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1. Der Arbeitgeber, der nach einem ersten Anfangsverdacht auf eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung sich auf vermeintlich weitere Ermittlungen beruft und bis zu einer außerordentlichen Kündigung mehr als zwei Jahre zuwartet, muss in Bezug auf die Wahrung der Frist nach § 626 Abs. 2 BGB konkrete Angaben dazu machen, welche Ermittlungen vorgenommen worden sind.
2. Das Recht des Arbeitgebers zum Ausspruch einer Kündigung kann verwirken, wenn der Arbeitgeber nach einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis über längere Zeit beanstandungsfrei fortsetzt und dadurch beim Arbeitnehmer das berechtigte Vertrauen erweckt, eine Kündigung werde unterbleiben.
3. Einzelfallentscheidung zu vermeintlichen Pflichtverletzungen eines kommunalen Gebäudemanagers.
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 27. Januar 2012 nicht aufgelöst worden ist.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27. April 2012 nicht aufgelöst worden ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen mit
- den verbliebenen Aufgaben im Zusammenhang mit der Sanierung der Deponie C. und
- der ingenieurmäßigen Beratung und Begleitung von Projekten im Rahmen der Städtepartnerschaften
zu beschäftigen.
4. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
5. Streitwert: 102.083,31 EUR
Tatbestand:
2Der am 0.0.0000 geborene und verheiratete Kläger ist bei der Beklagten gemäß Arbeitsvertrag vom 6. April 2004 seit dem 1. Mai 2004 befristet bis zum 30. April 2016 als Angestellter eingestellt und jederzeit widerruflich zum Werksleiter des Städtischen Gebäudemanagements C. (Betriebsleiter) bestellt worden. § 4 des Arbeitsvertrages enthält eine Bezugnahmeklausel auf den Bundesangestelltentarifvertrag und den diesen Tarifvertrag ergänzende, ändernde oder ersetzende Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung. Der Kläger bezog zuletzt eine Vergütung in Höhe von 14.583,33 EUR (i.W. vierzehntausendfünfhundertdreiundachtzig Euro, Cent wie nebenstehend) brutto monatlich. Mit Schreiben vom 30. April 2010 widerrief die Beklagte die Bestellung des Klägers zum Betriebsleiter des Städtischen Gebäudemanagements. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50 Prozent.
3Zuletzt wurde der Kläger mit folgenden Aufgaben betreut: verbliebene Aufgaben im Zusammenhang mit der Sanierung der Deponie C.1, ingenieurmäßige Beratung und Begleitung von Projekten im Rahmen der Städtepartnerschaften.
4Mit Schreiben vom 27. Januar 2012 kündigte die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis außerordentlich (Tat- und Verdachtskündigung); mit Schreiben vom 27. April 2012 folgte eine hilfsweise fristgerechte Kündigung (Tat- und Verdachtskündigung) zum 30. September 2012. Das Integrationsamt hatte zuvor auf den Antrag der Beklagten vom 12. Januar 2012 seine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung am 26. Januar 2012 erteilt bezogen auf die Vorwürfe der Installation und Inbetriebnahme von Desinfektionsanlagen nach dem Inline-Elektrolyse-Verfahren und den Vorwurf der Verletzung der Auskunftspflicht gegenüber dem Schulausschuss. Eine Zurückweisung wegen Verfristung erfolgte bezogen auf den Vorwurf des Verstoßes gegen die Vergabebestimmungen. Die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung (Antrag vom 12. Januar 2012) wurde unter dem 26. März 2012 erteilt.
5Zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, höchst vorsorglich auch als Verdachtskündigung wurde der Personalrat mit Schreiben vom 12. Januar 2012 angehört. Gleichlautende Anhörungsschreiben gingen auch an die Schwerbehindertenvertretung und die Gleichstellungsstelle. Der Personalrat verzichtete am 17. Januar 2012 auf eine Stellungnahme zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung und stimmte der ordentlichen Kündigung zu.
6Die Beklagte stützt die Kündigung unter Anderem auf Vorwürfe, welche in einem Prüfbericht des Rechnungsprüfungsausschusses vom Oktober 2011 niedergelegt sind. Der Prüfbericht geht auf einen Beschluss des Rates vom
77. Oktober 2010 zurück. Der Prüfbericht bezieht sich u.a. auf Verstöße gegen die trinkwasserrechtlichen Vorschriften durch den Einbau und die Inbetriebnahme von Oxidationsanlagen, Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen, unzureichende Information des Schulausschusses der Beklagten. Zu den Vorwürfen wurde der Kläger unter dem 23. Dezember 2011 angehört.
8Er gab hierzu am 29. Dezember 2011 eine schriftliche Stellungnahme ab. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger und andere wegen Verstoßes gegen die Trinkwasserverordnung 2001, Baugefährdung und andere, Aktenzeichen StA C. 000 Js 00/00 wurde am 7. Februar 2012 eingestellt, § 170 Abs. 2StPO (vergl. das Schreiben Bl. 286 f. d.A.).
9Den Vorwürfen liegt folgender unstreitige Sachverhalt zugrunde: Die Ausgangssituation im Januar 2005 ist ein Legionellenbefund im L.-Gymnasium und eine konservative Behandlung des Befundes. Am 18. Mai 2005 erfolgte eine beschränkte Ausschreibung nach VOB bezüglich einer Desinfektionsanlage (anodische Oxidation nach dem Inline-Elektrolyse Verfahren). Den Auftrag erhielt am 24. August 2005 die Firma K.. Unter dem 31. August 2005 wurde das Gesundheitsamt der Beklagten um Mitunterzeichnung und Stellungnahme gebeten. In einem Vermerk wies das Gesundheitsamt darauf hin, dass für "diese Alternative" eine generelle Empfehlung nicht gegeben werden könne. Erst von den Ergebnissen der Pilotanlage könnten nähere und eindeutigere Aufschlüsse erwartet werden". Am 8. September 2005 wurde der Schulausschuss bezüglich des Einbaus einer Pilotanlage unterrichtet. Am 9. September 2005 wurde die Oxidationsanlage am L.-Gymnasium in Betrieb genommen. Am 13. September 2005 wies der Landschaftsverband Rheinland (Schreiben von Herrn N.) den Kläger darauf hin, dass nach Einschätzung des Hygieneinstituts der Universität C. das Verfahren der anodischen Oxidation "vermutlich explizit als unzulässiges Verfahren im Rahmen einer DVGW Zulassung von Elektrolyseanlagen benannt werden wird". Das Schreiben endet mit der Formulierung "Bitte nehmen Sie dies einfach als Hinweis, bevor sie flächendeckend solche Anlagen einbauen und im Zweifelsfalle keine Zustimmung bekommen. Beim LVR haben bereits drei Gesundheitsämter den Betrieb der Desinfektionsanlagen von einer Stellungnahme des o.g. Instituts (Hygiene Institut der Uniklinik C.) abhängig gemacht. Über die beiden Verfahren .werden wir Sie informieren". (vergl. Anlage 4 zum Bericht des Rechnungsprüfungsamtes). Am 9. Januar 2006 wurde eine Überschreitung der Trihalogenmethanwerte (THM) festgestellt (unmittelbar hinter der Oxidationsanlage 0,15 mg/l THM an der letzten Entnahmestelle 0,16 mg/l THM an der Zirkulation 0,11 mg/l THM; der Grenzwert liegt bei 0,05 mg/l THM). Eine entsprechende Information über die Trinkwasserproben folgte am 13. Januar 2006 gegenüber dem Städtischen Gebäudemanagement. Die Anlage im L.-Gymnasium wurde daraufhin stillgelegt.
10Mit Schreiben vom 16. Januar 2006 (Eingangstempel des Städtischen Gebäudemanagements vom 23. Januar 2006) teilte die Leiterin des Gesundheitsamtes dem Kläger mit, dass das Gesundheitsamt erst nach Vorliegen einer Bescheinigung einer Zulassung und weiterer unauffälliger Trinkwasserbefunde der Installation weiterer Oxidationsanlagen in städtischen Gebäuden zustimme (Anlage 5 des Berichtes des Rechnungsprüfungsamtes). Nach entsprechender Genehmigung durch das städtische Gebäudemanagement (27. Dezember 2005) wurde am 2. Januar 2006 eine weitere Oxidationsanlage für die H. bestellt. Die Anlage wurde im Januar 2006 eingebaut und, nachdem am 2. Februar 2006 bei einer Beprobung erhöhte THM-Werte festgestellt wurden, unverzüglich abgeschaltet. Eine dritte Oxidationsanlage für die Q.schule wurde ebenfalls am 2. Januar 2006 bestellt und im Januar 2006 geliefert. Ein Einbau erfolgte nicht mehr. Am 16. Februar 2006 beantragte der Kläger beim Gesundheitsamt die Zustimmung zu einem Intervallbetrieb der Oxidationsanlage im L.-Gymnasium. Begleitet werden sollte der Intervallbetrieb durch wöchentliche Beprobung des Wassers auf THM. Das Gesundheitsamt antwortete mit Schreiben vom 17. Februar 2006 und erklärte, dass das Konzept noch hausintern überprüft werden solle. In der Folge nahm das Gesundheitsamt Kontakt mit Herrn F. auf, der dem Gesundheitsamt am 2. März 2006 empfahl, bei Überschreitung der zulässigen Richtwerte für die Legionellen oder anderer bakteriologischer Indikatorparameter entsprechend den Kriterien des DVGW-Arbeitsblattes W 551 zunächst alle technischen Möglichkeiten auszuschöpfen und bei Wahl von Desinfektionsverfahren ausschließlich solche Verfahren zu verwenden, die nach der Liste des Umweltbundesamtes zur Desinfektion zugelassen seien. Gemäß einem Protokoll eines Gesprächstermins von Anlagenherstellern mit dem DVGW vom 2. Dezember 2005 in Berlin ergibt sich, dass den Herstellern bekannt war, dass das Verfahren (anodische Oxidation) in Anlagen, aus denen Trinkwasser für die Öffentlichkeit abgegeben wird, rechtlich nicht zulässig ist (Anlage 6 zum Prüfbericht). Mitte 2006 erstellte Herr F. ein Gutachten zu der fraglichen Problematik (Gutachterliche Stellungnahme zum Einsatz des "eco-clean-Systems" zur chemikalienfreien Desinfektion von wasserführenden Systemen). Er kam zu der Schlussfolgerung, dass ohne Anmeldung des Verfahrens beim Bundesumweltamt nicht ausgeschlossen werden könne, dass bei Einsatz des Verfahrens die Kriterien des § 24 Trinkwasser-Verordnung erfüllt werden (Anlage 9 des zum Bericht des Rechnungsprüfungsamtes).
11Auf weitere Anfragen des Rates zum Problem der Legionellenbekämpfung erfolgten Stellungnahmen der Verwaltung der Beklagten am 22. Februar 2006 und 9. Januar 2007 (Anlage B3 Bl 353 ff d.A.; Anlage 19 zum Bericht des Rechnungsprüfungsamtes).
12§ 11 der Trinkwasserverordnung in der Fassung vom 1. Januar 2004 bis
137. November 2006 lautet auszugsweise wie folgt:
14§ 11 Abs. 1 Satz 4
15"In der Liste wird auch der erforderliche Untersuchungsumfang für die Aufbereitungsstoffe spezifiziert; ferner können Verfahren zur Desinfektion sowie die Einsatzbedingungen, die die Wirksamkeit dieser Verfahren sicherstellen, aufgenommen werden".
16§ 11 in der Fassung vom 2. November 2011 bis 31. März 2012 lautet auszugsweise:
17§ 11 Abs. 1 Satz 4 und 5
18"Zur Desinfektion von Trinkwasser dürfen nur Verfahren zur Anwendung kommen, die einschließlich der Einsatzbedingungen, die ihre hinreichende Wirksamkeit sicherstellen, in die Liste aufgenommen wurden."
19Das Arbeitsblatt W 229 Stand September 2006 des DVGW-Regelwerkes formuliert für das Verfahren der Inline-Elektrolyse: " Für die Inline-Elektrolyse ist die Eignung für den Trinkwasserbereich bisher noch nicht ausreichend nachgewiesen." Das Verfahren der anodischen Oxidation ist nicht in der vom Bundesumweltamt geführten Liste der Verfahren zur Desinfektion von Trinkwasser (UBA-Liste) aufgenommen worden.
20Im Jahre 2000 hat der Kläger einen Antrag zur Patentierung einer Anlage zur anodischen Oxidation gestellt, der jedoch abgelehnt wurde.
21Mit vorliegender Klage vom 14. Februar 2012 und Klageerweiterung vom 11. Mai 2012 wendet sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.
22Der Kläger rügt bezüglich der außerordentlichen Kündigung die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB, formale Fehler bei der Anhörung des Personalrates sowie der Schwerbehindertenvertretung und der Gleichstellungsstelle.
23Bezüglich der hilfsweise ausgesprochenen fristgerechten Kündigung ist der Kläger der Ansicht, das befristete Arbeitsverhältnis unterliege nicht der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit.
24Gegen die insoweit erteilte Zustimmung des Integrationsamtes hat der Kläger Widerspruch eingelegt. Weiterhin rügt er auch insoweit die Anhörung des Personalrates.
25Zu den materiellen Vorwürfen nimmt der Kläger wie folgt Stellung: Zu Beginn seiner Tätigkeit sei er durch die Leiterin des Gesundheitsamtes mit Schreiben vom 3. Mai 2004 auf die Umsetzung der zum 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Trinkwasserverordnungsnovelle hingewiesen worden. Im Zuge der von ihm angeordneten Nachrüstung von Messstellen und Erstbeprobungen sei auch eine Untersuchung des Wassers aus der Wasserinstallation der Turn- und Schwimmhalle des L.-Gymnasiums durchgeführt worden. Die Beprobung habe für das L.-Gymnasium eine hohe Legionellenkontamination ergeben, sodass weitergehende Untersuchungen und Gegenmaßnahmen durchgeführt werden mussten. Mit Hilfe der durchgeführten thermischen Desinfektion hätte die Legionellenkonzentration reduziert werden können. Die Beprobung habe aber auch gezeigt, dass es sich um eine systematische Problematik der Anlage mit ständiger Reverkeimung handelte. Hierüber habe er den Ämtern 40, 52, 53 und 13 berichtet. Eine Beprobung am 14. April 2005 im L.-Gymnasium habe nach wie vor einen erhöhten Bestand an Legionellen ergeben. Er habe daraufhin ein dauerhaftes Lösungskonzept erarbeitet, dessen Bestandteile vorgesehen hätten, die Sanierung des Leitungssystems, die Reparatur der Zirkulationspumpe und des Zentralthermostates und den Einbau einer Oxidationsanlage. Zum Zeitpunkt der Stellungnahme des Landschaftsverbandes Rheinland vom 13. September 2005 seien andere Nutzer zu einer anderen Einschätzung als der LVR gekommen. Im November 2005 sei die Anlage im L.-Gymnasium, wie vorab besprochen, zunächst für vier Wochen wieder abgeschaltet worden, um zu testen, wie sich die Legionellenwerte verändern würden.
26Herr G., ein Mitarbeiter des städtischen Gebäudemanagements, habe ihm am 16. November 2005 mitgeteilt, dass zwischenzeitlich die Vermutung aufgekommen sei, dass die Anlage zur anodischen Oxidation im behandelten Wasser nicht nur Legionellen abtöte, sondern gleichzeitig auch "Gase produziere". Daraufhin sei am 22. November 2005 eine Beprobung der chemischen Zusammensetzung des Wassers angeordnet worden. Zum damaligen Zeitpunkt sei er davon ausgegangen, dass die THM-Werte, sofern sie tatsächlich durch das Verfahren der anodischen Oxidation verursacht worden seien, mit einer Justierung der Anlage unterdrückt werden könnten. Zum Zeitpunkt Mitte Januar 2006 (Stellungnahme des Gesundheitsamtes) seien die Installationsarbeiten der Firma K. an der H. längst begonnen worden (Start am 4. und 5. Januar 2006). Aus damaliger Sicht habe für ihn kein Anlass bestanden, den Einbau und die Inbetriebnahme sofort zu stoppen. Die Ursache für die THM-Werteüberschreitung im L.-Gymnasium sei noch nicht klar gewesen; Vorrang habe für ihn eindeutig die Bekämpfung der Legionellen gehabt. Da er im Februar 2006 davon ausgegangen sei, dass sich das Entstehen des unerwünschten Nebenproduktes THM jedenfalls durch einen getakteten Betrieb (Intervallschaltung) leicht lösen lassen würde, habe er am 16. Februar 2006 beim Gesundheitsamt die Zustimmung zu einem Intervallbetrieb beantragt. Dieser Intervallbetrieb sollte begleitet werden durch wöchentliche Beprobung des Wassers auf THM. Erst am 23. März 2006 sei ihm das Protokoll des Gesprächstermins von Anlageherstellern mit dem DVGW vom 2. Dezember 2005 übersandt worden. Die THM-Problematik habe er nicht vorhergesehen, als sie auftrat, habe er angemessen und besonnen reagiert.
27Der Kläger beantragt,
2831
zu beschäftigen.
35Die Beklagte beantragt,
36die Klage abzuweisen.
37Die Beklagte begründet sowohl die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung mit folgenden Verstößen:
38Verstoß gegen § 11 Trinkwasserverordnung.
39Mit der Inbetriebnahme der Oxidationsanlagen habe der Kläger gegen § 11 Trinkwasserverordnung verstoßen. Das Verfahren sei nicht in die Liste der Desinfektionsverfahren aufgenommen gewesen. Dem Kläger sei die fehlende Zulassung der Anlage nach der Trinkwasserverordnung auch bewusst gewesen. Das Verfahren entspreche zudem nicht den anerkannten Regeln der Technik gemäß DVGW-Regelwerk. Es sei nicht in das DVGW-Regelwerk aufgenommen.
40Verstoß gegen § 13 Trinkwasserverordnung
41Sowohl im Fall des Einbaus am L.-Gymnasium als auch an der H. sei eine förmliche Anzeige gegenüber dem Gesundheitsamt unterblieben. Die Bitte um Mitzeichnung für den Einbau und die Inbetriebnahme der Anlage am L.-Gymnasium vom 31. August 2005 genüge den Anforderungen des § 13 Trinkwasserverordnung in keiner Weise.
42Verstoß gegen Vergabebestimmung
43Der Kläger habe mehrfach gegen die Vergabebestimmungen der C. verstoßen. Er habe drei Inline-Elekrolyse-Anlagen kaufen lassen, die nicht nach der Trinkwasserverordnung zugelassen und daher zur Verwendung nicht geeignet gewesen seien. Auch habe er in der H. eine der Anlagen einbauen lassen, obwohl keinerlei Bedarf für eine Bekämpfung der Legionellen festgestellt worden sei. Weiterhin habe er bei den Käufen nicht die gesetzlichen Vergabebestimmungen zur beschränkten Ausschreibung beachtet. Damit habe der Kläger nicht nur gegen den in der öffentlichen Verwaltung geltenden Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verstoßen, sondern auch gegen die Grundsätze bei der Vergabe von Leistungen (Ziffer 2.1 der Vergabeordnung der C. i. V. m. § 2 Abs. 1 VOL/A), wonach Aufträge nur an geeignete Unternehmen vergeben werden dürfen. Zudem sei die erste Ausschreibung nicht produktneutral erfolgt. Bei der Bestellung der zwei weiteren Anlagen seien die Regeln der beschränkten Ausschreibung nicht eingehalten worden. Der Kläger habe den Auftrag freihändig vergeben.
44Unzureichende Unterrichtung des Schul-/Betriebsausschusses
45Bei der Unterrichtung des Schulausschusses am 8. September 2005 habe der Kläger den Eindruck erweckt, das Verfahren der anodischen Oxidation entspreche den Vorgaben der Trinkwasserverordnung. Hierdurch habe er seine Pflichten nach § 55 Abs. 1 Satz 2 Gemeindeordnung NRW verletzt. Insoweit sei die Verwaltung verpflichtet, dem Rat und den Ausschüssen auf Verlangen Auskunft zu geben und Stellung zu nehmen. Dies beinhalte eine umfassende korrekte Information der Politik ohne sinnverfälschende Auslassungen. Die Tatsache, dass der Kläger das Verfahren der anodischen Oxidation in seiner Stellungnahme dabei nur unter dem Vorbehalt des Abwartens der Ergebnisse der Pilotanlage empfohlen habe, zeige, dass er von der fehlenden Zulassung gewusst habe. Trotz der Stellungnahme des Mitarbeiters N. vom Landschaftsverband Rheinland vom 13. September 2005 habe er den Schulausschuss nicht über die fehlende Zulassung informiert.
46Am 31. August 2006 habe der Kläger dem Betriebsausschuss in seiner Stellungnahme zur Legionellen Prophylaxe zwar mitgeteilt, dass für das Verfahren der Inline-Elektrolyse eine DVGW Zulassung oder eine Genehmigung des Umweltbundesamtes erfolgen müsse. Er habe aber nicht deutlich erklärt, dass das Inline-Elektrolyseverfahren zur Legionellen Prophylaxe bis dahin noch nicht zugelassen sei und nicht eingebaut werden durfte. Dadurch, dass der Kläger die fehlende Zulassung nicht angesprochen habe und sich deutlich für einen weiteren Einsatz des Verfahrens der anodischen Oxidation eingesetzt habe, habe er den Betriebsausschluss nur unzureichend informiert. In seiner Stellungnahme vom 9. Januar 2007 habe der Kläger auf irreführende Weise erklärt, dass das Inline-Elektrolyseverfahren als zulässiges Verfahren von dem DVGW e.V. in seiner Liste aufgenommen worden sei. Dabei habe er verschwiegen, dass dies nicht für den Trinkwasserbereich gelte. Dies sei jedoch eine wesentliche Tatsache, da es bei dem Vorhaben des Klägers, die Anlage unter anderem in Schulen einzusetzen, genau darauf ankomme. Dass das Verfahren für den Trinkwasserbereich nach wie vor nicht zugelassen sei, habe der Kläger bewusst unterschlagen.
47Der abschließende Bericht des Rechnungsprüfungsamtes der C. über die Prüfung des Einsatzes der Inline-Elektrolyseanlage sei dem Personalamt am 19. Dezember 2011 übermittelt worden. Es sei richtig, dass die Beklagte bereits im Oktober 2011 einen vorläufigen Bericht des Rechnungsprüfungsamtes erhalten habe. Dieser sei jedoch nicht abschließend gewesen. Abgeschlossen worden sei der Bericht des Rechnungsprüfungsamtes, nachdem dem Städtischen Gebäudemanagement und dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Bericht gegeben worden sei. Erst am 19. Dezember 2011 sei der abschließende Bericht des Rechnungsprüfungsamtes dem Personalamt der Beklagten zugestellt worden. Dieser Bericht sei maßgeblich für die Berechnung der Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB. Zwar habe sie vor diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis gehabt, dass das 2005/2006 eingesetzte Desinfektionsverfahren über keine Zulassung im Sinne der Trinkwasserverordnung verfügte. Dass die Umstände so lagen, dass der Kläger dies voll zu verantworten habe und ein außerordentlicher Verstoß gegen eine arbeitsvertragliche Pflicht vorlag, sei der Beklagten zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht bewusst gewesen. In seiner Stellungnahme aus dem Jahre 2008 habe der Kläger, wie in den Jahren zuvor, die anodische Oxidation als eine von vier möglichen Methoden zur Legionellenbekämpfung dargestellt und nicht erwähnt, dass das Verfahren nicht zugelassen war und damit überhaupt nicht angewandt werden durfte.
48Die Beteiligungsrechte des Personalrats der Gleichstellungsstelle und der Schwerbehindertenvertretung seien ordnungsgemäß gewahrt worden.
49Das Arbeitsverhältnis sei auch ordentlich kündbar. Da der Arbeitsvertrag keine abweichende Regelung zur Kündigung enthalte, gelte der Tarifvertrag, wonach die ordentliche Kündigung von befristeten Arbeitsverhältnissen zulässig sei.
50Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
51Entscheidungsgründe:
52Die fristgerecht nach § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1 KSchG erhobene Kündigungsschutzklage gegen die außerordentliche Kündigung ist zulässig und begründet.
53Die außerordentliche, fristlose Kündigung ist unwirksam.
54Die außerordentliche Kündigung vom 27. Januar 2012 wurde nicht innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt.
55Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen erfolgen. Diese Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Norm mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Bestimmung ist ein gesetzlich konkretisierter Verwirkungstatbestand. Ihr Ziel ist es, dem Arbeitnehmer rasch Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Kündigungsberechtigte einen bestimmten Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt. Die Frist beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen hat und ihm deshalb eine fundierte Entscheidung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich ist (vergl. BAG, Urteil vom 25. November 2010, 2 AZR 171/09). Für den Fristbeginn kommt es auf die sichere und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen an; selbst grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht. Nicht ausreichend ist die Kenntnis des konkreten die Kündigung auslösenden Anlasses. Dem Kündigungsberechtigten muss eine Gesamtwürdigung möglich sein. Solange der Kündigungsberechtigte die Aufklärung des Sachverhaltes durchführt, kann die Ausschlussfrist nicht beginnen. Sie ist allerdings nur solange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte aus verständlichen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen anstellt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (vergl. BAG, Urteil vom 29. Juli 1993, 2 AZR 90/93).
56Nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien waren folgende Tatsachen schon weit vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist der Beklagten bekannt: Installation der Oxidationsanlage im L.-Gymnasium; Bestellung und Installation einer Oxidationsanlage für die H.; Bestellung einer Oxidationsanlage für die Q.schule; erhöhte THM-Werte nach Inbetriebnahme der Oxidationsanlage; fachliche Diskussion um die anodische Oxidation; Nichtaufnahme des entsprechenden Desinfektionsverfahrens in die Liste gemäß § 11 Trinkwasserverordnung (Beschlussvorlage der C. vom 29. September 2010).
57Soweit sich die Beklagte darauf beruft, diese bekannten Tatsachen anders bewertet zu haben und erst mit Anfertigung des Gutachtens aus dem Jahre 2011 und der Kenntnisnahme dieses Gutachtens Kenntnis von Pflichtverletzungen des Klägers genommen zu haben, so ist der Kenntnisstand 2010 jedenfalls als Anfangsverdacht zu werten. Folglich sah sich die Beklagte Ende 2010 auch veranlasst, eigene Ermittlungen aufzunehmen. Diese Ermittlungen hat sie nicht mit der notwendigen Eile eingeleitet und vorangetrieben. Die Ermittlungen haben vielmehr mehr als ein Jahr in Anspruch genommen. Entscheidet sich der Arbeitgeber, nachdem sich aufgrund konkreter Tatsachen bei ihm ein Anfangsverdacht entwickelt hat, selbst weitere Ermittlungen durchzuführen, so muss er diese Ermittlungen zügig durchführen und binnen zwei Wochen nach Abschluss der Ermittlungen, die seinen Kündigungsentschluss stützen, kündigen (vergl. BAG, Urteil vom 29. Juli 1993, 2 AZR 90/93). Zu der Dauer der Ermittlungen hat die Beklagte keine Ausführungen gemacht. Es fehlen nach der konkreten Rüge des Klägers auch substantiierte Angaben, welche Maßnahmen die Beklagte nach dem "Entwurf" des Berichtes des Rechnungsprüfungsamtes noch ergriffen hat, um die Ermittlungen zum Abschluss zu bringen. Soweit die Beklagte hier auf eine Anhörung des Klägers hinweist, ist die regelmäßige Frist von einer Woche überschritten (BAG, Urteil vom 10. Juni 1988, 2 AZR 25/88).
58Der Beklagten hätte es freigestanden, anstatt eigene Ermittlungen durchzuführen, den Ausgang des Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens abzuwarten. Hierfür hat sich die Beklagte aber nicht entschieden. Sie hat die Kündigung vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens ausgesprochen.
59Die Kündigung ist auch nicht als fristgerechte Kündigung wirksam.
60Auch insoweit hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben.
61Der Arbeitsvertrag ist trotz Befristung ordentlich kündbar. Gemäß § 15 Abs. 3 TZBVG bedarf es zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses einer ausdrücklich vereinbarten Kündigungsmöglichkeit. Mit dem Verweis auf die Regelungen des Bundesangestelltentarifvertrages und den diesen Tarifvertrag ergänzenden, ändernden oder ergänzenden Tarifverträgen findet auf das Arbeitsverhältnis § 30 TVöD Anwendung. Da § 30 Abs. 5 TVöD die ordentliche Kündigung des befristeten Arbeitsverhältnisses jedoch grundsätzlich erlaubt, hätte es im Vertrag einer ausdrücklichen Regelung bedurft, die Kündigung auszuschließen.
62Auf das Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung.
63Die Beklagte hat Kündigungsgründe gemäß § 1 Abs. 2 KSchG nicht hinreichend dargetan.
64Es fehlt an einem Verstoß gegen § 11 Trinkwasserverordnung. Die Aufnahme in eine Liste für Desinfektionsverfahren gemäß § 11 Trinkwasserverordnung war zum damaligen Zeitpunkt nicht zwingend.
65Zwar hat der Kläger mit der Inbetriebnahme der Oxidationsanlagen gegen § 4 Trinkwasserverordnung verstoßen, indem bei der Wasseraufbereitung das Trinkwasser nicht den Anforderungen der §§ 5 bis 7 entsprach. Dies ergibt sich aus der Überschreitung der zulässigen THM-Werte. Desweiteren hat der Kläger jedenfalls bei den Anlagen aus dem Jahre 2006 gegen § 13 Trinkwasserverordnung verstoßen, indem er die Anzeigepflichten des § 13 Trinkwasserverordnung nicht beachtet hat. Auch Verstöße gegen die Vergaberichtlinien könne unterstellt werden.
66Das Recht zur Kündigung wegen dieser Pflichtverletzungen ist nach Ansicht der Kammer jedoch verwirkt. Das Recht des Arbeitgebers zur ordentlichen Kündigung verwirkt, wenn er in Kenntnis eines Kündigungsgrundes längere Zeit untätig bleibt, das heißt die Kündigung nicht ausspricht, obwohl ihm dies möglich und zumutbar wäre (sogenanntes Zeitmoment), wenn er dadurch beim Arbeitnehmer das berechtigte Vertrauen erweckt, die Kündigung werde unterbleiben und wenn der Arbeitnehmer sich deshalb auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einrichtet (sogenanntes Umstandsmoment); eine dann gleichwohl erklärte Kündigung aus diesem Grund würde eine unzulässige Rechtsausübung darstellen und wäre nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) rechtunwirksam (vergl. BAG, Urteil vom 20. August 1998, 2 AZR 736/97). Mahnt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen des Verhaltens, dass er als potenziellen Kündigungsgrund ansieht, ab, so verbraucht er sein Kündigungsrecht. Setzt er das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei fort, so erweckt er durch die fortwährende Zuweisung von Arbeit beim Arbeitnehmer in der Regel das berechtigte Vertrauen, eine Kündigung werde unterbleiben. Vorliegend hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei fortgesetzt, wobei die Problematik der Oxidationsanlagen schon 2006 durch das Gutachten von Professor F. bekannt war. Die tatsächlichen Vorgänge Kauf, Installation und Inbetriebnahme der Anlagen, erhöhte THM-Werte - wurden offen kommuniziert. Veränderungen hinsichtlich der Aufgabenzuweisung im Jahre 2010 stehen nicht im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der Oxidationsanlagen.
67Soweit sich die Beklagte auf ein vorsätzliches Verhalten des Klägers beruft, dass ihr erst mit Vorlage des Prüfberichts bekannt geworden sei und einer Neubewertung der Verstöße rechtfertige, folgt die Kammer der Bewertung des Prüfberichts nicht. Ausgehend von der Diskussions- und Gesetzeslage 2005/2006 war ein Pilotbetrieb vertretbar, soweit keine Gefährdung auftrat. Als eine erhöhte Konzentration von THM-Werten festgestellt wurde, wurden die Anlagen abgeschaltet. Die Oxidationsanlagen mögen zwar nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprochen haben, für ein Verbot eines Pilotbetriebes gibt es aber keine Anhaltspunkte. Die Unterlagen sprechen vielmehr von Empfehlungen, Prüfbedarf und einer engen Kontrollpflicht.
68Soweit sich die Beklagte auf einen Verstoß nach § 55 Abs. 1 S. 2 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen beruft, trägt auch dieser nicht die fristgerechte Kündigung. Maßgeblich kann hier allenfalls die Unterrichtung des Schulausschusses in der Sitzung vom 8. September 2005 sein (Anlage B 15 zum Rechnungsprüfungsbericht), da zu diesem Zeitpunkt die Oxidationsanlage in Betrieb genommen war. Alle anderen Auskünfte beziehen sich auf einen Zustand, in dem keine solchen Anlagen mehr betrieben wurden. In seiner Auskunft hat der Kläger keine falschen Behauptungen aufgestellt. Er spricht vielmehr davon, dass es "eine generelle Empfehlung" nicht gebe; die Ergebnisse der Pilotanlage erst abgewartet werden müssten.
69Unterstellt, die vom Kläger erteilten Auskünfte seien einseitig und tendenziös und würden beim Rat der Stadt und seinen Ausschüssen einen falschen Eindruck erwecken, so verstößt die Kündigung dennoch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
70Eine Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist. Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich (BAG, Urteil vom 9. Juni 2011, 2 AZR 381/10). Das Erfordernis der Prüfung, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der Kündigung als ultima ratio und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei verhaltensbedingten Kündigungen Rechnung. Beruht die Vertragsverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung wegen Vertragsverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Die Abmahnung dient in diesen Fällen der Objektivierung der negativen Prognose. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Vertragsänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 23. Juni 2009, 2 AZR 108/08). Eine fehlerhafte (weil verkürzte) Unterrichtung des Schul- und Betriebsausschusses des Rates unterstellt, ist hierdurch nicht der Vertrauensbereich in der Weise berührt, dass der Glaube an die Gutwilligkeit, Loyalität und Redlichkeit des Arbeitnehmers irreparabel gestört ist. Die Stellungnahmen des Klägers und der Verwaltung mögen geprägt sein von einer bestimmten Ausrichtung bei der Legionellenbekämpfung. Sie enthalten aber keine vorsätzliche Täuschung des Rates. Zum damaligen Zeitpunkt war die Diskussion um die anodische Oxidation offen. Die Aufnahme in eine Liste für Desinfektionsverfahren gemäß § 11 Trinkwasserverordnung war zum damaligen Zeitpunkt nicht zwingend. Die Diskussion um die UBA-Liste war noch nicht abgeschlossen. Nach Auftreten der THM-Belastung wurden die Anlagen sofort stillgelegt.
71Dass der Kläger weiterhin das Ziel verfolgte, das Verfahren der Inline-Elektrolyse einzusetzen, kann ihm nicht vorgeworfen werden. Der Einsatz von Elektrolyseanlagen sollte nach Abschaltung Anfang 2006 jedenfalls erst dann wieder erfolgen, wenn eine entsprechende Genehmigung durch das Bundesumweltamt vorliegen würde.
72Eine negative Prognose entfällt auch dadurch, dass der Kläger seit 2010 (Ausspruch der Kündigung 2012) nicht mehr als Leiter des städtischen Gebäudemanagement beschäftigt wird. Seit diesem Zeitpunkt obliegen ihm nur noch Projektaufgaben. Inwieweit er auch hier Leitungsfunktionen wahrnimmt, welche erhöhte Loyalitätsanforderungen stellen, ist für die Kammer nicht ersichtlich.
73Mit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ist der Kläger auch mit denen ihm zuletzt zugewiesenen Aufgaben weiter zu beschäftigen.
74Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Streitwertfestsetzung erfolgt aus § 61 ArbGG in Verbindung mit § 42 GKG.
75RECHTSMITTELBELEHRUNG
76Gegen dieses Urteil kann von Berufung eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
77Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
78eingegangen sein.
79Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
80Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
81Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
83* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
84Pilartz