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Es stellt keine krasse Rechtsverletzung dar, die eine Durchbrechung der Bindungswirkung eines Beschlusses über die örtliche Zuständigkeit rechtfertigt, wenn ein Arbeitsgericht in seinem grundsätzlich unanfechtbaren Beschluss über die örtliche Zuständigkeit gem. den §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG verkennt, dass das Landesamt für Besoldung und Versorgung des Landes Nordrhein-Westfalen das Land bei Zahlungsklagen der Tarifbeschäftigten vertritt und demgemäß nach § 18 ZPO an seinem Sitz in C verklagt werden kann, sofern das Landesamt die komplexen Vertretungsregelungen des beklagten Landes erst dem Arbeitsgericht in ausreichendem Umfang vorgetragen hat, an das verwiesen worden ist.
Als das örtlich zuständige Gericht wird das Arbeitsgericht Dortmund bestimmt.
Gründe:
2I.Das Arbeitsgericht Dortmund ersucht das Landesarbeitsgericht um Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts gem. den §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.
Die 1977 geborene Klägerin ist beim beklagten Land als Lehrkraft an der „Schule an der A“, einer Förderschule der Stadt B, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet das Tarifwerk für den öffentlichen Dienst der Länder Anwendung. Die Klägerin ist in die Entgeltgruppe 10 TV-L eingruppiert.
5Gegenstand ihrer mit Schriftsatz vom 16.09.2024 vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf gegen das Land – vertreten durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen – erhobenen Klage ist die Zahlung eines Betrags in Höhe von 1.832,70 €. Die Klägerin stützt ihre Klage auf die Annahme, das beklagte Land sei in entsprechender Anwendung des § 257 SGB V verpflichtet, die Hälfte der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu zahlen, die für ihre freiwillige gesetzliche Krankenversicherung während des Zeitraums von August 2022 bis September 2023 angefallen waren. Nach nochmaliger Prüfung lehnte das beklagte Land mit Schreiben des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen vom 17.06.2024 die Zahlung ab.
6Mit Beschluss vom 17.12.2025 hat das Arbeitsgericht Düsseldorf einen zuvor anberaumten Kammertermin aufgehoben und angekündigt, den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Dortmund verweisen zu wollen. Zugleich hat es ausgeführt, gemäß § 18 ZPO dürfte es in rechtlicher Hinsicht für den allgemeinen Gerichtsstand des beklagten Landes entscheidend sein, welche Behörde berufen sei, das beklagte Land in diesem Rechtsstreit zu vertreten. Es dürfte sich um eine Angelegenheit im Ressort des Ministeriums für Schule und Bildung handeln. Gem. Nr. 7.1 des Vertretungserlasses NRW vom 18.08.2023 dürfte das Schulamt der Stadt B als untere Schulaufsichtsbehörde die berufene Behörde sein. Damit sei das Arbeitsgericht Dortmund nach § 18 ZPO das örtlich zuständige Gericht.
7Innerhalb der bis zum 31.12.2024 laufenden Frist zur Anhörung widersprach das beklagte Land der angekündigten Verweisung an das Arbeitsgericht Dortmund und führte im Wesentlichen aus:
8„In dem Vertretungserlass heißt es unter Nummer 7.1: In Rechtsstreitigkeiten und sonstigen gerichtlichen Verfahren (zum Beispiel Mahn-, Zwangsvollstreckungs-, Insolvenzverfahren, Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit) sind zur Aktiv- und Passivvertretung des Landes berufen das Ministerium für Schule und Bildung, soweit nicht die nachstehend genannten Dienststellen vertretungsbefugt sind.
9Im vorliegenden Verfahren wird über die Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses gestritten. Dieser ist Teil der Verbeitragung von Bezügen.
10Gemäß dem Erlass zur Berechnung und Zahlbarmachung von Vergütungen und Löhnen im Arbeitnehmerbereich durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen RdErl. d. Finanzministeriums v. 8.3.2002 – B 4158 – 9 – IV 1 [Stand: 13.12.2024] erfüllt das LBV innerhalb der Landesverwaltung die Aufgaben zur Berechnung und Zahlbarmachung (einschließlich Rückforderung) der Vergütungen und Löhne für Personen, die nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, einschließlich der daraus entstehenden arbeitsrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers. Das LBV bewertet alle mitgeteilten Sachverhalte auf ihre sozialversicherungs- und zusatzversorgungsrechtlichen Auswirkungen und entscheidet über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung und in der tariflichen Zusatzversorgung und erfüllt die daraus folgenden Arbeitgeber-bzw. Beteiligtenpflichten.
11Das LBV ist für alle Verfahren zuständig, welche die Berechnung und Zahlbarmachung von Bezügen, einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen, betreffen. Das Ministerium für Schule und Bildung ist hierfür nicht zuständig, da dies nicht in ihren Aufgabenbereich fällt.“
12Die Klägerin hat sich nicht geäußert.
13Mit unanfechtbarem Beschluss vom 02.01.2025 hat sich das Arbeitsgericht Düsseldorf für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Dortmund verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
14„Gemäß § 18 ZPO kommt es für den allgemeinen Gerichtsstand des beklagten Landes darauf an, welche Behörde berufen ist, das beklagte Land in dem Rechtsstreit zu vertreten. Da es sich um eine Angelegenheit im Ressort des Ministeriums für Schule und Bildung handelt, ist gemäß Nr. 7.1 des Vertretungserlasses NRW vom 18.08.2023 das Schulamt der Stadt B als untere Schulaufsichtsbehörde die berufene Behörde. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung ist in Nr. 7.1 des Vertretungserlasses NRW nur in den Fällen des § 111 Abs. 2 Satz 2 SchulG NRW als berufene Behörde benannt. Ein derartiger Fall liegt nicht vor.
15Da die Parteien einen Gerichtsstand beim Arbeitsgericht Düsseldorf auch sonst nicht dargelegt haben, ist der Rechtsstreit nach erfolgter Anhörung der Parteien an das Arbeitsgericht Dortmund zu verweisen, § 48 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 17a Abs. 2 GVG.“
16Mit Beschluss vom 06.01.2025 hat das Arbeitsgericht Dortmund Gütetermin für den 31.01.2025 bestimmt und diesen Termin mit Beschluss vom 09.01.2025 antragsgemäß auf den 14.02.2025 verlegt.
17Mit Schriftsatz vom 20.01.2025 hat das beklagte Land an seiner bereits vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf geäußerten Rechtsauffassung festgehalten und der Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Dortmund widersprochen. Es hat auf Abschnitt 1 Ziff 1.2 des Runderlasses vom 18.03.2023 (sic) Bezug genommen und ausgeführt, dass das Ministerium der Justiz und das Ministerium der Finanzen von diesem Vertretungserlass ausgenommen seien. Diese Ministerien hätten getrennte Vertretungsregelungen im Rahmen ihrer jeweiligen Ressortzuständigkeit erlassen, so das Finanzministerium die Vertretungsordnung FM NRW vom 6. Mai 2015 (MBl. NRW. S. 352). Daher fände der vom Arbeitsgericht Düsseldorf zitierte Erlass vom 18.03.2023 (sic) für das Landesamt für Besoldung und Versorgung als eine dem Ministerium der Finanzen nachgeordnete Behörde auf die vorliegende Fallkonstellation keine Anwendung. Vielmehr lege der Runderlass des Finanzministeriums v. 08.03.2002 – B 4158 – 9 – IV – 1 zur Berechnung und Zahlbarmachung von Vergütungen und Löhnen im Arbeitnehmerbereich fest, dass das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen innerhalb der Landesverwaltung die Aufgaben zur Berechnung und Zahlbarmachung der Vergütungen und Löhne für Personen erfülle, die nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stünden.
18Ziff. 7.1 des Vertretungserlasses vom 18.03.2023 (sic) sehe zwar die besondere Zuständigkeit des LBV in den Fällen des § 111 Abs. 2 SchulG NRW vor. Das bedeute aber nicht, dass das LBV nur in diesen Fällen im an sich gegebenen Geschäftsbereich des Ministeriums für Schule und Bildung zuständig sei. Vielmehr sei insoweit ein zusätzlicher besonderer Vertretungsfall geregelt, der neben der grundsätzlichen Vertretungsregelung Anwendung fände.
19Der Runderlass des Finanzministeriums vom 06.05.2015 regele die Vertretung des Landes NRW im Geschäftsbereich des Ministeriums der Finanzen. Nach dessen Ziff. 1.1, zweiter Spiegelstrich, sei das Landesamt für Besoldung und Versorgung für seinen Geschäftsbereich aktiv- und passivlegitimiert – damit eben auch für den Streitgegenstand dieser Klage.
20Das Arbeitsgericht Dortmund hat nach Eingang der Stellungnahme des beklagten Landes zur örtlichen Zuständigkeit mit Schreiben vom 22.01.2025 mitgeteilt, dass es den Rechtsstreit zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit dem Landesarbeitsgericht vorlegen wolle. Innerhalb der eingeräumten Frist zur Stellungnahme hat sich die Klägerin nicht geäußert,
21Mit Beschluss vom 12.02.2025 hat das Arbeitsgericht Dortmund sodann den Rechtsstreit nach den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 36 ZPO dem Landesarbeitsgericht zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit vorgelegt, im Wesentlichen mit der Begründung, aus dem Runderlass des Ministeriums der Finanzen vom 08.03.2002 – B 4158-09-IV-1) ergebe sich die Zuständigkeit des Landesamtes für Besoldung und Versorgung für die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen in Rechtsstreitigkeiten. Deshalb sei das Arbeitsgerichts Düsseldorf zuständig.
22Die Parteien erhielten im Rahmen des Bestimmungsverfahrens Gelegenheit zu rechtlichem Gehör. Das beklagte Land hat auf seine bisherigen Ausführungen Bezug genommen. Die Klägerin hat keine Stellungnahme abgegeben.
23II. Das Landesarbeitsgericht war gem. §§ 46 Abs. 2 S. 1 ZPO, 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO aufgerufen, als das im Rechtszuge zunächst höhere Gericht das örtlich zuständige Arbeitsgericht zu bestimmen. Dies hat nach § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO zu erfolgen, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben und damit ein negativer Kompetenzkonflikt zu entscheiden ist.
1. Das ist hier der Fall. So haben sich die Arbeitsgerichte Düsseldorf und Dortmund für örtlich unzuständig erklärt.
a) Der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.01.2025 ist ausdrücklich als solcher zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17a Abs. 2 GVG ergangen und enthielt den Hinweis, dass gegen ihn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist. Er ist damit unanfechtbar.
28b) Das Arbeitsgerichts Dortmund hat sich mit seinem Beschluss vom 12.02.2025 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt. In der Begründung setzt sich der Beschluss mit der aus seiner Sicht gegebenen fehlerhaften Verweisung durch das Arbeitsgericht Düsseldorf auseinander, ohne sich allerdings seinerseits ausdrücklich unter Benennung der Bestimmungen in den §§ 46 Abs. 2 S. 1 ZPO, 17a Abs. 2 GVG und Ausführungen zur Durchbrechung der Unanfechtbarkeit des Beschlusses des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.01.2025 für örtlich unzuständig zu erklären.
29c) Gleichwohl wird auch durch diesen Beschluss der nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu entscheidende Kompetenzkonflikt ausgelöst, der infolge entgegenstehender und jeweils unanfechtbarer Beschlüsse über örtliche Zuständigkeiten eintritt. So ist im arbeitsgerichtlichen Bestimmungsverfahren nach den §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO anerkannt, dass nicht nur bindende Verweisungsbeschlüsse nach den §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17a Abs. 2 GVG einen Kompetenzkonflikt hervorrufen können. Sinn und Zweck des Bestimmungsverfahrens entspricht es vielmehr, diese Wirkung auch einer wie auch immer gearteten Ablehnung der Übernahme des Rechtsstreits durch das Gericht, an das verwiesen worden ist, beizumessen (Zöller-Schultzky, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 34 Rn. 34, 35). Das gilt insbesondere für das arbeitsgerichtliche Verfahren angesichts des dortigen Beschleunigungsgrundsatzes.
302. Nach den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO war als das zuständige Gericht das Arbeitsgericht Dortmund (weiterhin) zu bestimmen. Die Bindungswirkung des grundsätzlich unanfechtbaren Beschlusses des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.01.2025, mit dem die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Dortmund begründet worden ist, ist nicht durchbrochen.
a) Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit sind nach den §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, grundsätzlich bindend. Ein Verweisungsbeschluss, der mit verfahrensrechtlicher Bindungswirkung erlassen worden ist, wirkt auch im Bestimmungsverfahren fort und ist dort zu beachten (LAG Hamm 03.01.2025 – 1 SHa 26/24; 23.08.2023 – 1 SHa 16/23; 11.04.2018 – 1 SHa 11/18; 21.04.2017 1 SHa 3/17; 27.11.3013 – 1 SHa 17/13; 15.08.2007 - 1 SHa 22/07, NRWE; G/M/P Germelmann/Künzl, ArbGG, 10. Aufl. 2022, § 48 Rn. 101; Zöller-Schultzky, ZPO, 35. Auflage 2024, § 36 Rn 38). Der gesetzliche Anfechtungsausschluss von Beschlüssen über die örtliche Zuständigkeit bewirkt, dass die Fehlerhaftigkeit eines Verweisungsbeschlusses grundsätzlich hinzunehmen ist und eine (weitere) Anfechtbarkeit ausscheidet. Dies gilt selbst dann, wenn der Verweisungsbeschluss offensichtlich fehlerhaft ist (G/M/P Germelmann/Künzl, ArbGG, 10. Aufl. 2022, § 48 Rn. 101; LAG Hamm 12.08.2013 - 1 Ta 397/13).
33b) Ein grundsätzlich bindender Verweisungsbeschluss ist nur dann nicht hinzunehmen, wenn der Verweisungsbeschluss nicht nur offensichtlich fehlerhaft, sondern zugleich noch greifbar gesetzeswidrig ist und aus diesem Grund keine Bindungswirkung entfalten kann, also ein „extremer Verstoß“ gegen gesetzliche Bestimmungen vorliegt (LAG Hamm 03.01.2025 – 1 SHa 26/24; 23.08.2023 – 1 SHa 16/23; 11.04.2018 1 SHa 11/18; 21.04.2017 – 1 SHa 3/17; 27.11.2013 – 1 SHa 17/13; 12.08.2013 - 1 Ta 397/13, LAG München 08.02.2011 – 1 SHa 4/10; G/M/P Germelmann/Künzl, ArbGG, 10. Aufl. 2022, § 48 Rn. 94a).
34Von einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit ist nur dann auszugehen, wenn eine krasse Rechtsverletzung gegeben ist. Nur sie würde es zulassen, die gesetzliche Bindungswirkung ausnahmsweise zu durchbrechen, was etwa dann gilt, wenn der Beschluss dazu führen würde, dass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise vom verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten beruhen könnte. In einem solchen Fall wäre der Beschluss unter Berücksichtigung elementarer rechtstaatlicher Grundsätze nicht mehr verständlich, damit offensichtlich unhaltbar und als Beleg willkürlicher Rechtsfindung nicht mehr hinnehmbar (BAG 05.09.2018 – 9 AS 3/18; 10.10.2017 – 9 AS 5/17; 19.03.2003 - 5 AS 1/03, LAG Hamm 03.01.2025 – 1 SHa 26/24; 23.08.2023 – 1 SHa 16/23; 11.04.2018 1 SHa 11/18; 21.04.2017 – 1 SHa 3/17; 12.08.2003 - 1 Ta 397/13; LAG München 08.02.2010 - 1 SHa 4/10; G/M/P Germelmann/Künzl, ArbGG, 10. Aufl. 2022, § 48 Rn. 94a).
35c) Eine an diesen Maßstäben gemessene Grenze zur greifbaren Gesetzeswidrigkeit mit der Folge einer damit einhergehenden Durchbrechung der Bindungswirkung hat der unter dem 02.01.2025 ergangene Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.01.2025 nicht überschritten, auch wenn der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf, nicht örtlich zuständig zu sein, rechtsfehlerhaft sein dürfte.
36aa) Die Klägerin ist nach § 35 ZPO in der Lage, unter mehreren zuständigen Gerichten zu wählen. Eine solche Wahl ist bindend (Zöller-Schultzky, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 35 Rn. 3), vor allem für das Gericht, das als eines der örtlich zuständigen in Betracht kommt. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hätte damit rechtsfehlerhaft entschieden, sollte es für die Entscheidung des Rechtsstreits als eines von mehreren Arbeitsgerichten im Zeitpunkt der Klageerhebung örtlich zuständig gewesen sein. Das dürfte gem. den §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 18 ZPO der Fall sein.
37(1) So wird nach § 18 ZPO der Gerichtsstand des beklagten Landes durch den Sitz der Behörde bestimmt, die berufen ist, das Land in dem Rechtsstreit zu vertreten. Die Zuständigkeit der Behörden für die Vertretung des Landes ergibt sich aus dem Vertretungserlass vom 18.08.2023 (MBl. NRW. 2023 S. 928) – vom beklagten Land versehentlich in seinem Schriftsatz vor dem Arbeitsgericht Dortmund mit dem Datum des 18.03.2023 benannt. Abschnitt 1 Ziff. 1.1 Vertretungserlass 18.08.2023 regelt, welche Behörde zur Vertretung des Landes berufen ist. Ziff. 1.2. Vertretungserlass 18.08.2023 nimmt von dieser Regelung u.a. das Ministerium der Finanzen aus, das getrennte Vertretungsregelungen im Rahmen seiner Ressortzuständigkeit erlassen hat, nämlich die Vertretungsordnung FM NRW vom 06.05.2015 (MBl. NRW. S. 352).
38(2) Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat zwar richtig gesehen, dass Abschnitt 2 Ziff. 7.1 Vertretungserlass 18.08.2023 hier nicht einschlägig ist, um eine Zuständigkeit des Landesamtes für Besoldung und Versorgung zu begründen. Nach dieser Regelung ist das Ministerium für Schule und Bildung zuständig, soweit nicht das Landesamt für Besoldung und Versorgung in den Fällen des § 111 Abs. 2 S. 2 Schulgesetz NRW zuständig ist, also in Fällen der hier nicht einschlägigen Behandlung von Folgelasten aufgelöster Schulen.
39(3) Rechtsfehlerhaft dürfte es allerdings sein, zieht das Arbeitsgericht Düsseldorf daraus den Umkehrschluss, es handele sich angesichts fehlender Gegebenheit des Ausnahmefalls „Folgelasten aus der Auflösung von Schulen“ um eine Angelegenheit im Ressort des Ministeriums für Schule und Bildung, weshalb nach Abschnitt 2 Ziff. 7.1 Vertretungserlass 18.08.2023 das Schulamt der Stadt B als untere Schulaufsichtsbehörde die berufene Behörde sei.
40(4) Zutreffend dürfte es vielmehr die Ausführungen des beklagten Landes sein, weist es in seinen erstmals vor dem Arbeitsgericht Dortmund vorgetragenen Ausführungen darauf hin, dass nach Ziff. 1.1. Vertretungsordnung FM 06.05.2015 das Landesamt für Besoldung und Versorgung im Rahmen der Wahrnehmung seiner Aufgaben das Land Nordrhein-Westfalen im Geschäftsbereich des Finanzministeriums in Rechtsstreitigkeiten und gerichtlichen Verfahren vertritt.
41Der „Geschäftsbereich“ des Landesamtes für Besoldung und Versorgung dürfte wiederum durch den Runderlass des Finanzministeriums v. 08.03.2002 – B 4158 – 9 – IV – 1 zur Berechnung und Zahlbarmachung von Vergütungen und Löhnen festgelegt sein. Danach erfüllt das Landesamt die Aufgabe, Vergütungen und Löhne für Personen, die nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, zu berechnen und zahlbar zu machen. Dies schließt die sich daraus ergebenden arbeitsrechtlichen Pflichten des Landes als Arbeitgeber ein.
42(5) Die Klägerin fordert mit ihrer Klage Zahlung eines Geldbetrags, den sie aus dem zwischen ihr und dem beklagten Land bestehenden Arbeitsverhältnis ableitet. Die Erfüllung der von der Klägerin angenommenen Arbeitgeberverpflichtung dürfte damit in den Zuständigkeitsbereich des Landesamtes für Besoldung und Versorgung fallen, was wiederum zur Vertretung des Landes durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung nach Ziff. 1.1 Vertretungsordnung FM 06.05.2015 führen dürfte. Das wiederum dürfte angesichts des Sitzes des Landesamtes für Besoldung und Versorgung in C im Zeitpunkt der Klageerhebung die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Düsseldorf nach § 18 ZPO begründet haben.
43bb) Eine dergestalt gegebene Rechtsfehlerhaftigkeit des Beschlusses des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.01.2025 rechtfertigt allerdings keine Durchbrechung der Bindungswirkung des Beschlusses. Eine solche Durchbrechung wurde auch nicht im Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 12.02.2025 dargelegt.
44Der Rechtfehler des Arbeitsgerichts Düsseldorf ist jedenfalls nicht krass rechtswidrig im Sinne der dargelegten Grundsätze. Insbesondere hat das Arbeitsgericht Düsseldorf den Parteien rechtliches Gehör gewährt. Es hat auch nicht etwa den Vortrag der Parteien nicht beachtet. So hat es sich mit dem ihm bekannten Sachvortrag des beklagten Landes auseinandergesetzt. Die vertiefenden Ausführungen des beklagten Landes, die es vor dem Arbeitsgericht Dortmund entfaltet hat, waren dem Arbeitsgericht Düsseldorf nicht bekannt, weil sie erstmals vor dem Arbeitsgericht Dortmund vorgetragen worden sind.
45Die Zuständigkeitsregelungen, auf die sich das beklagte Land beruft, sind komplex und alles andere als selbsterklärend. Werden sie dem entscheidenden Arbeitsgericht – wie hier geschehen – nicht in ausreichendem Umfang vorgetragen, lässt sich jedenfalls nicht einwenden, dass das nach erfolgter Anhörung in einen – wenn auch knapp gefassten – unanfechtbaren Beschluss gekleidete rechtsfehlerhafte Ergebnis richterlicher Prüfung der örtlichen Zuständigkeit eine Durchbrechung der Bindungswirkung rechtfertige.
46Es stellt keine krasse Rechtsverletzung dar, die eine Durchbrechung der Bindungswirkung eines Beschlusses über die örtliche Zuständigkeit rechtfertigt, wenn ein Arbeitsgericht in seinem grundsätzlich unanfechtbaren Beschluss über die örtliche Zuständigkeit gem. den §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG verkennt, dass das Landesamt für Besoldung und Versorgung des Landes Nordrhein-Westfalen das Land bei Zahlungsklagen der Tarifbeschäftigten vertritt und demgemäß nach § 18 ZPO an seinem Sitz in C verklagt werden kann, sofern das Landesamt die komplexen Vertretungsregelungen des beklagten Landes erst dem Arbeitsgericht in ausreichendem Umfang vorgetragen hat, an das verwiesen worden ist.
47d) Damit war das Arbeitsgericht Dortmund mangels Durchbrechung der Bindungswirkung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.01.2025 als das weiterhin zuständige Arbeitsgericht zu bestimmen.
48III. Die Kosten dieses Beschlusses sind Kosten des Verfahrens (LAG Hamm 03.01.2025 – 1 SHa 26/24; 23.08.2023 – 1 SHa 16/23; 1 11.04.2018 – 1 SHa 11/18; 26.11.2015 – 1 SHa 22/15; 15.08.2007 - 1 SHa 22/07, NRWE).
49Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 37 Abs. 2 ZPO.
50RECHTSMITTELBELEHRUNG
51Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.