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Die Begrenzung des Anspruchs auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags auf vier Prozent der Arbeitnehmer des Betriebes gemäß § 12 Ziffer 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ bezieht sich ungeachtet ihrer Tarifbindung auf alle Arbeitnehmer. Es sind auch die von der Arbeitgeberin mit nicht oder anders organisierten Arbeitnehmern abgeschlossenen Altersteilzeitarbeitsverträge zu berücksichtigen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 14. April 2023 – 2 Ca 910/22 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses.
3Der am 13. Dezember 1964 geborene Kläger ist auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 19. Oktober 1989 seit dem 23. Oktober 1989 bei der Beklagten als Maschinenschlosser angestellt. Das Bruttomonatseinkommen beträgt im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung zuletzt 4.500,00 EUR. Der Kläger kann ab dem 1. Januar 2028 eine Altersrente für langjährig Versicherte mit Abschlägen in Anspruch nehmen. Er ist Mitglied der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall).
4Die Beklagte betreibt im Konzernverbund ein weltweit tätiges Unternehmen im Bereich der Automobilzulieferung und hier insbesondere der Lichttechnik. Im Betrieb, in dem der Kläger tätig ist, werden mehr als 4.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Es handelt sich um einen Gemeinschaftsbetrieb, den die Beklagte zusammen mit zwei Tochtergesellschaften unterhält. Die Beklagte ist Mitglied im Arbeitgeberverband.
5Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund der beiderseitigen Verbandsangehörigkeit die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung.
6Der Tarifvertrag zum flexiblen Übergang in die Rente für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (nachfolgend: TV FlexÜ) lautet auszugsweise:
7„[…]
8§ 1
9Geltungsbereich
10[…]
113. persönlich: für die Beschäftigten dieser Betriebe, die dem persönlichen Geltungsbereich des Entgeltrahmenabkommens unterfallen, wenn sie Mitglied der IG Metall sind.
12[…]
13§ 3
14Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit
153.1. Arbeitgeber und Betriebsrat beraten über die Möglichkeiten, wie Altersteilzeit im Rahmen der Personalplanung genutzt werden kann.
16[…]
173.3. Im Betrieb kann eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit geschlossen werden.
18[…]
193.4 In bestehenden Betriebsvereinbarungen festgelegte Regelungsinhalte können einvernehmlich fortgeführt werden.
20[…]
21§ 12
22Anspruch
23[…]
2412.1.1 Für Beschäftigte besteht ein Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nach den folgenden Bestimmungen.
25[…]
26Der Anspruch eines Beschäftigten auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nach § 12.2 und/oder 12.3 ist ausgeschlossen, wenn und solange 4 % der Beschäftigten des Betriebes von einer Altersteilzeitregelung Gebrauch machen oder diese Grenze durch den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages überschritten würde.
27Der Anspruch gemäß § 12.2 ist bis zu seiner maximalen Höhe von 3 % bevorzugt zu berücksichtigen.
2812.1.2 Für die Berechnung der Zahl der Beschäftigten ist der Durchschnitt der letzten zwölf Kalendermonate vor dem beabsichtigten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses des Beschäftigten maßgebend. […]
29Bei der Festsetzung der Zahl der Beschäftigten bleiben schwerbehinderte Menschen oder Gleichgestellte im Sinne des SGB IX sowie Auszubildende außer Ansatz. Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden sind mit 0,5 und mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.
3012.2 Beschäftigte, die
31während der letzten 8 Jahre mindestens 6 Jahre beim derzeitigen Arbeitgeber
regelmäßig in drei oder mehr Schichten mit Nachtschicht oder nur in Nachschicht gearbeitet haben oder
unter besonders starken Umgebungseinflüssen gearbeitet haben, die über mittlere Belastungen erheblich hinausgehen
oder
38während der letzten 12 Jahre mindestens 9 Jahre beim derzeitigen Arbeitgeber in Wechselschicht gearbeitet haben,
haben einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages zu folgenden Bedingungen:
4112.2.1 Der Anspruch besteht auf eine bis zu fünfjährige Altersteilzeit frühestens ab Vollendung des 58. Lebensjahres.
42Die Altersteilzeit muss dem Beginn einer geminderten oder ungeminderten Altersrente unmittelbar vorangehen.
4312.2.3 Der Anspruch nach § 12.2 ist ausgeschlossen, wenn und solange 3 % der Beschäftigten des Betriebes von einer Altersteilzeitregelung nach § 12.2 Gebrauch machen oder diese Grenze durch den Abschluss des Altersteilzeitvertrages überschritten würde.
4412.3. Im Übrigen haben Beschäftigte, die die persönlichen Voraussetzungen nach § 2.1 erfüllen, einen Anspruch nach den folgenden Bedingungen:
45Der Anspruch besteht auf eine bis zu vierjährige Altersteilzeit, die frühestens mit der Vollendung des 61. Lebensjahres beginnt und einer ungeminderten Altersrente unmittelbar voran geht. […]
4612.3.1 Der Anspruch nach § 12.3 ist ausgeschlossen, wenn und solange 2 % der Beschäftigten des Betriebes von einer Altersteilzeitregelung nach § 12.3 Gebrauch machen oder diese Grenze durch den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages überschritten würde.
47[…]
4812.6. […]
49Unabhängig von den vorstehenden Regelungen ist für die Bestimmungen des Anspruchs der Zeitpunkt des beabsichtigten Beginns des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses entscheidend.
5012.7 Auch Altersteilzeitverträge, auf deren Abschluss kein Anspruch besteht, können im Einzelfall auf die Quoten nach § 12 angerechnet werden. Eine Anrechnung auf die Quote nach § 12.2.3 erfolgt, soweit der Beschäftigte die Voraussetzungen nach § 12.2 erfüllen würde.
51Eine Anrechnung erfolgt jedoch nur, wenn der Altersteilzeitvertrag frühestens sechs Monate vor dem vereinbarten Beginn der Altersteilzeit vereinbart wurde.
52§ 15
53Übergangsbestimmungen
54Altersteilzeitverträge, die sich zum 31. März 2015 oder innerhalb des Übergangszeitraums gem. § 16.1 in Umsetzung befinden, werden auf die Quote von 4 % nach § 12.1.1 angerechnet und auf der Basis der bis dahin geltenden Bestimmungen unverändert fortgeführt.
55§ 16
56In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten und Kündigung des Tarifvertrages
5716.1 Dieser Tarifvertrag tritt zum 1. April 2015 in Kraft.
58Dabei gilt eine Übergangsfrist bis 31. Dezember 2015, […]“
59Der Kläger erfüllt die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 12 Ziff. 12.2 TV FlexÜ. Am 1. Januar 2023 und 1. Januar 2024 standen insgesamt – unter Berücksichtigung der im TV FlexÜ festgelegten Berechnungsgrundsätze – weit mehr als vier Prozent aller Arbeitnehmer des Betriebs, in dem der Kläger beschäftigt wird, in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis.
60Mit Schreiben vom 13. Juli 2022 bat der Kläger die Beklagte um den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags im Blockmodell für die Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2028. Danach sollte die Arbeitsphase vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2025 und die Freistellungsphase vom 1. Januar 2026 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2028 andauern.
61Die Beklagte lehnte den Abschluss eines entsprechenden Altersteilzeitarbeitsvertrags mit Schreiben vom 20. Juli 2022 ab.
62Mit seiner Klage vom 31. August 2022, bei Gericht eingegangen 1. September 2022 und der Beklagten zugestellt am 5. September 2022, hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
63Er ist der Auffassung gewesen, er habe einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags gemäß § 12 Ziff. 12.2 TV FlexÜ. Er erfülle die tarifvertraglichen Voraussetzungen. Insbesondere hat der Kläger gemeint, im Rahmen der tarifvertraglich vorgesehenen Überlastungsquoten seien lediglich die Altersteilzeitarbeitsverträge zu berücksichtigen, die gewerkschaftsangehörige Arbeitnehmer abgeschlossen hätten. Dies ergebe sich aus § 1 Ziff. 3 TV FlexÜ, der den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags auf Mitglieder der IG Metall beschränke. Zudem ergebe sich aus § 12 Ziff. 12.7 TV FlexÜ, dass Altersteilzeitarbeitsverträge, auf deren Abschluss kein Anspruch bestehe, lediglich „im Einzelfall“ angerechnet werden könnten. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass dies ansonsten grundsätzlich nicht erfolge.
64Der Kläger hat beantragt,
65die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers vom 13. Juli 2021 auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung für die Zeit ab dem 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2028 in Form des Blockmodells anzunehmen, bei dem vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2025 die aktive Phase und vom 1. Januar 2026 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2028 die passive Phase durchgeführt wird.
66Die Beklagte hat beantragt,
67die Klage abzuweisen.
68Sie hat gemeint, im Rahmen der Überlastungsquote gemäß § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ seien sämtliche mit Arbeitnehmern des Betriebs begründeten Altersteilzeitarbeitsverhältnisse zu berücksichtigen. Dies seien zum maßgeblichen Zeitpunkt am 1. Januar 2023 weit mehr als vier Prozent aller Arbeitnehmer gewesen. Es seien nicht lediglich die mit Gewerkschaftsangehörigen geschlossenen Altersteilzeitarbeitsverträge anzurechnen. Sie wisse auch gar nicht, welche Arbeitnehmer Mitglied der Gewerkschaft seien.
69Mit Urteil vom 14. April 2023, das dem Kläger am 24. April 2023 zugestellt worden ist, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Im Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt werde, hätten zum 1. Januar 2023 deutlich mehr als drei und auch vier Prozent aller Beschäftigten in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis gestanden. Damit seien die tarifvertraglichen Überlastungsquoten erfüllt. Es komme bzgl. der Anzahl bereits geschlossener Altersteilzeitvereinbarungen nach dem Inhalt des Tarifvertrags nicht darauf an, ob es sich um Altersteilzeitverhältnisse nach dem TV FlexÜ handele. Die Auffassung des Klägers würde zu einem Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit führen.
70Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 15. Mai 2023 eingelegten und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum Ablauf des 26. Juli 2023 an diesem Tag begründeten Berufung.
71Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass die Regelungen des TV FlexÜ nach dessen Geltungsbereich und damit „vor die Klammer gezogen“ ausdrücklich nur Mitgliedern der IG Metall und damit unmittelbar tarifgebundenen Arbeitnehmern zugutekommen sollen. Dann könnten sich auch lediglich von diesen Arbeitnehmern abgeschlossene Altersteilzeitarbeitsverträge auf die Überlastungsquoten auswirken. Ein Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit sei nicht anzunehmen, denn dem Arbeitgeber werde nicht untersagt, auch mit nichtorganisierten Arbeitnehmern Altersteilzeitarbeitsverträge abzuschließen. Schließlich sei zu bedenken, dass der Kläger als besonders belasteter Arbeitnehmer einen Anspruch auf Altersteilzeit gemäß § 12 Ziff. 12.2 TV FlexÜ geltend mache. Der Anspruch gemäß § 12 Ziff. 12.2 TV FlexÜ sei laut den tarifvertraglichen Regelungen bis zu seiner maximalen Höhe von drei Prozent bevorzugt zu berücksichtigen. Zumindest für die Zeit ab dem 1. Januar 2024 müsse die Beklagte mit dem Kläger für die Dauer von fünf Jahren ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis begründen.
72Der Kläger beantragt zuletzt,
73das Urteil des Arbeitsgericht Hamm vom 14. April 2023 – 2 Ca 910/22 – abzuändern und
741. die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers vom 13. Juli 2021 auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung für die Zeit ab dem 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2028 in Form des Blockmodells anzunehmen, bei dem vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2025 die aktive Phase und vom 1. Januar 2026 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2028 die passive Phase durchgeführt wird;
2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klagantrag zu 1)
die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung für die Zeit ab dem 1. Januar 2024 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2028 in Form des Blockmodells anzunehmen, bei dem vom 1. Januar 2024 bis zum Ablauf des 30. Juni 2026 die aktive Phase und vom 1. Juli 2026 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2028 die passive Phase durchgeführt wird.
79Die Beklagte beantragt,
80die Berufung zurückzuweisen.
81Sie ist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiterhin der Auffassung, dass in der tarifvertraglichen Quotenregelung insbesondere in § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ von Beschäftigten des Betriebs gesprochen werde. Auf eine Gewerkschaftsmitgliedschaft komme es danach nicht an. Die Beklagte verweist auf den Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATG. Auch nach dieser Regelung komme es auf alle Beschäftigten des Betriebs an. Für die Auslegung des TV FlexÜ sei nicht maßgeblich, dass angesichts der im ATG vorgesehenen zeitlichen Begrenzung entsprechende Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nicht mehr erbracht würden. Entgegen der Auffassung des Klägers komme es auf einen ggf. bevorzugten Anspruch besonders belasteter Arbeitnehmer nicht an, weil bereits die allgemeinere Vier-Prozentgrenze überschritten sei. Für eine bevorzugte Behandlung von Arbeitnehmern, die einen Anspruch gemäß § 12 Ziff. 12.2 TV FlexÜ geltend machen, sei nur Raum, wenn jene Quote nicht bereits erfüllt sei. Der vom Kläger geltend gemachte Hilfsantrag sei als Klageänderung anzusehen, in die nicht eingewilligt werde. Sie sei nicht sachdienlich und unzulässig. Im Übrigen habe der Kläger das tarifvertragliche Verfahren zur Geltendmachung eines Altersteilzeitanspruchs für die Zeit ab dem 1. Januar 2024 insoweit nicht eingehalten.
82Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.
83Entscheidungsgründe
84I. Die Berufung ist zulässig.
Die Berufung ist gemäß §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG am 15. Mai 2023 gegen das am 24. April 2023 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt, sowie innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 und 5 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Abs. 3 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG am 26. Juli 2023 begründet worden.
87II. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
881. Die Klage entsprechend dem Hauptantrag ist zulässig.
Sie ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Annahme seines Angebots auf Abgabe einer Willenserklärung gemäß § 894 S. 1 ZPO.
91Dass der Zeitpunkt, zu dem der Vertrag begründet werden soll, in der Vergangenheit liegt, steht der Zulässigkeit des Antrags vor dem Hintergrund der Regelung in § 311a Abs. 1 BGB nicht entgegen (vgl. im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags: Bundesarbeitsgericht 19. September 2017 – 9 AZR 36/17; im Übrigen: Bundesarbeitsgericht 13. Juni 2012 – 7 AZR 519/10; Bundesarbeitsgericht 19. Oktober 2011 – 7 AZR 672/10; Bundesarbeitsgericht 9. Februar 2011 – 7 AZR 91/10).
922. Die Klage entsprechend dem Hauptantrag ist jedoch unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 12 Ziff. 12.2 TV FlexÜ auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung für die Zeit ab dem 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2028 in Form des Blockmodells, bei dem vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2025 die aktive Phase und vom 1. Januar 2026 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2028 die passive Phase durchgeführt wird.
95a) Die Regelungen des TV FlexÜ sind auf das Arbeitsverhältnis gemäß § 3 Abs. 1 TVG aufgrund beiderseitiger Verbandsangehörigkeit normativ anwendbar (vgl. zur Abgrenzung Inhaltsnorm vs. Betriebsnorm: Bundesarbeitsgericht 18. September 2001 – 9 AZR 397/00). Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
96b) Der Kläger erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen gemäß §§ 2 Ziff. 2.1, 12 Ziff. 12.1, 12.1.1 Abs. 1 und 2, 12.2, 12.2.1 Abs. 1 TV FlexÜ, um mit Vollendung des 58. Lebensjahres für die Zeit ab dem 1. Januar 2023 mit der Beklagten einen Altersteilzeitarbeitsvertrag abzuschließen. Auch dies steht zwischen den Parteien außer Streit.
97c) Der Kläger begehrt jedoch den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags für den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2028 und damit für die Dauer von sechs Jahren.
98Gemäß § 12 Ziff. 12.2.1 TV FlexÜ kann der Kläger jedoch allenfalls für die Dauer von fünf Jahren den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags verlangen.
993. Die Klage entsprechend dem Hilfsantrag ist zulässig.
a) Die Kammer bejaht insoweit eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 263 ZPO.
102aa) Es handelt sich nicht lediglich um eine Begrenzung des Klageantrags im Sinne des § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO. Der Kläger begehrt den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags für die Zeit ab dem 1. Januar 2024. Durch die Verkürzung der Altersteilzeitdauer ergibt sich unter anderem eine andere zeitliche Aufteilung in Arbeits- und Freistellungsphase mit abweichenden Anfangs- und Enddaten. Zudem sind der Klage andere Zahlenwerte zur Ermittlung, inwieweit die tarifvertraglichen Überlastungsquoten zum 1. Januar 2024 erfüllt sind, zugrunde zu legen als dies zum 1. Januar 2023 der Fall ist (vgl. im Falle einer Altersteilzeit auch: Landesarbeitsgericht Köln 27. März 2020 – 4 Sa 312/19).
103bb) Die Klageänderung in der Berufungsinstanz ist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 533 Nr. 1, 2 ZPO zulässig. Sie ist auch ohne Einwilligung der Beklagten sachdienlich, da sie geeignet ist, einen weiteren Rechtsstreit zu vermeiden. Das vorliegende Verfahren wird durch die Klageerweiterung nicht verzögert. Die Tatsachen, auf die die Klageänderung gestützt wird, sind gemäß § 67 ArbGG bei der Entscheidung ohnehin zu berücksichtigen. Insbesondere die zur Feststellung, inwieweit die tarifvertraglichen Überlastungsquoten zum 1. Januar 2024 erfüllt sind, erforderlichen, zwischen den Parteien außer Streit stehenden Beschäftigtenzahlen nebst abgeschlossenen Altersteilzeitarbeitsverträgen sind Teil der Gerichtsakte.
104b) Im Übrigen ist auch der Hilfsantrag hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger begehrt auch insofern die Verurteilung der Beklagten zur Annahme seines Angebots auf Abgabe einer Willenserklärung gemäß § 894 S. 1 ZPO.
105Dass auch der Zeitpunkt nach dem Hilfsantrag, zu dem der Vertrag begründet werden soll, in der Vergangenheit liegt, steht der Zulässigkeit des Antrags vor dem Hintergrund der Regelung in § 311a Abs. 1 BGB nicht entgegen (vgl. im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags: Bundesarbeitsgericht 19. September 2017 – 9 AZR 36/17; im Übrigen: Bundesarbeitsgericht 13. Juni 2012 – 7 AZR 519/10; Bundesarbeitsgericht 19. Oktober 2011 – 7 AZR 672/10; Bundesarbeitsgericht 9. Februar 2011 – 7 AZR 91/10).
1064. Die Klage ist jedoch auch entsprechend dem Hilfsantrag unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 12 Ziff. 12.2 TV FlexÜ auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung für die Zeit ab dem 1. Januar 2024 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2028 in Form des Blockmodells, bei dem vom 1. Januar 2024 bis zum Ablauf des 30. Juni 2026 die aktive Phase und vom 1. Juli 2026 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2028 die passive Phase durchgeführt wird.
109a) Es kann dahinstehen, ob der Kläger insoweit das tarifvertraglich vorgesehene Prozedere zur Geltungsmachung des Anspruchs auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung gemäß § 12 Ziff. 12.6 TV FlexÜ hätte einhalten müssen und eingehalten hat.
110b) Dem Anspruch steht entgegen, dass im Betrieb zum 1. Januar 2024 gemäß § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ bereits weit mehr als vier Prozent der Beschäftigten des Betriebs von einer Altersteilzeitregelung Gebrauch gemacht haben.
111aa) Gemäß § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ ist der Anspruch eines Beschäftigten auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nach § 12 Ziff. 2.2 und/oder Ziff. 12.3 ausgeschlossen, wenn und solange vier Prozent der Beschäftigten des Betriebs von einer Altersteilzeitregelung Gebrauch machen oder diese Grenze durch den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages überschritten würde. Für die Berechnung der Zahl der Beschäftigten ist gemäß § 12 Ziff. 12.1.2 TV FlexÜ der Durchschnitt der letzten zwölf Kalendermonate vor dem beabsichtigten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses des Beschäftigten maßgebend. Bei der Festsetzung der Zahl der Beschäftigten bleiben schwerbehinderte Menschen oder Gleichgestellte im Sinne des SGB IX sowie Auszubildende außer Ansatz. Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden sind mit 0,5 und mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Gemäß § 12 Ziff. 6 Abs. 4 TV FlexÜ ist im Hinblick auf das Bestehen des Anspruchs der Zeitpunkt des beabsichtigten Beginns des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses entscheidend.
112bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze machen – zwischen den Parteien unstreitig – zum 1. Januar 2024 insgesamt noch weit mehr als vier Prozent aller Arbeitnehmer des Betriebs von einer Altersteilzeitregelung Gebrauch.
113Die tatsächlich zu berücksichtigende Anzahl der begründeten Altersteilzeitarbeitsverhältnisse ist nicht zu reduzieren, weil nach der tarifvertraglichen Regelung lediglich diejenigen Altersteilzeitarbeitsverhältnisse zu berücksichtigen wären, die mit Gewerkschaftsmitgliedern begründet worden wären.
114Dies ergibt die Auslegung der Regelung in § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ.
115(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu ermitteln ist der Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in der tariflichen Norm ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben danach noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübungen und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (statt aller: Bundesarbeitsgericht 12. Dezember 2018 – 4 AZR 147/17 m.w.N.).
116(2) Bereits der Wortlaut der tariflichen Regelung spricht dafür, auch Altersteilzeitarbeitsverhältnisse nicht organisierter Arbeitnehmer in die Berechnung der zugunsten des jeweiligen Arbeitgebers vereinbarten Überforderungsklausel einzubeziehen.
117Die Belastungsgrenze ist danach erreicht, wenn vier Prozent der Beschäftigten „des Betriebes" von einer Altersteilzeitregelung Gebrauch machen. Insoweit findet sich kein Anhaltspunkt, dass die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer, die nicht Mitglied der Gewerkschaft sind, welche jedoch zweifelsohne ebenfalls „Beschäftigte des Betriebs“ sind, bei der Berechnung des Überlastungsschutzes unberücksichtigt lassen wollten. Bei einem Vergleich der Regelung mit gesetzlichen Regelungen zu Vorruhestand und Altersteilzeit, welche zwar noch nicht außer Kraft getreten, aber aufgrund Ablaufs der Befristung der vorgesehenen Leistungen wirkungslos geworden sind, ergibt sich ein ebensolches Verständnis zum Beispiel aus § 2 Abs. 1 Nr. 4 VRG und auch § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATG (vgl. die Gesetzesmaterialien BT-Drucks. 10/1175, S. 25 und 28 sowie BT-Drucks. 13/4336, S. 18).
118(3) Auch dem Sinn und Zweck der Überlastungsregelung in § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ nach zielt diese nicht auf eine bestimmte Zusammensetzung der Belegschaft mit bestimmten Arbeitnehmergruppen, sondern will den Arbeitgeber vor einer finanziellen Überforderung schützen (vgl. zu entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen: Bundesarbeitsgericht 18. September 2001 – 9 AZR 397/00; Bundesarbeitsgericht 3. Juni 1987 – 4 AZR 573/86; Bundesarbeitsgericht 21. Januar 1987 – 4 AZR 486/86; z.T. unter Bezug auf die Gesetzesmaterialien zum Vorruhestandsgesetz in BT-Drucks. 10/1175, S. 25 und 28). Dies bedeutet, dass es keinen Sinn hätte, Altersteilzeitarbeitsverhältnisse nicht organisierter Arbeitnehmer aus der Überlastungsregelung auszunehmen. Diese belasten den Arbeitgeber ebenfalls.
119Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger vorliegend in einem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigt wird, den die Beklagte mit zwei Tochtergesellschaften unterhält. Zwar mag sich die wirtschaftliche Belastung im Falle eines Gemeinschaftsbetriebs gegebenenfalls auf mehrere Arbeitgeber verteilen. Umgekehrt ist jedoch auch der Fall denkbar, dass ein Arbeitgeber mehrere Betriebe unterhält, in denen die Vier-Prozentgrenze dann jeweils einschlägig ist. Diese unterschiedlichen Möglichkeiten haben die Tarifvertragsparteien offenbar in Kauf genommen, als sie den Begriff und Bezugspunkt des „Betriebs“ gewählt haben.
120(4) Schließlich spricht maßgeblich die Systematik innerhalb des TV FlexÜ gegen die Annahme des Klägers, dass zur Ausfüllung des Anspruchsrahmens nur Altersteilzeitarbeitsverträge organisierter Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind.
121(a) Der Kläger geht bereits mit der Annahme fehl, § 1 Ziff. 3 TV FlexÜ beschränke quasi „vor die Klammer gezogen“ die im Tarifvertrag vorgesehenen Ansprüche auf Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen auf Mitglieder der IG Metall.
122(aa) Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in bestimmten Grenzen zulässig, die Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft im Sinne einer (mitgliedschaftsanknüpfenden) Differenzierungsklausel zum Tatbestandsmerkmal eines Anspruchs zu machen (Bundesarbeitsgericht 18. März 2009 – 4 AZR 64/08). Voraussetzung ist aber, dass die fragliche Klausel in einer einzelnen Tarifregelung – „im Inneren des Tarifvertrages“ – die Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft ausdrücklich zu einer anspruchsbegründenden Voraussetzung macht (Bundesarbeitsgericht 18. März 2009 – 4 AZR 64/08).
123(bb) Bereits dies ist vorliegend im Zusammenhang mit den im TV FlexÜ vorgesehenen Ansprüchen auf Altersteilzeit nicht der Fall. Die Kammer erkennt nicht, dass die Tarifvertragsparteien vorliegend in § 1 Ziff. 3 TV FlexÜ – wie im Übrigen auch in den persönlichen Geltungsbereichen anderer Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (zum Beispiel auch im Manteltarifvertrag mit ganz unterschiedlichen Regelungsgegenständen) – eine Differenzierung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Außenseitern konstitutiv verankern wollten. Die Definition des Geltungsbereichs eines Tarifvertrags ist dafür ungeeignet, weil nach § 4 Abs. 1 S. 1 TVG tarifvertragliche Bestimmungen jedenfalls unmittelbar und zwingend ohnehin nur für die Tarifgebundenen gelten.
124§ 1 Ziff. 3 TV FlexÜ wiederholt mithin lediglich deklaratorisch die Voraussetzungen für eine normative Wirkung des Tarifvertrags gemäß § 4 Abs. 1 TVG (vgl. ebenfalls betreffend die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens im Zusammenhang mit dem Entgeltrahmenabkommen – ERA – vom 18. Dezember 2003 sowie dem Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld vom 14. Februar 2018 – TV T-Zug: Bundesarbeitsgericht 20. Januar 2021 – 4 AZR 286/20; Landesarbeitsgericht Hamm 26. Februar 2020 – 4 Sa 1285/19). Der Beklagten bleibt es im Übrigen unbenommen, auch mit nichtorganisierten Arbeitnehmern Altersteilzeitvereinbarungen zu treffen und hierbei den TV FlexÜ durch Inbezugnahme anzuwenden. Erfolgt insoweit bereits keine konstitutive Begrenzung der tarifvertraglichen Ansprüche auf Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen, kann zumindest aus der Fassung des persönlichen Geltungsbereichs im Hinblick auf die Überlastungsquoten keine Begrenzung der auf diese anzurechnen Altersteilzeitverhältnisse abgeleitet werden.
125(b) Des Weiteren ist gemäß § 12 Ziff. 12.1.2 TV FlexÜ für die Berechnung der Zahl der Beschäftigten im Sinne des § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ der Durchschnitt der letzten zwölf Kalendermonate vor dem beabsichtigten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses des Beschäftigten maßgebend. Bei der Festsetzung der Zahl der Beschäftigten bleiben schwerbehinderte Menschen oder Gleichgestellte im Sinne des SGB IX sowie Auszubildende außer Ansatz. Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden sind mit 0,5 und mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.
126Ein Ausschluss nichtorganisierter Arbeitnehmer oder irgendein Hinweis darauf, dass lediglich infolge Gewerkschaftsmitgliedschaft tarifgebundene Arbeitnehmer zu berücksichtigen wären, ist hingegen nicht erkennbar.
127(c) Von Bedeutung ist nach Auffassung der Kammer in systematischer Hinsicht des Weiteren auch, dass die Tarifvertragsparteien neben der Regelung in § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ zwei weitere Überlastungsquoten vereinbart haben. Diese beziehen sich jeweils auf die beiden Anspruchsarten, die der TV FlexÜ vorsieht. Neben dem Anspruch für besonders belastete Beschäftigte gemäß § 12 Ziff. 12.2 TV FlexÜ, der unter Umständen – wie vorliegend durch den Kläger geltend gemacht – für die Zeit ab Vollendung des 58. Lebensjahres besteht, existiert gemäß § 12 Ziff. 12.3 TV FlexÜ ein allgemeiner Anspruch für Beschäftigte ab Vollendung des 61. Lebensjahres.
128(aa) Bzgl. des Anspruchs für besonders belastete Beschäftigte ist in § 12 Ziff. 12.2.3 TV FlexÜ geregelt, dass der Anspruch nach § 12 Ziff. 12.2 TV FlexÜ ausgeschlossen ist, wenn und solange drei Prozent der Beschäftigten des Betriebes von einer Altersteilzeitregelung nach § 12.2 Gebrauch machen oder diese Grenze durch den Abschluss des Altersteilzeitvertrages überschritten würde. In dieser Regelung ist durch die in § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ nicht vorgesehenen Worte „von einer Altersteilzeitregelung nach § 12.2“ deutlich hervorgehoben, dass sich diese Begrenzung nur auf Altersteilzeitverträge bezieht, die nach § 12 Ziff. 12.2 TV FlexÜ geschlossen worden sind. Nur diese Altersteilzeitarbeitsverhältnisse dürfen bei Ermittlung des Erreichens dieser konkreten Überlastungsquote angerechnet werden.
129Entsprechend verhält es sich bzgl. der gesonderten Überlastungsquote betreffend den allgemeinen Anspruch für Arbeitnehmer für die Zeit ab Vollendung des 61. Lebensjahres gemäß § 12 Ziff. 12.3 TV FlexÜ. Gemäß § 12 Ziff. 12.3.1 TV FlexÜ ist dieser Anspruch ausgeschlossen, wenn und solange zwei Prozent Beschäftigten des Betriebes von einer Altersteilzeitregelung nach § 12.3 Gebrauch machen oder diese Grenze durch den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages überschritten würde. Auch diese Regelung bezieht sich ausdrücklich auf Altersteilzeitarbeitsverträge, die auf der Grundlage des § 12 Ziff. 12.3 TV FlexÜ geschlossen worden sind. Nur diese dürfen bei Ermittlung des Erreichens dieser Überlastungsquote eingerechnet werden.
130(bb) Zwar stützen diese Formulierungen in § 12 Ziff. 12.2.3 TV FlexÜ und § 12 Ziff. 12.3.1 TV FlexÜ ebenfalls nicht die Rechtsauffassung des Klägers, es müsse sich stets um Altersteilzeitarbeitsverhältnisse organisierter Arbeitnehmer handeln. Den Bezug darauf, dass es sich auf Altersteilzeitverträge nach einer Anspruchsgrundlage aus dem TV FlexÜ handeln muss, enthält die allgemeinere, auch systematisch vorangestellte Regelung in § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ jedoch nicht, woraus deutlich wird, dass im Rahmen dieser Regelung tatsächlich auch Altersteilzeitarbeitsverhältnisse von „Beschäftigten des Betriebs“ außerhalb der im TV FlexÜ geregelten Ansprüche zu berücksichtigen sind (vgl. zur Möglichkeit, Altersteilzeitarbeitsverträge abzuschließen allgemein auch § 2 Ziff. 2.1 TV FlexÜ). Im TV FlexÜ selbst ist im Übrigen durch die Tarifvertragsparteien angelegt, dass Altersteilzeit auch über die Ansprüche des TV FlexÜ hinaus im Rahmen der Personalplanung genutzt werden kann und insoweit auf der Grundlage des § 3 TV FlexÜ freiwillige Betriebsvereinbarungen geschlossen bzw. bestehende Betriebsvereinbarungen mit Altersteilzeitregelungen fortgeführt werden können.
131Durch die in den verschiedenen tarifvertraglichen Regelungen vorgenommene Differenzierung wird in systematischer Hinsicht deutlich, dass nach § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ ganz allgemein eine wirtschaftliche Überforderung der Arbeitgeber vermieden werden soll, indem nicht mehr als vier Prozent aller Beschäftigten eines Betriebs Altersteilzeitarbeitsverträge abschließen können sollen. Innerhalb der Gruppe der besonders belasteten Arbeitnehmer ist hingegen – gewissermaßen als „Binnenschranke“ – sichergestellt, dass nicht mehr als drei Prozent dieser besonders belasteten Beschäftigten Altersteilzeitarbeitsverträge abschließen sollen. Und bzgl. des allgemeinen Anspruchs für Beschäftigte ab Vollendung des 61. Lebensjahres ist geregelt, dass aus dieser Gruppe lediglich zwei Prozent der Beschäftigten ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis begründen sollen.
132(d) In diesem Kontext teilt die Kammer auch nicht die Auffassung des Klägers, wenn er meint, seine Rechtsauffassung folge zudem aus der Regelung in § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 5 TV FlexÜ.
133Diese Regelung bestimmt, dass der Anspruch für besonders belastete Arbeitnehmer gemäß § 12 Ziff. 12.2 TV FlexÜ vorrangig zu berücksichtigen sei. Dies kann – und darauf weist die Beklagte zu Recht hin – nur eine Rolle spielen, soweit die Vier-Prozentgrenze noch nicht überschritten ist und verschiedene Ansprüche nach dem TV FlexÜ kollidieren. In dem Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt ist, stehen jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt am 1. Januar 2024 bereits weit mehr als vier Prozent aller Arbeitnehmer in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Die Überlastungsgrenze ist überschritten. Auf einen vermeintlichen Vorrang kommt es nicht (mehr) an.
134(e) Weiter kann der Kläger schließlich nicht damit durchdringen, dass sich seine Rechtsauffassung aus § 12 Ziff. 12.7 TV FlexÜ ergebe.
135Diese Regelung sieht in Satz 1 vor, dass auch Altersteilzeitverträge, auf deren Abschluss kein Anspruch besteht, im Einzelfall auf die Quoten nach § 12 angerechnet werden können. Die Kammer versteht diesen Begriff – gerade unter systematischer Betrachtung im Zusammenhang mit den weiteren Regelungen des TV FlexÜ – so, dass es sich nicht lediglich um eine Ausnahme handeln soll. Vielmehr ist mit „im Einzelfall“ gemeint, dass dies den konkreten Einzel- bzw. Anwendungsfall – wie auch den des Klägers – betrifft.
136Dies muss auch deshalb gelten, als Satz 2 der vom Kläger angeführten Regelung vorsieht, dass eine Anrechnung auf die Quote nach § 12 Ziff. 12.2.3 TV FlexÜ dann erfolgt, soweit der Beschäftigte die Voraussetzungen nach § 12 Ziff. 12.2 TV FlexÜ „erfüllen würde“. Auch im Falle des § 12 Ziff. 12.7 TV FlexÜ haben die Tarifvertragsparteien mithin zwischen den verschiedenen Überlastungsquoten differenziert. Zum einen können im konkreten Anwendungs- oder Einzelfall generell auch Altersteilzeitarbeitsverträge berücksichtigt werden, die außerhalb des Geltungsbereichs des TV FlexÜ und der darin vorgesehenen Ansprüche geschlossen werden. Dies wird ungeachtet des Wortlauts der Regelung in § 12 Ziff. 1.1 Abs. 4 TV FlexÜ noch einmal klargestellt. Allerdings soll dies im Falle der Quote nach § 12 Ziff. 12.2.3 TV FlexÜ nur dann gelten, wenn mit einem Arbeitnehmer zwar nicht auf der Grundlage des § 12 Ziff. 12.2 TV FlexÜ ein Altersteilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, der Arbeitnehmer aber die Voraussetzungen erfüllen würde.
137(f) Schließlich verdeutlichen die Regelungen in § 15 TV FlexÜ zu den Übergangsbestimmungen und in § 16 TV FlexÜ unter anderem zum Inkrafttreten des Tarifvertrags, dass in die Überlastungsquote gemäß § 12 Ziff. 12.1.1. Abs. 4 TV FlexÜ Altersteilzeitarbeitsverträge auch mit nichtorganisierten Arbeitnehmern des Betriebs einzurechnen sind.
138Gemäß § 15 TV FlexÜ ist geregelt, dass Altersteilzeitverträge, die sich zum 31. März 2015 oder innerhalb des Übergangszeitraums gemäß § 16.1 TV FlexÜ in Umsetzung befinden, auf die Quote von vier Prozent nach § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ angerechnet und auf der Basis der bis dahin geltenden Bestimmungen unverändert fortgeführt werden. § 16 Ziff. 16.1 TV FlexÜ regelt, dass der Tarifvertrag am 1. April 2015 in Kraft tritt und eine Übergangsfrist bis 31. Dezember 2015 läuft, innerhalb derer der Tarifvertrag zur Anwendung gebracht werden kann und muss.
139Quasi wie ein „roter Faden“ zieht sich die Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Überlastungsregelungen im TV FlexÜ – vier, drei und zwei Prozent, jeweils mit unterschiedlichen Bezugswerten – bis zum Ende durch den Tarifvertrag. Denn auch in §§ 15, 16 TV FlexÜ wird noch einmal klargestellt, dass sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifvertrags schon bestehende Altersteilzeitarbeitsverträge auf die Überlastungsquote in Höhe von vier Prozent – ausdrücklich nicht genannt: die Quoten in Höhe von drei und zwei Prozent – auswirken sollen. Das heißt, die Tarifvertragsparteien wollten auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bzw. bis zum Ablauf der Übergangsfrist schon vorhandene Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die unabhängig von den bei ihrer Begründung noch nicht bestehenden Regelungen des TV FlexÜ eingegangen worden sind, im Rahmen der Vier-Prozentgrenze berücksichtigt wissen. Dies erklärt sich wiederum daraus – und insofern schließt sich die Argumentationskette –, dass die Quote gemäß § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ gerade das maßgebliche Ziel verfolgt, den Arbeitgeber vor wirtschaftlicher Überlastung zu schützen. Insoweit ist es jedoch nicht nur ohne Bedeutung, ob ein Altersteilzeitvertrag auf der Grundlage des TV FlexÜ oder mit welchem Arbeitnehmer ein Altersteilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen worden ist. Es ist auch völlig ohne Bedeutung, ob dieser vor oder nach Inkrafttreten des TV FlexÜ bzw. Ablaufen der Übergangsfrist abgeschlossen worden ist. In jedem Fall hätte es keinen Sinn, im Rahmen des Überlastungsschutzes gemäß § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ darauf abzustellen, dass alle Altersteilzeitarbeitsverträge auf der Grundlage des Tarifvertrags durch einen organisierten tarifgebundenen Arbeitnehmer abgeschlossen worden sein müssen, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV FlexÜ bzw. des Ablaufs der Übergangsfrist hingegen schon bestehende Altersteilzeitarbeitsverträge anzurechnen.
140(5) Vor dem Hintergrund des vorstehend erzielten Auslegungsergebnisses bedarf es eines Rückgriffs auf die Wertungen des Art. 9 Abs. 3 GG nicht mehr (hierzu: Bundesarbeitsgericht 18. September 2001 – 9 AZR 397/00; Bundesarbeitsgericht 21. Januar 1987 – 4 AZR 486/86).
141Ungeachtet dessen bestätigen auch diese Wertungen das vorstehend gewonnene Auslegungsergebnis. Dies hat das Arbeitsgericht unter Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend erkannt. Würde im Rahmen des Überlastungsschutzes gemäß § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ lediglich auf Altersteilzeitarbeitsverhältnisse mit tarifgebundenen Arbeitnehmer abgestellt, würde ein Arbeitgeber vorzugsweise mit diesen Arbeitnehmern Altersteilzeitarbeitsverträge abschließen, damit sich diese in seinem Interesse auch auf die Quote auswirken. Nicht organisierte Arbeitnehmer hätten es vor diesem Hintergrund deutlich schwerer, mit dem Arbeitgeber Altersteilzeitarbeitsverträge abzuschließen.
142c) Nach alledem hat der Kläger angesichts der mit weit mehr als vier Prozent der Beschäftigten des Betriebes bereits begründeten Altersteilzeitarbeitsverhältnisse keinen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags für den Zeitraum vom 1. Januar 2024 bis zum Ablauf des 31. Januar 2028.
143III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
144IV. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.
145Die Kammer sieht keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung. Vielmehr handelt es sich um einen einzelnen Anwendungsfall – den des Klägers – im Geltungsbereich des TV FlexÜ. Im Rahmen der konkreten Auslegung der tarifvertraglichen Regelungen hat sich die Kammer im Übrigen vollständig innerhalb der bereits ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – unter anderem auch zu den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens – bewegt. Dies betrifft insbesondere die Auslegung der Regelung des § 1 Ziff. 3 TV FlexÜ (vgl. Bundesarbeitsgericht 20. Januar 2021 – 4 AZR 286/20) wie auch die Regelung des § 12 Ziff. 12.1.1 Abs. 4 TV FlexÜ (vgl. Bundesarbeitsgericht 18. September 2001 – 9 AZR 397/00; Bundesarbeitsgericht 3. Juni 1987 – 4 AZR 573/86; Bundesarbeitsgericht 21. Januar 1987 – 4 AZR 486/86).
146RECHTSMITTELBELEHRUNG
147Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
148Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.