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Auf die entsprechende Behauptung des Arbeitnehmers hin trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine ordnungsgemäße Anhörung erfolgt ist: Er hat den Anhörungsprozess detailliert zu schildern, eine etwaig schriftliche Anhörung vorzulegen und die Reaktion des Betriebsrats darzulegen.
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 10.03.2017 zum 31.08.2017 beendet worden ist.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Der Streitwert wird auf 9.300,00 EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristgerechten betriebsbedingten Kündigung.
3Die Beklagte betreibt eine Gießerei mit mehr als 10 Arbeitnehmern. Der Kläger ist jedenfalls seit 2002 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt beträgt 3.100,00 EUR. Im Betrieb der Beklagten ist ein Betriebsrat eingerichtet. Er ist ledig und niemandem zum Unterhalt verpflichtet.
4Der Betrieb der Beklagten ist in mehreren Abteilungen aufgeteilt, der Kläger ist in der Abteilung Handformerei eingesetzt. Derzeit sind dort insgesamt 15 Mitarbeiter beschäftigt, davon 3 Vorarbeiter und 1 Meister. Einer der Vorarbeiter ist der Kläger.
5Ab dem Jahr 2012 führte die Beklagte Kurzarbeit ein, um den rückläufigen Auftragseingängen entgegenzuwirken. Der Umfang des Auftragsrückgangs und die Auswirkungen für die Handformerei sind zwischen den Parteien streitig.
6Mit Schreiben vom 10.03.2017 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger die fristgereichte Kündigung zum 31.08.2017 aus, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Wegen Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 6 der Akte) ergänzend Bezug genommen.
7Mit seiner am 15.03.2017 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung vom 10.03.2017. Er vertritt den Standpunkt, die Kündigung sei unwirksam, da sie nicht sozial gerechtfertigt sei. Nach seiner Auffassung seien betriebsbedingte Gründe nicht ersichtlich. Zudem sei er mit Vorarbeitern anderer Abteilungen vergleichbar und sozial schützenswerter. Hinsichtlich der Kündigung bestreite er auch die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung.
8Der Kläger beantragt zuletzt
9festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeits-verhältnis nicht durch die Kündigung vom 10.03.2017 beendet worden ist.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte vertritt den Standpunkt, die Kündigung vom 10.03.2017 sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Aufgrund rückläufiger Aufträge sei eine Personalanpassung zwingend erforderlich. Von 422 Tonnen zu verarbeitenden Gussstücken im Januar 2012 sei die Menge im Januar 2017 auf 182 Tonnen gesunken. Im Januar 2017 habe man sich daher entschlossen, die Personalstärke auch bei den Vorarbeitern in der Handformerei anzupassen, nachdem die Zahl der Gießereimechaniker von 14 bereits auf 10 reduziert worden sei, Die Erfahrungen der Vergangenheit, insbesondere zu Zeiten der Kurzarbeit, haben gezeigt, dass ein Verhältnis von ca. 1: 8 ausgewogen sei. Daher bestehe für mindestens einen Vorarbeiter kein Beschäftigungsbedarf mehr. Mit dem Kläger sozial vergleichbare Vorarbeiter seien weder in der Abteilung Handformerei noch in der Maschinenformerei beschäftigt.
13Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden und hätte der Kündigung nicht widersprochen.
14Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den Akteninhalt und insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und deren Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
16Die Klage ist zulässig und begründet.
17I.
18Der zulässige Kündigungsschutzantrag ist fristgerecht innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG bei Gericht eingegangen ist. Die Kündigung vom 10.03.2017 ist gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Das Arbeitsverhältnis wurde aufgrund dieser Kündigung nicht beendet.
19Die streitgegenständliche Kündigung ist bereits nach § 102 BetrVG rechtsunwirksam. Nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist der Betriebsrat vor Ausspruch einer Kündigung zu hören. Gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ist die Anhörung des Betriebsrats Wirksamkeitsvoraussetzung für jede Kündigung durch den Arbeitgeber. Nach ständiger Rechtsprechung führt auch eine nicht ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.
20Hinsichtlich der Darlegungslast für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 16.03.2000 - 2 AZR 75/99; Urteil vom 23.06.2005 - 2 AZR 193/04): Im Prozess hat der Arbeitnehmer zunächst vorzutragen, dass ein Betriebsrat besteht und deshalb nach § 102 BetrVG vor Ausspruch einer Kündigung dessen Anhörung erforderlich war. Auf die entsprechende Behauptung des Arbeitnehmers hin trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine ordnungsgemäße Anhörung erfolgt ist (BAG Urteil vom 24.05.2012 - 2 AZR 62/11; Urteil vom 23.06.2005 - 2 AZR 193/04): Er hat den Anhörungsprozess detailliert zu schildern, eine etwaig schriftliche Anhörung vorzulegen und die Reaktion des Betriebsrats darzulegen (ErfK/Kania, 17. Aufl. 2017, § 102 Rdn. 30). Er darf sich nicht darauf beschränken, die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung pauschal zu behaupten. Er hat sich vielmehr nach § 138 Abs. 1 und 3 ZPO vollständig über den vom Arbeitnehmer pauschal bestrittenen Sachverhalt zu erklären und im Einzelnen zu bezeichnen. Dies erfordert einen detaillierten Sachvortrag des Arbeitgebers, der nach konkretem Bestreiten des Arbeitnehmers eine Beweiserhebung durch das Gericht über die tatsächlich streitigen Tatsachen möglich macht (LAG Hamm, Urteil vom 06.06.2014 – 18 Sa 408/14).
21Vorliegend hat die Beklagte auf die allgemeine Rüge des Klägers nicht den Verlauf und den Inhalt der Anhörung dargelegt, sondern schlicht pauschal vorgetragen, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden sei. Damit genügt sie nicht ihrer gesteigerten Darlegungslast. Denn schon im Hinblick auf den unterschiedlichen Vortrag der Parteien zum Beschäftigungsbeginn und damit zur Beschäftigungsdauer des Klägers wäre eine detaillierte Schilderung der im Rahmen der Anhörung mitgeteilten Fakten von entscheidender Bedeutung gewesen.
22II.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Hiernach hat die Beklagte als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der gemäß § 61 Abs. 1 ZPO im Urteil festzusetzende Streitwert wurde gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG auf drei Bruttomonatsgehälter festgesetzt.