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Ein an den TVöD-V gebundener öffentlicher Arbeitgeber kann dazu berechtigt sein, Bewerber, die die Regelaltersgrenze überschritten haben, unabhängig davon, ob sie schwerbehindert sind oder nicht, aufgrund des Alters im Sinne der Generationengerechtigkeit nicht einzustellen und nicht zum Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn ein jüngerer qualifizierter Bewerber für die Stelle vorhanden ist.
1. Dem Kläger wird hinsichtlich der versäumten Frist zur Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 01.02.2024, Az. 1 Ca 1036/23 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 01.02.2024, Az. 1 Ca 1036/23 wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Wiedereinsetzung hat der Kläger zu tragen.
4. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG wegen einer Benachteiligung wegen einer Behinderung und/oder des Alters zu zahlen.
3Die Beklagte, die Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband ist, schrieb unter dem 02.02.2023 eine Stelle als „Sachbearbeiter/in für die Verwaltung der A (m/w/d)“ in B in Vollzeit oder Teilzeit (30 bis 39 Wochenstunden) aus, die nach der Entgeltgruppe 6 TVöD vergütet werden sollte. Das Entgelt der EG 6 Stufe 1 belief sich nach dem TVöD-V bis zum 29.02.2024 auf 2.683,45 Euro brutto. In der Stellenausschreibung wurden „eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung, gerne zur/zum Verwaltungsfachangestellten, mehrjährige Berufserfahrung, wünschenswert in einer öffentlichen Einrichtung, ein hohes Maß an sozialer Kompetenz (Kommunikations- und Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit), strukturierte und eigenständige Arbeitsweise“ sowie „Freude im Umgang mit Menschen und einem vielseitigen Arbeitsfeld“ gefordert. Zudem war angegeben, dass die Stelle für 24 Monate befristet und eine Übernahme möglich sei. Bewerbungen von Schwerbehinderten sollten bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt werden. Die Bewerbung sollte bis zum 24.02.2023 per E-Mail an die Verwaltungsleiterin der Beklagten gesandt werden. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Stellenausschreibung (Anlage K1, Bl. 8 der erstinstanzlichen Akte, nachfolgend d. A.) verwiesen.
4Der am 14.05.1956 geborene, verheiratete, schwerbehinderte Kläger ist ausgebildeter Großhandelskaufmann und hat die Regelaltersgrenze überschritten. Er bewarb sich unter dem 06.02.2023 postalisch auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle. Das an die Verwaltungsleiterin gerichtete Anschreiben lautet im Wesentlichen wie folgt:
5„Sachbearbeiter für die Verwaltung der A in Vollzeit
6Sehr geehrte Frau C,
7Ihre Stellenanzeige hat nicht nur mein Interesse für die vakante Position geweckt, sondern mich auch neugierig auf die A gemacht. Bereits während meiner Tätigkeit in der D-Kreisverwaltung hatte ich viel Freude an der Arbeit mit Menschen und konnte hier zusätzliche interkulturelle Erfahrungen sammeln und aus diesem Grund biete ich Ihnen meine Unterstützung für diese Stelle an.
8Als kaufmännischer Generalist mit langjährigen praxisorientierten Tätigkeiten konnte ich vielseitige Erfahrungen erwerben und kann auf deshalb umfassendes Know-how zurückgreifen. Zu meinen Kernaufgaben gehörten unter anderem die Erfassung und Pflege von Kundendaten, telefonische Beratung und persönliche Betreuung von Neu- und Bestandskunden. Zu meinen Aufgaben als Bürokraft gehörte u.a. die Büroorganisation, allgemeine Verwaltungsaufgaben, Telefondienst und Empfang. Der sichere Umgang mit allen gängigen MS-Office-Standardanwendungen ist mir vertraut.
9Leider musste ich aus gesundheitlichen Gründen meine Erwerbstätigkeit unterbrechen und mich aufgrund meiner Schwerbehinderung beruflich neu orientieren. In meiner vorletzten Position war ich als kaufmännischer Mitarbeiter in der Stabsabteilung Öffentlichkeitsarbeit tätig und mitverantwortlich für die Bereiche Ehrenamt und Verbandsarbeit. Zu meinen Aufgaben gehörten hier neben administrativen Arbeiten auch die organisatorische Bearbeitung von diversen Veranstaltungen, Schulungen und Seminare, d.h. von der Planung, über die Aus wahl der Tagungshäuser bis zu Abrechnung und statistischen Auswertung. Die Überprüfung der Vereinskonten auf Beitragsrückstände einschließlich Mahnwesen gehörte ebenfalls zum Aufgabenbereich.
10Zuletzt war ich als Regierungsbeschäftigter (Teilzeitkraft) im E F tätig und hier im Bereich Verwaltung / Infoservice. Leider wurde das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit aufgelöst und aus diesem Grund suche ich jetzt eine neue berufliche Aufgabe, auch wenn dies mit einem Umzug verbunden ist.
11Ich freue mich auf ein persönliches Kennenlernen.
12Mit freundlichen Grüßen
13Aufgrund einer technischen Störung ist eine Online-Bewerbung leider nicht möglich.“
14Beigefügt waren dem Anschreiben eine Kopie des Schwerbehindertenausweises, der Lebenslauf (Anlage K4, Bl. 13f d. A.) sowie Zeugnisse (Anlage K4, Bl. 15ff d. A.). Für die Einzelheiten wird auf den Lebenslauf und die Zeugnisse Bezug genommen.
15Auf die Stelle bewarben sich 24 Personen, von denen nur der Kläger die Regelaltersgrenze überschritten hatte. Unter dem 27.03.2023 schloss die Beklagte mit einer im Jahr 1976 geborenen Bewerberin mit Wirkung ab dem 01.05.2023 einen bis zum 30.04.2024 befristeten Arbeitsvertrag.
16Mit Schreiben vom 03.04.2023 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten nach dem Stand des Bewerbungsverfahrens. Mit E-Mail vom 06.04.2023 teilte die Beklagte mit, dass sich das Bewerbungsverfahren verzögert habe, und erteilte dem Kläger eine Absage. Mit Schreiben vom 17.04.2023 bat der Kläger die Schwerbehindertenvertretung der Beklagten um Mitteilung, ob diese an der Entscheidung beteiligt gewesen sei. Mit Schreiben vom 22.04.2023 bat der Kläger die Beklagte um Mitteilung der Gründe für die Absage, um seine Bewerbung optimieren zu können. Mit Schreiben vom 13.05.2023 machte der Kläger unter Verweis auf einen Verstoß gegen § 165 Satz 3 SGB IX einen Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten in Höhe von 8.176,98 Euro unter Fristsetzung bis zum 30.05.2023 geltend. Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.05.2023 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Benachteiligung wegen einer Schwerbehinderung nicht gegeben sei und eine Entschädigung daher nicht in Betracht komme.
17Mit seiner am 14.08.2023 (Montag) beim Arbeitsgericht Bochum eingegangenen und der Beklagten am 16.08.2023 zugestellten Klage hat der Kläger seinen Entschädigungsanspruch in Höhe von 8.176,98 Euro brutto zzgl. Verzugszinsen weiterverfolgt.
18Der Kläger hat geltend gemacht, dass er für die Stelle nicht offensichtlich ungeeignet sei und die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts daher gemäß § 165 Satz 3 SGB IX verpflichtet gewesen sei, ihn aufgrund seiner mitgeteilten Schwerbehinderung zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Der Verstoß gegen diese Pflicht lasse eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten. Diese Vermutung habe die Beklagte nicht widerlegt. Sofern die Beklagte sich im Rechtsstreit nun darauf berufe, dass er aufgrund des Erreichens der Regelaltersgrenze offensichtlich ungeeignet sei, und grundsätzlich keine externen Bewerber jenseits der Regelaltersgrenze eingestellt würden, ergebe sich daraus ein zusätzliches Indiz für eine Altersdiskriminierung. Zu berücksichtigen sei, dass der TVöD kein Einstellungsverbot für Bewerber im Rentenalter vorsehe. Zudem könne das Erreichen bzw. Überschreiten der Regelaltersgrenze es nicht rechtfertigen, einen solchen Bewerber von vorneherein aus dem Bewerbungsverfahren auszuschließen; hierzu hat der Kläger auf die Entscheidungen des LAG Niedersachen vom 01.08.2018, Az. 17 Sa 1302/17 und des LAG Köln vom 05.02.2021, Az. 10 Sa 731/20 verwiesen. Im Übrigen könnten auch sozialpolitische Gründe keine Schlechterstellung von Menschen im Rentenalter rechtfertigen, da ein schwerwiegender Arbeitskräftemangel bestehe. Zudem habe es sich vorliegend nur um eine befristete Stelle gehandelt. Für die zu beanspruchende Entschädigung seien aufgrund der Mehrfachdiskriminierung drei Monatsgehälter nach TV-L EG 6 Stufe 1 in Höhe von jeweils 2.725,66 Euro (Vollzeitvergütung) zu berücksichtigen. Der von der Beklagten erhobene Einwand des Rechtsmissbrauchs gehe fehl; es gebe weder einen Erfahrungssatz des Inhalts, dass nur derjenige, der ein überzeugendes Bewerbungsschreiben verfasse, an der Stelle interessiert sei, noch den gegenteiligen Erfahrungssatz, dass derjenige, dessen Bewerbungsschreiben diesen Vorgaben nicht entspreche, sich nur mit dem Ziel bewerbe, die formale Position des Bewerbers zu erlangen. Weder die Tatsache, dass er angegeben habe, nach Witten ziehen zu wollen, noch seine Bewerbung „in Papier“ (statt online) ändere etwas an seiner formellen Bewerberstellung.
19Der Kläger hat beantragt,
20die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 8.176,98 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.5.2023 zu zahlen.
21Die Beklagte hat beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagte hat geltend gemacht, dass eine Verpflichtung zur Einladung des Klägers zum Vorstellungsgespräch gemäß § 165 Satz 3 SGB IX nach Sinn und Zweck dieser Regelung nicht bestanden habe. Die Regelung diene der Integration von schwerbehinderten Menschen in den Arbeitsmarkt auf einem Dauerarbeitsplatz. Da der Kläger die Regelaltersgrenze unstreitig bereits überschritten habe, wäre er von der Arbeitsagentur und dem Integrationsfachdient für die Stelle auch nicht vorgeschlagen worden und sei das Teilhabeziel nicht mehr erreichbar. § 165 SGB IX finde vorliegend daher schon keine Anwendung. Selbst wenn die Regelung anwendbar sein sollte, dann sei der Kläger für die Stelle wegen des Erreichens der Regelaltersgrenze offensichtlich ungeeignet und würde die Einladung zum Vorstellungsgespräch eine bloße Förmelei darstellen. So sehe der TVöD unstreitig eine Befristung auf die Regelaltersgrenze vor und stelle sie grundsätzlich keine externen Bewerber ein, die die Regelaltersgrenze erreicht oder überschritten hätten. Damit werde eine ausgeglichene Altersstruktur, die Berufschancen jüngerer Menschen und eine dauerhafte Arbeitsplatzbesetzung gefördert. Eine Benachteiligung wegen der Behinderung scheide daher schon deshalb aus, weil für die Absage allein das Überschreiten der Regelaltersgrenze ausschlaggebend gewesen sei. Es liege auch keine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung vor, da alle externen Bewerber jenseits der Regelaltersgrenze nicht eingestellt würden. Die Entscheidung zur Nichteinstellung externer Bewerber im Rentenalters sei auch durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt. Insoweit hat die Beklagte Bezug genommen auf das Urteil des BAG vom 31.03.2022, Az. 8 AZR 238/21. Danach sei die Ablehnung eines Bewerbers, der die Regelaltersgrenze überschritten habe, grundsätzlich berechtigt, wenn entweder für seine Einstellung kein entsprechender Bedarf bestand, weil für die zu besetzende Stelle ein geeigneter Bewerber zur Verfügung stand, der die Regelaltersgrenze noch nicht überschritten hatte, oder es sich bei der ausgeschriebenen Stelle um eine dauerhaft zu besetzende Stelle handelte. Vorliegend habe es sich bei der ausgeschriebenen Stelle um einen Dauerarbeitsplatz gehandelt; der erstmalige Arbeitsvertrag werde immer befristet abgeschlossen; in der Ausschreibung sei jedoch schon die angestrebte dauerhafte Besetzung angegeben worden. Zudem sei die Stelle – unstreitig – mit einer Mitarbeiterin unterhalb der Regelaltersgrenze besetzt worden.
24Darüber hinaus stelle sich die Bewerbung auch als rechtsmissbräuchlich dar. Dies ergebe sich schon aus der äußeren Aufmachung. So sei der Text der Stellenausschreibung im Betreff falsch wiedergeben worden, fehle es nach der Anrede an einem Absatz und enthalte das Schreiben eine Reihe von Rechtschreibfehlern. Zudem sprächen der Hinweis auf eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen und eine Neuorientierung sowie der Hinweis auf die Auflösung des letzten Arbeitsverhältnisses in der Probezeit ohne Begründung für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Klägers. Auch sei ein Umzug von F nach B angesichts dessen, dass der Kläger ausweislich des Lebenslaufs seit 2010 ausschließlich in F gearbeitet habe, unglaubwürdig. Des Weiteren sei die angebliche technische Störung für eine Onlinebewerbung nicht glaubhaft, da noch ausreichend Zeit bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist zur Verfügung gestanden habe.
25Die vom Kläger geltend gemachte Höhe der Entschädigung sei letztlich zu hoch bemessen. Zu berücksichtigen sei, dass sie, die Beklagte, von rechtmäßigem Handeln ausgegangen sei und daher allenfalls ein geringer Verstoß gegeben sei. Maximal sei ein Viertel der Forderung gerechtfertigt.
26Mit Urteil vom 01.02.2024 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Absatz 2 AGG sei nicht gegeben, da der Kläger nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt worden sei. Vielmehr sei die Nichteinstellung wegen des Überschreitens der Regelaltersgrenze und des Rentenbezugs erfolgt. Darin liege auch keine unzulässige (unmittelbare) Benachteiligung wegen des Alters, denn diese sei nach § 10 AGG gerechtfertigt. § 10 AGG sei unionsrechtskonform auszulegen. Das von der Beklagten verfolgte Ziel der Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur und die Förderung jüngerer Mitarbeiter sowie die dauerhafte Besetzung stelle ein legitimes Ziel dar. Die Beklagte habe hierzu – anders als der Arbeitgeber in dem vom LAG Niedersachen mit Urteil vom 01.08.2018 entschiedenen Fall - hinreichend substantiiert vorgetragen. Vorliegend sei demnach eine geeignete Bewerberin unterhalb der Regelaltersgrenze vorhanden gewesen. Zudem sei es mangels gegenteiligen Klägervorbringens um einen Dauerarbeitsplatz gegangen. Letztlich würden auch keine legitimen Interessen des Klägers beeinträchtigt, da dieser über ein geregeltes Einkommen in Form der Rente verfüge und weitere zu seinen Gunsten zu berücksichtigende Umstände nicht vorgetragen habe.
27Gegen das ihm am 27.02.2024 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.04.2024 eingelegte, mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundene und zugleich begründete Berufung des Klägers, nachdem der Kläger am 27.03.2024 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung gestellt hatte und diesem mit Beschluss vom 24.04.2024, zugestellt am 25.04.2024, entsprochen worden war. In dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hieß es, dass nach Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt werde, ihm bezüglich der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
28Der Kläger macht geltend, dass ihm die fristgemäß beantragte Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren sei, da das Hindernis für die fehlende Fristwahrung mit der PKH-Bewilligung vom 24.04.2024 entfallen sei.
29Die Berufung begründet der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines Sachvortrags erster Instanz ergänzend wie folgt:
30Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass es nicht um eine Benachteiligung durch die Nichteinstellung, sondern um die Benachteiligung durch die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch gehe. Die von der Beklagten dargelegten Ziele rechtfertigten es nicht, ihm das Recht auf ein Vorstellungsgespräch zu verwehren und ihn ohne Einzelfallprüfung aus dem Verfahren auszuschließen. Zudem habe die Beklagte nur allgemeine Ziele benannt und insofern nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Zwar könne der Zugang jüngerer Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt ein legitimes Ziel sein, aber es sei eine konkrete Prüfung vorzunehmen, ob der Ausschluss aller Bewerber im Rentenalter und seiner Person als schwerbehinderter Mensch erforderlich sei. Dies sei vorliegend angesichts des Arbeitskräftemangels und des Bewerbermarktes nicht nötig. Aus diesem Grund werde auch seit dem 01.01.2024 kein Erwerbseinkommen mehr auf die vorgezogene Altersrente angerechnet; Erwerbsarbeit im Rentenalter solle gefördert werden. Des Weiteren sei das Kriterium des Rentenalters unstreitig nicht in der Stellenausschreibung genannt. Sein Ausschluss aus dem Bewerbungsverfahren sei auch nicht angemessen. Nicht berücksichtigt worden sei von der Beklagten seine Schwerbehinderung und die Höhe seiner Rente, die sich auf lediglich 1.186,96 Euro belaufe. Der Aufbau von Rentenansprüchen sei, wie sich aus § 5 Abs. 4 SGB VI ergebe, auch noch möglich.
31Zum Rechtsmissbrauchseinwand der Beklagten führt der Kläger in der Berufungsverhandlung an, dass er sich im Zeitraum Januar 2023 bis Dezember 2023 bei 25 unterschiedlichen Arbeitgebern, öffentlichen Arbeitgebern und Privatunternehmen, beworben und im Jahr 2023 7 Vorstellungsgespräche, im Jahr 2024 bereits 4 Vorstellungsgespräche wahrgenommen habe. Hierzu verweist er auf die in der Berufungsverhandlung überreichten Übersichten (Bl. 79ff der Berufungsakte, nachfolgend d. BA.), die deutschlandweite Bewerbungen ausweisen und auf die für die Einzelheiten Bezug genommen wird. Er und seine Frau seien mobil und nicht ortsgebunden. So habe er auch während seiner Tätigkeit als Business Development Manager Healthcare (August 2003-Dezember 2008) in G eine Dienstwohnung gehabt. Sein Wohnort und der potentielle Arbeitsort bei der Beklagten würden auch nicht so weit voneinander entfernt liegen, als dass er nicht auch täglich pendeln könnte. Wie viele Verfahren dieser Art er schon geführt habe, wolle er nicht mitteilen, es seien aber einige gewesen. Er wolle damit auf die Missachtung der Rechte schwerbehinderter Menschen aufmerksam machen. Wenn er als schwerbehinderter Mensch nicht eingeladen werde, dann wäge er ab und erhebe eine AGG-Klage. Die technische Störung habe, so behauptet der Kläger in der Berufungsverhandlung, innerhalb der Bewerbungsfrist nicht behoben werden können.
32Der Kläger beantragt,
331. ihm wegen der Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und
2. das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 01.02.2024 teilweise abzuändern und die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, ihm eine Entschädigung in Höhe von 8.176,98 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
381. den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen und die Berufung als unzulässig zu verwerfen und hilfsweise,
2. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie macht geltend, dass dem Kläger keine Wiedereinsetzung zu gewähren sei, da die Berufung unter der Bedingung der PKH-Bewilligung eingelegt worden sei und eine bedingte Berufung unzulässig sei.
43Im Übrigen verteidigt die Beklagte das arbeitsgerichtliche Urteil und führt ergänzend an, dass schwerbehinderte Bewerber unterhalb der Regelaltersgrenze von ihr üblicherweise eingeladen würden. Die Nichteinstellung externer Bewerber im Rentenalter sei gerechtfertigt. Zur Zeit gebe es bei ihr – unbestritten - keine Mitarbeiter unter 30 Jahren, 5 Mitarbeiter zwischen 30 und 39 Jahren, 14 Mitarbeiter zwischen 40 und 49 Jahren, 16 Mitarbeiter zwischen 50 und 59 Jahren und 12 Mitarbeiter über 60 Jahren. Ziel sei daher eine ausgewogene Altersstruktur. Das von dem Kläger in Bezug genommene Urteil des LAG Niedersachsen vom 01.08.2018 sei im Hinblick auf das Urteil des BAG vom 31.03.2022, Az. 8 AZR 238/21 nicht zu berücksichtigen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die der Entscheidung des BAG vorhergehende Entscheidung des LAG Köln vom 05.02.2021, Az. 10 Sa 731/20 den Inhalt des Urteils des LAG Niedersachsen für die eigene Begründung zugrunde gelegt und das BAG genau zu dieser Frage Stellung bezogen und eine andere Auffassung vertreten habe. Entgegen der Ansicht des Klägers habe das Kriterium des Rentenalters auch nicht in der Ausschreibung genannt werden müssen, da dieses von der jeweiligen Bewerberlage abhängig sei. Die Arbeitsmarktlage sowie die Höhe der bezogenen Rente seien nach dem Urteil des BAG vom 25.04.2024, Az. 8 AZR 140/23 irrelevant. Sie könne zudem schon aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht nach der Rentenhöhe fragen und sei auch nicht zur Sozialauswahl unter den Bewerbern verpflichtet.
44Die Beklagte moniert, dass die näheren Hintergründe der behaupteten anderweitigen Bewerbungen und Vorstellungsgespräche des Klägers nicht ersichtlich seien, insbesondere nicht wie der Kläger sich dort beworben habe. Ein Umzug von F nach B sei angesichts dessen, dass der Kläger ausweislich des Lebenslaufs immer im Umkreis von B gearbeitet und in G nach eigenem Vortrag nur eine Dienstwohnung gehabt habe, der Lebensmittelpunkt also immer in F gewesen sei, unglaubwürdig. Hinsichtlich des – von ihr bestrittenen - Vortrags des Klägers in der Berufungsverhandlung rügt die Beklagte zudem Verspätung.
45Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von den Parteien zu Protokoll abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
46E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
47Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
48I. Die Berufung des Klägers ist zulässig.
1. Die Berufung ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, § 64 Absatz 2 lit. b) ArbGG.
2. Sie wurde nach Maßgabe der §§ 519 ZPO, 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG, 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG am 25.04.2024 gegen das am 27.02.2024 zugestellte Urteil vom 01.02.2024 formgerecht, aber nicht innerhalb der Monatsfrist eingelegt.
Dem Kläger ist für die Berufungsfrist jedoch gemäß § 233 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gemäß § 233 Satz 1 ZPO ist einer Partei auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist einzuhalten. Dabei muss die Wiedereinsetzung innerhalb einer zweiwöchigen Frist, die mit dem Tag beginnt, an dem das Hindernis behoben ist, beantragt werden (§ 234 Absatz 1, Absatz 2 ZPO). Vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Beiordnung eines Rechtsanwalts war der Kläger ohne Verschulden daran gehindert, die Berufungsfrist, bei der es sich um eine Notfrist handelt, einzuhalten. Der Kläger hat innerhalb der Berufungsfrist die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig ausgefüllt und mit Belegen versehen vorgelegt. Eine unwirksame, weil bedingt beantragte Wiedereinsetzung vor der Entscheidung über den gleichzeitig eingereichten Prozesskostenhilfeantrag hindert die antragstellende Partei nicht, nach der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag wirksam Wiedereinsetzung zu beantragen und Berufung einzulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 05.02.2013, Az. VIII ZB 38/12, juris, Rn. 11; BGH, Beschluss vom 09.12.1954, Az. IV ZB 94/54, BGHZ 16, 1-4; BGH, Beschluss vom 19.09.2013, Az. IX ZB 67/12, juris). Der Kläger hat am Tag der Zustellung des PKH-Bewilligungsbeschlusses vom 24.04.2024 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zugleich – unbedingt – Berufung eingelegt. Die Wiedereinsetzungsfristen des § 234 Absatz 1 ZPO sind somit gewahrt.
553. Die Berufung wurde innerhalb der Frist gemäß § 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Absatz 3, 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG am 25.04.2024 begründet.
II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG zzgl. Verzugszinsen.
601. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Absatz 1 Satz 2 Alternative 1 AGG. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter im Sinne des AGG (§ 6 Absatz 1 Satz 2 Alternative 1 AGG). Die Beklagte ist Arbeitgeber im Sinne von § 6 Absatz 2 AGG.
2. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch form- und fristgerecht nach § 15 Absatz 4 AGG und § 61b Absatz 1 ArbGG geltend gemacht und eingeklagt. Gemäß § 15 Absatz 4 AGG muss der Anspruch binnen 2 Monaten ab Zugang der Ablehnung schriftlich geltend gemacht werden. Gemäß § 61b Absatz 1 ArbGG muss die Klage binnen 3 Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung erhoben werden. Die Absage erhielt der Kläger am 06.04.2023, mit Schreiben vom 13.05.2023 und somit binnen 2 Monaten machte er gegenüber der Beklagten einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Absatz 2 AGG geltend. Die Klage ging am Montag, den 14.08.2023 und damit am letzten Tag der dreimonatigen Klagefrist (§ 222 Absatz 1, Absatz 2 ZPO i. V. m. §§ 187 Absatz 1, 188 Absatz 2 BGB) bei Gericht ein und wurde der Beklagten am 16.08.2023 und damit „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO zugestellt.
3. Tatbestandsvoraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Absatz 2 Satz 1 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Absatz 1 i.V.m. § 1 AGG. Dies stellt zwar § 15 Absatz 2 AGG nicht ausdrücklich klar, es ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in § 15 AGG (vgl. BAG, Urteil vom 22.01.2009, Az. 8 AZR 906/07, juris).
Die Beklagte hat im Ergebnis nicht gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Absatz 1 i.V.m. § 1 AGG weder wegen des Alters noch wegen der Behinderung des Klägers verstoßen.
67a) Gemäß § 7 Absatz 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Zu den Gründen nach § 1 AGG gehören u.a. eine Behinderung und das Alter.
68Nach § 3 Absatz 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
69Da für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Absatz 2 AGG die weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt sein muss, ist ein Kausalzusammenhang erforderlich. Dieser ist dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen in § 1 AGG genannten oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist. Ausreichend ist, dass ein in § 1 AGG genannter Grund Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat (vgl. BAG, Urteil vom 22.01.2009, Az. 8 AZR 906/07, juris). Eine bloße Mitursächlichkeit genügt. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG, Urteil vom 23.07.2015, Az. 6 AZR 457/14, Rn. 25 m.w.N.).
70§ 22 AGG trifft hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen Nachteil und durch § 1 AGG verbotenem Anknüpfungsmerkmal eine Beweislastregelung, die sich zugleich auf die Darlegungslast auswirkt (BAG, Urteil vom 23.07.2015, Az. 6 AZR 457/14, Rn. 25). Nach § 22 AGG genügt eine Person, die sich wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe für benachteiligt hält, ihrer Darlegungslast, wenn sie Indizien vorträgt und gegebenenfalls beweist, die diese Benachteiligung vermuten lassen.
71Gemäß § 8 Absatz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.
72Gemäß § 10 Satz 1, Satz 2 AGG ist ungeachtet des § 8 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Tatbeständen, nach denen unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters i.S.v. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG insbesondere gerechtfertigt sein können (vgl. BAG. Urteil vom 31.03.2022, Az. 8 AZR 238/21, juris; BAG, Urteil vom 26.01.2017, Az. 8 AZR 848/13, juris; BAG, Urteil vom 11.08.2016, Az. 8 AZR 4/15, juris, Rn. 102).
73b) Nach diesen Grundsätzen liegt weder eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters noch wegen seiner Behinderung vor.
74aa) Es liegt keine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters vor.
75(1) Der Kläger hat zwar durch die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch und die Ablehnung eine weniger günstige Behandlung erfahren. Dies geschah wegen seines Alters, denn die Beklagte hat ihn deshalb nicht eingeladen, weil er die Regelaltersgrenze bereits überschritten hatte.
76(2) Die unterschiedliche Behandlung des Klägers wegen des Alters ist vorliegend auch nicht nach § 8 Absatz 1 AGG zulässig. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein mit dem Grund „Alter" in Zusammenhang stehendes Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit als Sachbearbeiter für die Verwaltung der Volkshochschule oder wegen den Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dargestellt haben könnte. Derartiges hat die Beklagte auch nicht geltend gemacht.
77(3) Die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters war vorliegend jedoch nach § 10 AGG zulässig.
78Vorliegend ist keiner der Tatbestände des § 10 Satz 3 AGG erfüllt. Die Ungleichbehandlung ist jedoch nach § 10 Satz 1, Satz 2 AGG zulässig.
79(a) Die Beklagte verfolgt mit der Ablehnung der Bewerbung des Klägers, der das Eintrittsalter für den Bezug einer Regelaltersrente bereits überschritten hat, ein legitimes Ziel i. S. v. § 10 Satz 1 AGG, Art. 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2000/78/EG.
80(aa) § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG dienen der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht und sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen. Für die Konkretisierung des in § 10 Satz 1 AGG enthaltenen, in der Bestimmung näher definierten Begriffs des legitimen Ziels ist deshalb auf Art. 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2000/78/EG zurückzugreifen. Legitime Ziele i.S.v. Art. 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2000/78/EG, d.h. Ziele, die als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind nur rechtmäßige Ziele insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung und stehen als „sozialpolitische Ziele" im Allgemeininteresse (vgl. BAG, Urteil vom 11.08.2016, Az. 8 AZR 4/15, juris, m. w. N.; BAG, Urteil vom 25.04.2024, Az. 8 AZR 140/23, juris, m. w. N.). Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift den Arbeitgebern bei der Verfolgung der sozialpolitischen Ziele einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt. Ein unabhängig von Allgemeininteressen verfolgtes Ziel eines Arbeitgebers kann eine Ungleichbehandlung jedoch nicht rechtfertigen (BAG, Urteil vom 31.03.2022, Az. 8 AZR 238/21, juris, m.w.N.; LAG Hamm, Urteil vom 09.03.2023, Az. 11 Sa 948/22, juris, Rn. 37).
81(bb) Die Beklagte beruft sich zur Rechtfertigung der Nichteinladung des Klägers auf die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur von jüngeren und älteren Beschäftigten, um den Zugang jüngerer Personen zur Beschäftigung zu fördern. Bei ihr sind unbestritten auch von 47 Mitarbeitern nur fünf Mitarbeiter unter 40 Jahren bzw. 19 Mitarbeiter unter 50 Jahren beschäftigt; 12 Mitarbeiter sind bereits älter als 60 Jahre.
82Danach besteht bei der Beklagten tatsächlich ein Bedarf, als Teil der Generationengerechtigkeit vermehrt jüngere Mitarbeiter einzustellen, und verfolgt die tarifgebundene Beklagte mit der Zurückweisung der Bewerbung des Klägers die gleichen Ziele wie die Tarifvertragsparteien mit der tariflichen Altersgrenzenregelung in § 33 Absatz 1 Buchstabe a TVöD-V.
83Die einschlägigen Regelungen des TVöD-V, an den die Beklagte gebunden ist, entsprechen dieser Zielsetzung. Der TVöD-V sieht zwar – worauf der Kläger zurecht hinweist - keine generelle Höchstaltersgrenze für die Begründung von Arbeitsverhältnissen vor. § 33 Absatz 1 Buchstabe a TVöD-V ordnet nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses „mit Ablauf des Monats [an], in dem die/der Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollendet hat, es sei denn, zwischen dem Arbeitgeber und dem/der Beschäftigten ist während des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden, den Beendigungszeitpunkt nach § 41 Satz 3 SGB VI hinauszuschieben“. Daraus ergibt sich jedoch der im Allgemeininteresse liegende Grundsatz, keine Arbeitnehmer zu beschäftigen, die das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollendet haben, um über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen den Zugang jüngerer Personen zur Beschäftigung zu fördern. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass § 41 Satz 3 SGB VI die Möglichkeit vorsieht, dass die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, ggf. auch mehrfach hinausschieben. Diese Möglichkeit dient nicht primär dem Interesse der betroffenen Arbeitnehmer am Verbleib im Berufsleben. Zweck der Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI ist es vielmehr sicherzustellen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber reagieren können, wenn eine Nachbesetzung der entsprechenden Stelle nicht nahtlos erfolgen kann oder wenn Arbeitnehmer laufende Projekte mit ihrer Sachkunde erfolgreich zum Abschluss bringen oder neu eingestellte, jüngere Kollegen in ihre Tätigkeit einarbeiten sollen (vgl. BAG, Urteil vom 31.03.2022, Az. 8 AZR 238/21, juris; LAG Hamm, Urteil vom 09.03.2023, Az. 11 Sa 948/22, juris). Die mit dem Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts verbundene Befristung setzt nicht das Bestehen eines Sachgrunds i.S.v. § 14 Absatz1 TzBfG voraus. Hiergegen bestehen jedenfalls insoweit keine unionsrechtlichen Bedenken, als die sonstigen Arbeitsvertragsbedingungen unverändert bleiben (BAG, Urteil vom 31.03.2022, Az. 8 AZR 238/21, juris; BAG, Urteil vom 19.12.2018, Az. 7 AZR 70/17, juris). Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Hinausschieben der Altersgrenze wird durch § 41 Satz 3 SGB VI aber nicht begründet und ist auch aus dem Unionsrecht nicht herzuleiten (EuGH, Urteil vom 28.02.2018, Az. C-46/17, juris; BAG, Urteil vom 31.03.2022, Az. 8 AZR 238/21, juris; LAG Hamm, Urteil vom 09.03.2023, Az. 11 Sa 948/23, juris). Auch § 33 Absatz 5 Satz 1 TVöD-V, der die Weiterbeschäftigung des nach § 33 Absatz 1 Buchstabe a TVöD-V ausgeschiedenen Beschäftigten in Form der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses, welches vorbehaltlich anderer Vereinbarungen nach § 33 Absatz 5 Satz 2 TVöD-V jederzeit mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden kann, vorsieht, verdeutlicht, dass die Tarifvertragsparteien keine dauerhafte Weiterbeschäftigung bereits ausgeschiedener Beschäftigter vor Augen hatten, sondern nur eine vorübergehende Weiterbeschäftigung bei besonderem Bedarf. § 33 Absatz 5 TVöD-V eröffnet demnach die Wiedereinstellung bereits ausgeschiedener Beschäftigter bei einem solchen Bedarf und fehlenden - hinreichend qualifizierten - jüngeren Bewerbern. Ansonsten ist die Verweigerung einer Wiedereinstellung wegen des Überschreitens der Regelaltersgrenze nach der tarifvertraglichen Konzeption grundsätzlich zulässig, denn anderenfalls würde der Zweck dieser Altersgrenze unterlaufen (BAG, Urteil vom 25.04.2024, Az. 8 AZR 140/23, juris, Rn. 21). Das legitime Ziel der ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen kann, da es auch insofern um die Förderung der beruflichen Entwicklung jüngerer Menschen geht, auch die Verweigerung der Wiedereinstellung eines aufgrund einer Altersgrenze bereits ausgeschiedenen Beschäftigten rechtfertigen (BAG, Urteil vom 25.04.2024, Az. 8 AZR 140/23, juris, Rn. 18).
84In diesen Fällen ist nicht nur die letztliche Absage, sondern auch schon die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt (vgl. BAG, Urteil vom 31.03.22, Az. 8 AZR 238/21, juris; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.03.2020, Az. 11 Sa 58/19, juris, Rn. 73, 78; a. A. vorhergehend zum Urteil des BAG vom 31.03.2022 LAG Köln, Urteil vom 05.02.2021, Az. 10 Sa 731/20, juris, Rn. 41 und LAG Niedersachsen, Urteil vom 01.08.2018, Az. 17 Sa 1302/17, juris).
85Des Weiteren besteht ein legitimes Interesse der Beklagten auch nicht nur für die Verweigerung einer Wiedereinstellung wegen des Überschreitens der Regelaltersgrenze, sondern – erst recht – auch für die Verweigerung einer Neueinstellung wegen des Überschreitens der Regelaltersgrenze (offen gelassen von BAG, Urteil vom 25.04.2024, Az. 8 AZR 140/23, juris, Rn. 21, 27; für die Zulässigkeit der Verweigerung einer Neueinstellung bei einem Arbeitgeber mit Altersgrenzen Bauer/Diller, DB 2010, 2727-2730 und Bayreuther, NZA-Beilage 2011, 27 [29]; a. A. Sievers in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Auflage, § 10 AGG, Stand 1. Februar 2023, Rn. 85 ff.). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb ein öffentlicher Arbeitgeber die Wiedereinstellung wegen des Überschreitens der Regelaltersgrenze verweigern können sollte, aber zugleich nicht berechtigt sein sollte, Bewerbungen von bisher nicht bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern wegen des Überschreitens der Regelaltersgrenze abzulehnen. Auch die erstmalige Einstellung von Arbeitnehmern jenseits der Regelaltersgrenze würde dem von den Tarifvertragsparteien und hier von der Beklagten verfolgten Zweck einer ausgewogenen Altersstruktur zuwiderlaufen. So kann auch der Entscheidung des Gerichtshofs vom 02.04.2020, Az. C-670/18 [Comune di Gesturi] entnommen werden, dass die beschäftigungspolitische Zielsetzung der Verjüngung der erwerbstätigen Bevölkerung legitim ist und dass nach vernünftigem Ermessen beabsichtigt werden kann, die Einstellung von Personen im Ruhestand, die ihr Berufsleben beendet haben und eine Altersrente beziehen, abzulehnen, um die Vollbeschäftigung der erwerbstätigen Bevölkerung oder den Zugang zum Arbeitsmarkt für Jüngere zu fördern (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.2024, Az. 8 AZR 140/23, Rn. 32).
86(b) Die Ablehnung des Klägers erweist sich auch im Einzelfall als angemessen und erforderlich i. S. v. § 10 Absatz 2 AGG, Art. 6 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2000/78/EG.
87§ 10 Satz 2 AGG verlangt bezogen auf das konkret angestrebte Ziel, dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Dabei sind in unionsrechtskonformer Auslegung von § 10 Satz 2 AGG die Mittel nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlauben, das mit der unterschiedlichen Behandlung verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Personen zu führen, die wegen ihres Alters benachteiligt werden, und die Maßnahme nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (BAG, Urteil vom 25.04.2024, Az. 8 AZR 140/23, juris, Rn. 24, m. w. N.).
88Demnach ist die altersbedingte Ablehnung eines Bewerbers, der die Regelaltersgrenze bereits überschritten hat, gerechtfertigt, wenn einer für den Arbeitgeber geltenden Regelung zur Altersgrenze durch seine (Wieder)einstellung die Wirkung genommen würde. Dies ist der Fall, wenn der Personalbedarf durch die Einstellung eines Bewerbers gedeckt werden kann, der die vorgesehene Altersgrenze noch nicht erreicht hat und die geforderten Qualifikationen aufweist. Nach der Konzeption der Altersgrenzenregelung soll der jüngere, qualifizierte Bewerber dann die Möglichkeit der beruflichen Entwicklung erhalten. Ist ein solcher Bewerber hingegen nicht vorhanden, widerspricht die Einstellung eines Bewerbers, der die Altersgrenze bereits überschritten hat, nicht deren Zweck, weil die erstrebte Generationengerechtigkeit in diesem Fall nicht beeinträchtigt werden kann. Die Ablehnung des älteren Bewerbers ist dann mit der Altersgrenze nicht zu rechtfertigen (so zur Wiedereinstellung BAG, Urteil vom 25.04.2024, Az. 8 AZR 140/23, juris, Rn. 25, m. w. N.).
89Demnach war die Ablehnung des Klägers – auch schon bzgl. der Einladung zum Vorstellungsgespräch - entsprechend dem Regelungssystem des § 33 Absatz 1 Buchstabe a TVöD-V unabhängig von der Arbeitsmarktlage gerechtfertigt, weil eine wesentlich jüngere Bewerberin, die über die geforderte Formalqualifikationen verfügt, eingeladen und tatsächlich eingestellt wurde. Auf die konkrete finanzielle Situation des Klägers kommt es dabei ebenso wenig an wie auf die Frage, ob es sich trotz der zunächst befristeten Ausschreibung um einen Dauerarbeitsplatz handelt (BAG, Urteil vom 25.04.2024, Az. 8 AZR 140/23, juris, Rn. 26, 33; LAG Hamm, Urteil vom 09.03.2023, Az. 11 Sa 948/22, juris, Rn. 51).
90bb) Es liegt auch keine unzulässige Benachteiligung wegen einer Behinderung vor.
91Der Kläger hat zwar durch die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch und die Ablehnung eine weniger günstige Behandlung erfahren. Dies geschah allerdings nicht (auch) wegen seiner Behinderung.
92Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass ein öffentlicher Arbeitgeber wie die Beklagte grundsätzlich gemäß § 165 Satz 3 SGB IX verpflichtet ist, einen schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Schwerbehinderte Bewerber sollen durch das Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, ihre Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern. Sie sollen die Chance haben, den Arbeitgeber von ihrer fachlichen und persönlichen Eignung zu überzeugen (BAG, Urteil vom 27.08.2020, Az. 8 AZR 45/19, juris; BAG, Urteil vom 20.01.2016, Az. 8 AZR 194/14, juris; BAG, Urteil vom 21.07.2009, 9 AZR 431/08, juris). Zudem stellt der Umstand, dass ein öffentlicher Arbeitgeber einen Bewerber, dessen Schwerbehinderung ihm bekannt ist und dem die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle nicht offensichtlich fehlt, nicht zu einem Vorstellungsgespräch einlädt, regelmäßig ein Indiz für die Vermutung dar, dass der Bewerber wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden ist (BAG, Urteil vom 16.02.2012, Az. 8 AZR 697/10, NZA 2012, 667; BAG, Urteil vom 20.01.2016, Az. 8 AZR 194/14, juris).
93Allerdings ist gemäß § 164 Satz 4 SGB IX eine Einladung entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.
94Das BAG hat bislang ausdrücklich offen gelassen, ob der öffentliche Arbeitgeber über den Wortlaut von § 165 Satz 3 SGB IX (§ 82 Satz 2 SGB IX a. F.) hinaus auch dann von der Verpflichtung zur Einladung eines schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch befreit ist, wenn dieser zwar nicht offensichtlich fachlich ungeeignet ist, ihm jedoch die persönliche Eignung in dem Sinne fehlt, dass er nicht über charakterliche Eigenschaften verfügt, die für die ausgeschriebene Stelle von Bedeutung sind. Dies käme nur in Betracht, wenn sich die Einladung in einem solchen Fall als bloße Förmelei erweisen würde (BAG, Urteil vom 27.08.2020, Az. 8 AZR 45/19, Rn. 39).
95Vorliegend ist der Kläger zwar nicht offensichtlich fachlich ungeeignet. Auch fehlt ihm nicht offensichtlich die persönliche Eignung. Allerdings würde sich eine Einladung zum Vorstellungsgespräch als bloße Förmelei darstellen, weil der Kläger aufgrund des Überschreitens der Regelaltersgrenze und des Vorhandenseins jüngerer qualifizierter Bewerber von der Beklagten nicht eingeladen und nicht eingestellt wurde. Daran hätte auch die Einladung zum Vorstellungsgespräch nichts zu ändern vermocht. Der von § 165 Satz 3 SGB IX verfolgte Zweck, dem schwerbehinderten Bewerber die Chance zu geben, den Arbeitgeber von seiner Eignung im weiteren Sinne zu überzeugen, konnte von vornherein nicht erreicht werden (vgl. BAG, Urteil vom 27.08.2020, Az. 8 AZR 45/19, juris, Rn. 40). Die Einladung zum Vorstellungsgespräch würde sich als bloße Förmelei darstellen. Anders als bei der Frage der Eignung kann das zulässige Kriterium der Altersgrenze von dem schwerbehinderten Bewerber im Vorstellungsgespräch nicht beeinflusst werden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, den Kläger zum Vorstellungsgespräch einzuladen.
96Selbst wenn die Beklagte entgegen der hier vertretenen Auffassung dazu verpflichtet gewesen sein sollte, folgt aus der Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch vorliegend jedenfalls nicht die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Die Nichteinladung erfolgte wegen der – zulässigen – Berücksichtigung des Überschreitens der Regelaltersgrenze und nicht wegen der Behinderung. In dem Motivbündel der Beklagten war weder die Behinderung als negatives noch die fehlende Behinderung als positives Kriterium enthalten (vgl. BAG, Urteil vom 21.07.2009, Az. 9 AZR 431/08, juris, Rn. 38). Zwar reicht es für die Berücksichtigung einer fehlenden Behinderung als positives Kriterium aus, dass vom Arbeitgeber unterlassene Maßnahmen - etwa die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch - objektiv geeignet sind, schwerbehinderten Bewerbern keine oder weniger günstige Chancen einzuräumen, als sie nach dem Gesetz zu gewähren sind (BAG, Urteil vom 21.07.2009, Az. 9 AZR 431/09, juris, Rn. 38). Vorliegend ist die fehlende Einladung zum Vorstellungsgespräch aber objektiv nicht geeignet, schwerbehinderten Bewerbern weniger günstige Chancen einzuräumen als sie nach dem Gesetz zu gewähren sind. Der öffentliche Arbeitgeber ist – wie unter II. 3. b), aa) (3) der Gründe ausgeführt – berechtigt, Menschen, die die Regelaltersgrenze überschritten haben, gleichgültig ob schwerbehindert oder nicht, aufgrund des Alters im Sinne der Generationengerechtigkeit nicht einzustellen, wenn jüngere Bewerber für die Stelle vorhanden sind.
974. Die Frage, ob sich das Verhalten des Klägers unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände, die durchaus Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers begründen können, im Ergebnis gemäß § 242 BGB als rechtsmissbräuchlich darstellt, hat die Kammer daher dahinstehen lassen.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 64 Absatz 6 ArbGG i.V.m. §§ 97Absatz 1, 238 Absatz 4 ZPO. Der Kläger hat gemäß § 97 Absatz 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens als mit dem Rechtsmittel unterlegene Partei zu tragen. Zudem hat er als Antragsteller gemäß § 238 Absatz 4 ZPO die Kosten der Wiedereinsetzung zu tragen.
IV. Die Revision ist gemäß § 72 Absatz 2 Nr. 1, Nr. 2 ArbGG zuzulassen. Die Frage, ob ein an den TVöD-V gebundener Arbeitgeber die Neueinstellung eines Bewerbers, der die Regelaltersgrenze überschritten hat, ablehnen kann, falls ein jüngerer qualifizierter Bewerber zur Verfügung steht, hat grundsätzliche Bedeutung und ist vom Bundesarbeitsgericht bislang nicht entschieden worden. Zudem hat das LAG Niedersachsen mit Urteil vom 01.08.2018, Az. 17 Sa 1302/17 entgegen der hier vertretenen Auffassung entschieden, dass in solch einem Fall jedenfalls die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch eine unzulässige Altersdiskriminierung darstelle. Letztlich hat auch die Frage, ob ein schwerbehinderter Bewerber, der die gesetzliche Regelaltersgrenze überschritten hat, von einem Arbeitgeber, für den eine zulässige tarifliche Altersgrenzenregelung gilt, gemäß § 165 Satz 3 SGB IX zum Vorstellungsgespräch einzuladen ist und die Nichteinladung eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lässt, grundsätzliche Bedeutung.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
104Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
105Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
106REVISION
107eingelegt werden.
108Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.
109Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
110Bundesarbeitsgericht
111Hugo-Preuß-Platz 1
11299084 Erfurt
113Fax: 0361 2636-2000
114eingelegt werden.
115Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
116Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 72 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Revision ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
117Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1181. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
123Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
124Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
125* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.