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Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Einführung und Anwendung des IT-Systems ‚U‘“ wird Herr O K, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht D, bestellt und die Anzahl der Beisitzer wird auf drei je Seite festgelegt.
G r ü n d e
2I.
3Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle bezüglich der Einführung und Anwendung eines IT-Systems zur Arbeitszeiterfassung.
4Die Beteiligte zu 1), die ihren Sitz in B hat, ist das herrschende Unternehmen des Konzerns „D“. Die D ist ein weltweit tätiger Post- und Logistikkonzern. Sie bietet ihren Auftraggebern und Kunden über ihre fünf operativen Geschäftsbereiche („Divisionen“) Dienstleistungen und kundenbezogene Lösungen für den Transport von Briefen, Waren und Informationen. Schwerpunkt der unternehmerischen Betätigung in der Division „Express“ ist der Transport von eilbedürftigen Dokumenten und Waren. Unter anderem gehören die Konzerngesellschaften D G GmbH, D E GmbH und D A GmbH zum vorgenannten Geschäftsbereich.
5Der Beteiligte zu 2) ist der bei der Beteiligten 1) eingerichtete Konzernbetriebsrat.
6Bei der Beteiligten zu 1) wurde unter dem 22.09.2004 die Konzernbetriebsvereinbarung „Informationstechnologie des Konzerns De AG“ (KBV IT) geschlossen. Diese regelt das Verfahren für die IT-mäßige Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten und ist im Verhältnis zwischen dem Beteiligten zu 2) und der Beteiligten zu 1) der grundlegende Rahmen für den Betrieb aller IT-Systeme, die gesellschaftsübergreifend in Konzerngesellschaften der D eingeführt oder verändert werden (§ 1 KBV IT i.V.m. § 2 KBV IT). Es wird Bezug genommen auf Bl. 16-33 der Akte.
7Darüber hinaus gibt es zur weiteren Standardisierung und Formalisierung des Mitbestimmungsverfahrens die KBV „n“ vom 4./12.05.2024, die im Wesentlichen das Procedere der Zuleitungen zum Konzern-IT-Ausschuss („KITA“) zum Inhalt hat. Es wird Bezug genommen auf Bl. 34-38 der Akte.
8„U“ ist ein IT-System des amerikanischen Anbieters U zur Erfassung der Arbeitszeit. Bei dem IT-System „U” handelt es sich um ein Cloud-System, das als Software-as-a-service (SaaS) genutzt wird. Es kann ua. als Ein-Mandanten–Lösung für mehrere Unternehmen genutzt werden. Die Daten laufen dann über eine Plattform zusammen und werden einheitlich weiterverarbeitet.
9Die Beteiligte zu 1) möchte „U“ neben der Erfassung der Anwesenheits- und Abwesenheitszeiten auch bei der Personaleinsatzplanung verwenden. Die Einführung der Software soll auf Grundlage der KBV IT erhalten. Das IT-System soll gesellschaftsübergreifend gleichartig in den drei folgenden Konzerngesellschaften der Division „Express“ genutzt werden: D G GmbH, D E GmbH und D A GmbH. Es gibt jedoch mehr als drei (Konzern-)Gesellschaften in der Division „Express“.
10Es gibt jedoch – abgesehen von örtlichen Betriebsräten – kein überörtliches Betriebsratsgremium (zB. keinen Gesamtbetriebsrat), dass für die drei zu vorgenannten Gesellschaften zuständig wäre, abgesehen von dem hiesigen Beteiligten zu 2).
11Die Beteiligte zu 1) leitete gemäß § 4 KBV „n“ dem Beteiligten zu 2) die Unterlagen zur Mitbestimmung über das IT-Systems „U“ zu der Sitzung des Konzern-IT-Ausschusses (KITA) am 11./12.06.2024 zu. Die Zuleitung umfasste – wie in der KBV IT bzw. in der KBV „n geregelt – das Informationsdokument, den softwareergonomischen Fragebogen, die sogenannte Checkliste/Anlage 1 sowie die Präsentation in Form einer gängigen PowerPoint-Vorlage. Es wird Bezug genommen auf Bl. 39-72 der Akte.
12Mit Schreiben vom 14.06.2024 teilte der Beteiligte zu 2) mit, dass er die Zuleitung des Systems wegen Unzuständigkeit an die Fachseite zurückzugebe. Die originäre Mitbestimmung werde, ohne dies näher zu begründen, auf Ebene der örtlichen Betriebsräte gesehen. Es wird auf Bl. 73 der Akte Bezug genommen.
13Im Nachgang konnten sich die Betriebsparteien nicht über die Einrichtung der Einigungsstelle und die Frage, auf welcher kollektivrechtlichen Ebene das Mitbestimmungsrecht besteht, einigen.
14Die Beteiligte zu 1) ist der Ansicht, dass Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG läge vorliegend auf Ebene des Konzernbetriebsrats im Sinne von § 58 BetrVG. Die Notwendigkeit der einheitlichen Ausgestaltung ergebe sich aus den nachfolgenden genannten technischen Sachzwängen:
15Mit dem IT-System sollen in den nutzenden Konzerngesellschaften gesellschaftsübergreifend mehrere Ziele verfolgt werden. Zunächst soll eine intuitiv zu bedienende und dem aktuellen Stand der Technologie entsprechenden Software zur genauen Erfassung der persönlichen Zeitdaten der Arbeitnehmer bereitgestellt werden. Weiterhin ist geplant, mittels „U“ die technische Voraussetzung für die IT-gestützte Personaleinsatzplanung (Schichtplanung) in den Gesellschaften durchzuführen.
16Die Erfassung aller Anwesenheits- und Abwesenheitszeiten aller Arbeitnehmer soll je nach Mitarbeitergruppe über Zeiterfassungsterminals oder andere Endgeräte (PC, Laptop, Tablet oder Smartphone) erfolgen. Die vorläufige Bewertung und Darstellung dieser Zeitdaten und ggf. deren weitere Bearbeitung sollen Mitarbeiter, Führungskräfte und/oder damit zentral beauftragte Personen vornehmen. Sobald die ermittelten Zeitdaten final festgestellt sind, werden sie mittels einer Schnittstelle aus „U“ an das ebenfalls konzernweit genutzte Gehaltsabrechnungssystem „SAP Open ICE“ übermittelt. Mittels „SAP Open ICE“ werden die Gehälter für alle Beschäftigten der D G GmbH, der D E GmbH und der D A GmbH (Standort F) abgerechnet und zur Auszahlung gebracht. Das IT-System „SAP Open ICE“ ist auf Konzernebene ebenfalls mitbestimmt durch den Beteiligten zu 2) eingeführt worden.
17Der geplante Einsatz von „U“ diente auch der IT-gestützten Durchführung einer vor Ort zu erfolgenden Personaleinsatzplanung durch die zuständigen Fachkräfte der beteiligten Unternehmen.
18Es entspräche – schon wegen der Einbettung in die konzernweit genutzte Software „SAP Open ICE“ – weder der unternehmerischen Planung noch der technischen Infrastruktur des von U gelieferten Produktes, für jede nutzende Konzerngesellschaft eine eigene Lösung zu konfigurieren und auf eigenen Servern zu administrieren. Personell sollen nach der maßgeblichen Konzeption sowohl die D GmbH als auch die D E GmbH von der HR-Abteilung der D GmbH betreut werden. Die Steuerung des Systems sowie finale Bearbeitung der von „U“ erfassten Daten erfolgt von der D G GmbH gleichermaßen für beide Gesellschaften. Für die Beteiligte zu 1) ist die D G GmbH die Systeminhaberin des Systems „U“. Zudem administriert und konfiguriert die D G GmbH das System auch für die D A GmbH für deren Standort in F. Die D GmbH ist also als Konzernunternehmen zentral verantwortlich für die Beschreibung aller Änderungen und Ergänzungen des Systems im sogenannten IT-Informationsdokument gemäß der KBV IT.
19„U“ sollen nach dem Willen der Beteiligten zu 1) als Ein-Mandanten–Lösung genutzt werden. Die Daten aller Arbeitnehmer der drei nutzenden Gesellschaften laufen über eine Plattform zusammen und werden einheitlich weiterverarbeitet. Das IT-System wird aus diesem Grunde gesellschaftsübergreifend einheitlich konfiguriert. Für die nutzenden Gesellschaften wird das IT-System über einen Server gehostet, verfügt über dieselben Schnittstellen und ein einheitliches Reporting. Die Administration erfolgt ebenfalls einheitlich für die nutzenden Gesellschaften durch eine zentrale Stelle. Zur Visualisierung der Schnittstellen und Datenströme wird auf Bl. 67 der Akte Bezug genommen.
20Die Antragstellerin beantragt zuletzt,
21zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Einführung und Anwendung des IT-Systems ‚U‘“ Herrn O K, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht D, zu bestellen und die Anzahl der Beisitzer auf drei je Seite festzulegen.
22Der Beteiligte zu 2. beantragt,
23den Antrag zurück zu weisen.
24Der Beteiligte zu 2) ist der Ansicht, dass der vorliegende Antrag zurückzuweisen sei, da das Mitbestimmungsrecht vorliegend nicht auf Ebene des Konzernbetriebsrats bestünde. Bei der Software „U“ sei es technisch möglich, dass eine Mandantentrennung zwischen den Gesellschaften erfolge, so dass die Datenverarbeitung auch getrennt erfolgen könnte. Ferner sei das System je nach örtlichen Arbeitszeitregelung konfigurierbar/trennbar. Das System könne zudem durch die Anpassung verschiedener Parameter an individuelle Bedürfnisse angepasst werden. Unzutreffend sei ferner die Aussage, dass eine Anbindung an SAP OPEN ICE durch eine einheitliche Software sinnvoll bzw. möglich sei. Diese Software sei bereits bei anderen Gesellschaften individuell konfiguriert und angepasst worden. Ein Vergleich mit Microsoft MS 365 sei ebenfalls nicht einschlägig, da diese Standardsoftware anders als das streitgegenständliche IT-System keiner individuellen Anpassung bedürfen. Insofern bestünde vorliegend kein zwingendes Bedürfnis für eine konzerneinheitliche oder zumindest unternehmensübergreifende Regelung. Hinzu käme, dass die Antragstellerin setzt auch keine konzernweite Regelung schaffen wolle. Vielmehr wird „U“ nur bei drei konzernangehörigen Gesellschaften und bei einer sogar nur am Standort in F eingeführt. Warum eine Regelung, die noch nicht einmal unternehmensweit einheitlich umgesetzt werden soll, eine Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats begründen soll, sei insofern nicht nachvollziehbar. Außerdem beruhe die Entscheidung für eine konzerneinheitliche Regelung nicht auf einer Anweisung des Konzernvorstandes, sondern sei eine Entscheidung eines lokalen Managements. Schließlich sei zu beachten, dass durch das IT System auch die Arbeitszeit- und Schichtplanung vorgenommen werden soll, sodass auch die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 7 BetrVG einschlägig seien. Hierfür seien die lokalen Betriebsräte zuständig.
25Jedenfalls sei nach Ansicht des Beteiligten zu 2) im Falle der Einsetzung der Einigungsstelle die Anzahl der Beisitzer für jede Seite auf je 5 festzusetzen. Dies sei erforderlich, damit der Beteiligte zu 2) zum einen juristischen Sachverstand als auch zum anderen je einen Vertreter der betroffenen Gesellschaften in die Einigungsstelle entsenden könnte, da er keine Kenntnisse über die lokalen Besonderheiten in den einzelnen konzernangehörigen Gesellschaften habe.
26Die Antragsschrift ging per besonderem elektronischen Anwaltspostfach beim erkennenden Gericht am 26.09.2024 ein. Sie wurde dem Beteiligten zu 2) am 08.10.2024 (BL. 91c/d der Akte) zugestellt. Aufgrund von Erkrankung und Urlaub des Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 2), der zeitlichen Schwierigkeit, einen Beschluss des Beteiligten zu 2) zur Durchführung des Verfahrens zu erwirken (siehe Bl. 85 der Akte) und der Urlaubsplanung des Vorsitzenden, wurde der Anhörungstermin in Absprache mit den Beteiligten bzw. ihren Vertretern auf den 29.10.2024 bestimmt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift zum Anhörungstermin verwiesen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 ZPO).
27II.
28Der zulässige Antrag ist begründet, so dass ihm stattzugeben ist. Ist bei Bedarf zur Beilegung von konkreten Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber eine Einigungsstelle zu bilden und kommt weder hierüber noch über die Person des Vorsitzenden und die Anzahl der Beisitzer eine Einigung zustande, so bestellt das zuständige Arbeitsgericht gemäß §§ 76 Abs. 2 Satz 2 und 3 BetrVG, 100 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG die Person des unparteiischen Vorsitzenden und entscheidet über die Anzahl der Beisitzer, wenn die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig ist.
291.
30Vorliegend ist die Einigungsstelle aufgrund des Antrages der Beteiligten zu 1) einzusetzen, da die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig ist (§ 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).
31Offensichtlich unzuständig ist eine Einigungsstelle, wenn sich ihre Zuständigkeit bei sachgerechter und fachkundiger Beurteilung auf den ersten Blick erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand subsumieren lässt, dh. wenn das konkret in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann (siehe Hess. LAG, Beschl. v. 3.11.2009 – 4 TaBV 185/09, NZA-RR 2010, 359; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 29.9.2009 – 17 TaBV 107/09, juris; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, Kommentar, 32. Aufl., München, 2024, § 76 BetrVG, Rz. 21). Das Bestellungsverfahren soll weder durch die Klärung komplizierter Rechtsfragen noch durch die Aufklärung streitiger Tatsachen belastet werden. Diese Aufgaben sind gegebenenfalls der Einigungsstelle vorbehalten. Für deren Bestellung ist entscheidend, ob an ihrer Unzuständigkeit keine vernünftigen Zweifel möglich sind. Hat aber das erkennende Arbeitsgericht Zweifel, ob eine Zuständigkeit der Einigungsstelle in Betracht kommt, ist dem Antrag auf Einsetzung der Einigungsstelle zu entsprechen (Hess. LAG, Beschl. v. 9. Oktober 1984 - 5 TaBV 104/84, n.v.). Es gehört nicht zu der Kompetenz des Arbeitsgerichts (positiv) zu prüfen, ob die Einigungsstelle für die Streitfrage der Beteiligten zuständig ist. Es hat nur eine eingeschränkte Kompetenzprüfung, die nach ihrer Zielrichtung auf eine Missbrauchskontrolle gerichtet ist (LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 31. Mai 1988 - 8 TaBV 4/88, n.v.). Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab korrespondiert damit, dass die Einigungsstelle die Vorfrage ihrer Zuständigkeit selbst prüft und sich, wenn sie diese nicht für gegeben hält, für unzuständig erklären muss (LAG Köln, Beschl. v. 27. Mai 2016 – 10 TaBV 28/16, Rn. 64, juris).
32Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle festzustellen. Die Einführung und Anwendung von „U“ in den drei konzernangehörigen Gesellschaften unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Im Einzelnen:
33a.
34Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen. Auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an (vgl. etwa BAG, Beschluss vom 8. März 2022 – 1 ABR 20/21, Rn. 30, BAGE 177, 237).
35b.
36Danach handelt es sich bei dem IT-System „U“ um eine technische Einrichtung in diesem Sinn. Die im Zusammenhang mit einer Verwendung von „U“ erhobenen Arbeitszeitdaten sind personenbezogene Daten der Arbeitnehmer und können für eine Leistungs- oder Verhaltenskontrolle der Arbeitnehmer genutzt werden. Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit.
37c)
38Für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts ist vorliegend der Konzernbetriebsrat zuständig. Bei der Einführung und Anwendung der neuen Software handelt es sich um eine Angelegenheit, die mehrere Betriebe betrifft – genauer: drei konzernangehörige Gesellschaften – und nicht durch die einzelnen (lokalen) Betriebsräte geregelt werden kann. Auch gibt es kein etwaiges anderes überörtliches Gremium außer den Beteiligten zu 2).
39(1)
40Die Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz obliegt grundsätzlich dem von den Arbeitnehmern unmittelbar gewählten Betriebsrat. Dem Konzernbetriebsrat ist nach § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur die Behandlung von Angelegenheiten zugewiesen, die gesamten Konzern oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Erforderlich ist, dass es sich zum einen um eine mehrere Betriebe betreffende Angelegenheit handelt und zum anderen objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung besteht. Ob ein zwingendes Erfordernis gegeben ist, bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands, der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liegt. Maßgeblich sind stets die konkreten Gegebenheiten im Unternehmen und in den einzelnen Betrieben. Allein der Wunsch des Arbeitgebers nach einer unternehmenseinheitlichen oder betriebsübergreifenden Regelung, sein Kosten- oder Koordinierungsinteresse sowie reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nicht, um in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zustimmung des Konzernbetriebsrats zu begründen (vgl. BAG, Beschluss vom 8. März 2022 – 1 ABR 20/21, Rn. 33, BAGE 177, 237, dort allerdings zur Frage der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats).
41(2)
42Ausgehend hiervon kann die Einführung und Anwendung des IT-Systems „U“ in Form einer Ein-Mandanten-Lösung (vgl. der „1-Tenant-Lösung“ bei Microsoft Office 365) aus zwingenden technischen Gründen nur durch eine betriebsübergreifende Regelung auf Ebene des Konzernbetriebsrates erfolgen.
43Die Administration der Software, die die Arbeitgeberin einführen will, kann nur einheitlich für die genannten konzernangehörigen Gesellschaften - als ein zusammenhängender Mandant - erfolgen. Entsprechend werden auch die Administrationsrechte zentral vergeben. Dadurch besteht die Möglichkeit einer Kontrolle des Nutzungsverhaltens von Arbeitnehmern in sämtlichen Betrieben der konzernangehörigen Gesellschaften. Diese zentrale Überwachungsmöglichkeit gebietet aus technischen Gründen zwingend eine betriebsübergreifende Regelung (vgl. für die Zuständigkeit eines Konzernbetriebsrats BAG, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 ABR 45/11 - Rn. 26 f.). Zwar mag es technisch möglich sein, worauf der Beteiligte zu 2) hinweist, dass das IT-System auch lokal konfiguriert werden könnte, so dass die Daten für die verschiedenen konzernangehörigen Gesellschaften auch jeweils getrennt und nicht in einer Cloud gespeichert würden. Die Arbeitgeberin hat sich aber vorliegend subjektiv dahingehend entschieden, die Einführung des IT-Systems „U“ in einer bestimmten Weise zu organisieren (hier: Ein-Mandanten-Lösung) die dazu führt, dass sich erst im Anschluss an eine solche subjektive Organisationsentscheidung ein objektiver Zwang zur einer unternehmenseinheitlichen Regelung einer Angelegenheit ergibt (so ausdrücklich, Kort, ZfA 2024, 137, 142). Bei der Frage, ob bei der Konfiguration eines IT-Systems eine Ein-Mandanten-Lösung oder dezentrale Konfiguration/Installation vorgenommen wird, besteht jedoch kein Mitbestimmungsrecht. Vielmehr ist diese Entscheidung dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG vorgelagert und bedingt gleichzeitig, auf welcher kollektivrechtlichen Ebene ein Mitbestimmungsrecht besteht. Erforderlichkeits- bzw. Zweckmäßigkeitserwägungen sind insofern unebachtlich.
44(3)
45Der Umstand, dass bei „U“ benutzerbezogene Einstellungen vorgenommen werden können, führt entgegen der Auffassung des Konzernbetriebsrats zu keiner anderen Bewertung. Die zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeigneten gespeicherten Arbeitszeitdaten und der Zugriff hierauf mögen technisch auf bestimmte Personen oder Personengruppen einschränkbar sein. Aber die Software soll vorliegend in einer Cloud zusammen mit den gespeicherten Arbeitszeitangaben gehostet und betrieben werden.
46(4)
47Auch der Einwand des Konzernbetriebsrats, eine zwingende technische Notwendigkeit bestehe allenfalls für die Einführung, nicht aber für die Anwendung, verfängt nicht. Er übersieht, dass es sich hierbei um eine einheitliche betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit handelt, innerhalb derer eine Aufspaltung der Zuständigkeit auf mehrere betriebsverfassungsrechtliche Organe nicht möglich ist (BAG, Beschluss vom 8. März 2022 – 1 ABR 20/21, Rn. 36, BAGE 177, 237). Eine „Verschiebung“ der Zuständigkeiten von Betriebsrat und Konzernbetriebsrat findet dadurch nicht statt. Die Zuständigkeit knüpft weiterhin an die jeweilige betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit und damit hier an die Einführung und Anwendung des IT-Systems „U“ als Ein-Mandanten-Lösung an.
48(5)
49Unerheblich ist ferner, dass in der Sache für die Nutzung von „U“ betriebsspezifische Regelungen getroffen werden können. Nach dem Grundsatz der Zuständigkeitstrennung obliegt die Regelung einer Angelegenheit entweder ausschließlich den einzelnen Betriebsräten, dem Gesamtbetriebsrat oder dem Konzernbetriebsrat. Diese gesetzliche Kompetenzverteilung ist zwingend und unabdingbar. Ist der Konzernbetriebsrat zuständig, muss er die gesamte Angelegenheit mit dem Arbeitgeber regeln. Die Betriebsparteien dürfen sich dabei nicht auf diejenigen Aspekte oder Inhalte beschränken, die zwingend einer unternehmenseinheitlichen Ausgestaltung bedürfen. Sie haben vielmehr selbst ggf. bestehende örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen (BAG, Beschluss vom 8. März 2022 – 1 ABR 20/21, Rn. 37, BAGE 177, 237).
50(6)
51Ohne Bedeutung im Rahmen des vorliegenden Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens ist es zudem, dass die Arbeitgeberin „U“ bereits in einzelnen Betrieben des Konzerns eingeführt und hierbei keine Ein-Mandanten-Lösung vorgenommen hat. Die technisch bedingte Notwendigkeit einer betriebsübergreifenden Regelung ergibt sich aus der zentralen Überwachungsmöglichkeit, die mit dem geplanten Einsatz dieser Software in der jetzigen Form verbunden ist.
52(7)
53Unerheblich ist es ferner, dass bei der konkreten Anwendung der Software „U“ in den einzelnen Betrieben auch die Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 7 BetrVG eingreifen. Vorliegend wird mit der Einführung und Anwendung der Software alleine jedoch nicht Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage; geregelt. Ebenso wird mit der Einführung der Software der Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften näher konkretisiert, auch wenn die Erfassung der Arbeitszeit eine Arbeitsschutzaufgabe des Arbeitgebers ist. Soweit diese genannten Mitbestimmungsrechte durch die konkrete Nutzung der Software berührt sind, mag dies mit den lokalen Betriebsräten im Rahmen der Dienstplangestaltung bzw. der konkreten betrieblichen Arbeitsschutzmaßnahmen geregelt werden.
542.
55Der Einsetzung der Einigungsstelle stehen vorliegend im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „bei Bedarf“ gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auch nicht etwaige Informationspflichten außerhalb der Einigungsstelle entgegen. Ob und in welchem Umfang die Erfüllung der Verhandlungs- und Informationspflichten des § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Voraussetzung für die Anrufung einer Einigungsstelle ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Zum Teil wird verlangt, dass die Betriebspartner streitige Fragen vor der Anrufung der Einigungsstelle mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln haben (Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, Kommentar, 32. Aufl., München, 2024, § 76 BetrVG, Rz. 7). Weiter wird angenommen, jede Partei könne, wenn überhaupt schon ernsthafte Verhandlungen stattgefunden haben, die Verhandlungen jederzeit für gescheitert erklären, wenn dies nicht ohne jeglichen Anlass angenommen wird (Hess. LAG, Beschl. v. 22. November 1994 - 4 TaBV 112/94, NZA 1995, 1118; ähnlich LAG Düsseldorf, Beschl. v. 10. Dezember 1997 - 12 TaBV 61/97, LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 31). Überwiegend wird die Erfüllung der Verhandlungspflichten inzwischen nicht mehr als Voraussetzung für die Anrufung der Einigungsstelle verstanden. Danach kann jede Seite frei entscheiden, wann sie die Errichtung einer Einigungsstelle - gegebenenfalls mit gerichtlicher Hilfe - für notwendig erachtet (LAG Niedersachsen, Beschl. v. 7. Dezember 1998 – 1 TaBV 74/98, LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 35; Hess. LAG, Beschl. v. 9. Januar 2001 – 4 TaBV 124/00, n.v.; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, Kommentar, 32. Aufl., München, 2024, § 74 BetrVG, Rz. 9, jeweils m.w.N.). Dieser Auffassung ist bereits deshalb zu folgen, weil § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht ohne Weiteres eine Pflicht zur Beratung außerhalb der Einigungsstelle zu entnehmen ist. Die gesetzlich vorgeschriebenen Verhandlungs- und Informationspflichten können auch im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens erfüllt werden. Die gegenteilige Auffassung würde einen Zwang zum Vortäuschen einer tatsächlich nicht vorhandenen Verhandlungsbereitschaft vor Anrufung der Einigungsstelle auslösen. Zudem würde sie das Einigungsstellenverfahren verzögern und dadurch entwerten. Schließlich ist es in dem äußerst summarisch ausgelegten Verfahren nach § 100 Abs. 1 ArbGG weitgehend ausgeschlossen, innere Tatsachen wie die Ernsthaftigkeit der Verhandlungsführung zu prüfen. Selbst wenn man jedoch dieser Rechtsansicht nicht folgen wollte, beruht der vorliegende Einsetzungsantrag jedenfalls auf einer vertretbaren Rechtsauffassung des Antragstellers, wonach die Verhandlungen gescheitert sind, die nicht im Verfahren nach § 100 ArbGG, sondern allenfalls von der Einigungsstelle zu überprüfen und gegebenenfalls zu verwerfen ist. Nachdem der die Antragstellerin gemäß § 4 KBV „n“ dem Beteiligten zu 2) die Unterlagen zur Mitbestimmung über das IT-Systems „U“ zu der Sitzung des Konzern-IT-Ausschusses (KITA) am 11./12.06.2024 zugeleitet hatte und der Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 14.06.2024 seine Zuständigkeit für die Einführung dieses IT-Systems abgelehnt hat, sind die Verhandlungen nachvollziehbar gescheitert.
563.
57Zum Vorsitzenden der Einigungsstelle wird, vorbehaltlich seiner Zustimmung, antragsgemäß der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht D, Herr O K bestellt. Die Antragstellerin hat in ihrer Antragsschrift und im Anhörungstermin Herrn K als Einigungsstellenvorsitzenden genannt. Aufgrund der gerichtsbekannt größeren Anzahl an Einigungsstellenverfahren, die Herr K mittlerweile durchgeführt hat, bietet er die Gewähr für eine neutrale Verhandlungsführung und verfügt auch über die notwendige Sach- und Rechtskunde. Insofern ist nach Auffassung des Gerichts von seiner Unparteilichkeit und Sachkunde auszugehen.
58Die Beteiligte zu 2) hat weder schriftsätzlich noch im Anhörungstermin konkrete Einwendungen hiergegen erhoben; im Gegenteil es wurde erklärt, dass keine Bedenken gegen Herrn K bestehen. Das Gericht hat insofern keinerlei Veranlassung vom Antrag abzuweichen, zumal etwaige Einwände des Antragsgegners gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden und damit gegen seine neutrale Verhandlungsführung und Entscheidung ohnehin nur dann beachtenswert wären, wenn die vorgebrachten subjektiven Vorbehalte für das Gericht zumindest nachvollziehbar sind, so dass eine nur schlagwortartige Ablehnung des vorgeschlagenen Vorsitzenden nicht ausreicht (vgl. Walker, in: Schwab/Weth, ArbGG, 5. Aufl. 2018, § 100 ArbGG, Rn. 47; LAG Hamm, Beschl. v. 26.07.2004 – 10 TaBV 64/04, juris; LAG Nürnberg, Beschl. v. 2.7.2004 – 7 TaBV 19/04, NZA-RR 2005, 100; Hess. LAG, Beschl. v. 23.6.1988 – 12 TaBV 66/88, NZA 1988, 2173). Insofern reicht ein schlichtes „Nein" einer der Beteiligten zur Person des Vorsitzenden nicht aus. Die gegenteilige Auffassung (LAG Düsseldorf, Beschl. v. 25.8.2014 – 9 TaBV 39/14, Rn. 45, juris; LAG Hamm, Beschl. v. 10.8.2015 – 7 TaBV 43/15, Rn. 24, juris) vermag nicht überzeugen. Denn die Ablehnung eines von der Gegenseite vorgeschlagenen Vorsitzenden kann viele Gründe haben, die von der Überzeugung von der besseren Eignung einer anderen Person über rein taktischen Erwägungen bis hin zu einer generellen Ablehnung von Personenvorschläge der Gegenseite reichen können, ohne dass ein Vertrauen in die neutrale Verhandlungsführung und Entscheidungsfindung der von der Gegenseite benannten Person fehlen muss. Beachtlich können vielmehr nur solche Tatsachen und konkret begründeten Befürchtungen gegen die Eignung des Vorsitzenden sein, die sich mit dem Begriff verifizierbare Bedenken zusammenfassen lassen. Auch wenn insoweit keine zu hohen Substantiierungsanforderungen bestehen, kann subjektiven Bedenken nur Rechnung getragen werden, wenn sie hinreichend auf objektive Umstände hindeuten und nicht nur vorgeschoben erscheinen (LAG Köln, Beschl. V. 4.6.2018 – 9 TaBV 25/18, Rn. 17, juris; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.9.2017 – 12 TaBV 7/17, Rn. 29, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 12.7.2017 – 4 TaBV 23/17, Rn. 25, juris).
594.
60Die Anzahl der Beisitzer ist antragsgemäß und damit entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2) auf jeweils drei, nicht aber auf fünf pro Seite festzulegen. Über die Anzahl der Beisitzer sagt das BetrVG zwar nichts aus. Lediglich der Grundsatz der Parität ist in § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorgeschrieben. Wie groß die Zahl der Beisitzer ist, richtet sich daher nach der Bedeutung und dem Umfang der Regelungsstreitigkeit, aber auch nach dem Erfordernis besonderer Fachkenntnisse (Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, Kommentar, 32. Aufl., München, 2024, § 76 BetrVG, Rz. 13 m.w.N.). Im Regelfall genügt die Besetzung mit zwei Beisitzern auf jeder Seite (Hess. LAG, Beschl. v. 29. September 1992 - 4 TaBV 114/92, NZA 1993, 1008; LAG München, Beschl. v. 15. Juli 1991 – 4 TaBV 27/91, LAGE § 76 BetrVG 1972 Nr. 38 = NZA 1992, 185), da in diesem Fall jede Seite die Möglichkeit hat, einen Betriebsangehörigen und einen Außenstehenden zum Beisitzer zu bestellen und so betriebliche Kenntnisse und externe Sachkenntnisse für die Einigungsstelle nutzbar zu machen. Die Antragstellerin hat die beantragte Anzahl von drei Beisitzer und damit die Abweichung von der Regelbesetzung nach oben hinreichend dargelegt. Entgegen der Auffassung des Konzernbetriebsrats ist eine höhere Anzahl an Beisitzern für jede Seite vorliegend nicht erforderlich. Das streitgegenständliche IT-System „U“ wird gerade einmal bei dreikonzernangehörigen Gesellschaften eingeführt und der Fokus liegt auf technischen Gegebenheiten, bei denen abweichende Auffassungen und umfangreiche Erörterungen nicht zu erwarten sind. Im Übrigen ist es dem Beteiligten zu 2) zuzumuten, etwaige lokale Besonderheiten im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den jeweils lokalen Betriebsräten und den dortigen Geschäftsführungen zu erfragen und sich diese Erkenntnisse im Vorfeld der Sitzungen der Einigungsstelle zu beschaffen. Es gibt im Übrigen keinen Grundsatz, dass für jede betroffene konzernangehörige Gesellschaft jeweils ein Beisitzer in einer Einigungsstelle sitzen müsste, denn dies könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass bei größeren Konzernen teilweise zehn oder noch vielmehr Personen je Seite an der Einigungsstelle teilnehmen müssten. Diese Zuspitzung zeigt auf, dass die Argumentation des Beteiligten zu 2) fehlgeht.
615.
62Die vorliegende Entscheidung ergeht durch den Vorsitzenden allein (§ 100 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).