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1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Streitwert: 18.031,49 EUR
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über einen vom Kläger geltend gemachten Verfrühungsschaden nach § 628 Absatz 2 BGB.
3Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 04.05.2009 als Leiharbeitnehmer tätig. Im Arbeitsvertrag heißt es unter § 3 wie folgt:
4„Herr Y. wird als kerntechnischer Facharbeiter eingestellt.
5Kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Leiharbeitnehmer zu leistenden Tätigkeiten:
6Dienstleistungen in kerntechnischen Anlagen
7Er wird darauf hingewiesen, dass er an verschiedenen Orten eingesetzt wird/werden kann. Er verpflichtet sich, auch auswärtige Leistungen innerhalb P. zu erbringen, soweit dies zumutbar und möglich ist.“
8Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages vom 16.04.2009 wird auf Blatt 13 bis 15 der Akte Bezug genommen.
9Zuletzt war der Kläger bei der H., der I., eingesetzt. Mit Schreiben an die Beklagte vom 13.04.2018 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Equal-Pay-Ansprüche geltend, nachdem die I. ihm auf seine entsprechende Anfrage im März 2018 Auskünfte erteilt hatte. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Blatt 16 und 17 der Akte Bezug genommen.
10Im März 2018 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass sie ihn ab dem 04.04.2018 nicht mehr bei der I., sondern bei der Firma F. in T. einsetzen werde. Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Arbeitsgericht Aachen. Nach antragsgemäßer Verurteilung der Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers bei der I. war der Kläger seit Juli 2018 wieder bei der I. eingesetzt.
11Mit Schreiben vom 24.05.2018 (Blatt 25 der Akte.) sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung aus, nach der das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 30.09.2018 gekündigt wurde und die Beklagte dem Kläger anbot, das Arbeitsverhältnis mit der Maßgabe fortzusetzen, dass Dienstleistungen auch außerhalb kerntechnischer Anlagen und auch an andern Orten als in Jülich erbracht werden. Das Angebot nahm der Kläger durch Schreiben vom 12.06.2018 unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der geänderten Arbeitsbedingungen an. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 26 der Akte Bezug genommen.
12Am 26.04.2018 machte der Kläger die mit Schreiben vom 13.04.2018 gegenüber der Beklagten außergerichtlich geltend gemachten Equal Pay-Ansprüche gerichtlich anhängig (8 Ca 1329/18).
13Mit Schreiben vom 31.08.2018 (Blatt 27 der Akte) machte der Kläger weitere Zahlungsansprüche für die Monate März bis Juni 2018 sowie einen vollständigen Differenzlohnanspruch im Umfang von 1.215,74 EUR für den Monat Juli 2018 geltend. Darüber hinaus heißt es in dem Schreiben wie folgt:
14„Es bleibt im Übrigen dabei, dass aufgrund der nicht vollständigen Bezahlung unseres Mandanten, wir Ihre Mandantschaft namens und in Vollmacht unseres Mandanten erneut abzumahnen haben. Unser Mandant behält sich für den Fall, dass Ihre Mandantschaft ihn weiterhin unter Missachtung der gesetzlichen Vorschriften nicht nach dem Equal Pay-Grundsätzen entlohnt, vor, das Arbeitsverhältnis gegebenenfalls sogar außerordentlich zu kündigen. Es ist wohl so, dass die bei der V. eingesetzten Kollegen unseres Mandanten erhöhte Zahlungen erhalten. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Ihre Mandantin weiterhin selbst wenn man berücksichtigt, dass die grundsätzliche Verpflichtung zur Zahlung nach dem Equal Pay Prinzip anerkannt ist und hier hinsichtlich der Höhe möglicherweise Differenzen bestehen überhaupt keine weitergehenden Differenzlohnzahlungen leistet.“
15Mit Schreiben vom 12.09.2018 (Blatt 28 der Akte) kündigte der Kläger das mit der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich zum 30.09.2018 aus wichtigem Grund.
16Seit dem 01.10.2018 ist der Kläger bei der I. beschäftigt.
17Mit Schreiben vom 30.10.2018 (Blatt 29 der Akte) machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Schadensersatzanspruch gemäß § 628 Absatz 2 BGB in Verbindung mit §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz geltend in Höhe von 18.031,49 EUR.
18Mit seiner bei Gericht am 20.12.2018 eingegangenen Klage verfolgt der Kläger diesen Anspruch weiter.
19Der Kläger meint, dass ihm ein wichtiger Grund für die am 12.09.2018 außerordentlich zum 30.09.2018 ausgesprochene Kündigung zur Seite stehe. Die Beklagte habe sich nachhaltig geweigert, seine Lohnansprüche aus Equal-Pay zu erfüllen. Die ausstehenden Beträge beliefen bis einschließlich August 2018 auf insgesamt 11.895,17 EUR. Nachdem er die Beklagte (erneut) mit Schreiben vom 31.08.2018 unter Androhung einer anderenfalls auszusprechenden außerordentlichen Kündigung bei fortlaufender Weigerung einer rechtmäßigen Bezahlung abgemahnt habe, sei er berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten gezeigt, dass sie weder von Recht und Gesetz noch von gerichtlichen Entscheidungen veranlasst würde, sich vertragsgerecht zu verhalten.
20Der Höhe nach mache er den Verlust seines sozialen Besitzstandes im Umfang von 4,65 Bruttomonatsgehältern geltend, wobei er von einem laufenden Lohnanspruch in Höhe von 3.877,74 EUR – also inklusive des geltend gemachten Equal Pay-Anspruches – und einer Beschäftigungszeit von 9,3 Jahren bei der Beklagten ausgehe. Angesichts seiner glücklicherweise gefundenen Anschlussbeschäftigung bei der I. sei ihm ein weitergehender Schaden nicht entstanden.
21Der Kläger beantragt,
22die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18.031,49 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.11.2018 zu zahlen.
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Die Beklagte weist den geltend gemachten Anspruch zurück. Sie ist der Auffassung, dass dem Kläger gar kein Schaden entstanden sei. Tatsächlich beziehe der Kläger nunmehr dasjenige Gehalt, welches er sich immer vorgestellt habe, nachdem die I. die seinerzeit durch Leiharbeitnehmer besetzten Arbeitsplätze nunmehr mit eigenen Arbeitskräften besetze und eine dieser eigenen Arbeitskräfte der Kläger sei.
26Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitig ausgetauschten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
281. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 626 Absatz 2 BGB, weil die Voraussetzungen für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung durch den Kläger gemäß § 626 Absatz 1 BGB im Streitfall nicht gegeben sind.
29Gemäß § 628 Absatz 2 BGB ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer durch sein vertragswidriges schuldhaftes Verhalten die Kündigung oder jede andere Vertragsbeendigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst hat. Dabei muss das für den Schadensersatz erforderliche „Auflösungsverschulden“ des Vertragspartners das Gewicht eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB haben. Nur derjenige kann Schadensersatz nach § 628 Absatz 2 BGB fordern, der auch wirksam hätte fristlos kündigen können, denn aus dem Zusammenhang der Absätze 1 und 2 ergibt sich die gesetzliche Wertung, dass nicht jede geringfügige schuldhafte Vertragsverletzung, die Anlass für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen ist, die schwerwiegende Folge des § 628 Absatz 2 BGB nach sich zieht (BAG, Urteil vom 26.07.2001 – 8 AZR 739/00 – juris m.w.N.).
30An der Feststellung eines wichtigen Grundes im Sinne der vorgenannten Regelung fehlt es im vorliegenden Fall.
31Grundsätzlich ist ein Gehaltsrückstand an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB darzustellen. Das gilt insbesondere dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Nichtzahlung des Lohnes in einer nicht unerheblichen Höhe in Frage steht oder der Verzug mit der Lohnzahlung sich über einen erheblichen Zeitraum hinweg erstreckt und der Arbeitnehmer diesen Fehler abgemahnt hat. Das Bundesarbeitsgericht stellt in der vorzitierten Entscheidung vom 26.07.2001 aber auch heraus, dass auch ein Rückstand, den man als „an sich geeigneten wichtigen Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB anerkennt“ nicht ohne weiteres eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Denn immer bedarf es der fallbezogenen Abwägung aller für und gegen die sofortige Lösung des Arbeitsverhältnisses sprechenden Umstände im Einzelfall im Rahmen einer Interessenabwägung (BAG, Urteil v. 26.07.2001 – 8 AZR 739/00 –, Randnr. 33, juris).
32Bei der erforderlichen Abwägung der wechselseitigen Interessen ergibt sich im Streitfall nach Auffassung der Kammer Folgendes: Für das Interesse des Klägers an der sofortigen Auflösung spricht die Höhe des geltend gemachten Gehaltsrückstandes. Tatsächlich nimmt der Kläger die Beklagte im Verfahren 8 Ca 1328/18 auf Zahlung von knapp 20.000,00 EUR in Anspruch. Dafür spricht auch die Zeitdauer von mehreren Monaten, für die die Equal-Pay- Ansprüche geltend gemacht werden. Gegen das sofortige Auflösungsinteresse des Klägers spricht die Tatsache, dass über die Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche gerichtlich gestritten wird. Das heißt nicht, dass die gerichtliche Durchsetzung rückständiger Gehaltszahlung die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 628 Absatz 2 BGB nach Ausspruch einer fristlosen Kündigung ausschließt, allerdings hat der Kläger im konkreten Fall fast ein halbes Jahr lang gezeigt, dass er seine beanspruchten Differenzlohnansprüche nach Equal Pay gerichtlich geltend macht und die Klage monatlich entsprechend erweitert. Einen diesbezüglichen Abkehrwillen bis Ende August 2018 nicht zum Ausdruck gebracht, sondern den Streit über die bestehenden Gehaltsdifferenzen in ein gerichtliches Verfahren gebracht. Zwar hat der Kläger schriftsätzlich vorgetragen, er habe mit Schreiben vom 31.08.2018 die Beklagte „zum wiederholten Mal“ abgemahnt. Tatsächlich fehlt es jedoch an der Darlegung einer vorangegangenen Abmahnung der Beklagten, in der der Kläger darauf hinweist, dass er im Falle der weiteren Nichtzahlung das Arbeitsverhältnis außerordentlich auflösen werde. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der fristlosen Kündigung am 12.09.2018 war sodann – gerechnet ab dem Zeitpunkt der Abmahnung – kein weiterer Rückstand hinzugekommen. Vielmehr hatte der Kläger nach Ausspruch der Änderungskündigung durch die Beklagte am 24.05.2018 mit seiner Annahme unter Vorbehalt am 12.06.2018 gegenüber der Beklagten ein weiteres Mal zum Ausdruck gebracht, dass er am Arbeitsverhältnis festhalten wolle und an die Störung des Äquivalenzverhältnisses wegen der geltend gemachten Gehaltsrückstände auch weiterhin keine weiteren Konsequenz knüpfe. Im weiteren Verlauf ist sodann nicht erkennbar, was nach dem 31.08.2018 Auslöser für die außerordentliche Kündigung des Klägers gewesen sein kann. Wie bereits ausgeführt sind weitere Gehaltsrückstände in diesem Zeitraum nicht hinzugetreten. Auch hat der Kläger das Arbeitsverhältnis am 12.09.2018 nicht fristlos, sondern mit einer „Auslauffrist“ bis zum 30.09.2018 gekündigt. Angesichts der Vorgeschichte hätte es vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung jedenfalls einer weiteren Abmahnung zur Verdeutlichung des Sinneswandels des Klägers hinsichtlich des Festhaltens am Arbeitsverhältnis bedurft.
33Mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB aus Gründen der fehlenden Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne scheidet ein Anspruch aus § 628 Absatz 2 BGB aus.
342. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 ZPO.
353. Den im Urteil gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG auszuweisenden Streitwert hat die Kammer in Höhe der bezifferten Klageforderung festgesetzt.