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Wenn die in einer dienstlichen Beurteilung enthaltenen Einzelbewertungen (nach Maßgabe anzuwendender Beurteilungsrichtlinien im Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG sowie Art. 19 Abs. 4 GG) in Zahlen ausgedrückt werden, ist im Sinne einer nachvollziehbaren Darstellung kenntlich zu machen, worüber und nach welchen Maßstäben geurteilt wurde. Hierzu bedarf es textlicher Definitionen der jeweiligen Einzelkriterien, die mittels so genannter Ankertexte in Beurteilungsrichtlinien vorgegeben sein können.
Die gänzlich unveränderte, nicht auf den betreffenden Fall zugeschnittene Übernahme musterhafter Ankertexte in eine dienstliche Beurteilung ist nicht ausreichend, weil auf diese Weise nicht erkennbar wird, welche konkreten Erwägungen der Bewertung zugrunde gelegt wurden.
Eine nachträgliche Plausibilisierung/Konkretisierung der in einer dienstlichen Beurteilung enthaltenen Einzelbewertungen setzt schon begrifflich das Vorhandensein einer nachvollziehbaren Darstellung unter Verwendung textlicher Definitionen voraus.
Die erstmalige textliche Begründung in Zahlen ausgedrückter Einzelbewertungen durch prozessuales Vorbringen ist unzulässig, da sie das Gericht nicht in die Lage versetzt, einen bereits durchgeführten Beurteilungsprozess zu kontrollieren, sondern diesen in das gerichtliche Verfahren verlagert.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.06.2024 – 5 Ca 882/23 – abgeändert und das beklagte Land verurteilt, über die Bewerbung der Klägerin für die Stelle einer Studiendirektorin als Fachleiterin zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben am Berufskolleg Hattingen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
1. Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, erneut über eine Bewerbung der Klägerin auf eine Beförderungsstelle zu entscheiden.
3Die Klägerin wird bei dem beklagten Land (nach vorangegangenen Einsätzen an anderen Schulen) seit August 2019 am Berufskolleg A des B-Kreises beschäftigt, und zwar als Lehrkraft bei einer Eingruppierung in Entgeltgruppe14 TV-L.
4Am 29.10.2022 schrieb das beklagte Land in dem dafür vorgesehenen Internetportal des Ministeriums für Schule und Bildung NRW die Stelle einer Fachleiterin zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben der Besoldungsgruppe A 15 LBesO /Entgeltgruppe EG 15 TV-L („schulscharf“) an dem Berufskolleg A aus (Anlage K1 zur Klageschrift, Blatt 66 der erstinstanzlichen Gerichtsakte). Auf diese Stelle bewarb sich neben der Klägerin unter anderem deren Kollegin (am Berufskolleg A) C.
5Die „Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Leiterinnen und Leiter an öffentlichen Schulen und Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung des für Schule zuständigen Ministeriums“ (Runderlass des Ministeriums für Schule und Bildung vom 19.07.2017, vgl. Anlage K4 zu dem Schriftsatz der Beklagtenseite vom 02.08.2023, Blatt 204ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte) finden nach ihrer Ziffer 2.2 für angestellte Lehrer an öffentlichen Schulen entsprechende Anwendung und wurden dem hier in Rede stehenden Beurteilungs- und Auswahlverfahren zugrunde gelegt.
6Ziffer 6 der genannten Beurteilungsrichtlinien verweist für die Form der Beurteilung auf anliegende Vordrucke und legt einzelne Beurteilungsmerkmale fest; in Ziffer 6.3.2 finden sich zudem spezifische Beurteilungsmerkmale für Studiendirektoren als Fachleiter zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird insoweit Bezug genommen auf die Beurteilungsrichtlinien und deren Anlage 3 für Beurteilungen durch die Schulaufsicht (Blatt 210 der erstinstanzlichen Gerichtsakte).
7Nach Maßgabe der Ziffer 7.3 der Beurteilungsrichtlinien ist für die Bewertung der Leistungs- und Befähigungsmerkmale und die Bildung des Gesamturteils folgende Notenskala zu verwenden:
8übertrifft die Anforderungen in besonderem Maße: 5 Punkte,
9übertrifft die Anforderungen: 4 Punkte,
10entspricht den Anforderungen: 3 Punkte,
11entspricht im Allgemeinen noch den Anforderungen: 2 Punkte,
12entspricht nicht den Anforderungen: 1 Punkt.
13Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Beurteilungsrichtlinien (Blatt 204ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte) Bezug genommen.
14Im Rahmen des Auswahlverfahrens zur Besetzung der oben genannten Stelle erstellte der Schulleiter des Berufskollegs A D unter dem 24.03.2023 nach Maßgabe der Ziffer 9.4 der Beurteilungsrichtlinien für die Klägerin zunächst einen (weiteren) Leistungsbericht (vgl. insoweit Anlagen K3 und K4 zur Klageschrift, Blatt 74ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte). Dieser enthält unter anderem eine „Leistungs- und Befähigungsbeurteilung“, in welcher unter der Überschrift „Lehrtätigkeit, schulische Aufgaben oder Ausbildung“ für sämtliche insoweit nach Maßgabe der Ziffer 6.1 der Beurteilungsrichtlinien zu beachtenden Beurteilungsmerkmale („Unterricht oder Ausbildung“, „Diagnostik und Beurteilung“, „Erziehung und Beratung“, „Mitwirkung an der Schul- oder Seminarentwicklung“, „Zusammenarbeit“, „Soziale Kompetenz“) der Notenvorschlag 5 („übertrifft die Anforderungen in besonderem Maße“) vorgesehen ist. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 83ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte verwiesen.
15Am 22.03.2023 wurde zur Heranziehung der in Ziffer 9.4 der Beurteilungsrichtlinien (neben dem Leistungsbericht der Schulleitung) vorgesehenen Erkenntnisquellen ein so genannter Revisionstag mit der Klägerin durchgeführt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf den Ablaufplan der schulfachlichen Überprüfung A15-Verfahren (Koordinierung schulfachlicher Aufgaben) (Anlage K2 zu dem Schriftsatz des beklagten Landes vom 06.11.2023, Blatt 312f. der erstinstanzlichen Gerichtsakte) verwiesen.
16Unter dem 29.03.2023 erstellte der für die Schulaufsicht des beklagten Landes insoweit zuständige Leitende Regierungsschuldirektor E sodann eine dienstliche Beurteilung für die Klägerin (Anlage K5 zur Klageschrift, Blatt 91ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte). Hierzu verwendete er im Rahmen der Leistungs- und Befähigungsbeurteilung die Vorgaben aus Anlage 3 für Beurteilungen durch die Schulaufsicht zu den oben genannten Beurteilungsrichtlinien (Blatt 210 der erstinstanzlichen Gerichtsakte). Die Textfelder dieser Anlage für die Beurteilungsmerkmale „Unterricht oder Ausbildung“, „Diagnostik und Beurteilung“, „Erziehung und Beratung“, „Mitwirkung an der Schul- oder Seminarentwicklung“, „Zusammenarbeit“, „Soziale Kompetenz“, welche jeweils eingeleitet sind mit den Worten „In die Bewertung sind u. a. einzubeziehen:“ und sodann Bewertungskriterien benennen, ließ er gänzlich unverändert. Auch die Textfelder der unter der Überschrift „Leitung und Koordination“ vorgesehenen weiteren Bewertungsmerkmale „Organisation und Verwaltung“, „Beratung“ und „Personalführung und Entwicklung“, welche jeweils einen Verweis auf die anwendbare Ziffer der Beurteilungsrichtlinien enthalten, veränderte er nicht. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird insoweit Bezug genommen auf Blatt 93f. der erstinstanzlichen Gerichtsakte.
17Der Leitende Regierungsschuldirektor Dieckmann fügte vielmehr lediglich in der rechten Spalte jeweils eine Punktzahl (im Sinne einer der oben bezeichneten Noten) ein.
18Eine Addition sämtliche Punkte, welche die Klägerin in den Einzelbewertungen erhielt, führt zu einer Gesamtpunktzahl von 41.
19Das im nächsten Abschnitt (erneut unter Verwendung der Vorgaben aus Anlage 3 zu den Beurteilungsrichtlinien) angekreuzte Gesamturteil „Im Beurteilungszeitraum wurde eine Leistung und Befähigung gezeigt, die die Anforderungen übertreffen und mit vier Punkten bewertet werden.“ begründete der Leitende Regierungsschuldirektor E sodann in Textform (vgl. Blatt 94f. der erstinstanzlichen Gerichtsakte).
20Mit Schreiben vom 30.05.2023 (Anlage K2 zur Klageschrift, Blatt 69 der erstinstanzlichen Gerichtsakte) teilte das beklagte Land der Klägerin mit, das Auswahlverfahren sei abgeschlossen und es sei beabsichtigt, „die ausgeschriebene Stelle aus qualifikationsbezogenen Gründen (bessere dienstliche Beurteilung) mit einer anderen Lehrkraft zu besetzen“.
21Für die der Klägerin vorgezogene Bewerberin (deren Kollegin am Berufskolleg A) C hatte der Schulleiter D unter dem 24.03.2023 ebenfalls einen Leistungsbericht verfasst (vgl. Anlage zu dem Schriftsatz der Klägerin vom 22.02.2024, Blatt 356ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte) und es war auch ein Revisionstag durchgeführt worden. Zudem hatte der Leitende Regierungsschuldirektor E ebenfalls eine dienstliche Beurteilung erstellt (vgl. Anlage K3 zu dem Schriftsatz des beklagten Landes vom 02.08.2023, Blatt 193ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte). Dabei war ebenso verfahren worden, wie oben mit Blick auf die Klägerin dargestellt. Eine Addition sämtlicher Punkte, welche die Bewerberin C in den Einzelbewertungen erhielt, führt zu einer Gesamtpunktzahl von 40. Das Gesamturteil für die Bewerberin C lautete „Im Beurteilungszeitraum wurde eine Leistung und Befähigung gezeigt, die die Anforderungen in besonderem Maße übertreffen und mit fünf Punkten bewertet werden.“ Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf Blatt 193ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte verwiesen.
22In einem sodann klägerseits bei dem Arbeitsgericht Hagen zum Aktenzeichen 5 Ga 5/23 eingeleiteten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung schlossen die Parteien am 23.06.2023 einen Vergleich, nach dessen Inhalt das beklagte Land verpflichtet ist, die in Rede stehende Stelle vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht mit einem anderen Bewerber zu besetzen.
23Die Klägerin hat sodann mit Klageschrift vom 23.06.2023 das hiesige Hauptsacheverfahren bei dem Arbeitsgericht Hagen anhängig gemacht.
24Sie hat die Ansicht vertreten, das Auswahlverfahren sei erneut durchzuführen, da es an einem ordnungsgemäßen Beurteilungsverfahren fehle. Die erforderliche Abwägung zwischen den Bewerbern habe nicht stattgefunden.
25Die ihr im Rahmen des Auswahlverfahrens erteilte dienstliche Beurteilung sei fehlerhaft. Der Schulleiter D könne sie seit Jahren jeden Tag bei ihrer Arbeit mit Schülern, anderen Lehrkräften, Referendaren, Eltern und weiteren Personen beobachten. Allein vor diesem Hintergrund beruhe sein Leistungsbericht auf einer anderen, breiteren Basis als die dienstliche Beurteilung der Schulaufsicht, namentlich des Leitenden Regierungsschuldirektors E. Gleichwohl habe letzterer seine Bewertungen in der dienstlichen Beurteilung und insbesondere die Abweichungen von dem Leistungsbericht des Schulleiters D nicht begründet. Zudem enthalte die dienstliche Beurteilung vom 29.03.2023 inhaltsleere Formeln (Textbausteine in Form aus der Beurteilungsrichtlinie übernommener Formulierungsvorlagen) anstelle einer individuellen, konkreten Bewertung.
26Soweit das beklagte Land Einzelbewertungen der dienstlichen Beurteilung auf am Revisionstag gezeigte Leistungen stütze, sei die Kritik betreffend die Klägerin in verschiedenen Punkten nicht nachvollziehbar, nicht berechtigt bzw. nicht transparent. Insoweit wird wegen weiterer Einzelheiten auf die Schriftsätze der Klägerin vom 10.10.2023 (Blatt 235ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte) und vom 16.01.2024 (Blatt 337ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte) Bezug genommen. Die Bewertungen des Leitenden Regierungsschuldirektors E seien nicht ansatzweise (objektiv) überprüfbar, da die „Prüfungsleistungen“ der Bewerber sowie Fehler oder Kritikpunkte noch nicht einmal stichwortartig dokumentiert worden seien.
27Da die Klägerin (was unstreitig ist) nach dem Leistungsbericht des Schulleiters D einen deutlichen Punktevorsprung vor der Bewerberin C gehabt habe, sei durch das beklagte Land jedenfalls konkreter und substantiierter darzulegen gewesen, wie die Auswahlkriterien untereinander in Relation gesetzt und gewichtet worden seien.
28Die Klägerin hat beantragt,
29das beklagte Land zu verurteilen, die Auswahlentscheidung zur Besetzung der ausgeschriebenen Stelle einer Studiendirektorin als Fachleiterin zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben unter Berücksichtigung der Auffassung des erkennenden Gerichts neu zu treffen.
30Das beklagte Land hat beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Hierzu hat es die Auffassung vertreten, die Klägerin sei nach Maßgabe der anzuwendenden Beurteilungsrichtlinien zutreffend und rechtmäßig beurteilt worden.
33Soweit es für die Klägerin zu Abweichungen zwischen dem Leistungsbericht des Schulleiters D und der dienstlichen Beurteilung des Leitenden Regierungsschuldirektors E gekommen sei, sei dies aufgrund des durchgeführten Revisionsverfahrens und einer Gesamtschau gerechtfertigt. Aus Gründen der (allgemeinen) Einschätzung des Schulleiters D seien die von der Klägerin am Revisionstag gezeigten (schwächeren) Leistungen im Rahmen der dienstlichen Beurteilung nicht so stark (negativ) berücksichtigt worden, wie dies bei deren isolierter Betrachtung angezeigt gewesen sei. Aus entsprechenden Gründen seien die Beurteilungsbereiche 7-9 („Organisation und Verwaltung“, „Beratung“ und „Personalführung und Entwicklung“) bewertet worden wie geschehen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf den umfangreichen schriftsätzlichen Vortrag des beklagten Landes vom 02.08.2023 (Blatt 146ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte) und vom 06.11.2023 (Blatt 252ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte), insbesondere auf die dort enthaltenen Ausführungen zu den Elementen des Revisionsverfahrens (Unterricht, Beratung (einer Lehrkraft), Dienstbesprechung und Kolloquium) verwiesen.
34Auch das Gesamturteil sei rechtmäßig zustande gekommen; hier sei nach den Beurteilungsrichtlinien kein arithmetisches Mittel, sondern ein Ergebnis unter besonderer Berücksichtigung der vorgesehenen Beurteilungsbereiche zu bilden gewesen.
35Entgegen der Ansicht der Klägerin habe auch eine ordnungsgemäße Dokumentation stattgefunden. Ein Verlaufsprotokoll sei nach den einschlägigen Vorschriften nicht vorgesehen. Die beobachteten Kompetenzen seien als Gesamtergebnis unter angemessener Berücksichtigung des Leistungsberichts und auf Basis der am Revisionstag gesehenen Leistungen in eine Bepunktung überführt worden. Zudem sei mit der Klägerin ausführlich über ihre Eignung, Leistung und Befähigung gesprochen worden. Von den ausweislich der Beurteilungsrichtlinien bestehenden Optionen, ein weiteres Gespräch zu führen oder eine Gegendarstellung einzureichen, habe die Klägerin (was unstreitig ist) keinen Gebrauch gemacht. Mithin bemängele sie fälschlicherweise Informationsdefizite.
36Mit Urteil vom 11.06.2024 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, und zwar im Wesentlichen mit folgender Begründung: Die Entscheidung des beklagten Landes, die Mitbewerberin C als leistungsstärker im Vergleich zu der Klägerin anzusehen, sei rechtlich nicht zu beanstanden und verletze den Bewerberverfahrensanspruch der Klägerin aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht. Die Auswahlentscheidung und die wesentlichen Auswahlerwägungen seien ausreichend schriftlich dokumentiert worden. Die Klägerin sei mit dem Schreiben des beklagten Landes vom 30.05.2023 (Anlage K2 zur Klageschrift, Blatt 69 der erstinstanzlichen Gerichtsakte) hinreichend darüber informiert worden, aus welchen Gründen sie für die Stellenbesetzung nicht ausgewählt worden sei; ins Einzelne gehende Kenntnisse habe sie sich erforderlichenfalls durch Akteneinsicht zu verschaffen gehabt.
37Darüber hinaus stehe die Entscheidung des beklagten Landes, die ausgeschriebene Beförderungsstelle mit der Bewerberin C zu besetzen, auch mit dem materiellen Recht in Einklang. Die zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilungen seien erkennbar rechtmäßig unter Berücksichtigung der einschlägigen Richtlinien zustande gekommen und stellten somit eine tragfähige Grundlage für die streitgegenständliche Auswahlentscheidung dar. Auch das Vorgehen des Leitenden Regierungsschuldirektors E bei Bildung der Gesamtnote in der Anlassbeurteilung der Klägerin sei nicht zu beanstanden – es werde deutlich, dass er die wegen des angestrebten Amtes hinzugetretenen Beurteilungselemente als Grund dafür ansehe, von den Vorschlägen des Leistungsberichts des Schulleiters D abzuweichen und im Gesamturteil nicht die Bestnote zu vergeben. Hinzu komme, dass das Gesamturteil nach der Ziffer 7.8 der Beurteilungsrichtlinien nicht nur die Tätigkeit im bisher ausgeübten Amt zum Gegenstand habe, sondern auch Aufschluss über die prognostizierte Qualifikation für andere (höherwertige) Aufgaben gebe; gerade auf diesen Aspekt habe das beklagte Land in seinen umfangreichen schriftsätzlichen Ausführungen abgestellt.
38Gegen das ihr am 24.06.2024 zugestellte Urteil richtet sich die am 22.07.2024 eingelegte sowie (nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.09.2024) am 03.09.2024 begründete Berufung der Klägerin, die sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Sachvortrages erster Instanz im Wesentlichen wie folgt begründet:
39Die Prüfungsleistungen der Klägerin und der Bewerberin C anlässlich der für sie jeweils durchgeführten Revisionstage seien, soweit ersichtlich, nicht einmal im Ansatz dokumentiert. Die in der Rechtsprechung anerkannte Dokumentationspflicht solle jedoch gerade verhindern, dass Gerichte den (subjektiven) Vortrag von Arbeitgebern zu angeblichen Prüfungsleistungen und deren (notenmäßige) Bewertung überhaupt nicht überprüfen könnten. Es bedürfe hier einer Plausibilisierung der Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der Tatsache, dass diese auf den – nicht hinreichend transparenten – dienstlichen Beurteilungen der Klägerin und der Bewerberin C fuße.
40Die Klägerin beantragt,
41das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.06.2024 – 5 Ca 882/23 – abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, über die Bewerbung der Klägerin für die Stelle einer Studiendirektorin als Fachleiterin zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben am Berufskolleg A unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
42Das beklagte Land beantragt,
43die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
44Das beklagte Land verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
45Darüber hinaus macht es im Wesentlichen geltend, der nach den Beurteilungsrichtlinien durch den Schulleiter zu erstellende Leistungsbericht sei, ebenso wie die Ergebnisse des Revisionstages, lediglich eine von mehreren Erkenntnisquellen für die Schulaufsicht, in deren Aufgabenbereich die Erstellung der dienstlichen Beurteilung, insbesondere die Bildung eines Gesamturteils, falle. Da eine der Beförderungsstelle entsprechende Funktion weder der Klägerin noch der Bewerberin C bereits übertragen worden sei, habe der Schulleiter D in seinem Leistungsbericht zu den Beurteilungsmerkmalen 7-9 („Organisation und Verwaltung“, „Beratung“ und „Personalführung und Entwicklung“) keine Aussagen treffen können. Soweit er gleichwohl für die Klägerin in der Rubrik „Tätigkeit außerhalb des Unterrichts/Sonderaufgaben“ die Angabe „Bildungsgangleitung der Fachschule Sozialpädagogik“ gemacht habe, sei dies in begrifflich inflationärer Weise und aus motivationalen Gründen geschehen.
46Nachdem die Klägerin im Anschluss an den Revisionstag und im Kontext der Erstellung der dienstlichen Beurteilung auf sämtliche in den Beurteilungsrichtlinien beschriebenen Möglichkeiten und Rechte verzichtet habe, weitere Gespräche zu führen bzw. zu remonstrieren, bemühe sie nun im Nachgang die Gerichtsbarkeit in mehreren Instanzen für ein nach ihrer Auffassung vertieftes Verständnis.
47Der Gesetzgeber habe die Form der dienstlichen Beurteilung ohne erläuternde Texte vorgesehen. So habe das Land Nordrhein-Westfalen vor einigen Jahren die deskribierende Beurteilung mit merkmalbezogenen Fließtexten, die hier anscheinend durch die Klägerin noch erwartet bzw. gewünscht werde, durch das standardisierte Bepunktungssystem ersetzt.
48Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die ausweislich der Sitzungsprotokolle abgegebenen Erklärungen Bezug genommen.
49Entscheidungsgründe
50Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
51I. Die Berufung der Klägerin ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, § 64 Abs. 2 b) ArbGG. Sie wurde nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG am 22.07.2024 gegen das am 24.06.2024 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt sowie innerhalb der (bis zum 26.09.2024 verlängerten) Frist des § 66 Abs. 1 Satz 1, 5 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Absatz 3 ZPO, 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG am 03.09.2024 begründet. Sie ist damit insgesamt zulässig.
52II. Die Berufung ist begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn sie ist zulässig und begründet.
531. Die Klägerin macht in zulässiger Weise im Wege der Leistungsklage die erneute Durchführung eines Auswahlverfahrens nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG geltend (vgl. Bundesarbeitsgericht vom 18.09.2007 – 9 AZR 672/06 – Rn. 15). Der klägerseits geltend gemachte Eingriff in ihr Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt kann hier auch noch korrigiert werden – eine endgültige Besetzung der Stelle einer Studiendirektorin als Fachleiterin zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben hat infolge des vor dem Arbeitsgericht Hagen zum Aktenzeichen 5 Ga 5/23 zustande gekommenen Vergleiches der Parteien bislang nicht stattgefunden (vgl. zu der dahingehenden Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage auf Neubescheidung grundlegend: Bundesverfassungsgericht vom 19.09.1989 – 2 BvR 1576/88 –).
542. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegenüber dem beklagten Land einen Anspruch auf Neubescheidung aus Art. 33 Abs. 2 GG.
55a) Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Jede Bewerbung muss nach den genannten Kriterien beurteilt werden. Das gilt nicht nur für Einstellungen, sondern auch für Beförderungen innerhalb des öffentlichen Dienstes. Öffentliche Ämter in diesem Sinne sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die von Arbeitnehmern besetzt werden können. Die Festlegung auf die in Art. 33Abs. 2 GG genannten Kriterien von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gibt jedem Bewerber ein subjektives Recht auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren. Sie dient zugleich als Prinzip der so genannten Bestenauslese dem öffentlichen Interesse an einer funktionierenden Verwaltung (Bundesarbeitsgericht vom 28.05.2002 – 9 AZR 751/00 – mit weiteren Nachweisen).
56Das seitens des beklagten Landes durchgeführte Auswahlverfahren genügt diesen Anforderungen nicht. Die Bewerbung der Klägerin ist bisher nicht ordnungsgemäß nach den oben genannten Kriterien beurteilt worden – mit der Folge, dass unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu über sie zu entscheiden ist (vgl. zu diesem Anspruchsinhalt infolge entsprechender gerichtlicher Entscheidung: Bundesarbeitsgericht vom 02.12.1997 – 9 AZR 445/96 –).
57b) Für unterlegene Bewerber muss mit Blick auf die Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes vor staatlichen Gerichten gesichert sein. Daraus folgt das Erfordernis, bereits Auswahlverfahren, die an Art. 33 Abs. 2 GG zu messen sind, so auszugestalten, dass sie den gerichtlichen Rechtsschutz nicht vereiteln oder unzumutbar erschweren (Bundesverfassungsgericht vom 09.07.2007 – 2 BvR 206/07 –; Landesarbeitsgericht Hamm vom 02.07.2020 – 11 SaGa 7/20 –). Denn nur auf diese Weise kann dem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl umfassend und effektiv Rechnung getragen werden (vgl. hierzu Dürig/Herzog/Scholz/Badura, 105. EL August 2024, GG Art. 33 Rn. 26 mit weiteren Nachweisen).
58Eine solche ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung der Klägerin hat bislang nicht stattgefunden.
59Es ist nach Auffassung der Kammer bereits im Rahmen der dienstlichen Beurteilung der Klägerin zu Fehlern gekommen, die einer ordnungsgemäßen Fortführung des Auswahlverfahrens entgegenstanden.
60aa) Hier ist vorauszuschicken, dass es einem unterlegenen Bewerber unbenommen ist, Einwendungen gegen eine dienstliche Beurteilung, die nicht unmittelbar erhoben wurden, zu einem späteren Zeitpunkt – etwa in einem Konkurrentenstreit – geltend zu machen und auf diese Weise einer inzidenten gerichtlichen Überprüfung zuzuführen. Dabei gelten nur die Grenzen der Verwirkung, für welche die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO eine zeitliche Orientierung bieten kann (vgl. Oberverwaltungsgericht Münster vom 31.07.2019 – 6 B 714/19 – Rn. 8ff).
61Das beklagte Land kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, die Klägerin bemängele fälschlicherweise Informationsdefizite, nachdem mit ihr ausführlich über ihre Eignung, Leistung und Befähigung gesprochen worden sei und sie von den ausweislich der Beurteilungsrichtlinien bestehenden Optionen, ein weiteres Gespräch zu führen oder eine Gegendarstellung einzureichen, keinen Gebrauch gemacht habe. Denn soweit das Fehlen von Informationen bzw. Inhalten zu durchgreifenden Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung führt, ist es der Klägerin unbenommen, dies auf dem Rechtsweg geltend zu machen. Da sie infolge des Schreibens vom 30.05.2023, mit welchem ihr mitgeteilt worden war, man habe sich für die Bewerberin C entschieden, bereits am 23.06.2023 in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Arbeitsgericht Hagen den oben dargestellten Vergleich mit dem beklagten Land schloss und am selben Tag das hiesige Hauptsacheverfahren erstinstanzlich anhängig machte, kommt eine Verwirkung schon aufgrund des fehlenden Zeitmoments nicht in Betracht.
62Das soeben Gesagte gilt entsprechend, soweit das beklagte Land anführt, nachdem die Klägerin im Anschluss an den Revisionstag auf sämtliche in den Beurteilungsrichtlinien beschriebenen Möglichkeiten und Rechte verzichtet habe, bemühe sie nun im Nachgang die Gerichtsbarkeit in mehreren Instanzen für ein nach ihrer Auffassung vertieftes Verständnis.
63bb) Die der Klägerin unter dem 29.03.2023 erteilte dienstliche Beurteilung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht.
64(1) Bereits die dienstliche Beurteilung dient der Verwirklichung der mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG. Sie soll daher den Vergleich mehrerer Bewerber ermöglichen. Hierzu ist sie geeignet, wenn sie mit inhaltlicher Aussagekraft eine tragfähige Grundlage für die Auswahlentscheidung vermittelt (vgl. Bundesverwaltungsgericht vom 17.09.2015 – 2 C 27/14 – Rn. 13f.). Im Sinne effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist daher schon die dienstliche Beurteilung selbst so klar abzufassen, dass sie eine gerichtliche Nachprüfung ermöglicht (vgl. Bundesverwaltungsgericht vom 17.09.2015 – 2 C 27/14 – Rn. 20).
65Hat der Dienstherr Richtlinien über die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, sind die Beurteiler auf Grund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe an diese Richtlinien gebunden. Das Gericht hat deshalb auch zu kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten sind (vgl. Bundesverwaltungsgericht vom 17.09.2015 – 2 C 27/14 – Rn. 10).
66(2) Das beklagte Land, namentlich der Leitende Regierungsschuldirektor E, hat anhand der in den anwendbaren Beurteilungsrichtlinien genannten Erkenntnisquellen eine dienstliche Beurteilung für die Klägerin erstellt. Hierzu hat er die vorgesehene Anlage 3 für Beurteilungen durch die Schulaufsicht verwendet und die festgelegte Notenskala zugrunde gelegt.
67Es ist dem beklagten Land zuzugeben, dass die beobachteten Kompetenzen unter angemessener Berücksichtigung des Leistungsberichts sowie auf Basis der am Revisionstag gezeigten Leistungen (d.h. der weiteren Erkenntnisquellen im Sinne von Ziffer 9.4 der Beurteilungsrichtlinien, vgl. Blatt 206 der erstinstanzlichen Gerichtsakte) in eine Bewertung zu überführen sind, ohne dass die dienstliche Beurteilung ein Verlaufsprotokoll oder eine ähnlich detaillierte Dokumentation des Revisionstages enthalten müsste. Zudem hat die Kammer zugunsten des beklagten Landes unterstellt, dass mit der Klägerin ausführlich über ihre Eignung, Leistung und Befähigung gesprochen worden ist.
68(3) Gleichwohl genügt die dienstliche Beurteilung vom 29.03.2023, welche für die Klägerin zur Grundlage der Auswahlentscheidung gemacht wurde, den oben dargelegten Anforderungen nicht.
69Es fehlt bereits hinsichtlich der Einzelbewertungen an jeglicher inhaltlichen Aussagekraft. Denn die Textfelder der zugrunde gelegten Anlage 3 für Beurteilungen durch die Schulaufsicht sind hinsichtlich der Beurteilungsmerkmale „Unterricht oder Ausbildung“, „Diagnostik und Beurteilung“, „Erziehung und Beratung“, „Mitwirkung an der Schul- oder Seminarentwicklung“, „Zusammenarbeit“ und „Soziale Kompetenz“ gänzlich unverändert geblieben. Sie sind jeweils eingeleitet mit den Worten „In die Bewertung sind u. a. einzubeziehen:“ und benennen sodann verschiedene Bewertungskriterien. Ohne kenntlich zu machen, ob die unter anderem einzubeziehenden Kriterien teilweise oder vollständig berücksichtigt wurden und inwieweit darüber hinaus weitere Kriterien (welche?) eingeflossen sind, gab der Beurteiler lediglich in der jeweils rechten Spalte eine Punktzahl an.
70Auf diese Weise kommt nicht zum Ausdruck, welche konkreten Erwägungen der Notenfindung zugrunde gelegt wurden. Wenn die Klägerin zum Beispiel für das Beurteilungsmerkmal „Unterricht oder Ausbildung“ 4 Punkte erhält, bleibt unklar, ob die Kriterien
71„Unterrichtsvorbereitung und Gestaltung des Unterrichts auf Grundlage der Richtlinien, Lehrpläne, des Kemcurriculums sowie schul- und seminarinterner Absprachen
72- Fachkenntnisse
73- didaktisch-methodisches Vorgehen
74- Auswahl der inhaltlichen Schwerpunkte
75- schülergerechte, differenzierte Förderung des Kompetenzerwerbs
76- Sicherung der Lernergebnisse
77- Medienkompetenz
78Reflexion von Lehr- und Lernprozessen
79Unterrichtsatmosphäre und Classroom-Management“
80welche nach der maßgebenden Anlage 3 zu den Beurteilungsrichtlinien unter anderem einzubeziehen sind, vollständig oder teilweise zugrunde gelegt wurden und welche weiteren Kriterien gegebenenfalls darüber hinaus in die betreffende Einzelnote eingeflossen sind. Entsprechendes gilt mit Blick auf die weiteren Beurteilungsmerkmale.
81(4) Wenn das beklagte Land geltend macht, die deskribierende Beurteilung mit merkmalbezogenen Fließtexten sei vor einigen Jahren durch das standardisierte Bepunktungssystem ersetzt worden, ist dies so nicht ganz zutreffend – es hat vielmehr eine methodische Ergänzung/Umgestaltung stattgefunden.
82Die hier durchgeführte (Einzel-) Bewertung durch bloße Punktevergabe ist weder in den anwendbaren Beurteilungsrichtlinien vorgesehen noch auf anderer Grundlage zulässig.
83Insoweit ist vielmehr wie folgt zu differenzieren: Es ist zulässig, gefundene (Einzel-) Noten durch eine Zahl auszudrücken. Der Beurteiler kann sich dabei auf die Angabe zusammenfassender Werturteile auf Grund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke und Einzelbeobachtungen während des Beurteilungszeitraumes beschränken, d.h. er kann darauf verzichten, die tatsächlichen Grundlagen, auf welchen seine Werturteile beruhen, in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen (vgl. Bundesverwaltungsgericht vom 17.09.2015 – 2 C 27/14 – Rn. 17).
84Die Werturteile, welche in die Bildung der in Punkten ausgedrückten (Einzel-) Noten eingeflossen sind, müssen indes im Sinne einer nachvollziehbaren Darstellung kenntlich machen, worüber und nach welchen Maßstäben geurteilt wurde. Dazu bedarf es textlicher Definitionen der Bewertungskriterien, die mittels so genannter Ankertexte in Beurteilungsrichtlinien vorgegeben sein können (vgl. insoweit Bundesverwaltungsgericht vom 17.09.2015 – 2 C 27/14 – Rn. 25).
85Derartige Ankertexte sind hier in Anlage 3 für Beurteilungen durch die Schulaufsicht enthalten. Sie wurden jedoch nicht in zulässiger Weise als Hilfestellung für eine nachvollziehbare Darstellung gefundener Werturteile genutzt, sondern schlicht unverändert gelassen, d.h. für den hier in Rede stehenden Einzelfall entweder nicht oder nicht in nachvollziehbarer Weise verwendet. Ein solches Vorgehen verstößt gegen die oben dargestellten Vorgaben der Artt. 19 Abs. 4 und 33 Abs. 2 GG, da es den Bewertungsvorgang in Ermangelung nachvollziehbarer Erwägungen einer gerichtlichen Kontrolle entzieht.
86cc) Das umfangreiche prozessuale Vorbringen des beklagten Landes zur Begründung der (Einzel-) Bewertungen rechtfertigt keine andere Sichtweise.
87Zwar ist es im Rahmen der gerichtlichen Nachprüfung zulässig, die in einer dienstlichen Beurteilung enthaltenen Einzelbewertungen nachträglich zu plausibilisieren (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht vom 01.03.2018 – 2 A 10/17 – Rn. 48). Dies setzt jedoch schon begrifflich das Vorhandensein von Einzelbewertungen in oben beschriebenem Sinne voraus. Denn plausibilisiert oder konkretisiert werden kann nur, was bereits vorhanden ist (vgl. insoweit Bundesverwaltungsgericht vom 17.09.2015 – 2 C 27/14 – Rn. 20). Da die hier in Rede stehende Beurteilung keine Werturteile, sondern nur in Ziffern ausgedrückte Punkte enthält, existiert keine Basis für eine Konkretisierung/Plausibilisierung. Vielmehr beinhaltet das prozessuale Vorbringen des beklagten Landes die – erstmalige – Begründung der (Einzel-) Bewertungen. Ein solches Vorgehen ist unzulässig, da es das Gericht nicht in die Lage versetzt, einen bereits durchgeführten Beurteilungsprozess zu kontrollieren, sondern diesen in das gerichtliche Verfahren verlagert.
88dd) Da mithin bereits die Einzelbewertungen nicht in Übereinstimmung mit den Beurteilungsrichtlinien und den Vorgaben der Artt. 19 Abs. 4 und 33 Abs. 2 GG zustande gekommen sind, fußt das Gesamturteil auf einer unzureichenden Grundlage und ist schon vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht rechtmäßig. Die insoweit prozessual nachgeschobenen Begründungen sind auf Grundlage des oben Gesagten unbeachtlich (vgl. zudem zur eingeschränkten Zulässigkeit der Intensivierung/ Anreicherung der Begründung eines Gesamturteils: Bundesverwaltungsgericht vom 01.03.2018 – 2 A 10/17 – Rn. 48).
89c) Im Rahmen der erneuten Entscheidung über die Bewerbung der Klägerin wird mithin im ersten Schritt eine neue dienstliche Beurteilung zu erstellen sein – und zwar sowohl für sie als auch für ihre Mitbewerber. Die dienstliche Beurteilung der Bewerberin C war – soweit ersichtlich – ebenso fehlerbehaftet wie diejenige der Klägerin; auch insoweit hat bereits keine konkrete Begründung/Kriterienangabe für die gefundenen Einzelnoten stattgefunden.
90Weiter wird zu beachten sein, dass Leistungsberichte des jeweils zuständigen Schulleiters als Erkenntnisquellen im Sinne der Beurteilungsrichtlinien zu würdigen und in nachvollziehbarer Weise in die Überlegungen des von Seiten der Schulaufsicht zuständigen Beurteilers einzubeziehen sind (vgl. insoweit BeckOK BeamtenR NRW/Fröse, 30. Ed. 1.12.2022, LBG NRW § 92 Rn. 44a mit weiteren Nachweisen). Entsprechendes gilt für die weiteren Erkenntnisquellen im Sinne der Beurteilungsrichtlinien.
91Die Klägerin hat zu Recht moniert, Abweichungen von dem Leistungsbericht des Schulleiters D seien in der dienstlichen Beurteilung vom 29.03.2023 nicht begründet worden und soweit das beklagte Land Einzelbewertungen auf am Revisionstag gezeigte Leistungen stütze, sei die Kritik betreffend ihre Person (jedenfalls auf Grundlage der dienstlichen Beurteilung) nicht ansatzweise nachvollziehbar.
92Mit Blick auf den Vortrag des beklagten Landes, aus Gründen der (allgemeinen) Einschätzung des Schulleiters D seien die von der Klägerin am Revisionstag gezeigten (schwächeren) Leistungen im Rahmen der dienstlichen Beurteilung nicht so stark (negativ) berücksichtigt worden, wie dies bei deren isolierter Betrachtung angezeigt gewesen sei, dürfte zudem Folgendes zu beachten sein: Allein der (formale) Leistungsbericht des Schulleiters stellt gemäß Ziffer 9.4 der Beurteilungsrichtlinien (vgl. Blatt 206 der erstinstanzlichen Gerichtsakte) eine von mehreren Erkenntnisquellen dar. Auf eine darüberhinausgehende allgemeine Einschätzung des Schulleiters kommt es hingegen weder auf Grundlage der Beurteilungsrichtlinien noch aus anderen Gründen an. Insoweit macht das beklagte Land an anderer Stelle zu Recht geltend, zu prognostischen Beurteilungsgesichtspunkten für eine der Klägerin bislang nicht übertragene Beförderungsstelle könne der Schulleiter D im Rahmen eines reinen Leistungsberichtes keine relevanten Angaben machen.
93III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Das beklagte Land als unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
94IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Keine der angesprochenen Rechtsfragen ist von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG und die vorliegende Entscheidung weicht nicht von einer Entscheidung der in § 72 Absatz 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte ab.
95RECHTSMITTELBELEHRUNG
96Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
97Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.