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1. Im Anwendungsbereich von § 13 Abs. 1 AGG (Beschwerderecht der Beschäftigten bei möglichen Benachteiligungen) kann die betroffene Person zu ihrer Unterstützung oder zur Vermittlung ein Betriebsratsmitglied hinzuziehen (§ 84 Abs. 1 BetrVG). Das individualrechtliche Beschwerdeverfahren ist von einem unter Umständen parallel durchgeführten kollektivrechtlichen Beschwerdeverfahren gemäß § 13 Abs. 2 AGG, § 85 Abs. 1 BetrVG rechtlich zu trennen.
2. Einzelfallentscheidung zur zulässigen Offenbarung teils privater Korrespondenz durch ein Betriebsratsmitglied gegenüber der Personalabteilung im Anwendungsbereich von § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, § 13 Abs. 1 AGG.
3. Handelt ein Betriebsratsmitglied zur Unterstützung bei Führung einer individuellen Beschwerde gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, weist § 79 a Satz 2 BetrVG die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit dem Arbeitgeber zu. Ein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DS-GVO gegen das Betriebsratsmitglied ist in diesem Fall ausgeschlossen.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Rechtsmittelstreitwert beträgt 5.000,00 €.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen eines behaupteten Datenschutzverstoßes und einer behaupteten Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
3Beide Parteien waren Arbeitnehmer der C. SE. Der Kläger war als Verkaufsleiter mit der Verantwortung für zwölf Einzelhandelsgeschäfte angestellt. Der Beklagte war u. a. Betriebsratsvorsitzender. Von September 2022 bis 01.07.2023 unterhielt der Kläger eine von ihm als „On/Off-Beziehung“ bezeichnete Verbindung zu Frau N., einer damaligen Arbeitnehmerin der C. SE, deren Vorgesetzter er war. Im Rahmen der Beziehung kam es zu Auseinandersetzungen. Der Kläger und Frau N. tauschten diverse WhatsApp-Nachrichten aus. Frau N. übermittelte dem Beklagten Auszüge aus dem Chatverkehr, die der Beklagte an die Personalabteilung der C. SE weitergab. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Anlage B 6 zum Schriftsatz vom 12.09.2024 (Bl. 110 – 114 der Akte) Bezug genommen.
4Die außergerichtliche Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs in Höhe von 5.000,00 € wegen der von dem Kläger angenommenen Rechtswidrigkeit der Weiterleitung an die Personalabteilung mit Schreiben vom 27.11.2023 (Anlage 2 zur Klageschrift vom 12.04.2024, Bl. 15 – 16 der Akte) blieb erfolglos. Der Beklagte wies die Ansprüche mit Schreiben vom 07.12.2023 (Anlage K 3 zur Klageschrift vom 12.04.2024, Bl. 17 – 19 der Akte) mit näherer Begründung zurück.
5Der Kläger behauptet, dass er sich von Frau N. gütlich getrennt habe. Danach sei es zu keinen relevanten Einwirkungen auf Frau N. gekommen. Ein Strafverfahren sei eingestellt worden.
6Der Kläger behauptet, dass der Beklagte den intime, dem höchstpersönlichen Lebensbereich zugehörige Inhalte beinhaltenden WhatsApp-Chatverlauf und eine Strafanzeige ohne Rücksprache mit dem Kläger umgehend nach Erhalt und ohne – jedenfalls geschäftsordnungsmäßige – Befassung des Betriebsrats, des Personalausschusses, des Betriebsausschusses oder von Betriebsratsmitgliedern am 14.08.2023 an die Personalabteilung der C. SE weitergeleitet habe. Das habe letztlich zu seiner Freistellung und dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags geführt. In der Sitzung des Personalausschusses am 09.08.2023 seien keinerlei Falldetails erörtert worden und die Sitzungen am 16.08.2023 und am 22.08.2023 hätten bereits nach der Weiterleitung an die Personalabteilung stattgefunden. Wahrheitswidrig habe der Beklagte gegenüber dem Rechtsanwalt des Betriebsrats die ordnungsgemäße Befassung des Personalausschusses behauptet. Es habe vor der Offenlegung an die Personalabteilung keinen korrekten Beschluss über die Behandlung als Mitarbeiterbeschwerde gegeben und der Beklagte habe auch nicht in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied gehandelt, weshalb er sich auf § 79a BetrVG nicht berufen könne. Es habe kein datenschutzrechtlicher Erlaubnistatbestand gemäß Art. 6 DS-GVO für die Weitergabe bestanden. Die Datenweitergabe sei nicht erforderlich gewesen. Der Beklagte habe durch sein Handeln das Ansehen des Klägers und seine berufliche Stellung massiv beeinträchtigt. Es habe kein dienstlicher Bezug bestanden. Ihm seien über die Anlage B 6 hinausgehende private Inhalte aus dem Chatverlauf von seinem Privathandy vorgehalten worden, die der Beklagte an die Personalabteilung weitergeleitet habe. Kopien davon habe er von der Beklagten trotz zunächst erteilter Zusage nicht erhalten. Der Chatverlauf habe unwahre Tatsachenbehauptungen enthalten und sei aufgrund der Absicht von Frau N. entstanden, dem Kläger Verletzungen zuzufügen. Frau N. habe nach dem Abschluss des Aufhebungsvertrags im Unternehmen kolportiert, dass es ihr gemeinsam mit dem Beklagten gelungen sei, den Kläger aus dem Unternehmen zu befördern. Die Weiterleitung sei sowohl ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht als auch gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers gewesen, der aufgrund seiner Erheblichkeit nur mit einer finanziellen Kompensation mindestens in der beantragten Höhe angemessen wiedergutgemacht werden könne.
7Der Kläger beantragt,
8den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.12.2023 zu zahlen.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Der Beklagte behauptet, dass Frau N. nach der Trennung Kontakt mit dem Betriebsrat aufgenommen habe. Sie habe am 31.07.2023 eine E-Mail an die stellvertretende Vorsitzende des zuständigen Betriebsrats geschrieben und um Unterstützung im Zusammenhang mit dem Verhalten des Klägers als ihrem Vorgesetzten gebeten. Aufgrund einer erhaltenen Abwesenheitsnotiz habe Frau N. am selben Tag auch eine E-Mail an den Beklagten geschrieben. Der Beklagte habe geantwortet, dass Frau N. sich sowohl telefonisch als auch per E-Mail mit dem Betriebsrat in Verbindung setzen könne und ihre Anfrage so lange anonym behandelt werde, wie sie es wünsche. Erst wenn sie konkrete Wünsche äußere, beispielsweise eine Beschwerde nach § 84 BetrVG erheben wolle, könne der Betriebsrat auch nach außen begleitend tätig werden. Außerdem habe er um erste Sachverhaltsinformationen gebeten.
12Der Beklagte behauptet, dass Frau N. ihm nach diesem Erstkontakt von der Beziehung mit dem Kläger berichtet habe. Sie habe den Kontakt mit dem Kläger auf die Arbeit beschränken wollen. Der Kläger habe ihr gesagt, dass man Charakter benötige, um eine Filiale zu führen, den sie jedoch nicht habe. Der Kläger habe ihr auch gesagt, dass sie das Unternehmen bis zum 30.09.2023 verlassen solle, sonst würde er für alles, was schieflaufe, disziplinarische Maßnahmen einleiten, bis er dafür sorgen könne, dass Frau N. das Unternehmen verlassen müsse. Es habe nach der Trennung immer wieder Gespräche während der Arbeitszeit gegeben, in denen es anfangs um die Arbeit gegangen sei, dann jedoch die Trennung thematisiert worden sei und seitens des Klägers persönliche Vorwürfe gegen sie erhoben worden seien. Auch habe der Kläger ihr gegen ihren entsprechend geäußerten Willen mehrfach aufgelauert und dies durch ein übersandtes Foto untermauert. Dies habe ihr Angst gemacht. Der Kläger habe die Beziehung gegen ihren Willen fortführen und Konkurrenten körperlich attackieren wollen. Sie wisse nicht mehr weiter, weil der Kläger ihr Vorgesetzter sei. Sie habe sich eine neue Wohnung gesucht und sei erkrankt.
13Der Beklagte behauptet, dass er sich am 09.08.2023 zu einem persönlichen Gespräch mit Frau N. getroffen habe, im Rahmen dessen ihm Frau N. weitergehend berichtet und ihm Unterlagen überlassen habe. Diese hätten einen erkennbaren Bezug zu dem Arbeitsverhältnis gehabt, etwa hinsichtlich der Bezugnahme auf eine etwaige Beförderung von Frau N., eine Fahrt des Klägers mit seinem Dienstwagen trotz Alkoholkonsums zur körperlichen Stellung eines etwaigen Konkurrenten um die Gunst der Frau N. zu deren Wohnung nach einer Betriebsfeier und zu nachfolgenden Beleidigungen. Zugleich habe sie erbeten, dass diese Unterlagen an den Arbeitgeber weitergeleitet würden, damit dieser sie vor Nachstellungen schütze. Im Anschluss habe der Beklagte diese Informationen in den Personalausschuss des Betriebsrats eingebracht. Er sei im Rahmen des Case Managements mit der Abwicklung der Beschwerde durch den Personalausschuss beauftragt gewesen und habe selbständig handeln können. Er selbst habe allein die mit der Anlage B 6 zum Schriftsatz vom 12.09.2024 vorgelegten Unterlagen an die Personalabteilung weitergereicht. Der Betriebsrat habe seinen Rechtsanwalt hinzugezogen, welcher am 22.08.2023 zur Weiterleitung an den Arbeitgeber geraten habe. Der Personalausschuss habe dreimal, am 09.08.2023, am 16.08.2023 und am 22.08.2023 über den Vorgang beraten. Das Vorgehen des Beklagten sei anlässlich des hiesigen Verfahrens von Frau N. nochmals mit E-Mail vom 24.04.2024 gebilligt worden.
14Nach der Sitzung der Gremien habe der Betriebsrat Frau N. mitgeteilt, dass sie eine Beschwerde gemäß § 84 BetrVG führen könne. Zugleich habe der Betriebsrat eine eigene Zuständigkeit gemäß § 75 BetrVG gesehen. Erneut habe Frau N. unter Vorbringen neuer Vorwürfe gegen den Kläger darum gebeten, dass der Betriebsrat die ihm vorliegenden Unterlagen als Beschwerde kennzeichnen und an den Arbeitgeber weiterleiten solle. Dies habe der Beklagte dann in Ausübung seines Betriebsratsamtes getan, indem er den Vorgang dem Personalleiter Herrn X. überlassen habe.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Protokolle des Gütetermins und des Kammertermins sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17I. Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
181. Die Klage ist zulässig.
19a) Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG eröffnet. Beide Parteien waren im Zeitpunkt der behaupteten rechtswidrigen Weiterleitung Arbeitnehmer der C. SE. Der Kläger macht gegen den Beklagten Ansprüche aus unerlaubter Handlung wegen eines Datenschutzverstoßes und einer Persönlichkeitsrechtsverletzung geltend, die zumindest mit Blick auf das Betriebsratsamt des Beklagten und der hierdurch zumindest mit ausgelösten Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen.
20b) Das Arbeitsgericht Bonn ist örtlich zuständig. Aufgrund des Streitgegenstandes – Ansprüchen aus unerlaubter Handlung – ist ein Gerichtsstand im Bezirk des Arbeitsgerichts Bonn am Wohnort des Klägers in L. als sogenanntem Schadensort eröffnet (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 32 ZPO).
212. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz und mangels Hauptforderung keinen Anspruch auf die Zahlung von Zinsen.
22a) Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der Beklagte durch die Weitergabe von privater Korrespondenz zwischen ihm und Frau N. an die Personalabteilung rechtswidrig sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt hätte und sich daraus ein Schadensersatzanspruch ergeben hätte.
23(1) Das Gericht unterstellt zu Gunsten des Klägers, dass die Offenbarung der privaten Korrespondenz trotz der dienstlichen Bezüge unter dem Aspekt der Wahrung des Schutzes des Privatlebens in den Anwendungsbereich seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts fiel. Da es sich bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht um ein Rahmenrecht handelt, indiziert die Tatbestandsmäßigkeit einer Verletzungshandlung, anders als bei den sonstigen absoluten Rechten im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, nicht schon ihre Rechtswidrigkeit. Das Schutzinteresse des Betroffenen muss die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegen (BGH 29.06.2021 – VI ZR 52/18 Rn. 24; Förster in BeckOK-BGB Stand 01.08.2024 § 12 Rn. 288 m.w.N.). Damit hatte das Gericht abzuwägen, ob die Belange der Frau N. und des Beklagten, die für eine Offenbarung der privaten Korrespondenz gegenüber dem Arbeitgeber sprachen, diejenigen des Klägers, die für eine Geheimhaltung sprachen, überwogen. Der Kläger hatte die Rechtswidrigkeit der Weiterleitung des Chatverlaufs und ggf. weiterer Daten darzulegen und zu beweisen, um einen Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG erfolgreich geltend machen zu können.
24(2) Letzteres ist dem Kläger nicht gelungen. Die dem Gericht vorliegende Korrespondenz (Anlage B 6 zum Schriftsatz vom 12.09.2024) zwischen dem Kläger als Vorgesetztem und der ihm unterstellten Mitarbeiterin Frau N. enthält mehrere Bezüge zu dem Arbeitsverhältnis der Frau N. Auch wenn Kern des Chatverlaufs die Ablehnung eines Zusammentreffens seitens Frau N. mit dem Kläger ist, ist dort auch von Bewerbungen und einer beruflichen Neuorientierung die Rede. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger der Vorgesetzte der Frau N. war, womit ein auf die private Beziehung einwirkendes Subordinationsverhältnis mit besonderer Anfälligkeit für einen potentiellen Machtmissbrauch eines von einer Frau zurückgewiesenen Mannes einherging. Der Chatverlauf zeigt ein erhebliches und mehrfach zurückgewiesenes Drängen des Klägers auf ein persönliches Treffen mit Frau N. und damit eine Situation, die zumindest potentiell aufgrund der auch beruflichen Verbindung des Klägers mit Frau N. in den Anwendungsbereich von § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 3 AGG (Belästigung von Beschäftigten) fiel. Das beharrliche Insistieren des Klägers im Verein mit der Übersendung eines Fotos ihres Wohnhaues nach zweifacher Ablehnung eines Zusammentreffens löste das Recht von Frau N. aus, über den Kläger bei dem gemeinsamen Arbeitgeber eine Beschwerde gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG zu führen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Beschwerderecht gemäß § 13 Abs. 1 AGG nicht nur besteht, wenn tatsächlich gegen das AGG verstoßen worden ist, sondern dass es bereits genügt, wenn der Beschäftigte – vorbehaltlich eines Missbrauchs des Beschwerderechts – meint, benachteiligt worden zu sein. Ob eine Benachteiligung gegeben war und ggf. Abhilfemaßnahmen zu ergreifen sind, kann im Beschwerdeverfahren geklärt werden (Benecke in Beck Online Großkommentar Stand 01.10.2024 § 13 AGG Rn. 13; Schlachter in Erfurter Kommentar 25. Aufl. 2025 § 13 AGG Rn. 1).
25(3) Parallel bestand ein Beschwerderecht der Frau N. gemäß § 84 Abs. 1 BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat jeder Arbeitnehmer das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt. Er kann ein Mitglied des Betriebsrats zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuziehen (§ 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Nichts Anderes gilt im Anwendungsbereich des Beschwerderechts gemäß § 13 Abs. 1 AGG, zumal bei Einreichung bei einer betrieblich unzuständigen Stelle eine Weiterleitung der Beschwerde an die zuständige Stelle zu erfolgen hat (Benecke in Beck Online Großkommentar Stand 01.10.2024 § 13 AGG Rn. 11; Schlachter in Erfurter Kommentar 25. Aufl. 2025 § 13 AGG Rn. 3). Dass der Beklagte den Chatverlauf eigenmächtig, d. h. ohne Wunsch von Frau N., an die Personalabteilung weiterleitete, hat der Kläger nicht behauptet. Der Beklagte leistete Frau N. Unterstützung in Wahrnehmung seines gesetzlichen Auftrags aus § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.
26(4) Gemäß § 13 Abs. 2 AGG bleiben die Rechte der Arbeitnehmervertretungen von dem individuellen Beschwerderecht unberührt. Dies bedeutet, dass eine individuelle Beschwerde gemäß § 13 Abs. 1 AGG und § 84 Abs. 1 BetrVG ohne Weiteres parallel zu einem kollektivrechtlichen Beschwerdeverfahren gemäß §§ 85 f. BetrVG geführt werden kann (Trebinger/Linsenmaier/Schelz/Schmidt in Fitting BetrVG 32. Aufl. 2024 § 84 Rn. 1; Thüsing in Richardi BetrVG 17. Aufl. 2022 § 84 Rn. 3, 30). Nicht streitentscheidend ist somit entgegen der Auffassung des Klägers, ob der Beklagte den Betriebsrat bzw. den Personalausschuss ordnungsgemäß mit dem Beschwerdevorbringen befasste, bevor er – auf Wunsch von Frau N. – die Auszüge aus dem Chatverlauf an die Personalabteilung weiterreichte. Die Erörterungen in den Gremien geschahen im Anwendungsbereich der §§ 85 f. BetrVG. Jedenfalls auf Wunsch von Frau N. durfte der Beklagte parallel und auch vor Abschluss des Beschwerdeverfahrens die im Betrieb zuständigen Stellen mit dem Vorgang befassen und damit auch den Chatverkehr dort zur Prüfung vorlegen, der keinerlei für die Beurteilung einer Beschwerde gemäß § 13 Abs. 1 AGG, § 84 Abs. 1 BetrVG irrelevante Informationen enthielt.
27(5) Dass die Personalabteilung der C. SE nicht zuständig wäre, falls eine Mitarbeiterin sich von ihrem Vorgesetzten belästigt fühlt, hat der Kläger nicht behauptet.
28(6) Für eine Anhörung des Klägers vor einer Weiterleitung durch den Beklagten gab es keine Rechtsgrundlage. Eine Anhörung des Klägers konnte auch im Beschwerdeverfahren erfolgen.
29(7) Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der Beklagte über die Anlage B 6 hinausgehende, der Intimsphäre zugehörige und für die Beschwerde irrelevante Kommunikationsinhalte an die Personalabteilung weitergeleitet hätte. Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht (§ 138 Abs. 3 ZPO). Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO), Verhandlungsgrundsatz (§ 128 ZPO) und Prozessförderungspflicht (§ 282 ZPO) führen zu einer dem gegnerischen Vorbringen entsprechenden Erklärungslast. Die konkrete Einlassung des Gegners kann im Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag eine Obliegenheit der primär darlegungs- und beweispflichtigen Partei zu weiterer Substantiierung auslösen (BGH 08.03.2021 – VI ZR 505/19 Rn. 26; BAG 23.02.2017 – 6 AZR 665/15 Rn. 25; BAG 21.03.2012 − 6 AZR 596/10 Rn. 31; Stadler in Musielak ZPO 21. Aufl. 2024 § 138 Rn. 10a). Der Beklagte hat erklärt, dass sich die Weiterleitung auf die als Anlage B 6 vorgelegten Auszüge aus dem Chatverlauf beschränkt hätte. Dem ist der Kläger nicht im Einzelnen entgegengetreten. Die Behauptungen zur Offenbarung ggf. anders zu bewertender intimer, womöglich für die Beschwerde irrelevanter Chatinhalte ist pauschal und nicht näher einlassungsfähig, so dass es auch keiner Beweisaufnahme durch eine Einvernahme des Personalleiters Herrn X. bedurfte. Eine derartige Beweisaufnahme hätte der erstmaligen Ermittlung konkreter Sachverhaltsinformationen gedient. Der Beweisantritt war ein unzulässiger Ausforschungsbeweis (vgl. BAG 25.03.2015 – 5 AZR 368/13 Rn. 23; Prütting in Germelmann ArbGG 10. Aufl. 2022 § 58 Rn. 38).
30(8) Im Ergebnis überwogen somit die Rechtfertigungsgründe für eine Weiterleitung des Chatverlaufs an die Personalabteilung zur Durchführung des individuellen Beschwerdeverfahrens deutlich das Geheimhaltungsinteresse des Klägers. Der Beklagte handelte rechtlich zulässig im Anwendungsbereich von § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zur Unterstützung von Frau N..
31b) Dem Kläger steht gegen den Beklagten auch kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu.
32(1) Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Die konkret dargelegte Datenweitergabe war unter Berücksichtigung der Ausführungen unter a) (2) – (8) gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 b), f) DS-GVO bzw. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG rechtmäßig, um dem Arbeitgeber eine möglichst aussagekräftige Basis zur Prüfung der Beschwerde gemäß § 13 Abs. 1 AGG, § 84 Abs. 1 BetrVG zu verschaffen. Es fehlt an einem Verstoß des Beklagten gegen die DS-GVO. In den Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 b) DS-GVO fällt auch die Datenweitergabe zur Abwicklung und Beendigung eines Vertrags (dazu im Einzelnen etwa Albers/Veit in BeckOK Datenschutzrecht Stand 01.08.2024 Art. 6 DS-GVO Rn. 43), hier in Form des Arbeitsvertrags des Klägers und von Frau N. zur Prüfung etwaiger Abhilfemaßnahmen insbesondere nach dem AGG durch den Arbeitgeber. Es ist zumindest angesichts des Bestreitens des Beklagten und seines Sachvortrags von dem Kläger nicht konkret vorgetragen und auch nicht unter Beweis gestellt worden, dass höchstpersönliche Daten aus seinem Intimbereich, die für eine Prüfung der Beschwerde irrelevant gewesen wären, anlasslos an die Personalabteilung weitergeleitet worden wären.
33(2) Überdies hat der Kläger nicht dargelegt und auch nicht unter Beweis gestellt, dass der Beklagte bei der Weiterleitung an die Personalabteilung nicht in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gehandelt hätte, womit er gemäß § 79a Satz 2 BetrVG ohnehin nicht persönlich gegenüber dem Kläger für die Einhaltung des Datenschutzrechts gehaftet hätte. Gemäß § 79a Satz 2 BetrVG ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften, soweit der Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben personenbezogene Daten verarbeitet. Die Vorschrift privilegiert auch einzelne Betriebsratsmitglieder datenschutzrechtlich, soweit sie – wie hier der Beklagte gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG – in Wahrnehmung des Betriebsratsamtes handeln (Thüsing in Richardi BetrVG 17. Aufl. 2022 § 79a Rn. 16; Kania in Erfurter Kommentar 25. Aufl. 2025 § 79a BetrVG Rn. 3). Der Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO richtete sich, wenn er dem Grunde nach überhaupt bestanden hätte, gegen den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter, nach der gesetzlichen Zuweisung des § 79a BetrVG also gegen den Arbeitgeber.
34II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO. Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
35III. Der Rechtsmittelstreitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG, §§ 3 ff. ZPO mit dem Nennwert der Klageforderung im Urteil festgesetzt.
36IV. Gründe für eine gesonderte Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht gegeben.