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Im Falle des kontinuierlichen Modells der Altersteilzeit arbeitet ein Arbeitnehmer durchgehend mit der Hälfte der Arbeitszeit und erhält hierfür – ergänzt durch Aufstockungsbeträge – fortlaufend auch die Hälfte der Vergütung ausgezahlt. Ein Wertguthaben, das im Falle vorzeitiger Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ausgezahlt werden müsste, wird infolge dieser fortlaufenden Auszahlung der Teilzeitvergütung im kontinuierlichen Modell der Altersteilzeit gerade nicht angespart.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26. Juli 2023 – 7 Ca 1029/23 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten nach beendetem Altersteilzeitarbeitsverhältnis über das Bestehen eines Zahlungsanspruchs des Klägers.
3Der Kläger war zunächst auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 16. Mai 2000 seit dem 1. Juli 2000 bei der Beklagten in Vollzeit als Privatkundenbetreuer im Außendienst angestellt. Die Bruttomonatsvergütung betrug bei einer wöchentlichen Arbeitszeit im Umfang von 38,5 Stunden zuletzt 3.897,24 EUR.
4Die Beklagte ist als Körperschaft öffentlichen Rechts Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung aus der Gruppe der Allgemeinen Ortskrankenkassen und eine Pflegekasse.
5Am 8. Dezember 2017 bat der Kläger um den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses.
6In der Zeit vom 1. Mai 2018 bis zum Ablauf des 30. April 2019 arbeitete der Kläger im Umfang von 60 Prozent der ursprünglich geschuldeten Arbeitszeit in Teilzeit, ohne dass die Beklagte bis dahin über den Abschluss eines Altersteilzeitverhältnisses entschieden hatte.
7Mit Datum vom 2. Mai 2019 schlossen die Parteien eine Altersteilzeitvereinbarung für die Zeit – rückwirkend – vom 1. Mai 2018 bis zum Ablauf des 31. August 2024. Den Vertrag stellte die Beklagte.
8Der 4. Nachtrag vom 2. Mai 2019 zum Arbeitsvertrag vom 16. Mai 2000 lautet auszugsweise:
9„[…]
10§ 2 Arbeitszeit
11(1) Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses beträgt gemäß § 6 Abs. 2 Altersteilzeitgesetz die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit, also 19,25 Stunden wöchentlich.
12(2) Hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit über den das Altersteilzeitarbeitsverhältnis erfassenden Zeitraum wird vereinbart, dass die Altersteilzeitarbeit geleistet wird als Kontinuierliche Altersteilzeit.
13§ 3 Arbeitsentgelt
14Herr […] erhält für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Arbeitsentgelt nach Maßgabe der gemäß § 2 reduzierten Arbeitszeit. Dieses Arbeitsentgelt ist unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit fortlaufend zu zahlen.
15§ 4 Altersteilzeitleistungen
16(1) Herr […] erhält […] Aufstockungsleistungen in Höhe von 20 % der ihm zustehenden Bezüge.
17[…]
18§ 8 Ende der Altersteilzeit
19(1) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet ohne Kündigung am 31.08.2024. Mit Ablauf dieses Tages endet auch das mit Arbeitsvertrag vom 16.05.2000 begründete Arbeitsverhältnis. […]
20(2) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet ferner, wenn das Arbeitsverhältnis endet.
21(3) Endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vorzeitig, haben Herr […] bzw. ggf. seine Erben Anspruch auf eine etwaige Differenz zwischen dem erhaltenen Entgelt und dem Entgelt für den Zeitraum seiner tatsächlichen Beschäftigung, das er ohne Eintritt in die Altersteilzeit erzielt hätte. […]“
22Der Kläger war während des bestehenden Altersteilzeitarbeitsverhältnisses für eine längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt, erhielt zunächst Entgeltfortzahlung und sodann Krankengeld.
23Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 29. April 2022 kündigte der Kläger das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vorzeitig zum Ablauf des 31. Dezember 2022 und verlangte von der Beklagten zum Beendigungszeitpunkt die Auszahlung der Differenz zwischen der bezogenen Altersteilzeitvergütung sowie einer Vollzeitvergütung.
24Die Beklagte lehnte eine entsprechende Zahlung ab.
25Mit seiner Klage vom 7. Februar 2023, bei Gericht eingegangen am 8. Februar 2023 und der Beklagten zugestellt am 14. Februar 2023, hat der Kläger den geltend gemachten Anspruch weiterverfolgt.
26Der Kläger hat gemeint, aus der Regelung in § 8 Abs. 3 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 zum Arbeitsvertrag vom 16. Mai 2000 ergebe sich ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Differenz zwischen Altersteilzeit- und Vollzeitvergütung. Wäre am 2. Mai 2019 keine Altersteilzeitvereinbarung abgeschlossen worden, hätte er wieder in Vollzeit gearbeitet.
27Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
28die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 51.152,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2023 zu zahlen.
29Die Beklagte hat beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Sie hat gemeint, der Anspruch sei dem Grunde nach bereits nicht gegeben. Bei der Regelung in § 8 Abs. 3 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 handele es sich um eine Regelung für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse im Blockmodell, die vorliegend lediglich irrtümlich aufgenommen worden sei und keine Wirkung entfalte. Selbst bei Anwendung der Regelung betrage die Differenz zwischen der bezogenen Altersteilzeitvergütung und der Vergütung für ein Teilzeitarbeitsverhältnis entsprechend der tatsächlich erfolgten Beschäftigung des Klägers, ohne dass Altersteilzeit vereinbart gewesen wäre, null. Angesichts der im Falle des Klägers vereinbarten Altersteilzeit im kontinuierlichen Modell sei mithin bereits nach dem Wortlaut der Regelung in § 8 Abs. 3 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 kein Grund ersichtlich, weshalb der Kläger auf eine Vollzeitvergütung abstelle. Jedenfalls sei die Klageforderung der Höhe nach unsubstantiiert, denn der Kläger habe den Krankengeldbezug im Rahmen der Berechnung der Klageforderung außer Betracht gelassen.
32Mit Urteil vom 26. Juli 2023, dem Kläger nach seinen eigenen Angaben zugestellt am 27. Juli 2023, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Höhe des geltend gemachten Anspruchs sei nicht schlüssig dargelegt worden.
33Hiergegen richtet sich die am 17. August 2023 eingelegte und am 27. September 2023 begründete Berufung des Klägers.
34Der Kläger ist unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens der Auffassung, ihm stehe die Differenz zwischen der bezogenen Altersteilzeitvergütung und einer Vollzeitvergütung für die Zeit von Mai 2018 bis zum Bezug von Krankengeld zu. Hierzu nimmt er unter anderem auf die monatlichen Entgeltabrechnungen Bezug und errechnet anhand dieser die Differenz zu einer entsprechenden Vollzeitvergütung. Der Kläger meint, Zweifel im Rahmen der Auslegung der vertraglichen Regelungen gingen zulasten der Beklagten.
35Der Kläger beantragt zuletzt klarstellend,
36das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26. Juli 2023 – 7 Ca 1029/23 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 51.152,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2023 zu zahlen.
37Die Beklagte beantragt,
38die Berufung zurückzuweisen.
39Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, gemäß der Regelung in § 8 Abs. 3 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 sei ein Differenzbetrag zwischen dem Entgelt, das der Kläger für seine Tätigkeit in der Altersteilzeit erhalten habe, sowie dem Entgelt seiner tatsächlichen Beschäftigung, das er ohne Eintritt in die Altersteilzeit erzielt hätte, nicht gegeben. Sofern der Kläger eine Differenz zwischen der von ihm erhaltenen Vergütung und einer Vollzeitvergütung errechne, ergebe sich ein entsprechender Anspruch aus den arbeitsvertraglichen Regelungen nicht. Die Höhe des geltend gemachten Anspruchs sei zudem nach wie vor nicht nachvollziehbar.
40Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.
41Entscheidungsgründe
42I. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist gemäß §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG am 17. August 2023 gegen das am 27. Juli 2023 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt, sowie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 und 5 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Abs. 3 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG am 27. September 2023 begründet worden.
45II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Denn die zulässige Klage ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zurecht abgewiesen.
1. Der Kläger hat bereits dem Grunde nach keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 51.152,00 Euro brutto gemäß § 8 Abs. 3 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 zum Arbeitsvertrag vom 16. Mai 2000.
a) Gemäß § 8 Abs. 3 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 hat der Kläger bei einem vorzeitigen Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses „Anspruch auf eine etwaige Differenz zwischen dem erhaltenen Entgelt und dem Entgelt für den Zeitraum seiner tatsächlichen Beschäftigung, das er ohne Eintritt in die Altersteilzeit erzielt hätte“.
50b) Das zwischen den Parteien begründete Altersteilzeitarbeitsverhältnis endete nicht, wie ursprünglich gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 der vertraglichen Regelungen vereinbart, mit Ablauf des 31. August 2024. Aufgrund der durch den Kläger ausgesprochenen Eigenkündigung zum Ablauf des 31. Dezember 2022 endete das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vorzeitig im Sinne des § 8 Abs. 3 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019.
51c) Ein Zahlungsbetrag, den der Kläger beanspruchen könnte, ist hingegen nicht gegeben. Dies ergibt die Auslegung der Regelung in § 8 Abs. 3 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019.
52aa) Bei der geschlossenen Altersteilzeitvereinbarung der Parteien handelt es sich – dies steht zwischen den Parteien außer Streit – um einen Formularvertrag im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, der nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätzen auszulegen ist. Die Beklagte hat den Nachtrag zum Arbeitsvertrag einseitig gestellt.
53bb) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweiligen anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (st. Rspr.: Bundesarbeitsgericht 27. April 2022 – 4 AZR 289/21;
54Bundesarbeitsgericht 2. Juni 2021 – 4 AZR 387/20; Bundesarbeitsgericht 17. Dezember 2020 – 8 AZR 149/20).
55Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von ihnen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel" an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (Bundesarbeitsgericht 25. Januar 2023 – 10 AZR 109/22).
56cc) Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger nicht die Differenz zwischen der bezogenen Altersteilzeitvergütung und einer Vollzeitvergütung beanspruchen.
57(1) Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 hat der Kläger im Falle des vorzeitigen Ausscheidens Anspruch auf eine etwaige Differenz zwischen dem erhaltenen Entgelt und dem Entgelt für den Zeitraum seiner tatsächlichen Beschäftigung, das er ohne Eintritt in die Altersteilzeit erzielt hätte. Zunächst sticht hervor, dass der Wortlaut eben nicht auf eine Vollzeitvergütung Bezug nimmt, sondern auf das „Entgelt für den Zeitraum seiner tatsächlichen Beschäftigung, das er ohne Eintritt in die Altersteilzeit erzielt hätte“. Der Relativsatz beginnt mit einem „das“. Er bezieht sich mithin dem Wortlaut nach nicht auf die Beschäftigung, die er ohne vereinbarte Altersteilzeit ausgeübt hätte – das heißt gegebenenfalls eine Vollzeitbeschäftigung –, sondern das Entgelt, „das er ohne Eintritt in die Altersteilzeit erzielt hätte“ und zwar für die „tatsächliche Beschäftigung“. Tatsächlich beschäftigt worden ist der Kläger aber in Teilzeit und nicht in Vollzeit. Dem Wortlaut nach kommt es mithin darauf an, welches Entgelt der Kläger für die hälftige Arbeitszeit, aber eben ohne vereinbarte Altersteilzeit erzielt hätte. Hätte der Kläger ohne vereinbarte Altersteilzeit kontinuierlich während des Bestands des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ebenfalls im Umfang der Hälfte der Arbeitszeit gearbeitet, hätte er jedoch keine höhere Vergütung erhalten, sondern ebenfalls die Hälfte einer Vollzeitvergütung. Genau genommen hätte der Kläger sogar weniger erhalten. Denn die Aufstockungsleistungen gemäß § 4 Abs. 1 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 in Höhe von 20 Prozent der ihm ansonsten zustehenden Bezüge wären in diesem Falle weggefallen (vgl. so bereits den dem Kläger erteilten Hinweis der Kammer vom 27. September 2024).
58Eine Differenz, die die Beklagte an den Kläger zu zahlen hätte, ist mithin bereits bei wortlautgetreuer Auslegung nicht gegeben.
59(2) Auch dem Regelungszweck nach kann der Kläger keine Differenz zur Vollzeitvergütung verlangen.
60(a) Umstände, die allein den konkreten Vertragspartnern bekannt sind oder die den besonderen Einzelfall kennzeichnen, dürfen bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht herangezogen werden. Dies ergibt sich aus § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, wonach die den Vertragsschluss begleitenden Umstände nur im Rahmen der Prüfung der unangemessenen Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB zu berücksichtigen sind. Dies bedeutet, dass konkret-individuelle Begleitumstände für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich nicht herangezogen werden können. Maßgebend sind vielmehr solche Umstände, die typischerweise den Abschluss vergleichbarer Abreden begleiten (Bundesarbeitsgericht 27. April 2022 – 4 AZR 289/21; Bundesarbeitsgericht 15. November 2016 – 3 AZR 582/15). Die einzelne Klausel ist dabei im Kontext des Formularvertrags zu interpretieren und darf nicht aus einem ihre Beurteilung mitbeeinflussenden Zusammenhang gerissen werden. Zu berücksichtigen sind auch Regelungen, die mit der maßgeblichen Klausel in einem dem typischen und durchschnittlich aufmerksamen Vertragspartner erkennbaren Regelungszusammenhang stehen (Bundesarbeitsgericht 23. September 2020 – 5 AZR 193/19).
61(b) Bei der Regelung in § 8 Abs. 3 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 handelt es sich um eine Regelung, die üblicherweise im Falle von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen, jedoch – anders als vorliegend – solchen entsprechend dem Blockmodell, vereinbart wird. In diesem Fall arbeitet der jeweilige Arbeitnehmer für die Dauer der ersten Hälfte des bestehenden Altersteilzeitarbeitsverhältnisses in Vollzeit. Für die Dauer der zweiten Hälfte des bestehenden Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ist er vollständig von der Arbeitsleistung freigestellt. Er erhält jedoch durchgehend – in der Regel ergänzt um Aufstockungsbeträge – die Hälfte der Vergütung ausgezahlt. Dies bedeutet aber, dass der Altersteilzeitarbeitnehmer im Blockmodell während der Dauer der ersten Hälfte des bestehenden Altersteilzeitarbeitsverhältnisses die erbrachte Arbeitsleistung nicht vollständig vergütet erhält. Stattdessen wird der nicht ausgezahlte Teil in einem Wertguthaben angespart, das spiegelbildlich während der zweiten Hälfte des bestehenden Altersteilzeitarbeitsverhältnisses, der Freistellungsphase, ausgezahlt wird. Nur in diesem Fall arbeitet ein Arbeitnehmer mithin in der Arbeitsphase deutlich (um die Hälfte) mehr, als er zunächst vergütet erhält. Im Hinblick auf den nicht ausgezahlten Teil wird die Fälligkeit der Vergütung gemäß § 614 BGB hinausgeschoben auf die Monate der Freistellungsphase. Nur im Blockmodell kann diese Situation entstehen, und nur in diesem Fall bedarf es für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses einer Vereinbarung, mit der die Auszahlung des durch den Arbeitnehmer erarbeiteten und auf diese Weise angesparten Wertguthabens geregelt wird (Bundesarbeitsgericht 17. November 2015 – 9 AZR 509/14; Bundesarbeitsgericht 11. April 2006 – 9 AZR 369/05; vgl. so ebenfalls bereits den dem Kläger erteilten Hinweis der Kammer vom 27. September 2024).
62Im Falle des kontinuierlichen Modells der Altersteilzeit hingegen arbeitet ein Arbeitnehmer – wie vorliegend der Kläger gemäß der Regelung in § 2 Abs. 1 und 2 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 – durchgehend mit der Hälfte der Arbeitszeit und erhält hierfür gemäß § 3 S. 2 der vertraglichen Regelungen – ergänzt durch Aufstockungsbeträge – fortlaufend auch die Hälfte der Vergütung ausgezahlt. Ein Wertguthaben, das im Falle vorzeitiger Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ausgezahlt werden müsste, wird infolge dieser fortlaufenden Auszahlung der Teilzeitvergütung im kontinuierlichen Modell der Altersteilzeit gerade nicht angespart.
63Unter Beachtung dieser Vertragskonstellationen im Rahmen der Vereinbarung von Altersteilzeitvereinbarungen kann dem Zweck der Regelung in § 8 Abs. 3 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 nicht entnommen werden, dass ein Arbeitnehmer im kontinuierlichen Modell der Altersteilzeit, obwohl er die geleistete (Teilzeit-) Arbeit bereits vollständig vergütet erhalten hat, darüber hinaus eine weitere Zahlung erhalten soll, ohne dass dieser eine Arbeitsleistung gegenüberstünde. Denn die vertragliche Regelung sichert – lediglich – im Falle einer Blockaltersteilzeit die Auszahlung des durch Arbeit erwirtschafteten Wertguthabens.
64(3) Auch nach der für den Kläger erkennbaren Interessenlage ist im Übrigen nicht ersichtlich, weshalb die Beklagte ihm im kontinuierlichen Modell der Altersteilzeit bei vorzeitiger Beendigung eine unter Umständen – wie auch im vorliegenden Fall – derart erhebliche Zahlung hätte zugutekommen lassen sollen.
65Dies gilt insbesondere deshalb, als ein Arbeitnehmer es nach der vorliegenden Vertragsgestaltung gemäß § 8 Abs. 2 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 frei in der Hand hat, zu welchem Zeitpunkt er das Altersteilzeitarbeitsverhältnis seinerseits kündigt. Hätte der Kläger beispielsweise erst zu einem Zeitpunkt kurz vor der ohnehin anstehenden Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. August 2024 gekündigt, stünde ihm nach seiner Rechtsauffassung ohne ersichtlichen weiteren Grund für die Dauer von bis zu 75 Monaten die Differenz zur Vollzeitvergütung – mithin ein dann sechsstelliger Betrag – zu. Eine solche Rechtsfolge mit einem derartigen wirtschaftlichen Ungleichgewicht entspricht – für den Kläger erkennbar – nicht der Interessenlage.
66(4) Nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden bleibt kein nicht behebbarer Zweifel, der gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten der Beklagten gehen müsste. Denn die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von ihnen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel" an der richtigen Auslegung bestehen.
67Dies ist vorliegend nach dem gewonnenen Auslegungsergebnis nicht der Fall.
68dd) Weiterhin kann dahinstehen, ob die in § 8 Abs. 3 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 enthaltene Regelungen intransparent gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sein könnte. Indem sich der Kläger auf diese Regelung als Anspruchsgrundlage beruft, macht der Kläger gerade die Wirksamkeit der Regelung geltend (vgl. entsprechend: Bundesarbeitsgericht 27. April 2022 – 4 AZR 289/21).
692. Angesichts vorstehender Erwägungen kann schließlich ebenfalls dahinstehen, dass der Kläger den geltend gemachten Anspruch auch der Höhe nach – nach wie vor – nicht vollständig nachvollziehbar dargelegt hat, obwohl bereits das Arbeitsgericht die Klage aus diesem Grunde abgewiesen hatte.
Aufgrund des rückwirkenden Abschlusses des Altersteilzeitarbeitsvertrags vom 2. Mai 2019 zum 1. Mai 2018 könnte der Kläger, da er in dem entsprechenden Rückwirkungszeitraum ohnehin lediglich in Teilzeit im Umfang von 60 Prozent einer Vollzeitstelle gearbeitet hat, für diesen Rückwirkungszeitraum keine Differenz zu einer Vollzeitvergütung verlangen. Wie viel er konkret in dieser Zeit als Vergütung erhalten hat, hat er nicht vorgetragen, so dass die Kammer insoweit auch keine Differenz zu einer Vergütung im Umfange von 60 Prozent der Vollzeitvergütung errechnen könnte.
723. Mangels Bestehens eines Hauptanspruchs scheidet auch ein Zinsanspruch des Klägers aus.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG.
IV. Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Revision liegt nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.
Insbesondere hat sich die Kammer im Rahmen der vorliegenden Einzelfallanwendung und -auslegung des § 8 Abs. 3 des 4. Nachtrags vom 2. Mai 2019 vollständig an die durch das Bundesarbeitsgericht unter anderem in den vorstehend zitierten Entscheidungen aufgestellten Grundsätze gehalten.
79RECHTSMITTELBELEHRUNG
80Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
81Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.