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1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht aufgrund der Befristungsabrede im gerichtlich protokollierten Vergleich vom 17.02.2021 (1 Ca 2349/20) zum 31.12.2023 beendet wurde.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 14.250,00 EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung mit Ablauf des 31.12.2023 sein Ende gefunden hat.
3Die Klägerin ist auf der Grundlage mehrerer befristeter Arbeitsverträge seit dem 27.06.2016 bei der Beklagten zu einer durchschnittlichen Bruttojahresvergütung in Höhe von 57.000,00 Euro beschäftigt.
4Im Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag vom 22.08.2018 bis zum 31.10.2020 machte die Klägerin unter dem 20.11.2020 eine Entfristungsklage bei dem angerufenen Gericht anhängig, Aktenzeichen 1 Ca 2349/20 (Klageschrift Anlage K1, Bl. 5ff. d.A.). Mit Schriftsatz vom 10.02.2021 übermittelte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten an das Gericht einen Vergleichsvorschlag, den der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 11.02.2021 annahm (Anlage K3, Bl. 10 d.A.). Unter dem 17.02.2021 stellte das Gericht durch Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO einen Vergleich (Bl. 7ff. d.A.) fest, der in Auszügen lautet:
51. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.10.2020 hinaus fortbesteht und erst mit dem 31.12.2023 endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
62. Die Klägerin wird ab dem 01.02.2021 in der D beschäftigt und ab diesem Zeitpunkt nach der Vergütungsgruppe VG VI. (Sachbearbeiterin), Stufe 7, vergütet und bis zum Beschäftigungsende in Bonn eingesetzt. (…)“
7Die Klägerin arbeitete daraufhin weiter bei der Beklagten.
8Mit der am 17.08.2023 eingegangenen Klage macht die Klägerin die Unwirksamkeit der im Prozessvergleich vom 17.02.2021 vereinbarten Befristung ihres Arbeitsverhältnisses geltend.
9Die Klägerin ist der Auffassung, die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Prozessvergleich vom 17.02.2021 sei nicht wirksam. Es handele sich nicht um einen gerichtlichen Vergleich iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG, da das Gericht nicht verantwortlich mitgewirkt habe. Erforderlich sei ein nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO zustande gekommener gerichtlicher Vergleich.
10Außerdem habe sie die Arbeit aufgenommen, bevor der Vergleich protokolliert und erst recht, bevor er den Parteien zugestellt worden sei.
11Der Kläger beantragt,
12festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht aufgrund der Befristungsabrede im gerichtlich protokollierten Vergleich vom 17.02.2021 (Aktenzeichen 1 Ca 2349/20) zum 31.12.2023 beendet wird und das Arbeitsverhältnis als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 31.12.2023 hinaus fortbesteht.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte ist der Auffassung, die Befristungsabrede in dem Prozessvergleich sei wirksam. § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG sehe keine Beschränkungen des Zustandekommens des gerichtlichen Vergleichs vor, insbesondere differenziere er nicht zwischen der Alternative 1 und der Alternative 2 des § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO. Außerdem erweise es sich in der Praxis als schwierig, eine Grenze zwischen der ausreichenden und der nicht ausreichenden Mitwirkung des Gerichts zu ziehen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18A. Die zulässige Befristungskontrollklage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der im Prozessvergleich vom 17.02.2021 vereinbarten Befristung mit Wirkung zum 31.12.2023 sein Ende gefunden.
19I. Die Befristung zum 31.12.2023 gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die Klägerin hat rechtzeitig Befristungskontrollklage iSv. § 17 Satz 1 TzBfG erhoben. Sie hat die Rechtsunwirksamkeit der Befristung mit ihrer am 17.08.2023 beim Arbeitsgericht eingegangenen - und der Beklagten „demnächst“ iSv. §§ 167, 253 Abs. 1 ZPO zugestellten - Klage geltend gemacht.
20II. Die Befristung des Arbeitsvertrags zum 31. 12.2023 ist unwirksam. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie nicht durch den sachlichen Grund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG gerechtfertigt.
211. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn sie auf einem gerichtlichen Vergleich beruht. Zu der Frage, wann ein gerichtlicher Vergleich in diesem Sinne vorliegt, vertritt das BAG die im folgenden wiedergegebenen Grundsätze in ständiger Rechtsprechung. Die Kammer sieht keine Veranlassung, von diesen abzuweichen.
22a) Voraussetzung für den Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG ist die Vereinbarung einer Befristung des Arbeitsverhältnisses in einem gerichtlichen Vergleich, soweit die Parteien darin zur Beendigung eines Kündigungsschutzverfahrens oder eines sonstigen Feststellungsrechtsstreits über den Fortbestand oder die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eine Einigung erzielen (vgl. BAG 21. März 2017 – 7 AZR 369/15 - juris; 8. Juni 2016 - 7 AZR 339/14 – juris; 14. Januar 2015 - 7 AZR 2/14 - juris; 12. November 2014 - 7 AZR 891/12 - juris; 15. Februar 2012 - 7 AZR 734/10 - juris). Der gerichtliche Vergleich, mit dem die Parteien zur Beilegung einer derartigen Rechtsstreitigkeit ein befristetes oder auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis vereinbaren, unterliegt keiner weiteren Befristungskontrolle. Deren Funktion erfüllt das Arbeitsgericht durch seine ordnungsgemäße Mitwirkung beim Zustandekommen des Vergleichs. Dem Gericht als Grundrechtsverpflichteten iSd. Art. 1 Abs. 3 GG obliegt im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle die Aufgabe, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust seines Arbeitsplatzes zu bewahren und damit einen angemessenen Ausgleich der wechselseitigen, grundrechtsgeschützten Interessen der Arbeitsvertragsparteien zu finden. Diese aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitete Schutzpflicht erfüllt das Gericht nicht nur durch ein Urteil, sondern auch im Rahmen der gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits. Schlägt das Arbeitsgericht zur Beendigung des Verfahrens über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses einen Vergleich vor, der eine weitere, allerdings zeitlich begrenzte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorsieht, bietet das im Regelfall eine hinreichende Gewähr dafür, dass diese Befristung nicht deswegen gewählt worden ist, um dem Arbeitnehmer grundlos den gesetzlichen Bestandsschutz zu nehmen.
23b) Ein nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande gekommener Vergleich erfüllt die Voraussetzungen eines gerichtlichen Vergleichs iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG nur dann, wenn das Gericht an dem Vergleich verantwortlich mitwirkt. Das ist bei einem nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO zustande gekommenen Vergleich der Fall. Dagegen wird ein nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO geschlossener Vergleich den Anforderungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG in der Regel nicht gerecht (BAG 21. März 2017 – 7 AZR 369/15 - juris).
24Nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO wird ein Vergleich dadurch geschlossen, dass die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen. Durch den Vergleichsvorschlag wirkt das Gericht am Inhalt des Vergleichs verantwortlich mit. Wird der Vergleich hingegen nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO dadurch geschlossen, dass die Parteien dem Gericht einen übereinstimmenden schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten, fehlt es in der Regel an der erforderlichen verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts. Bei einem solchen Vergleich ist der gerichtliche Beitrag - abgesehen von der Prüfung von Verstößen gegen Strafgesetze und gegen §§ 134, 138 BGB - regelmäßig auf eine Feststellungsfunktion beschränkt. Ein nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO zustande gekommener Vergleich genügt nur ausnahmsweise den Anforderungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG, wenn das Gericht den Vergleich selbst vorgeschlagen hat. Diese Differenzierung ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG. Dieser unterscheidet nicht zwischen den beiden Alternativen des § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO. Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG erweist sich jedoch insoweit unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Vorschrift als unergiebig, da es die in § 278 Abs. 6 ZPO getroffene Regelung bei Inkrafttreten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes am 1. Januar 2001 noch nicht gab. Bis Ende des Jahres 2001 musste ein den Prozess beendender Vergleich vor Gericht abgeschlossen und nach § 160 Abs. 3 Nr. 1, § 162 ZPO protokolliert werden. Aus der Gesetzesbegründung zu § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG (BT-Drs. 14/4374 S. 19) ergibt sich allerdings, dass der Gesetzgeber den gerichtlichen Vergleich deshalb als Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsvertrags anerkannt hat, weil das Gericht die Möglichkeit und die Obliegenheit hat, beim Abschluss des Vergleichs darauf hinzuwirken, dass bei dessen Inhalt - auch unter Berücksichtigung der Prozessaussichten in dem beigelegten Rechtsstreit - die Schutzinteressen des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich von dem Erfordernis der gerichtlichen Mitwirkung an dem Vergleich Abstand genommen hat. Aus dem Zweck der zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen und zum 1. September 2004 erweiterten Regelung in § 278 Abs. 6 ZPO, den Abschluss eines Prozessvergleichs zu vereinfachen, folgt nicht der Wille des Gesetzgebers, die Befristung eines Arbeitsverhältnisses zu erleichtern (so zuletzt umfassend BAG 21. März 2017 – 7 AZR 369/15 - juris).
25Unerheblich ist daher, dass der Gesetzgeber mit der Reformierung des § 278 Abs. 6 ZPO eine Gleichstellung beider Verfahrensweisen – Vergleichsabschluss aufgrund übereinstimmenden Antrags der Parteien oder nach Vorschlag des Gerichts und dessen Annahme durch die Parteien - erreichen wollte. Dafür, dass er dieser Gleichstellung auch im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG Geltung verschaffen wollte, fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt. Vielmehr gilt dann weiterhin wie vom Gesetzgeber bei Schaffung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG vorgesehen, dass es für die Rechtfertigung der Befristung einer gerichtlichen Mitwirkung bedarf, die über die reine Feststellung hinausgeht.
262. Danach ist die in dem Vergleich vom vereinbarte Befristung zum 31.12.2023 entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG gerechtfertigt. Die Parteien haben die streitbefangene Befristung nicht in einem gerichtlichen Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG vereinbart. Das Gericht hat am Abschluss des Vergleichs nicht durch einen Vergleichsvorschlag verantwortlich mitgewirkt, vielmehr war sein Beitrag auf eine Feststellungsfunktion beschränkt. Die Beklagte hat einen Vergleich vorgeschlagen, den die Klägerin angenommen hat. Das Arbeitsgericht hat lediglich das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs mit Beschluss vom 17.02.2021 nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 ZPO festgestellt. Umstände, die ausnahmsweise gleichwohl für eine Mitwirkung des Gerichts sprechen könnten, sind nicht vorgetragen worden.
27Auf die Frage, ob die Klägerin bereits vor der Protokollierung ihre Arbeit aufgenommen hat, muss daher nicht eingegangen werden.
28III. Der von der Klägerin in den Klageantrag zu 1) aufgenommene Zusatz „sondern über den 31.12.2023 hinaus fortbesteht“, stellt mangels gesonderter Begründung in der Klage keinen eigenständigen und allgemeinen Feststellungsantrag iSd. § 256 ZPO dar. Ihm kommt daher keine selbständige rechtliche Bedeutung zu (vgl. BAG 28. Februar 1995 – 5 AZB 24/94 – juris). Einer Entscheidung über ihn bedurfte es demgemäß nicht.
29B. Die Kostentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Die Festsetzung des Streitwerts im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG.