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Kein Leitsatz
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird auf 7 168,77 festgesetzt.
Der am 1.1970 geborene, verheiratete Kläger, Vater von vier Kindern, ist seit dem 01.08.2000 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem TVÖD (VKA). Sein monatlicher Lohnanspruch beträgt 2.389,59 Euro brutto. In der Zeit zwischen dem 01.04.2007 bis 30.03.2008 nahm er Elternzeit in Anspruch. Mit Schreiben vom 06.02.2006 wurde der Kläger wegen unentschuldigten Fehlens am 14.12.2005 abgemahnt, da er erst ab dem 15.12.2005 eine neue Erstbescheinigung vorgelegt hatte und sich für den 14.12.2005 auch nicht krank gemeldet hatte (Bl. 29 d.A.). Am 30.06.2008 wurde der Kläger wegen Verletzung seiner Meldepflicht am 12. und 14.05.2008 abgemahnt. Aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit seit dem 22.11.2008 bezog der Kläger seit dem 25.11.2008 bis zum 09.01.2009 Krankengeld. Nachdem der Kläger wiederum vom 22.01.2009 bis zum 24.02.2009 aufgrund eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig war, erschien er vom 25. bis zum 27.02.2009 zum Dienst. Am 28.02.2009 fehlte er ohne Angabe. Am 02.03.2009 erschien er zwischen 5 bis 15 Minuten zu spät zur Arbeit. Am 03.03.2009 meldete er sich gegen 5.30 Uhr beim Fahrdienstleiter krank. Am 05.03.2009 teilte der Bruder des Klägers telefonisch mit, dass dieser bis zum 10.03.2009 krankgeschrieben sei, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei mit der Post unterwegs. Nachdem der Kläger am 16.03.2009 telefonisch nachfragte, ob das Attest inzwischen vorliegen würde, was nicht der Fall war, brachte sein Bruder am 17.03.2009 eine Erstbescheinigung vom 13.03.2009, die eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 27.03.2009 bescheinigte.
2Der Kläger war am 02.03.2009 abends aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Erlangen wegen Nichterscheinens zu einem Hauptverhandlungstermin am 18.02.2009 festgenommen und in der JVA Nürnberg bis zum nächsten Hauptverhandlungstermin am 11.03.2009 in Haft gehalten worden. Nachdem dem Kläger mit Schreiben vom 25.03.2009 durch die Beklagte Gelegenheit gegeben wurde, zu dem Vorwurf des unentschuldigten Fehlens, der verspäteten Dienstaufnahme und der mehrfachen Verletzungen der Anzeige- und Nachweispflichten im Krankheitsfall Stellung zu nehmen, teilte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 22.04.2009 mit, dass er aufgrund psychischer Probleme und der Einnahme von Psychopharmaka am 28.02.2009 durchgeschlafen und deshalb auch am 02.03.2009 zu spät zur Arbeit gekommen sei und er danach nicht mehr in der Lage gewesen sei, einen Arzt aufzusuchen. Es wurde ein fachärztliches Attest eines Facharztes für Neurologie vom 13.03.2009 beigefügt, wonach es dem Kläger in den letzten zehn Tagen psychisch sehr schlecht gegangen sei, so dass er nicht in der Lage gewesen sei, sich bei dem Arzt vorzustellen. Nach seiner fachärztlichen Einschätzung sei der Kläger in den letzten Tagen jedoch krankheitsbedingt nicht arbeitsfähig gewesen (Bl. 26 d.A.). Nachdem die Beklagte durch den Hinweis eines Kollegen davon erfahren hatte, dass der Kläger in Untersuchungshaft gewesen sei, erhielt sie mit Schreiben vom 29.04.2009 eine Bestätigung der Justizvollzugsanstalt Nürnberg, wonach der Kläger im Zeitraum 02.03.2009 bis 11.03.2009 in der JVA Nürnberg eingesessen hatte. Mit Schreiben vom 29.04.2009 hörte die Beklagte den Personalrat zur beabsichtigten fristlosen Kündigung des Klägers an (Bl. 45 d.A.). Mit Schreiben vom 07.05.2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos.
3Mit seiner am 26. Mai 2009 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung. Er behauptet, aufgrund der Inhaftierung psychisch überfordert gewesen zu sein und während der Haft täglich ärztlich behandelt worden zu sein. Insofern sei das fachärztliche Attest vom 13.03.2009 richtig. Es habe nicht von ihm verlangt werden können, dass er seine Inhaftierung gegenüber der Beklagten offenbart. Denn er habe sich einerseits geschämt, andererseits habe er befürchtet, die Beklagte werde ihm deshalb kündigen. Ein wirtschaftlicher Nachteil sei der Beklagten nicht entstanden, da er nur einen Krankengeldanspruch gehabt habe. Tatsächlich habe ihm die Beklagte für den Zeitraum 03. bis 11.03.2009 keinerlei Lohn gezahlt.
4Der Kläger beantragt
5festzustellen, dass das Beschäftigungsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigungserklärung der Beklagten vom 07.05.2009 beendet wurde, sondern zu den bisherigen Bedingungen fortbesteht.
6Die Beklagte beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Sie ist der Ansicht, der Kläger habe mit seinem Täuschungsversuch das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und ihr so nachhaltig zerstört, dass ihr eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten sei. Hierbei habe er sowohl seinen Arzt, seinen Bruder wie auch seinen Anwalt in das Täuschungsmanöver mit einbezogen. Es sei auch nicht zutreffend, dass ihr kein wirtschaftlicher Nachteil entstanden sei, da der Kläger bis zur 39. Krankheitswoche einen Krankengeldzuschuss erhalte und diese Frist zudem ausschlaggebend für die Zahlung der Umlage an die Zusatzversorgungskasse und für die Zahlung der Jahressonderzahlung sei.
9In der Interessenabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der einschlägigen Abmahnungen vom 06.02.2006 und 30.06. 2008 sowie der Abmahnung wegen nicht genehmigter und nicht angezeigter Nebentätigkeit vom 30.01.2007 bereits belastet gewesen sei.
10Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe:
12I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die von der Beklagten am 07.05.2009 ausgesprochene fristlose Kündigung ist wirksam.
131. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund darstellt, vollzieht sich zweistufig: Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 23.10.2008 2 AZR 483/07 mwN, Juris).
142. Ein wichtiger Grund an sich ist in dem Verhalten des Klägers zu sehen. Der Kläger hat der Beklagten bezüglich seines Fehlens vom 03. bis 11. März 2009 einen falschen Sachverhalt mitgeteilt. Selbst wenn man den Vortrag des Klägers als richtig unterstellt, dass er während dieses Zeitraums auch arbeitsunfähig erkrankt war, hat er seine Inhaftierung als weiteren Fehlgrund verschwiegen. Das Weglassen dieser Information führte dazu, dass die Beklagte von einem Lohnfortzahlungsanspruch des Klägers oder einem Anspruch auf Zahlung des Krankengeldzuschusses gem. § 22 Abs. 2 TVÖD ausgehen musste. Denn die eine Lohnfortzahlung auslösende Arbeitsunfähigkeit muss die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung sein. Der Arbeitgeber wird mit dem Entgelt ohne Gegenleistung nur belastet, wenn der Arbeitnehmer ohne Erkrankung gearbeitet hätte (BAG, Urteil vom 28.01.20004 5 AZR 58/03 -). Ohne seine Arbeitsunfähigkeit hätte der Kläger zwischen dem 03. und 11.03.2009 nicht bei der Beklagten arbeiten können, weil er in der JVA Nürnberg einsaß und insofern seine Arbeitskraft nicht anbieten konnte. Hätte der Kläger die Beklagte über seine Inhaftierung während des betreffenden Zeitpunktes informiert, wäre von vornherein für die Beklagte klar gewesen, dass ein Zahlungsanspruch des Klägers, sei es als Lohnfortzahlung, sei es als Zuschuss zum Krankengeld, nicht besteht.
15Diese Fehlvorstellung der Beklagten über eine Zahlungsverpflichtung versuchte der Kläger zusätzlich dadurch aufrecht zu erhalten, indem er das fachärztliche Attest vom 13.03.2009 seines behandelnden Neurologen einreichte.
16Der Versuch, gegenüber dem Arbeitgeber durch Mitteilung falscher Tatsachen die Vorstellung einer Zahlungsverpflichtung, die in Wirklichkeit nicht besteht, zu erwecken, ist als Betrugsversuch anzusehen, der als wichtiger Grund für eine fristloste Kündigung an sich geeignet ist.
173. Auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der Beklagten nicht mehr zumutbar.
18a) Zum Einen erweist sich die fristlose Kündigung als verhältnismäßig. Der Kläger war bereits am 06.02.2006 sowie am 30.06.2008 einschlägig wegen Meldepflichtverletzungen und Nachweispflichtverletzungen abgemahnt worden. Ihm war durch diese Abmahnungen vor Augen geführt worden, wie wichtig die unverzügliche und korrekte Befolgung von Mitteilungspflichten bei Arbeitsunfähigkeit ist. Einer Abmahnung dahingehend, dass im Zusammenhang mit Arbeitsunfähigkeit kein unvollständiger und damit falscher Sachverhalt mitgeteilt werden darf, der die Vorstellung einer Zahlungsverpflichtung für den betreffenden Zeitraum bei der Beklagten erweckt, bedurfte es nicht. Es muss jedem Arbeitnehmer klar sein, dass ein diesbezüglicher Betrugsversuch von einem Arbeitgeber nicht hingenommen wird, sondern zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt.
19b) Auch die konkreten Umstände des Einzelfalles sprechen gegen den Kläger. Es mag dem Kläger zuzugestehen sein, dass er in der Phase der Inhaftierung und kurz danach psychisch so angeschlagen war, dass er die Folgen seines Handelns nicht klar erkennen und steuern konnte. Dem Kläger ist jedoch anzulasten, dass er die Aufforderung zu einer Stellungnahme durch die Beklagte vom 25.03.2009 nicht zum Anlass nahm, um den Sachverhalt vollständig und damit korrekt aufzuklären. Vielmehr beauftragte er einen Rechtsanwalt mit der Abgabe der Stellungnahme und erzählte auch diesem die Unwahrheit, indem er die Inhaftierung verschwieg. Wäre es dem Kläger bei dem Verschweigen seiner Inhaftierung alleine darum gegangen, eine darauf basierende Kündigung zu verhindern, hätte er spätestens jetzt die Gelegenheit nutzen können, um den Anwalt nach dem Risiko einer solchen Reaktion durch die Beklagte und den Erfolgsaussichten zu befragen. Dass er stattdessen bei seiner Version auch gegenüber dem Anwalt blieb, deutet vielmehr darauf hin, dass ihm die Auf-rechterhaltung der Fehlvorstellung bei der Beklagten mit einer damit einher-gehenden vermeintlichen Zahlungsverpflichtung wichtig war. Hierbei musste dem Kläger aufgrund seiner vorhergehenden Erkrankungen mit Krankengeldbezug auch klar sein, dass er selbst für den Fall, dass er bereits aus dem Lohnfortzahlungszeitraum herausgefallen war, Leistungen der Beklagten in Form eines Krankengeldzuschusses erwarten konnte.
20c) Vor dem Hintergrund dieses Betrugsversuches konnte auch die Betriebszugehörigkeit des Klägers von neun Jahren sowie seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der Ehefrau und den vier Kindern das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht überwiegen.
214. Bezüglich Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB sowie einer ordnungsgemäßen Personalratsanhörung sind keine Unwirksamkeitsgründe ersichtlich, so dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit der Kündigung am 07.05.2009 sein Ende gefunden hat.
22II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO.
23III. Der Streitwert wurde gem. §§ 61, Abs. 1 ArbGG, 3ZPO festgesetzt.
24Rechtsmittelbelehrung
25Gegen dieses Urteil kann von der Partei
26B e r u f u n g
27eingelegt werden.
28Für die Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
29Die Berufung muss
30innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
31beim Landesarbeitsgericht Köln, Blumenthalstraße 33, 50670 Köln eingegangen sein.
32Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
33Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
34Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
36* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
37Dr. Wisskirchen