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Anwendungsfall zum Betriebsübergang; Wiedereinstellungsanspruch
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Der Streitwert wird auf 11 604,20 festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
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3Die am 13.02.1961 geborene und verheiratete Klägerin war seit 1996 bei der Insolvenzschuldnerin zuletzt als Teamleiterin in der Niederlassung C., der einzigen Filiale in C., beschäftigt. Ihr monatliches Bruttogehalt belief sich auf 2320,84 . Die Insolvenzschuldnerin hatte in Deutschland ca. 133 Filialen und ca. 900 Mitarbeiter.
4Am 01.04.2009 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser hatte bereits nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung am 06.02.2009 die Fortführungs- und Sanierungsvoraussetzungen der Insolvenzschuldnerin geprüft. Es wurde ein Sanierungskonzept erstellt, welches neben der Schließung von ca. 1/3 der Filialen auch den Ankauf der österreichischen Filialen sowie die Zuführung von weiteren Finanzmitteln aus der T.-Group vorsah, zu deren Unternehmenskonglomerat die Insolvenzschuldnerin gehörte. Am 14.05.2009 erklärte der Geschäftsführer der Schuldnerin, dass weder er selbst noch die T.-Group über die zur Darstellung einer Reorganisation notwendigen Finanzmittel verfügten. Er bot stattdessen die Übernahme der Insolvenzschuldnerin im Zuge eines sogenannten Erwerbermodells an. Am 22.05.2009 beriet der vorläufige Gläubigerausschuss über dieses Übernahmeangebot und fasste folgenden Beschluss:
5"a) Das von Herrn Rechtsanwalt O.. O.., Münster im Auftrag von Herrn L. T. oder einer von ihm noch zu errichtenden Gesellschaft vorgelegte Angebot zur Fortführung der sogenannten Bestandsfilialen im Rahmen einer Interimslösung wird als unzureichend abgelehnt.
6b) Die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses ermächtigen den Insolvenzverwalter, den Geschäftsbetrieb der B. O.. GmbH stillzulegen. Zur Vermeidung bzw. Reduzierung von Fortführungsverlusten ist mit der Umsetzung der Maßnahmen sofort zu beginnen, die im Übrigen in das pflichtgemäße Ermessen des Insolvenzverwalters gestellt wird."
7Am 25.05.2009 beschloss der Beklagte zu 1. die Stilllegung des Geschäftsbetriebes. Nachdem der Eingang der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit in Aachen bestätigt wurde, kündigte er am 27.05.2009 alle noch bestehenden Arbeitsverhältnisse, auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31.08.2009, sowie alle noch bestehenden Mietverhältnisse, so auch das Mietverhältnis für die Filiale E. zum 31.08.2009. Nachdem die Stilllegungsentscheidung einige Tage später in der Presse mitgeteilt worden war und fremde Investoren Interesse an einer Übernahme der Insolvenzschuldnerin bei dem Beklagten zu 1. geäußert hatten, legte die T.-Group ein neues Angebot vor, wonach die Beklagte zu 2. die noch bestehenden Filialen erwerben sollte. Nachdem der vorläufige Gläubigerausschuss das Angebot der Beklagten zu 2. unter den verschiedenen Angeboten als bestes Gebot bewertet und der Gläubigerversammlung zur Annahme empfohlen hatte, beschloss die Gläubigerversammlung am 29.06.2009, dem Beklagten zu 1. die Zustimmung zum Abschluss des Kauf- und Übertragungsvertrages mit der Beklagten zu 2. zu erteilen. Unmittelbar darauf schlossen der Beklagte zu 1. und die Beklagte zu 2. einen Kauf- und Übertragungsvertrag sowie ein Mietvertrag für die Zentrale in Würselen.
8Die Beklagte zu 2. beabsichtigte die Fortführung aller am 01.07.2009 noch aktiven Filialen, soweit die Vermieter bereit waren, mit der Beklagten zu 2. neue Mietverträge abzuschließen. Dies wurde auch der Klägerin so mitgeteilt. Am 15.07.2009 wurde die Klägerin in einem Schreiben der Beklagten zu 1. über den Betriebsübergang unterrichtet. Das Informationsschreiben vom 03.07.2009 enthält folgenden Hinweis:
9"Für den Fall, dass Sie dem Betriebsübergang nicht widersprechen, besteht ihr Arbeitsverhältnis mit der T. O.. GmbH bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gemäß der ersten Ihnen zugegangenen Kündigung fort, vorbehaltlich anderer Vereinbarungen mit der T. O.. GmbH."
10In einer Empfangsbestätigung vom 08.08.2009 bestätigte die Klägerin, das Unterrichtungsschreiben am 15.07.2009 erhalten zu haben, keine weiteren Fragen zu dem Betriebsübergang und seinen Folgen zu haben und mit der Fortsetzung der Tätigkeit bei der Beklagten zu 2. ab dem 01.07.2009 einverstanden zu sein (Bl. 22 d. Akte). Mitte August wurde der Klägerin dann mitgeteilt, dass ein neuer Mietvertrag mit dem Vermieter nicht zustande gekommen sei und es daher bei der ursprünglich geplanten Schließung der Filiale zum 31.08.2009 bleibe. Mit ihrer am 18.06.09 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die ihr ausgesprochene Kündigung vom 27.05.09.
11Mit einem weiteren Schriftsatz vom 03.09.2009 erweiterte sie die Klage gegen die Beklagte zu 2. und beantragte zusätzlich die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten zu 2. über den 31.08.2009 hinaus fortbestehe. Am 02.12.2009 begehrte die Klägerin von der Beklagten zu 2. die Weiterbeschäftigung und in der Kammersitzung vom 17.02.2009 hilfsweise die Wiedereinstellung. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund des Betriebsübergangs am 01.07.2009 auf die Beklagte zu 2. übergegangen sei. Die Beklagte zu 2. habe selbst von der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gesprochen. Auch wenn es zu keiner Einigung mit dem Vermieter gekommen sei, so habe die Beklagte zu 2. andere Räume anmieten können, da die Filiale in C.-E. stets gute Umsätze erbracht habe. Zudem sei eine Weiterbeschäftigung der Klägerin in einer anderen Filiale möglich.
12Die Klägerin beantragt,
13Die Beklagten beantragen,
15die Klage abzuweisen.
16Sie sind der Ansicht, dass die von dem Beklagten zu 1. ausgesprochene Kündigung vom 27.05.2010 aufgrund der zu dem damaligen Zeitpunkt ernsthaften Stilllegungsabsicht aus betriebsbedingten Gründen wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes wirksam ausgesprochen worden sei. Daher sei das Arbeitsverhältnis bei dem nachfolgenden Betriebsübergang am 01.07.2009 im gekündigten Zustand auf die Beklagte zu 2. übergegangen. Die Klägerin habe auch nicht innerhalb eines Monats nach Kenntnis von dem Betriebsübergang einen Fortsetzungs- oder Wiedereinstellungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 2. geltend gemacht, so dass die Klage insgesamt abzuweisen sei.
17Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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20I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
211. Die der Klägerin am 27.05.2009 ausgesprochene Kündigung ist gemäß §1 Abs. 2 KSchG, in dessen persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich das Arbeitsverhältnis fällt, wirksam. Bei Ausspruch der Kündigung lagen betriebsbedingte Gründe vor, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin in dem Betrieb der Beklagten zu 1. entgegenstanden.
22a) Der Beklagte zu 1. hat sich zur Begründung der Kündigung auf eine Betriebsstilllegung berufen. Die Betriebsstilllegung ist grundsätzlich eine unternehmerische Entscheidung, die eine betriebsbedingte Kündigung regelmäßig rechtfertigt. Sie setzt den ernstlichen und endgültigen Beschluss des Unternehmers voraus, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in eine für einen seiner Dauer nach unbestimmten wirtschaftlichen nicht unerheblichen Zeitraum aufzugeben. Eine aus diesem Grund erklärte ordentliche Kündigung ist immer nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die auf eine Betriebsstillegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Form angenommen hat und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden kann (vgl. BAG, Urteil v. 18.01.2001, 2 AZR 514/99, juris).
23b) Diese skizzierten Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Der Gläubigerausschuss hatte nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine Sanierung unter Mithilfe der T.-Group und nach Ablehnung von deren Angebot den Beklagten zu 1. ermächtigt, den Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin stillzulegen. Der Beklagte zu 1. hat unbestritten vorgetragen, daraufhin den Stilllegungsbeschluss gefasst zu haben. Dieser hat sich auch manifestiert in der Kündigung aller noch bestehenden Arbeitsverhältnisse sowie in der Kündigung aller für die Filialen existierenden Mietverhältnisse.
24Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung kommt es alleine auf die Umstände zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung an. Die von der Beklagten zu 2. im Kammertermin vom 17.12.2009 nochmals ausführlich geschilderte Entwicklung nach Ausspruch der Kündigung berührt ihre Wirksamkeit nicht. Es ist insbesondere nicht erkennbar, inwiefern diese Entwicklung durch den Beklagten zu 1. vorhersehbar war.
252. Hat die Kündigung vom 27.05.2009 das Arbeitsverhältnis wirksam zum 31.08.2009 beendet, so konnte dem Feststellungsantrag der Klägerin auf Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und der Beklagten zu 2. nicht stattgegeben werden.
263. Aufgrund der Wirksamkeit der Kündigung ist der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsantrag ebenfalls unbegründet.
274. Der hilfsweise geltend gemachte Wiedereinstellungsanspruch der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
28a) Er kommt in Fällen wie dem vorliegenden dann in Betracht, wenn sich die einer betriebsbedingten Kündigung zugrundeliegende Vorstellung des Arbeitgebers über die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer nachträglich als unzutreffend herausstellt. Dazu muss sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergeben (BAG, Urteil v. 21.08.2008, 8 AZR 201/07 m.w.N.., juris). Dies gilt auch für den Fall, dass sich während des Laufs der Kündigungsfrist statt einer Betriebsstilllegung ergibt, dass der Betrieb im Wege eines Betriebsüberganges durch einen Betriebserwerber doch fortgeführt wird. Allerdings hat der Arbeitnehmer unverzüglich nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen sein Fortsetzungsverlangen gegenüber dem Arbeitgeber bzw. nach erfolgtem Betriebsübergang gegenüber dem Betriebserwerber zu stellen. Entsprechend der Frist zur Ausübung des Widerspruchsrechtes muss auch das Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsverlangen binnen einer Frist von einem Monat geltend gemacht werden, da der Zweck des Bestandsschutzes Phasen vermeidbarer Ungewissheit über das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigt (BAG, a.a.O., Urteil vom 25. Oktober 2007, 8 AZR 989/06, juris).
29b) Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Wiedereinstellungsanspruchs sind im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben. Nach Ausspruch der auf einer Entscheidung zur Betriebsstilllegung basierenden Kündigung hat sich während des Laufs der Kündigungsfrist nachträglich und unvorhergesehen die Möglichkeit der Fortsetzung des Betriebs im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2. ergeben. Allerdings hat die Klägerin nicht die einmonatige Frist zur Geltendmachung ihres Fortsetzungsverlangens gewahrt. Die Klägerin wurde durch das Informationsschreiben vom 03.07.2009 am 15.07.2009 von dem Betriebsübergang in Kenntnis gesetzt. Sie hat daraufhin nicht innerhalb eines Monats ein Fortsetzungsverlangen gegenüber der Beklagten zu 2. geltend gemacht. In ihrer Empfangsbestätigung/Einverständniserklärung vom 08.08.2009 ist ein solches Fortsetzungsverlangen nicht zu sehen. Dort hat die Klägerin zwar die Formulierung "mit der Fortsetzung meiner Tätigkeit bei der T. O.. GmbH ab dem 01.07.2009 bin ich einverstanden" angekreuzt. Allerdings war sie in dem Unterrichtungsschreiben darauf hingewiesen worden, dass ihr Arbeitsverhältnis für den Fall, dass sie dem Betriebsübergang nicht widerspricht, mit der T. O.. GmbH bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gemäß der ihr zugegangenen Kündigung fortbesteht, vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarungen mit der T. O.. GmbH. Insofern konnte diese angekreuzte Formulierung nur so verstanden werden, dass die Klägerin jedenfalls bereit war, die letzten 2 Monate des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte zu 2. zu arbeiten. Ein ausdrücklich über die Kündigungsfrist hinausgehendes Weiterbeschäftigungsverlangen ist in dieser Erklärung nicht zu sehen. Auch wenn man die Klageerweiterung gegen die Beklagte zu 2. mit Schriftsatz vom 03.09.2009, in dem die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. begehrt wird, als ein Fortsetzungsverlangen im Sinne der Rechtsprechung sehen würde, so ist dieses doch erst am 10.09.2009 und damit nach Ablauf der einmonatigen Frist seit Kenntnisnahme des Betriebsübergangs am 15.08.2009 zugestellt worden. Gleiches gilt für den Weiterbeschäftigungsantrag vom 02.12.2009 sowie dem erstmals im Kammertermin vom 17.02.2010 gestellten Wiedereinstellungsanspruch.
30II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.
31III. Der Streitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO festgesetzt.
32Rechtsmittelbelehrung
33Gegen dieses Urteil kann von der Partei
34B e r u f u n g
35eingelegt werden.
36Für die Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
37Die Berufung muss
38innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
39beim Landesarbeitsgericht Köln, Blumenthalstraße 33, 50670 Köln eingegangen sein.
40Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
41Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
42Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
44* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
45(Dr. Wisskirchen)