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Macht ein Arbeitnehmer Annahmeverzugsvergütung geltend und wendet der Arbeitgeber Anrechnungstatbestände gemäß § 11 KSchG ein, so kann die Frage von Bewerbungen auf andere Arbeitsplätze und deren Einzelheiten nicht zum Gegenstand eines selbständig einklagbaren Auskunftsanspruchs gemacht werden. Diese Fragen sind vielmehr im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast zu berücksichtigen.
Einzelfallentscheidung zu den Anforderungen an die Erfüllung eines Auskunftsanspruchs über Vermittlungsvorschläge der Bundesagentur für Arbeit bei Geltendmachung von Annahmeverzugsvergütung.
Hinweis zum Verfahren: Der Rechtsstreit endete durch einen Gesamtvergleich bei Fortsetzung des erstinstanzlichen Verfahrens nach Zurückweisung der Berufung.
1. Der Kläger wird verurteilt, der Beklagten in Textform Auskunft zu erteilen über die Vermittlungsangebote, die ihm im Zeitraum zwischen dem 03.12.2020 und dem 31.01.2022 von der Agentur für Arbeit und/oder dem Jobcenter unterbreitet wurden, und dabei die Tätigkeit, die Arbeitszeit, den Arbeitsort und die Vergütung anzugeben. Der Widerklageantrag zu 2) wird im Übrigen abgewiesen.
2. Die Widerklageanträge zu 1), zu 3) und zu 4) werden abgewiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
4. Der Rechtsmittelstreitwert beträgt 11.540,95 €.
5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten nach rechtskräftigem Obsiegen des Klägers in einem Kündigungsschutzprozess und zwischenzeitlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses über die Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum vom 03.12.2020 bis zum 31.01.2022 und die Zahlung von Urlaubsabgeltung. Die Beklagte macht verschiedene Auskunftsansprüche im Wege einer Stufenwiderklage geltend.
3Der Kläger war ab dem 01.03.2015 als Lagerarbeiter in einem Arbeitsverhältnis für die Beklagte tätig. Zu seinen Arbeitsaufgaben gehörte unter anderem das Führen eines Gabelstaplers; er hat einen Gabelstaplerführerschein.
4Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 03.12.2020 außerordentlich fristlos. Die Kündigungsschutzklage des Klägers war in beiden Instanzen erfolgreich. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts wurde nach Rechtsmittelverzicht der Beklagten mit Schreiben vom 08.04.2022 rechtskräftig. Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.04.2022 beendete der Kläger das Arbeitsverhältnis gemäß § 12 Satz 1 KSchG zum 14.04.2022.
5Mit seiner am 10.02.2022 anhängig und am 15.02.2022 rechtshängig gewordenen und sodann zweimal erweiterten Klage macht der Kläger die Zahlung seines regelmäßigen Bruttomonatsgehalts in Höhe von jeweils 2.380,44 € abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes und einer Teilzahlung für Dezember 2020 für den Zeitraum vom 03.12.2020 bis zum 31.01.2022 geltend. Außerdem verlangt er die Zahlung vertraglichen Urlaubsgeldes und Weihnachtsgeldes 2021 in Höhe von 643,44 € brutto bzw. 1.785,33 € brutto sowie Urlaubsabgeltung.
6Der Kläger behauptet, dass er sich durchgehend redlich um eine neue Beschäftigung bemüht habe, die Agentur für Arbeit ihm jedoch keine tauglichen Vermittlungsvorschläge gemacht habe. Sogleich nach Erhalt der Kündigung habe er sich arbeitssuchend gemeldet. Es seien ihm insbesondere von der Agentur für Arbeit fast ausschließlich Tätigkeiten als Leiharbeitnehmer und zu deutlich niedrigerer Vergütung als bei der Beklagten angeboten worden. Er habe nur Telefonnummern von Ansprechpartnern bei verschiedenen Zeitarbeitsfirmen erhalten. Keiner dieser Arbeitsplätze sei ihm zumutbar gewesen, auch aufgrund großer räumlicher Entfernung. Über die Ungeeignetheit der Arbeitsplätze bei Zeitarbeitsfirmen sei er sich mit seinem Sachbearbeiter bei der Agentur für Arbeit einig gewesen. Deshalb sei er letztlich bis zum 14.02.2022 arbeitslos gewesen und habe trotz anderweitiger Bewerbungen erst zum 15.02.2022 ein neues Arbeitsverhältnis aufnehmen können. Weitere Bewerbungen außerhalb von Vermittlungsvorschlägen der Agentur für Arbeit – eine davon sogar bei einer Zeitarbeitsfirma –, wegen deren Einzelheiten auf den Schriftsatz vom 17.06.2022, S. 5 – 6 (Bl. 210 – 211 der Akte) verwiesen wird, seien erfolglos gewesen.
7Jedenfalls aber habe er anderweitigen Erwerb nicht böswillig unterlassen, weil insoweit nicht auf etwaige sozialrechtliche Erwerbsobliegenheiten abzustellen sei. Böswilligkeit sei nur dann anzunehmen, wenn ein Arbeitnehmer vorsätzlich grundlos Arbeit ablehne oder vorsätzlich verhindere, dass ihm Arbeit angeboten werde, den Arbeitgeber also entgegen dem Gebot von Treu und Glauben schädige. Dies habe er keinesfalls getan. Auch keine der Stellen, auf die die Beklagte ihn ohne entsprechende Berufung hierzu hingewiesen habe, habe eine adäquate Ersatzbeschäftigung ermöglicht, zumal diese Stellen zwischen 30 km und 130 km von seinem Wohnort – bei nur einem im Haushalt vorhandenen PKW und schlechter ÖPNV-Anbindung – entfernt gewesen seien. Letztlich sei die Beklagte selbst für die Entstehung eines Annahmeverzugsvergütungsanspruchs verantwortlich, weil sie ihm keine Prozessbeschäftigung angeboten habe.
8Der Kläger ist der Ansicht, dass mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses der zu diesem Zeitpunkt noch offene Erholungsurlaub von 40 Tagen mit insgesamt 4.394,66 € brutto abzugelten sei. Die Entstehung des Urlaubsanspruchs sei lediglich vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig. Die Anrechnung fiktiven Urlaubs, selbst bei böswillig unterlassenem anderweitigem Erwerb, komme nicht in Betracht, ebenso wenig die Anrechnung von Urlaub aus dem neuen Arbeitsverhältnis ab dem 15.02.2022. § 6 BUrlG sehe lediglich die Anrechnung bei dem neuen Arbeitgeber vor.
9Der Kläger beantragt zuletzt nach zwischenzeitlicher Teilerledigung eines zunächst anhängigen Beschäftigungsanspruchs nebst hilfsweiser Entschädigungszahlung sinngemäß
101) die Beklagte zu verurteilen, an ihn Entgelt für den Monat Dezember 2020 in Höhe von 2.380,44 € brutto abzüglich gezahlter 232,26 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins ab dem 01.01.2021 zu zahlen;
112) die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate Januar und Februar 2021 Vergütung in Höhe von 4.760,00 € brutto zuzüglich Zinsen aus 2.380,44 € brutto in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins ab dem 01.02.2022 sowie aus weiteren 2.380,44 € brutto ab dem 01.03.2022 zu zahlen;
123) die Beklagte zu verurteilen, an ihn Vergütung für den Monat März 2021 in Höhe von 2.380,44 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.324,40 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins ab dem 01.04.2021 zu zahlen;
134) die Beklagte zu verurteilen, an ihn Vergütung für die Monate April bis Oktober 2021 in Höhe von jeweils 2.380,44 € brutto abzüglich in jedem dieser Kalendermonate erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von jeweils 1.419,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins ab dem 1. des jeweiligen Folgemonats zu zahlen;
145) die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsgeld 2021 in Höhe von 643,44 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins ab dem 01.07.2021 zu zahlen;
156) die Beklagte zu verurteilen, an ihn Weihnachtsgeld 2021 in Höhe von 1.785,33 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins ab dem 01.11.2021 zu zahlen;
167) die Beklagte zu verurteilen, an ihn Entgelt für den Monat November 2021 in Höhe von 2.380,44 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.182,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins ab dem 01.12.2021 zu zahlen;
178) die Beklagte zu verurteilen, an ihn Arbeitsentgelt für den Monat Dezember 2021 in Höhe von 2.380,44 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins ab dem 01.01.2022 zu zahlen;
189) die Beklagte zu verurteilen, an ihn Vergütung für den Monat Januar 2022 in Höhe von 2.380,44 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins ab dem 01.02.2022 zu zahlen und
1910) die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsabgeltung in Höhe von 4.394,66 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins ab dem 15.04.2022 zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie den geltend gemachten Annahmeverzugsvergütungsansprüchen einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld entgegenhalten könne, dass der Kläger anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen habe (§ 11 Nr. 2 KSchG). Der Arbeitsmarkt in E und Umgebung sei generell und insbesondere für Personen mit der Qualifikation des Klägers außerordentlich gut. Es sei unglaubwürdig, dass der Kläger über ein Jahr lang keine adäquate Beschäftigung habe finden können, zumal sie dem Kläger ab August 2021 diverse geeignete Stellenausschreibungen habe übermitteln lassen. Im August 2021 seien beispielsweise in einem Umkreis von 25 km um Euskirchen bei einem Internetportal mehr als 100 Stellenanzeigen für Gabelstaplerfahrer geschaltet gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf den Schriftsatz der Beklagten vom 19.05.2022, S. 5 – 12 (Bl. 70 – 77 der Akte) nebst dort in Bezug genommener Anlagen verwiesen.
23Der Kläger habe sich schlichtweg solange nicht um einen neuen Arbeitsplatz bemüht, wie er Arbeitslosengeld bezogen habe. Er habe sich bei den von ihm genannten Ansprechpartnern tatsächlich gar nicht beworben. Dass er nicht rekonstruieren könne, welche Unternehmen ihm von der Agentur für Arbeit benannt worden seien, sei eine bloße Schutzbehauptung. Es könne zudem nicht sein, dass es sich um 35 verschiedene Zeitarbeitsfirmen gehandelt habe. Per se sei die Tätigkeit in Leiharbeit nicht unzumutbar, vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Außerdem habe der Kläger anderweitigen Erwerb deshalb böswillig vereitelt, weil er sich, soweit ersichtlich, lediglich auf Stellen als Gabelstaplerfahrer beworben habe. Er sei aber als Lagerist darüber hinaus qualifiziert. Eine niedrigere Vergütung sei kein Argument gegen die Annahme eines anderen Arbeitsplatzes, weil in diesem Fall ein Differenzanspruch zu der Annahmeverzugsvergütung bestanden hätte. Seine Ausführungen zur räumlichen Entfernung anderweitiger Arbeitsplätze widerlege der Kläger selbst, weil er sich bei einem 30 km entfernten und einem 100 km entfernen Arbeitgeber beworben habe. Auch K sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut angebunden. Zudem habe der Kläger seine Einstellung selbst vermutlich teilweise abgelehnt.
24Mit der letzten Gehaltsabrechnung im Dezember 2020 habe der Kläger bereits 659,27 € brutto Urlaubsabgeltung erhalten. Sie erkläre vor diesem Hintergrund gegen die geltend gemachten Ansprüche für Dezember 2020 die Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Rückforderung der in Wahrheit nicht geschuldeten Urlaubsabgeltung.
25Dem jetzt geltend gemachten Anspruch auf Urlaubsabgeltung stehe entgegen, dass der Kläger während der Zeit der Arbeitslosigkeit aus Rechtsgründen keine Urlaubsansprüche gegen die Beklagte erworben habe. Bei Bezug von Arbeitslosengeld ruhe das Arbeitsverhältnis mit der Folge, dass Urlaubsansprüche gegen den Arbeitgeber nicht entstünden. Die Erholung während des Bezugs von Arbeitslosengeld werde durch zulässige Aufenthalte des Arbeitslosen von bis zu drei Wochen pro Kalenderjahr außerhalb des Nahbereichs gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 der Erreichbarkeitsanordnung gewährleistet. Jedenfalls sei böswillig bei einem anderen Arbeitgeber nicht erworbener Erholungsurlaub in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Anrechnung anderweitigen Erwerbs auf den Urlaubsabgeltungsanspruch anzurechnen, außerdem Urlaub aus dem neuen Arbeitsverhältnis ab dem 15.02.2022. Für 2022 bestehe zudem ein Urlaubsanspruch allenfalls für Januar und Februar.
26Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie mangels eigenen Wissens und einfacher Auskunftsmöglichkeit des Klägers gegen ihn für den nicht bezahlten Zeitraum Anspruch auf Auskunft über seinen Zwischenverdienst, die Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit und des Jobcenters, Bewerbungen und Vorstellungsgespräche des Klägers auf die Vermittlungsvorschläge sowie über Einzelheiten von Bewerbungen außerhalb der Vermittlungsvorschläge habe. Zudem könne sie verlangen, dass der Kläger seine entsprechenden Angaben durch Vorlage von Unterlagen belege und die Richtigkeit seiner Auskünfte an Eides statt versichere.
27Die bislang rudimentären Angaben des Klägers genügten bei Weitem nicht zur Erfüllung des schon außergerichtlich erfolglos geltend gemachten Auskunftsanspruchs. Es fehlten zahlreiche Details. Schon die Namen der avisierten anderen Arbeitgeber würden weitgehend nicht benannt. Den bislang nicht erfüllten Auskunftsanspruch könne sie jedenfalls im Wege eines Leistungsverweigerungsrechts den geltend gemachten Zahlungsansprüchen entgegenhalten. Dies gelte aufgrund der anzustellenden Gesamtberechnung bei der Anrechnung anderweitigen Erwerbs bzw. böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs solange, bis der Kläger für den gesamten Zeitraum des Annahmeverzugs die begehrten Auskünfte erteile.
28Die Beklagte beantragt widerklagend sinngemäß,
291) den Kläger zu verurteilen, ihr in Textform Auskunft über sein zwischen dem 03.12.2020 bis 15.04.2022 erzieltes Einkommen zu erteilen;
302) den Kläger zu verurteilen, ihr in Textform Auskunft zu erteilen über die Vermittlungsangebote und Stellenvorschläge, die ihm im Zeitraum zwischen dem 03.12.2020 und dem 15.02.2022 von der Agentur für Arbeit und/oder dem Jobcenter unterbreitet wurden, und dabei die Tätigkeit, die Arbeitszeit, den Arbeitsort und die Vergütung anzugeben;
313) den Kläger zu verurteilen, ihr in Textform Auskunft zu erteilen, auf welche der im Zeitraum zwischen dem 03.12.2020 und dem 15.02.2022 von der Agentur für Arbeit und/oder dem erhaltenen Vermittlungsangebote und Stellenvorschläge er sich beworben hat, welche der dort benannten Arbeitgeber ihn zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen haben und bei welchem der dort benannten Arbeitgeber wann ein Vorstellungsgespräch tatsächlich stattfand oder aus welchen Gründen nicht stattgefunden hat sowie, von welchen Arbeitgebern er eine Absage wann erhalten hat;
324) den Kläger zu verurteilen, ihr in Textform Auskunft über die von ihm im Zeitraum zwischen dem 03.12.2020 und dem 15.02.2022 versendeten Bewerbungen (außerhalb der Vermittlungsangebote und Stellenvorschläge) zu erteilen und dabei das Unternehmen, bei dem er sich beworben hat, die Tätigkeit, und soweit möglich, die Arbeitszeit, den Arbeitsort und die Vergütung der Stelle anzugeben, sowie welche Arbeitgeber ihn zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen haben und bei welchem der dort benannten Arbeitgeber ein Vorstellungsgespräch tatsächlich wann stattfand oder aus welchen Gründen nicht stattgefunden hat sowie, von welchen Arbeitgebern er eine Absage wann erhalten hat und
335) die Vollständigkeit und Richtigkeit der von ihm nach Maßgabe der Verurteilung erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern und unter Vorlage von vorhandenen Nachweisen zu belegen.
34Der Kläger beantragt,
35die Widerklage abzuweisen.
36Der Kläger ist der Ansicht, dass er den Auskunftsanspruch – soweit er denn überhaupt bestehe – vollständig erfüllt habe. Er verweist dafür auf die im Verfahren vorgelegte Aufstellung von Telefonnummern und Ansprechpersonen bei von der Agentur für Arbeit benannten Arbeitgebern (Anlagenkonvolut K 7 zum Schriftsatz vom 17.06.2022, Bl. 215 – 271 der Akte) sowie auf den Auszug aus dem Arbeitslosengeldbescheid (Anlage K 8 zum Schriftsatz vom 17.06.2022, Bl. 218 der Akte). Namen von Unternehmen, die ihm von der Agentur für Arbeit benannt worden seien, könne er nicht rekonstruieren. Er habe bekanntgegeben, was er von der Agentur für Arbeit erhalten habe. Weitergehende Auskunftsansprüche bestünden nicht.
37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Protokolle des Gütetermins und des Kammertermins sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
39I. Die Kammer entscheidet zunächst durch Teilurteil gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Widerklage. Insbesondere tut sie dies im Interesse einer endgültig richtigen Entscheidung, weil Auswirkungen der erteilten Auskünfte auf die von dem Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche denkbar sind. Zudem war aufgrund der – gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 254 ZPO zulässigen – Erhebung einer Stufenklage der gesamte Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif, was ebenfalls für ein Teilurteil sprach. Ein solches kann auf den auf eine Annahmeverzugsvergütungsklage widerklagend geltend gemachten Auskunftsanspruch ergehen (BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 20 ff.).
40II. Die zulässige Widerklage ist teilweise begründet.
411. Die Beklagte hat gegen den Kläger Anspruch auf Auskünfte gemäß § 611a Abs. 1, § 242 BGB im tenorierten Umfang – dazu a) –, die der Kläger ihr bislang nicht gegeben hat – dazu b).
42a) Das Arbeitsverhältnis als Sonderrechtsbeziehung kann unter bestimmten Voraussetzungen Auskunftsansprüche gegen den Vertragspartner begründen. Insbesondere gilt dies, wenn der Berechtigte – hier die Beklagte als darlegungs- und beweisbelastete Partei für die Einwendungen aus § 11 KSchG – in entschuldbarer Weise über den bestehenden Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete – hier der Kläger – die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderlichen Auskünfte unschwer geben kann, ohne dass durch die Gewährung materiell-rechtlicher Auskunftsansprüche die Darlegungs- und Beweissituation im Prozess unzulässig verändert werden darf (dazu im Einzelnen BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 31 ff. m.w.N.). Dies leitet die Rechtsprechung aus § 242 BGB ab.
43Das Bundesarbeitsgericht erkennt dementsprechend bei der Geltendmachung von Annahmeverzugsvergütung aufgrund des Sozialgeheimnisses (§ 35 Abs. 1 SGB I) und fehlender eigener Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers einen Auskunftsanspruch an, welcher auf eine Auskunft des Arbeitnehmers in Textform über die Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und des Jobcenters unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung gerichtet ist (eingehend und m.w.N. dazu BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 38 ff.). Dies gilt entgegen früherer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Rechtsauffassung des Klägers auch deshalb, weil die Meldepflicht des Arbeitnehmers und seine sozialrechtlichen Handlungspflichten bei der Auslegung des Begriffs des böswilligen Unterlassens am Maßstab der gemeinsamen Vertragsbeziehung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht außer Acht gelassen werden können (vgl. BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 47; LAG Niedersachsen 09.11.2021 – 10 Sa 15/21, Rn. 17 f.).
44Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass ein Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung gemäß § 615 Satz 1 BGB jedenfalls im Zeitraum vom 03.12.2020 bis zum 31.01.2022 dem Grunde nach entstanden sein kann. Die Beklagte macht die Einwendung böswillig unterlassenen Erwerbs geltend, die kraft Gesetzes zu einer Kürzung des Annahmeverzugsvergütungsanspruchs führt (§ 11 Nr. 2 KSchG). Damit hat die Beklagte den ihr mit dem Tenor zu 1. zugesprochenen Auskunftsanspruch, der nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts – ausdrücklich optional – nicht nur als Einrede, sondern auch selbständig mittels Widerklage gerichtlich geltend gemacht werden kann (BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 17, 27). Prozessual an sich naheliegender und dem Beschleunigungsgrundsatz eher entsprechend ist es, die Auskunft in die Verteilung der Darlegungslast zu integrieren (BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 27). Bezogen ist der Anspruch nach dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ausdrücklich auf Vermittlungsangebote, nicht auf Stellenvorschläge.
45b) Mit seinen bisherigen Angaben hat der Kläger den Auskunftsanspruch nicht erfüllt. Gemäß § 362 Abs. 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Ein Auskunftsanspruch ist zwar grundsätzlich erfüllt, wenn die gemachten Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft in dem geschuldeten Umfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Rechnungslegung in weitergehendem Umfang nicht begründen, sondern führt lediglich zu einem Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit der erteilten Auskunft gemäß § 260 Abs. 2 BGB (BGH 03.09.2020 – III ZR 136/18, Rn. 43 m.w.N.). Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Gläubiger des Auskunftsanspruchs zugleich erschöpfend die Tatsachen erfährt, die für den Bestand seines Anspruchs von Bedeutung sind; die bloße Angabe des Schuldners, ihm fehle die Kenntnis, ist lediglich als Bestreiten des Auskunftsanspruchs zu werten (BGH 02.07.2014 – XII ZB 201/13; MünchKomm-BGB/Fetzer, 9. Aufl. 2022, § 362 Rn. 38). Die Erfüllung eines Auskunftsanspruchs tritt nicht ein, wenn die Erklärung nicht ernst gemeint, unvollständig oder von vorherein unglaubhaft ist. Dies beurteilt sich allein nach objektiven Umständen unter der Berücksichtigung der Lebenserfahrung (BGH 31.07.2013 – VII ZR 177/12, Rn. 8; Fetzer a.a.O.).
46Unter Anlegung dieser Maßstäbe genügen die bisherigen Angaben des Klägers durch Vorlage des Anlagenkonvoluts K 7 nicht, um die Auskunft über Vermittlungsvorschläge als erteilt anzusehen. Er erhebt jedenfalls weitgehend den Einwand fehlender Kenntnisse, was nicht zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs führt. Es fehlen in der Übersicht jegliche Angaben zu den konkret vorgeschlagenen Arbeitsplätzen (insbesondere zu dem Namen des jeweiligen Arbeitgebers), zu Arbeitszeit, zu Arbeitsort und zu der zu erwartenden Vergütung. Auch die schriftsätzlichen Angaben des Klägers dazu bleiben im Ungefähren. Sie sind so weit von der geschuldeten Auskunft entfernt, dass die Kammer in ihnen keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem berechtigten Auskunftsbegehren der Beklagten erkennen kann. Es widerspricht zudem der Lebenserfahrung, dass der Kläger ohne jede Kenntnis von Unternehmensnamen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aller von der Agentur für Arbeit vorgeschlagenen Beschäftigungsmöglichkeiten telefonische Gespräche mit den im Anlagenkonvolut K 7 aufgelisteten Ansprechpartnern geführt hat.
47Hinzu kommt, dass der Kläger – eigene fehlende Kenntnis insoweit unterstellt – unschwer die fehlenden angeforderten Angaben bei der Agentur für Arbeit erfragen könnte. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger die offensichtlichen Lücken in den vorgelegten Daten nicht durch eine einfache Rückfrage bei der Agentur für Arbeit schließen könnte.
482. Einen über den streitgegenständlichen Zeitraum hinausreichenden selbstständig einklagbaren und nicht erfüllten Auskunftsanspruch hat die Beklagte nach Auffassung der Kammer jedoch nicht. Deshalb war die Widerklage im Übrigen abzuweisen.
49a) Zunächst gilt dies für den Zeitraum vom 01.02.2022 bis zum 15.04.2022, für den der Kläger keine Annahmeverzugsvergütung fordert. Ein berechtigtes Informationsinteresse der Beklagten, das derzeit einer selbständigen Geltendmachung bedarf, ist für diesen Zeitraum nicht erkennbar. Der Auskunftsanspruch setzt voraus, dass der Auskunft Fordernde wahrscheinlich einen Leistungsanspruch bzw. eine Einwendung gegen den Anspruch des Anspruchsgegners hat (BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 32, 34). Dies ist in diesem Fall die Einwendung gegen einen Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB. Hinzukommen muss, dass für ihn durch eine unterlassene Auskunft nachteilige Folgen eintreten können (BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 34).
50Für den vorgenannten Zeitraum macht der Kläger keine Annahmeverzugsvergütung geltend, so dass die Klägerin derzeit keiner näheren Angaben für den Zeitraum vom 01.02.2022 bis zum 15.04.2022 bedarf. Der Kläger kann sich – etwa weil er bezogen auf sein neues Entgelt ein Geheimhaltungsinteresse hat – nach Auffassung der Kammer gegen eine Auskunftserteilung entscheiden, indes mit der Rechtsfolge, dass ihm angesichts des beendeten Annahmeverzugs und der Gesamtberechnung der gesamte Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB nicht zuzusprechen wäre (BAG 29.07.1993 – 2 AZR 110/93, zu II. 1. c) bb) der Gründe; BAG 02.10.2018 – 5 AZR 376/17, Rn. 29). Den maßgeblichen Gesamtbetrachtungszeitraum bestimmen die Parteien durch ihre Anträge und Einwendungen (BAG 16.05.2012 – 5 AZR 251/11, Rn. 29). Gesamtbetrachtungszeitraum ist hier also – angesichts des von der Beklagten einwendungsweise geltend gemachten Leistungsverweigerungsrechts mangels vollständiger Auskünfte des Klägers – der 03.12.2020 bis 14.04.2022, dem Zeitpunkt des unstreitigen Endes des Annahmeverzugs durch Ende des Arbeitsverhältnisses. Bei dieser Sachlage benötigt die Beklagte nach Auffassung der Kammer derzeit keine entsprechende selbständige Auskunft, weil die bereits erfolgte Erhebung der Einwendung unterlassener Auskunft prozessual in jeder Hinsicht zur Erreichung einer Klageabweisung genügt und eine selbständig geltend gemachte Auskunft über den vom Bundesarbeitsgericht ausdrücklich anerkannten Bereich hinaus eine datenschutzrechtlich nicht unproblematische Ausforschung auf Vorrat sein könnte. Durch die unterlassene Auskunft drohen der Beklagten derzeit keine Nachteile. Solange der Kläger die von ihm geschuldete vollständige Auskunft über anderweitigen Erwerb vom 03.12.2020 bis 14.04.2022 und Vermittlungsangebote vom 01.02.2022 bis 14.02.2022 nicht erteilt, bleibt seine Klage bezogen auf den gesamten geltend gemachten Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB unbegründet.
51b) Für den Zeitraum vom 03.12.2020 bis zum 31.01.2022 hat der Kläger den entstandenen Auskunftsanspruch der Beklagten über anderweitigen Erwerb (vgl. dazu BAG 29.07.1993 – 2 AZR 110/93, zu II. 1. c) aa) der Gründe) durch Erfüllung zum Erlöschen gebracht (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Kläger hat unter Vorlage eines Auszugs aus dem Arbeitslosengeldbescheid erklärt, dass er in diesem Zeitraum keinen anderweitigen Erwerb hatte, weil er durchgehend arbeitslos war, und Einkommen nur in Form von Arbeitslosengeld bezogen hat. Diese Erklärung stellt eine schlüssige und vollständige Auskunft dar.
52c) Die mit den Widerklageanträgen zu 3) und zu 4) geltend gemachten Auskunftsansprüche gehen über die von dem Bundesarbeitsgericht anerkannten Auskunftsansprüche weit hinaus. Nach Ansicht der Kammer sind diesbezügliche gegebene oder unterlassene Angaben des Klägers allein im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast zu berücksichtigen und nicht Gegenstand einer eigenständig einklagbaren Auskunftspflicht. Sofern die Beklagte – insbesondere nach teilweise bereits erfolgter und teilweise noch zu erwartender Auskunftserteilung durch den Kläger zu Bewerbungen und Vermittlungsvorschlägen mit allen vom Bundesarbeitsgericht anerkannten Angaben – schlüssig vorträgt, dass der Kläger geeignete und ihm zumutbare Arbeitsplatzangebote ohne Grund ausgeschlagen habe, wird der Kläger sich im Rahmen der gestuften Darlegungs- und Beweislast bezogen auf die einzelnen in Aussicht genommenen Arbeitsplätze erklären und begründen müssen, warum es jeweils nicht zu dem Abschlusses eines Arbeitsvertrages und der Erzielung anderweitigen Erwerbs kam. Auch insoweit besteht deshalb nach Auffassung der Kammer kein berechtigtes Interesse für eine gesonderte Ausforschung des Klägers.
53Einem auch auf Details von Vorstellungsgesprächen und Bewerbungsverfahren bezogenen Auskunftsanspruch steht zudem entgegen, dass es sich um komplexe und teils einer Eigenwahrnehmung des Arbeitnehmers überhaupt nicht zugängliche Vorgänge handelt, es also an der Voraussetzung einer unschwer möglichen Auskunftserteilung durch den auf Auskunft in Anspruch Genommenen fehlt (vgl. BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 32; BAG 21.11.2000 – 9 AZR 665/99, zu I. 2. a) der Gründe). Vielfach wird dem Arbeitnehmer nämlich unbekannt sein, warum es beispielsweise nicht zu der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch kam.
54Ferner ist Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch, dass durch eine Auskunft die Darlegungs- und Beweislast im Prozess nicht unzulässig verändert wird (dazu BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 32; BAG 02.08.2017 – 9 AZB 39/17, Rn. 6). Für die Einwendung aus § 11 Nr. 2 KSchG ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet (BAG 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 27 m.w.N.), der sich für die erfolgreiche Geltendmachung der Einwendung in einem ersten Schritt mit denkbaren Arbeitsplätzen für den Arbeitnehmer ausgehend von dessen Auskunft bzw. Sachvortrag auseinandersetzen muss. Erst wenn die generelle Geeignetheit und Zumutbarkeit der Annahme eines Arbeitsplatzes feststehen (näher BAG 19.01.2022 – 5 AZR 346/21, Rn. 30 ff.), kann die Frage relevant werden, warum es nicht zu einer Einstellung kam. Die Ausweitung des Auskunftsanspruchs in dem von der Beklagten begehrten Sinne drohte dementsprechend dazu zu führen, ihr einen Informationsvorsprung im Prozess zu verschaffen, der der anerkannten Darlegungs- und Beweislast widerspricht.
55Außerdem drohte durch die von der Beklagten begehrte Ausweitung eines selbständig einklagbaren Auskunftsanspruchs in Annahmeverzugsvergütungsprozessen deren Verzögerung entgegen § 9 Abs. 1 ArbGG (Beschleunigungsgrundsatz im arbeitsgerichtlichen Verfahren) durch den Erlass von Teilurteilen, was auch aus praktischen Gesichtspunkten für eine möglichst weitgehende Integration der Auskunfts- und Erklärungspflichten des Arbeitnehmers in die Darlegungs- und Beweislast spricht.
56III. Die Kostenentscheidung bleibt, weil mit dem Urteil nicht über alle Ansprüche entschieden wurde, der Schlussentscheidung vorbehalten.
57IV. Den Rechtsmittelstreitwert hat die Kammer ausgehend von dem Wert der von der Beklagten begehrten Auskünfte mit 50 % der von dem Kläger geltend gemachten Vergütungsdifferenz gemäß § 61 Abs. 1, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, §§ 3 ff. ZPO im Urteil festgesetzt.
58V. Gründe für eine gesonderte Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht gegeben.