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Kein Leitsatz
1.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Verlangen des Klägers nach Reduzierung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit auf 20 Stunden pro Woche ab dem 27.08.2012 bei einer Verteilung der Arbeitsbeitszeit auf die Tage von Montag bis Freitag zwischen 09:00 Uhr und 14:00 Uhr zuzustimmen.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Streitwert: 5.075,16 Euro.
Tatbestand
2Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Reduzierung seiner Wochenarbeitszeit sowie deren Verteilung.
3Der Kläger, welcher inzwischen zwei Kinder hat, ist seit Januar 2006 bei der Beklagten als Maschinenführer in A. beschäftigt und bedient dort Extruder-Maschinen. Für diese Tätigkeit wurde er von der Beklagten angelernt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach einem schriftlichen Arbeitsvertrag (Kopie Blatt 7 f GA); der Kläger erzielt in der 40-Stunden-Woche eine Bruttovergütung von durchschnittlich 2.537,58 Euro monatlich. Die Beklagte hat regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer.
4Die Ehefrau des Klägers ist bei einem anderen Großbetrieb in der Region beschäftigt. Nach der Geburt des zweiten Kindes befindet sich der Kläger seit dem 31.12.2010 bis zum 24.08.2012 in Elternzeit, ohne dass er während der Elternzeit Teilzeitarbeit leistet.
5Mit Schreiben vom 26.10.2011 (Kopie Blatt 8 GA) begehrte der Kläger ab dem 27.08.2012 eine Reduzierung der Arbeitszeit auf eine 20-Stunden-Woche bei Verteilung dieser Arbeitszeit auf die Tage von Montag bis Freitag in der Uhrzeit von 09:00 Uhr bis 13:00 Uhr.
6Ohne mit dem Kläger hierüber eine Erörterung geführt zu haben, lehnte die Beklagte das Teilzeitbegehren des Klägers mit Schreiben vom 10.11.2011 (Kopie Blatt 9 GA) ab.
7Im Anschluss an die erstmalige Erörterung im Rahmen des Gütetermins vom 20.04.2012 begehrte der Kläger zunächst hilfsweise eine Verteilung der Arbeitszeit auf die Zeit zwischen 09:00 Uhr und 14:00 Uhr, wobei er diesen Hilfsantrag schließlich als alleinigen Hauptantrag im weiteren Verlauf des Rechtsstreites weiterverfolgt.
8Die Beklagte lehnte auch eine Zustimmung zu diesen geänderten Einsatzzeiten schriftsätzlich ab.
9Unter dem 23.04.2012 (Kopie Blatt 25 GA) wandte sich die Beklagte an den Kläger, erinnerte ihn an das Ende seiner Elternzeit und bat um schriftliche Mitteilung, ob er das Anstellungsverhältnis in Vollzeit wiederaufnehmen werde.
10Im Betriebe der Beklagten wird an den Extruder-Maschinen im 3-Schicht-System von Montag bis Freitag gearbeitet, wobei die Maschinenführer jeweils in Vollzeit beschäftigt sind.
11Daneben existiert eine reine Tagschicht, in welcher jedenfalls keine Extruder-Maschinen zu bedienen sind, sondern schwerpunktmäßig Lagertätigkeiten verrichtet werden, aber auch vereinzelte Produktionstätigkeiten. Deren zeitliche Lage deckt sich nicht mit der Frühschicht an den Extrudern.
12Die Früh-, Spät- und Nachtschicht an den Extruder-Maschinen ist mit jeweils 20 bis 24 Maschinenführern besetzt. Diese erhalten zu Schichtbeginn entsprechende Arbeitsaufträge, welche sie selbständig abzuarbeiten haben.
13Die von der Beklagten eingesetzten Maschinenführer verfügen ganz überwiegend nicht über eine Ausbildung als Maschinen- und Anlagenführer (mit Schwerpunkt Metall- und Kunststofftechnik), sondern sind – wie der Kläger – angelernt.
14Auch der Elternzeitvertreter des Klägers, Herr T., verfügt nicht über diese fachliche Ausbildung, sondern ist ausgebildeter Kfz-Mechatroniker.
15Inzwischen führt die Beklagte selbst Ausbildungsgänge zum Maschinen- und Anlagenführer durch und hat zwei Auszubildende nach Abschluss ihrer Ausbildung zwischenzeitlich als Maschinenführer übernommen.
16Der Kläger beantragt zuletzt,
17die Beklagte zu verurteilen, dem Verlangen des Klägers nach Reduzierung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit auf 20 Stunden pro Woche ab dem 27. August 2012 bei einer Verteilung der Arbeitszeit auf die Tage von Montag bis Freitag zwischen 09:00 Uhr bis 14:00 Uhr zuzustimmen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte macht geltend, die in Vollzeit abgeleistete Schichttätigkeit der Maschinenführer stehe dem Teilzeitwunsch des Klägers entgegen, weil dessen Umsetzung zu einem nichtzumutbaren Aufwand führen werde.
21Speziell für den Kläger müssten gegebenenfalls zusätzliche Schichtübergaben durchgeführt werden, was zu einem zeitlichen Verzug bei der Produktion und damit zu wirtschaftlichen Nachteilen führe.
22Ein Einsatz des Klägers in der Tagschicht sei nicht möglich, da ein Austausch mit den dort beschäftigten Lagermitarbeitern nicht erfolgen könne. Diese seien nicht als Maschinenführer qualifiziert, was sowohl für Lager, Labor wie auch Produktion im Rahmen der Tagschicht gelte. Diese Personen könnten auch nicht innerhalb mehrerer Wochen für eine Tätigkeit als Maschinenführer qualifiziert werden.
23Die Beklagte behauptet weiter, sie habe in den letzten 1,5 Jahren nur noch Mitarbeiter mit Absolvierung des entsprechenden Ausbildungsganges zum Maschinenführer gemäß der Verordnung über die Berufsausbildung derselben (Kopie Blatt 61 ff GA) eingestellt. Die Steuerung der Maschinen seien komplett modernisiert und von Einzel-Schalter-Steuerung auf vollelektronische Touchscreen Bedienung umgestellt worden. Zugleich seien die Anforderungen an die Mitarbeiter angehoben worden mit gestiegenen Anforderungen an die Qualitätssicherung. Aus diesem Grunde würden auch schon beschäftigte Mitarbeiter ohne die entsprechende Qualifikation intern durch den Produktionstrainer weitergebildet. Dem liege ein zweijähriger Ausbildungsplan zugrunde, der an den Lerninhalten des Ausbildungsberufes Maschinenführer anknüpfte. Im weiteren Einarbeitungsplan seien die Zeitfenster für die Lerninhalte vorgesehen. Dazu werde ein Qualifikationsmatrix für jeden einzelnen Mitarbeiter geführt (Kopie Blatt 83 f GA). Auch der Kläger selbst müsse nach Wiedereintritt diese Weiterbildung durchlaufen, trotz seiner 5-jährigen Berufserfahrung.
24Der Elternzeitvertreter des Klägers hingegen habe aufgrund seiner Mechatronikerausbildung genügend technische Kenntnisse und praktische Erfahrungen, um an den Extrudern eingesetzt werden zu können.
25Auch dann, wenn der Kläger als Extruder-Maschinenführer im Rahmen der Frühschicht in der zweiten Schichthälfte bis 14:00 Uhr eingesetzt werde, werde der einheitliche Tätigkeitsgang eines Mitarbeiters in dieser Schicht unterbrochen, weil der zweite Mitarbeiter dann in der Hälfte der Zeit die Arbeit übernehmen müsste. Eine Neuverteilung der Aufgaben in der Schicht wäre kaum umsetzbar und ginge insbesondere zu Lasten der Kollegen, verbunden mit einem erheblichen Zeitverlust bei der Übergabe.
26Weiterhin müssten durch eine Herausnahme des Klägers aus Spät- und Nachtschicht seine Kollegen häufiger diese Schichten übernehmen. Es entstehe auch ein erheblicher Aufwand für die Erstellung eines vom System abweichenden Schichtplans, was eine erhebliche und unzumutbare Mehrbelastung darstelle.
27Auch die Urlaubsvertretung müsste über drei Schichten ausgeweitet werden. Die Mitarbeiter könnten nicht von Nacht- in Frühschicht umgesetzt werden oder von Frühschicht in Spätschicht. Daher müsse die Urlaubsregelung in einer Schicht ablaufen. Das Begehren des Klägers führe mithin zu einem unverhältnismäßig starken Eingriff in die betriebliche Organisation.
28Die Einrichtung eines Teilzeitarbeitsplatzes außerhalb seiner vertraglichen Tätigkeit – gemeint: in der Tagschicht – könne der Kläger auch nicht verlangen.
29Der Kläger entgegnet,
30es sei nicht ersichtlich, dass keine Mitarbeiter zu finden seien, welche die erste Hälfte der Frühschicht übernehmen könnten. Ein Austausch der Mitarbeiter – auch aus der Tagschicht – sei mit kurzer Einarbeitungszeit möglich. Die Maschinenführertätigkeit sei eine Anlerntätigkeit mit einer Anlernzeit von maximal einem Monat. Soweit die Beklagte auf Vorkenntnisse seines Elternzeitvertreters als Mechatroniker verweise, habe diese mit einer Maschinenführertätigkeit nichts zu tun.
31Wenn die Beklagte eine Weiterbildung der bereits beschäftigten, angelernten Maschinenführer durchführe, könne sie auch einen Mitarbeiter der Tagschicht in den Schichtbetrieb versetzen und ausbilden; dies sei im Rahmen des Direktionsrechts möglich. Für den Arbeitsplatz des Klägers allerdings sei eine Ausbildung nicht erforderlich.
32Mit dem Kollegen S. T. werde zudem ein Einsatz als Maschinenführer nur in der Frühschicht bereits praktiziert, nämlich seit rund drei Jahren als gesundheitlichen Gründen – insoweit unstreitig.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend verwiesen.
34Entscheidungsgründe
35Die Klage ist zulässig; sie ist auch begründet.
36Nach dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung hat der Kläger einen Rechtsanspruch gemäß § 8 TzBfG auf Reduzierung seiner Arbeitszeit von der bisherigen Vollzeittätigkeit auf 20 Wochenstunden sowie auf die gewünschte Verteilung dieser Arbeitszeit wie zuletzt beantragt. Diesem Anspruch des Klägers stehen nämlich keine ausreichend gewichtigen betrieblichen Ablehnungsgründe der Beklagten entgegen. Sie ist daher zur Zustimmung zu verurteilen.
371. Die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Teilzeitanspruchs – Dauer des Bestandes des Arbeitsverhältnisses und Größe des Unternehmens der Beklagten, § 8 I, VII TzBfG, – sind unstreitig erfüllt. Der Kläger hat seinen (nicht formgebundenen, vgl. BAG 23.11.2004, 9 AZR 644/03) Antrag in schriftlicher Form insbesondere fristgerecht bei der Beklagten eingebracht, nämlich mindestens 3 Monate vor dem gewünschten Beginn (vgl. BAG 18.2.2003, 9 AZR 356/02). Der Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit ist auch in zulässiger Weise mit dem Wunsch nach deren Neuverteilung verbunden gewesen (BAG 18.2.2003, 9 AZR 164/02) und aus Sicht des Klägers auch aufs Engste miteinander verknüpft (dazu BAG 9.5.2006, 9 AZR 278/05 zu § 15 BEEG) – wobei sich der Streit der Parteien sowohl auf die Lage der reduzierten Arbeitszeit bezieht wie auf die Reduzierung als solche.
381.1 Zwar haben die Parteien entgegen § 8 III TzBfG nach Antragstellung des Klägers nicht den von diesem gestellten Antrag erörtert; dies bleibt jedoch ohnehin weitgehend folgenlos (BAG 18.2.2003, 9 AZR 356/02). Allerdings kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nunmehr keine Einwendungen entgegenhalten, die im Rahmen einer Verhandlung hätten ausgeräumt werden können (BAG, aaO.).
39Die Ablehnung der Beklagten ist auch rechtzeitig mind. 1 Monat vor dem gewünschten Antritt der Teilzeitarbeit und unter Wahrung der hierfür erforderlichen Schriftform erfolgt, § 8 V TzBfG; dies gilt auch für den die zeitliche Lage modifizerenden Antrag im Verlauf des Rechtsstreits.
401.2. Wie das Gericht bereits mit seinem Hinweisbeschluss vom 06.06.2012 ausgeführt hat, kann der Kläger nach Maßgabe der Umstände des vorliegenden Falles auch mit dem im Anschluss an die Erörterungen im Gütetermin geänderten Klageantrag verhandeln. Zwar ist der Arbeitnehmer grundsätzlich gehindert, einen einmal geäußerten Verteilungswunsch zu ändern (BAG 23.11.2004, 9 AZR 644/03). Die Beklagte ist der ihr obliegenden Verhandlungsobliegenheit vor Ablehnung des Teilzeitantrags des Klägers in seiner ursprünglichen Fassung jedoch nicht nachgekommen (vgl. BAG 18.02.2003, 9 AZR 356/02), dies mit der Folge, dass die Beklagte dem Kläger keine Einwendungen entgegenhalten kann, welche im Rahmen einer Verhandlung hätten ausgeräumt werden können (BAG, aaO). Dies betrifft den – erstmals im Gütetermin erörterten – Hinweis der Beklagten, dass bei einer Arbeitszeit zwischen 09:00 Uhr und 13:00 Uhr eine zweimalige Übergabe während einer laufenden (Früh-) Schicht erfolgen müsse – worauf sich der Kläger umgehend eingestellt und seine Arbeitskraft bis zum Schichtende zur Verfügung gestellt sowie seinen Klageantrag dahingehend angepasst hat, dass bei einem Einsatz mit vier Stunden täglich bis zum Schichtende um 14:00 Uhr jedenfalls nur eine einmalige Schichtübergabe erforderlich wird.
412. Einer Begründung bedarf der Antrag auf Teilzeitarbeit nicht; es ist insbes. unerheblich, aus welchen Gründen der Kläger seine Arbeitszeit verringern möchte (BAG 9.12.2003, 9 AZR 16/03; 15.8.2006, 9 AZR 30/06).
422.1. Nach der Rspr. des BAG ist in drei Stufen zu prüfen, ob einem mit dem Verlangen nach Verringerung der Arbeitszeit verbundenen Wunsch auf Festlegung der Lage der Arbeitszeit genügend gewichtige Gründe entgegenstehen. Zunächst ist das vom Arbeitgeber aufgestellte und durchgeführte Organisationskonzept festzustellen, das der vom Arbeitgeber als betrieblich erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrundeliegt. Dann ist zu überprüfen, ob die vom Organisationskonzept bedingte Arbeitszeitregelung tatsächlich der gewünschten Änderung der Arbeitszeit entgegensteht.
43Abschließend ist zu prüfen, ob das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe so erheblich ist, dass die Erfüllung des Arbeitszeitwunsches des Arbeitnehmers zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Arbeitsorganisation, des Arbeitsablaufs, der Sicherheit des Betriebs oder zu einer unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Belastung des Betriebs führen würde (BAG 19.02.2003, 9 AZR 164/02). Dies gilt nach Auffassung der erkennenden Kammer über den zitierten Leitsatz hinaus sowohl hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit als auch bezüglich der Verringerung der Arbeitszeit als solcher.
442.2. Im Rahmen des von der BAG-Rechtsprechung (18.02.2003, 9 AZR 164/02; 15.08.2006, 9 AZR 30/06) vorgesehenen dreistufigen Prüfungssystems ist davon auszugehen, dass die Beklagte in Form des in Vollzeit abgeleisteten 3-Schicht-Systems von Montag bis Freitag über ein betriebliches Organisationskonzept zur Arbeitszeit und deren Ausgestaltung für den Bereich der Extruderanlagen verfügt (erste Stufe).
452.3. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der zweiten Stufe auch bejaht werden muss, der Arbeitszeitänderungswunsch des Klägers tangiere dieses Organisationskonzept der Beklagten, und zwar in zweierlei Hinsicht:
46Dies ist zum Einen der Fall bezüglich des Abweichens von dem bei der Beklagten bislang ausschließlich geübten Einsatz von Vollzeitkräften im Bereich der Maschinenführer von Extruder-Maschinen.
47Dies ist zudem der Fall im Hinblick auf die von dem Kläger gewünschte Herausnahme aus der Schichtabfolge mit Einsatz allein in der Frühschicht (wozu es hingegen in Person des S. T. einen Präzedenzfall gibt).
483. Im Rahmen der dritten Prüfungsstufe ist jedoch von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt, dass betriebliche Ablehnungsgründe im Sinne der hier in Frag kommenden Regelbeispiele der gesetzlichen Ablehnungsgründe gemäß § 8 I TzBfG bestehen, dass nämlich die Organisation und/oder der Arbeitsablauf des Betriebes durch die von dem Kläger gewollte Umgestaltung von Umfang und Lage seiner Arbeitszeit zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der genannten Faktoren führen würden.
493.1 Der Begriff der betrieblichen Gründe nach § 8 IV S. 1 TzBfG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zukommt (BAG 18.02.2003, 9 AZR 164/02). An die Ablehnung des Anspruchs durch den Arbeitgeber sind keine unzumutbar hohen Anforderungen zu stellen, vielmehr genügen rationale, nachvollziehbare Gründe (z. B. LAG Köln 04.12.2001, 9 Sa 726/0; BAG 19.02.2003, 9 AZR 164/02). Dies heißt jedoch andererseits nicht, dass rational nachvollziehbare Gründe für sich alleine bereits ausreichten, denn das BAG fügt hinzu: „Es genügt nicht jeder rational nachvollziehbare Grund. Er muss auch hinreichend gewichtig sein“ (BAG 18.02.2003, 9 AZR 164/02; bestätigt BAG 15.08.2006, 9 AZR 30/06). Diese Betonung einer hinreichenden Gewichtigkeit des Ablehnungsgrundes rechtfertigt sich aus § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG, denn ein betrieblicher Grund liegt insbesondere dann vor, wenn die Verringerung zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten führt. Hierzu hat auch die erkennende Kammer bereits früher den Standpunkt vertreten (Urteil vom 20.06.2001, 2 Ca 1414/01, DB 2001, 1619 = NZA 2001, 973; ähnlich auch LAG Düsseldorf vom 19.04.2002, 9 (12) Sa 11/02), dass die zu besorgende Beeinträchtigung selbst auch graduell wesentlich ausfallen müsse; weniger wesentliche Beeinträchtigungen müssten dementsprechend hingenommen werden.
503.2. Vorliegend fehlt es jedenfalls an der hinreichenden Gewichtigkeit der von der Beklagten geltend gemachten Ablehnungsgründe (dazu unten). Im Einzelnen:
513.2.1. Unzureichend ist, was vorausgeschickt sei, wenn der Arbeitgeber seine Ablehnung einer Teilzeittätigkeit allein mit einer abweichenden unternehmerischen Vorstellung von der „richtigen“ Arbeitszeitverteilung begründen wollte (BAG 19.12.2003, 9 AZR 16/03). Erforderlich ist vielmehr, dass das von der Beklagten behauptete Organisationskonzept die Arbeitszeitregelung als solche bedingt (BAG 18.02.2003, 9 AZR 164/02). Ist dies der Fall, so betrifft die Festlegung der Organisationsstruktur allerdings den Kernbereich der Unternehmerentscheidung, welcher durch die Gerichte nur eingeschränkt auf Missbrauch oder Willkür hin überprüfbar ist (ArbG Freiburg 04.09.2001, 7 Ca 143/01; BAG 18.02.2003, 9 AZR 164/02).
523.2.2. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass das Teilzeitbegehren des Klägers jedenfalls zu Änderungen in der zeitlichen Arbeitsorganisation führen muss, so dass der Beklagten als Arbeitgeberin bei Umsetzung des Begehrens ein Eingriff in ihre Organisationsgewalt zugemutet wird.
53Es ist jedoch auch gerade dieser Frage nachzugehen, ob nämlich durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes der betrieblich als erforderlich angesehene Arbeitszeitbedarf unter Wahrung des Organisationskonzepts mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers zur Deckung gebracht werden kann (BAG 18.02.2003, 9 AZR 164/02). Jedenfalls ist der Arbeitgeberseite eine „zumutbare Änderung der Betriebsabläufe“ (LAG Köln 15.03.2006, 3 Sa 1593/05) abzuverlangen. Dabei muss der Arbeitgeber sich – nur - auf zumutbare Maßnahmen verweisen lassen, um den Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers zu ermöglichen (BAG 09.12.2003, 9 AZR 16/03).
543.2.3. Soweit die Beklagte auf die alleinige Gestaltung der Extruder-Maschinenführerarbeitsplätze in Form von Vollzeitarbeit verweist, handelt es sich hierbei nicht um eine lediglich auf Willkür oder Missbrauch überprüfbare unternehmerische Entscheidung. Vielmehr kann die Teilbarkeit eines Vollzeitarbeitsplatzes entgegenstehende betriebliche Gründe ausschließen (z. B. BAG 13.10.2009, 9 AZR 910/08) – und muss ggf. erfolgen.
55Dies trifft vorliegend zu:
56Die Wahrnehmung der Tätigkeit eines Maschinenführers an den Extruder-Maschinen der Beklagten kann und muss nicht ausschließlich in Form von Vollzeitarbeit erfolgen. Der Arbeitsplatz ist vielmehr teilbar, ohne dass sich hieraus etwa erkennbar negative Auswirkungen auf die Produktion und/oder die Brauchbarkeit des hergestellten Produkts ergäben.
573.2.4. Soweit die Beklagte auf mit der Teilung eines Vollzeitarbeitsplatzes verbundene Mehraufwendungen wegen einer erforderlichen Arbeitsplatzübergabe verweist, führt dies nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung von Organisation und Arbeitsablauf, solches behauptet die Beklagte auch allenfalls in unsubstantiierter Weise.
58Es ist vielmehr die Regel – und wird daher von der gesetzlichen Regelung des § 8 TzBfG inkludiert -, dass bei Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes in Teilzeitarbeitsplätze gegebenenfalls eine Übergabe erfolgen muss. Dass es einer Abstimmung bedürfen würde, ist hinzunehmen und geht regelmäßig mit dem vom Gesetzgeber präferierten Einsatz von Teilzeitkräften auf einem bisher in Vollzeit ausgefüllten Arbeitsplatz einher.
59Ein über den Durchschnittsfall hinausgehender Aufwand ist den erkennbaren Umständen zufolge vorliegend nicht zu erwarten und beklagtenseits keineswegs dargelegt.
603.2.5. Soweit die Beklagte die durch den Arbeitszeitverteilungswunsch des Klägers bedingte Herausnahme aus der Schichtabfolge anspricht, führt auch diese – wie die Beklagte geltend macht – durchaus zu einem erhöhten Planungsaufwand bei der Erstellung der Einsatzpläne.
61Dies ist der Beklagten jedoch ohne weiteres zumutbar; etwas anderes ist ihrem Sachvortrag hierzu jedenfalls nicht zu entnehmen.
623.2.6. Angesichts des Umstandes, dass die jeweilige Schicht bei der Beklagten mit 20 bis 24 Extruder-Maschinenführern besetzt ist, ist zudem auch nicht ersichtlich, dass die Eingliederung eines einzelnen Teilzeitarbeitnehmers ausschließlich in die Frühschicht für die Beklagte mit erheblichen Nachteilen bei Organisation und Arbeitsablauf verbunden wäre.
63Hiergegen spricht auch die bei der Beklagten bereits gehandhabte Beschäftigung des Kollegen S. T. in der Frühschicht (wenn auch in Vollzeit).
643.2.7. Verstöße gegen Arbeitszeitvorschriften sind bei entsprechender Planung durch die Beklagte für die übrigen Schichtmitarbeiter nicht zu erwarten.
65Soweit die Beklagte mündlich die etwaige Unzufriedenheit von Kollegen mit einer zugunsten des Klägers getroffenen Regelung angeführt hat, erscheinen diese unerheblich. Unzutreffend erscheint zudem, wenn die Beklagte meinen sollte (wie angedeutet), es könne Unzufriedenheit wegen des Verlustes von Nachtschichtzulagen eintreten: das Gegenteil dürfte der Fall sein, da der Kläger jedenfalls keine Nachtschichten mehr zu leisten hat (wie die Beklagte an anderer Stelle auch erkennt).
663.3. Jedenfalls im Rahmen der vorliegenden streitbefangenen Gestaltung, in welcher erstmalig ein einzelner Mitarbeiter der Beklagten Teilzeitarbeit allein in der Frühschicht begehrt, sieht die erkennende Kammer entsprechende negative Auswirkungen auf Organisation und Arbeitsablauf nicht als schlüssig dargelegt; dahinstehen mag, ob Gegenteiliges womöglich dann gelten könnte, wenn ein 7. oder 9. Arbeitnehmer der Beklagten gleiches begehren sollte.
673.3.1. Soweit die Beklagte darauf hinweist, sie habe sich inzwischen entschlossen, lediglich noch Arbeitnehmer mit einer Ausbildung zum Maschinenführer einzustellen, ist weder ersichtlich noch dargelegt, dass es der Beklagten nicht möglich sein sollte, entsprechenden Ersatz für den aufgrund Teilzeitarbeit des Klägers wegfallenden halben Arbeitsplatz zu gewinnen.
68Solches kann das Gericht nicht ohne weiteres voraussetzen; die Beklagte hat – wie im 2. Kammertermin nochmals erörtert – auch gar nicht erst versucht, eine entsprechende Kraft zu gewinnen, dies weder intern noch extern, was von ihrem Standpunkt aus nachvollziehbar und konsequent sein mag. Einer weiteren Vertiefung dieser Fragestellung bedarf es daher nicht.
693.3.2. Hinsichtlich der tatsächlichen Auswirkungen der Teilzeitarbeit sowie deren Lage und damit auch der Gewichtigkeit der betrieblichen Ablehnungsgründe (dritte Stufe) verbleiben hiernach im Streifall ganz erhebliche Zweifel, welche zu Lasten der im vorliegenden Rechtsstreit allein darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten gehen (zur Beweislast vgl. BAG 23.11.2004, 9 AZR 644/03).
704. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte gemäß §§ 46 II ArbGG, 91 I ZPO.
71Die Festsetzung des Streitwertes erfolgt gemäß §§ 61 I, 46 II ArbGG, 3 ff ZPO; angesetzt sind 2 Bruttomonatsbezüge.
72RECHTSMITTELBELEHRUNG
73Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
74Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
75Landesarbeitsgericht Köln
76Blumenthalstraße 33
7750670 Köln
78Fax: 0221-7740 356
79eingegangen sein.
80Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
81Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
821. Rechtsanwälte,
832. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
843. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
85Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
86* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.