aufwandsentschädigung. Ein Arbeitsverhältnis sieht auf dieser Ebene auch der Kläger nicht. Das Vorliegen eines sportlichen Anreizes ist offensichtlich, eine Arbeitnehmereigenschaft begründet dies nicht.
81Im Übrigen schließt sich die Kammer den folgenden Ausführungen des LAG Niedersachsens an:
82Dass es […]bei fehlenden Einsatzzeiten möglicherweise zu einer Streichung von der Schiedsrichterliste für eine bestimmte Spielklasse kommen kann, stellt allenfalls einen für die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft nicht ausreichenden faktischen Zwang zur Annahme von Angeboten zur Leistungserbringung dar und ändert nichts an der fehlenden rechtlichen Verpflichtung (vgl. BFH, 20. Dezember 2017 – I R 98/15 – Rn. 19). An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit kann bei einem Selbstständigen im Einzelfall eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Vertragspartner treten, die den Selbstständigen als arbeitnehmerähnliche Person erscheinen lässt. Dies begründet aber keine Arbeitnehmereigenschaft (aaO Rn. 52).
83[D]ie Teilnahme an Lehrgängen [steht] der Einordnung des Vertragsverhältnisses als selbstständige Tätigkeit bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag nicht entgegen. Nicht nur bei Arbeitnehmern, sondern auch bei freien Dienstnehmern besteht ein berechtigtes Interesse des Auftraggebers, diesen über eine Fortbildung die Kenntnisse zu vermitteln oder zu erhalten, die aus Sicht des Auftraggebers für eine erfolgreiche Zusammenarbeit erforderlich sind (vgl. aaO Rn. 54).
84Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes unterscheidet bei erteilten Weisungen zwischen arbeitsrechtlichen/personenbezogenen Weisungen (im Rahmen der sogenannten Personalhoheit) und werkbezogenen/objektbezogenen Anweisungen im Sinne des § 645 Abs. 1 BGB (BAG, 30. Januar 1991 – 7 AZR 497/89 – Rn. 55). Nach der Rechtsprechung wird die Grenze zur arbeitsvertraglichen Anweisung dann überschritten, wenn der Vertragspartner/ein Dritter erst durch seine Anweisungen den Gegenstand der zu erbringenden Leistungen bestimmt. Soweit [die] Beklagte nach dem Vorbringen des Klägers [die] Schiedsrichtertätigkeit durch fachliche Anweisungen […] näher konkretisiert haben soll, lässt das nicht zwingend auf die Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechtes gemäß § 106 GewO schließen. Auch ein Selbstständiger kann bei seiner Tätigkeit Weisungen eines Vertragspartners unterworfen sein. Im Rahmen eines freien Dienstvertrages kann der Dienstberechtigte dem Dienstverpflichteten oder dessen Erfüllungsgehilfen Ausführungsanweisungen erteilen. Auch bei einem Auftrag im Sinne des § 662 ff. BGB unterliegt der Beauftragte Weisungen des Arbeitgebers (§ 665 BGB) (aaO Rn. 61).
85Unabhängig von Vorstehendem ist tragend auszuführen, dass die konkrete Anwendung der Regeln während des Spiels nur dem Schiedsrichter obliegt. Während des Fußballspiels – und damit während des Schwerpunktes der Schiedsrichtertätigkeit – besteht keinerlei Weisungsbefugnis des Beklagten gegenüber dem Schiedsrichter. Im Rahmen von Lehrgängen können zwar allgemeine Vorgaben für bestimmte Spielsituationen erarbeitet werden, die letzte Entscheidung im Spiel trifft der Schiedsrichter allein. Es besteht immer ein Ermessensspielraum des Schiedsrichters bei der Anwendung der Regeln. So kann bei Zweikämpfen von verschiedenen Schiedsrichtern unterschiedlich geurteilt werden, ob sich diese noch im Rahmen des Erlaubten oder bereits im Bereich des Foulspiels bewegen. […] Die vom Schiedsrichter getroffenen Entscheidungen sind – selbst bei Vorliegen eines Regelverstoßes oder im Falle der Abweichung von Hinweisen des Beklagten zur Regelauslegung bzw. –anwendung während des Spiels verbindlich und können lediglich durch den Schiedsrichter selbst zurückgenommen oder korrigiert werden. Sämtliche Entscheidungen des Schiedsrichters, welche die Beurteilung von Tatsachen betreffen, sind auch im Nachhinein grundsätzlich endgültig und unanfechtbar („Abseits ist, wenn der Schiedsrichter pfeift“). Dies ist einem Arbeitsverhältnis fremd (aaO Rn. 62)
86Auch bei Dienst-, Werk- und Geschäftsbesorgungsverträgen können Termin und Leistungsorte festgelegt werden, ohne dass hieraus eine Weisungsabhängigkeit folgt. Die zeitlichen und örtlichen Regelungen [sind] Sachzwänge, die sich aus der Natur des Spielbetriebes der Fußballligen ergaben. Es handelt sich um Besonderheiten des Fußballsportes als Ausfluss des Rahmenterminkalenders bzw. der Notwendigkeit von Hin- und Rückspiel am jeweiligen Sitz der Fußballmannschaft (aaO Rn. 84).
87Darüber hinaus ergibt sich aus § 13 der D-SO nicht die von dem Kläger behauptete Möglichkeit die Einteilung der Schiedsrichter auf unterer Ebene aufzuheben. Dort heißt es lediglich, dass die Berufung für diese Einsätze der Wahrnehmung der Pflichten dieser Schiedsrichter gegenüber den Mitgliedsverbänden vorgeht. Voraussetzung bleibt weiterhin, dass der jeweilige Schiedsrichterassistent für den Termin keine Verhinderung angegeben hat. Hat er eine Freistellung angegeben, kann die Beklagte ihn nicht einteilen und er kann einen Einsatz in der unteren Liga wahrnehmen. Der Schiedsrichterassistent muss sich eben gerade nicht ständig zur Einteilung bereithalten. Er kann frei angeben, an welchen Tagen er eingeplant werden kann.
88Die eingesetzten Schiedsrichter sind unstreitig aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung, der Teilnahme an Lehrgängen und dem Absolvieren von Prüfungen besonders qualifiziert. Die begrenzte Anzahl von Schiedsrichtern auf den Schiedsrichterlisten spricht jedoch nicht allein dafür, dass die Beklagte auf deren Einsatz angewiesen wäre und nicht bei Bedarf diese auch in unterschiedlichen Positionen einsetzen kann. Darüber hinaus kann sie jedenfalls zu Beginn der Saison die Anzahl der eingesetzten Schiedsrichter erhöhen (§ 13 b DFB-SO) und auf eine weit größere Anzahl von Schiedsrichtern in den Regionalligen zurückgreifen.
89Das Honorar wird für die einzelnen Spieleinsätze gezahlt, eine verstetigte Zahlung erfolgt in der 3. Liga nicht. Der von dem Kläger angegebene „Konformitätstest“ kann auch nur die Einhaltung von allgemeinen Vorgaben abfragen. Zwar dürfte die Letztentscheidung beim Hauptschiedsrichter liegen und nicht bei dem Schiedsrichterassistenten. Diese Einbindung in das Spiel liegt jedoch wiederum ebenfalls in der Regionalliga vor und liegt in den Spielregeln begründet.
903.Die Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt a.M. ergibt sich aufgrund des Sitzes der Beklagten in Frankfurt am Main und der Höhe des eingeklagten Zahlbetrags, §§ 17 ZPO, 23, 71 GVG.