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Zur Höchstbefristung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Behauptet der Arbeitnehmer hinsichtlich des Schriftformerfordernisses nach § 14 Abs. 4 TzBfG, die arbeitgeberseitige Unterschrift auf dem Arbeitsvertrag sei lediglich eingescannt, ohne dass es dafür den geringsten Anhaltspunkt gibt, handelt es sich um eine unbeachtliche Behauptung „ins Blaue hinein“.
Ungeachtet der Frage, ob der Wegfall der Hinzuverdienstgrenze nach § 34 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31.12.2022 gültigen Fassung eine Neubewertung des § 41 Satz 2 SGB VI erfordert, macht sich der Arbeitgeber jedenfalls nicht schadensersatzpflichtig, wenn er sich Anfang 2023 auf die Wirksamkeit einer im Arbeitsvertrag vereinbarten auflösenden Bedingung für den Fall der Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente beruft.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 5. Oktober 2023 – 3 Ca 327/23 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses sowie über Schadensersatzansprüche.
3Der am 20.12.1957 geborene Kläger war seit dem 01.03.1994 als technischer Berater bei der Beklagten beschäftigt. Sein letztes Bruttomonatsentgelt betrug 8.004,24 €. Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien war seit dem 01.07.2006 ein Anstellungsvertrag vom 18.07.2006, der einen Dienstvertrag vom 15.02.1994 ablöste. In dem Anstellungsvertrag vom 18.07.2006 heißt es unter anderem:
4„ . . .
5§ 3 Betriebsvereinbarungen und
6Organisationsrichtlinien
7Grundlage des Anstellungsvertrages sind die gesetzlichen Bestimmungen, die Tarifverträge für die Arbeitnehmer in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels sowie die Betriebsvereinbarungen und Organisationsrichtlinien der Gesellschaft, jeweils in der aktuellen Fassung.
8. . .
9§ 6 Kündigung
10Das Beschäftigungsverhältnis kann mit einer Kündigungsfrist von 2 Monaten zum Monatsende durch schriftliche Erklärung gekündigt werden. Sofern durch Gesetz oder Tarifvertrag längere Kündigungsfristen vorgesehen sind, gelten diese für beide Vertragsparteien in gleicher Weise. Im Falle einer Kündigung (auch Eigenkündigung) kann die Gesellschaft den Mitarbeiter unter Anrechnung der Resturlaubsansprüche und etwaiger Zeitguthaben von der weiteren Arbeitsleistung freistellen. In diesem Falle sind sämtliche Gegenstände, die Eigentum der Gesellschaft sind, hierunter fallen auch Dienstfahrzeuge, unverzüglich zurückzugeben. Unberührt bleibt das Recht zur außerordentlichen Kündigung.
11Das Beschäftigungsverhältnis endet, soweit nicht anders vereinbart, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter sein 65. Lebensjahr vollendet oder einen Rentenbescheid über vorzeitiges Altersruhegeld bzw. eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhält oder eine entsprechende Leistung bezieht.
12. . . “
13Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrags vom 18.07.2006 (nachfolgend: „Anstellungsvertrag“), der am 01.07.2006 rückwirkend in Kraft treten sollte, wird auf Blatt 16 bis 22 der erstinstanzlichen Akte verwiesen. Er enthält an mehreren Stellen Abweichungen von den tariflichen Bestimmungen, auf die in § 3 Bezug genommen wurde. Der Kläger ist nicht tarifgebunden.
14Der Anstellungsvertrag wurde dem Kläger in zweifacher Ausfertigung postalisch übersandt und trug zu diesem Zeitpunkt bereits für die Beklagte Unterschriften der Prokuristin und Bereichsleiterin Human Resources A und des Personalsachbearbeiters B. Ob zumindest die Unterschrift der Frau A eingescannt wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Nachfolgend unterzeichnete der Kläger den Anstellungsvertrag seinerseits und sandte ein Exemplar am 02.08.2006 an die Beklagte zurück.
15Anfang Januar 2023 wandte sich der Kläger an die Beklagte und teilte mit, er wolle vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen und zugleich bis zu seinem regulären Renteneintrittsdatum am 01.12.2023 das Arbeitsverhältnis mit ihr fortsetzen. Dies bekräftigte er mit einer E-Mail vom 05.01.2023. Mit Antwort-E-Mail-Schreiben vom 16.01.2023 berief sich die Beklagte auf § 6 des zwischen den Parteien geschlossenen Anstellungsvertrags und wies darauf hin, dass die Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien bewirken würde. Ein Anwaltsschreiben vom 07.03.2023 beantwortete die Beklagte per E-Mail vom 08.03.2023 im gleichen Sinne. Seit dem 01.12.2023 bezieht der Kläger eine Regelaltersrente in Höhe von 2.381,73 € brutto.
16Mit am 29.03.2023 eingegangenem Schriftsatz erhob der Kläger Klage und hat zur Begründung vorgetragen, er beabsichtige, vorgezogene Altersrente neben dem bestehenden Arbeitsverhältnis in Anspruch zu nehmen, was aufgrund einer gesetzlichen Neuregelung zum 01.01.2023 unter gewissen Voraussetzungen anrechnungsfrei möglich sei. Die dazu von der Beklagten erteilte Auskunft sei unzutreffend. Die Klausel unter § 6 des Anstellungsvertrags verstoße gegen § 7 AGG und sei deshalb unwirksam. Es handele sich um Altersdiskriminierung, ohne dass eine Rechtfertigung gemäß § 10 AGG vorläge. Ein legitimes Ziel hinsichtlich einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei Bezug einer Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze sei nicht ersichtlich. Die gesetzliche Neuregelung habe bewirken sollen, dass Arbeitnehmer trotz der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente weiterhin im Arbeitsmarkt verbleiben könnten. Zwar sei eine arbeitsvertragliche Regelung, wonach das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des 65. Lebensjahres ende, im Ergebnis zulässig. Im Manteltarifvertrag in der ab dem 01.07.1997 gültigen Fassung, auf den § 3 des Anstellungsvertrags Bezug nehme, sei unter § 5 lediglich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des 65. Lebensjahres, aber nicht bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente vorgesehen. Es liege daher ein Widerspruch vor zwischen der arbeitsvertraglichen Regelung zur Altersgrenze und den tariflichen Bestimmungen. Auf die vorformulierten Arbeitsbedingungen fänden die § 305 ff. BGB Anwendung und danach sei die widersprüchliche Regelung intransparent und damit unwirksam. Die in § 6 des Anstellungsvertrags geregelte auflösende Bedingung sei außerdem überraschend im Sinne von § 305 c BGB. Eine Hervorhebung sei nicht erfolgt. Sie sei getarnt unter den Regelungen zur Kündigung. Eine auflösende Bedingung sei an der fraglichen Stelle nicht zu vermuten gewesen.
17Auch hinsichtlich der Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den Zeitpunkt der Regelaltersgrenze lägen die Voraussetzungen für eine wirksame Befristung nicht vor. Eine der Schriftform nach § 14 Abs. 4 TzBfG genügende Vertragsurkunde habe er nie erhalten. Die Unterschriften der Beklagtenvertreter seien digital eingefügt worden Die Übermittlung des Angebots und der Annahme seien daher nicht in der notwendigen Schriftform gemäß § 126 BGB erfolgt. § 14 Abs. 4 TzBfG sei auch bei der Verweisung auf tarifliche Bestimmungen zu beachten. Etwas anders gelte nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis insgesamt den Bedingungen eines einschlägigen Tarifvertrages unterstellt werde. Vorliegend werde auf den Tarifvertrag aber nur zum Teil Bezug genommen. Zwar spreche § 3 des Anstellungsvertrages zunächst für eine globale Verweisung. Andererseits enthalte der Anstellungsvertrag an zahlreichen Stellen, etwa unter § 6, § 7, § 11, § 18 und § 23, evidente Verschlechterungen gegenüber den tarifvertraglichen Regelungen.
18Ferner habe er ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten dem Grunde nach, denn die ihm erteilte Auskunft sei rechtswidrig und unzutreffend gewesen. Aufgrund der angedrohten faktischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe er sich an der Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente gehindert gesehen. Dadurch sei ihm ein Schaden in Höhe der unterbliebenen Rentenzahlungen seit dem 01.01.2023 entstanden. Eine Bezifferung könne erst nach entsprechender Berechnung durch die Deutsche Rentenversicherung erfolgen. Der Schadenersatzanspruch werde auch auf § 15 Abs. 1 AGG gestützt.
19Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
201. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht endet, wenn er einen Rentenbescheid über vorzeitiges Altersruhegeld bzw. eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhält oder eine entsprechende Leistung bezieht,
212. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund einer Befristung mit Erreichen der Regelaltersgrenze der Deutschen Rentenversicherung mit Ablauf des 30.11.2023 enden wird,
223. festzustellen, dass die Beklagte ihm den sich aus ihrer Mitteilung vom 16.01.2023 und 08.03.2023 wegen verzögerter Rentenzahlung ergebenden Schaden zu ersetzen hat.
23Die Beklagte hat beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe dem Kläger keineswegs damit gedroht, das Arbeitsverhältnis faktisch zu beenden. Sie habe ihm sei lediglich ihre Rechtsauffassung hinsichtlich der arbeitsvertraglich vereinbarten Altersgrenzen dargelegt. Der Klageantrag zu 1) sei unzulässig. Es wäre dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, einen Rentenantrag zu stellen und sie sodann über den Erhalt eines entsprechenden Bescheids in Kenntnis zu setzen. Dann wäre es an ihr gewesen, arbeitsrechtliche Schlussfolgerungen zu ziehen. Bei Licht betrachtet wünsche der Kläger die gerichtliche Klärung einer abstrakten Rechtsfrage. Jedenfalls sei der Antrag zu 1 unbegründet. Die Bestimmungen im Anstellungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis mit Erhalt eines Bescheids über vorzeitiges Ruhegeld ende, sei wirksam. Ein Verstoß gegen § 41 Satz 2 SGB VI liege nicht vor. Der Kläger habe es selbst in der Hand gehabt, über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses zu disponieren. Es liege auch kein Widerspruch zum Manteltarifvertrag vor, der den geschlossenen Anstellungsvertrag lediglich ergänze. Die tarifvertragliche Regelung hindere die Arbeitsvertragsparteien nicht daran, zusätzliche Regelungen über Altersgrenzen zu treffen. Auch der Antrag zu 2) sei unzulässig, denn der Kläger habe selbst den Wunsch geäußert, bis zum regulären Renteneintrittsalter am 01.12.2023 für sie zu arbeiten. Jedenfalls sei er unbegründet. Die tarifvertragliche und die arbeitsvertragliche Altersgrenze stellten beide ihrem Wortlaut nach auf die Vollendung des 65. Lebensjahres ab, was dahin auszulegen sei, dass sie auf das Erreichen des Regelrentenalters bezogen seien. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch bestehe nicht. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger Auskünfte zu erteilen, die dessen Rechtsauffassung folgten. Vielmehr habe sie ihre eigene Rechtsauffassung wiedergegeben, wonach die arbeitsvertraglich vereinbarte Altersgrenze wirksam sei. Jedenfalls hätte der Kläger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht einen Rentenantrag stellen müssen. Die getroffene Regelung genüge auch dem Schriftformgebot. Die fragliche Vertragsurkunde sei eigenhändig von den Parteien auf derselben Urkunde unterzeichnet worden. Die Behauptung des Klägers, sie habe die Unterschriften ihrer Vertreter im Anstellungsvertrag digital eingefügt, seien unwahr. Gleiches gelte für seine Behauptung, er habe eine der Schriftform genügenden Vertragsurkunde nie erhalten. Sie besitze eine Ausfertigung des Anstellungsvertrags, die neben ihren Unterschriften auch die Unterschrift des Klägers trage. Dieser habe vielmehr offensichtlich seine eigene Ausfertigung – aus welchen Gründen auch immer – nicht unterzeichnet. Es liege auch kein Verstoß gegen § 7 AGG vor. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 AGG könne eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsehe, zu dem die oder der Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen könne, eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters rechtfertigen. Sie habe ein legitimes Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Bezug einer vorgezogenen Altersrente, weil sie die Sorge habe, dass ein Rentenbezug neben der arbeitsvertraglichen Vergütung negativen Einfluss auf die vertriebliche Motivation des fraglichen Mitarbeitenden habe, was letztlich ihren Geschäftserfolg schmälern würde. Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ende spätestens mit Ablauf des 30.11.2023, da er ab dem 01.12.2023 Anspruch auf die Regelaltersrente habe. Dies ergebe sich sowohl aus dem einschlägigen Manteltarifvertrag als auch aus dem Anstellungsvertrag selbst. Die Inbezugnahme auf die tariflichen Bestimmungen scheitere auch nicht an einem Verstoß gegen § 14 Abs. 4 TzBfG, da die Tarifverträge insgesamt auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fänden.
26Das Arbeitsgericht Bocholt hat durch Urteil vom 05.10.2023 für Recht erkannt:
271. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht endet, wenn der Kläger einen Rentenbescheid über vorzeitiges Altersruhegeld bzw. eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhält oder eine entsprechende Leistung bezieht.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits zu 55 %, die Beklagte zu 45 %.
4. Der Streitwert wird auf 53.025,44 € festgesetzt.
Zur Begründung führt das Arbeitsgericht, soweit für das vorliegende Berufungsverfahren von Interesse, aus, die Klage sei zulässig, aber nur hinsichtlich des Antrags Ziff. 1 begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ende nicht mit Erhalt eines Rentenbescheids über vorzeitiges Altersruhegeld. Die Beklagte habe allerdings das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG eingehalten. Dies ergebe sich nach Inaugenscheinnahme der vorgelegten Arbeitsvertragsurkunden. Insbesondere seien die darauf befindlichen Unterschriften nicht bloß eingescannt. Das von der Beklagten vorgelegte Exemplar sei mit einem schwarzen Stift unterschrieben. Anders als das vom Kläger lediglich elektronisch zur Gerichtsakte gereichte Vertragsexemplar enthalte es keinen Punkt hinter „ppa“ und vor dem Namen der Prokuristin A. Einen solchen habe sie aber auf das Exemplar der klägerischen Urkunde gesetzt. Bei der Annahme einer gescannten Unterschrift wäre es lebensnah gewesen, auf allen Exemplaren ein und denselben Schriftzug zu verwenden. Die zwischen den Parteien in § 6 des Anstellungsvertrages getroffene Regelung verstoße aber gegen § 41 Satz 2 SGB VI. Der Beklagten sei zuzugeben, dass die Rechtsprechung bislang derartige Klauseln für wirksam gehalten habe. Es habe der bislang einhelligen Auffassung entsprochen, dass das Arbeitsverhältnis bei vorgezogenem Bezug einer Altersrente ende – Rentenbezug und Verdienst sollten nicht gleichzeitig bezogen werden können. Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt habe aber der Gesetzgeber seit dem 01.01.2023 die Möglichkeit geschaffen, neben einer Rente unbegrenzt hinzuzuverdienen. Vor diesem Hintergrund sei es gesetzgeberisch gerade gewollt, dass das Arbeitsverhältnis über den Rentenbezug hinaus bestehen bleibe und es den betroffenen Arbeitnehmern ermöglicht werde, weiterhin Gehalt zu beziehen. Das gesetzgeberische Ziel liefe in vielen Fällen ins Leere, wenn das Arbeitsverhältnis bei Beantragung einer vorzeitigen Rente enden würde. Daher sei § 41 SGB VI gesetzeskonform auszulegen und auch auf solche Fälle anzuwenden, in denen dem vorzeitigen Altersrentenbezug eine bewusste Entscheidung des Arbeitnehmers in Form einer Antragstellung vorausgehe. Die Interessen des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses würden überwiegen. Auf die übrigen von den Parteien aufgeworfenen Fragen zur Wirksamkeit der Klausel komme es entscheidungserheblich nicht mehr an. Das Arbeitsverhältnis ende aber mit Ablauf des 30.11.2023. Dies hätten die Parteien in § 6 des Anstellungsvertrages wirksam vereinbart. Die im Arbeits- wie im Tarifvertrag getroffenen Regelungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollende, seien dahin auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze ende. Da der Kläger ab dem 01.12.2023 Anspruch auf eine Regelaltersrente habe, ende das Arbeitsverhältnis am 30.11.2023. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte ihm Schadenersatz schulde. Diese habe ihm gegenüber keine Pflicht schuldhaft verletzt. Sie habe in den vor ihr verfassten Mitteilungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses lediglich ihre Rechtsansicht kundgetan. Daraus ergebe sich keine zu einem Schadensersatz führende Pflichtverletzung. Es handele sich nicht um rechtswidrige Ankündigungen. Solche könnten nur bei bewusst falschen Äußerungen angenommen werden. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 15 Abs. 1 AGG, da die Beklagte nicht gegen ein Benachteiligungsverbot verstoßen habe, indem sie dem Kläger gegenüber ihre Rechtsansicht zur Rechtsfolge einer vorgezogenen Inanspruchnahme einer Altersrente mitgeteilt habe.
36Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 159 bis 173 der erstinstanzlichen Akte verwiesen.
37Die Beklagte hat gegen das ihr am 27.10.2023 zugestellte Urteil kein Rechtsmittel eingelegt. Der Kläger hat gegen das ihm am 26.10.2023 zugestellte Urteil mit am 24.11.2023 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.01.2024 mit am 26.01.2024 eingegangenem Schriftsatz begründet.
38Der Kläger trägt vor, soweit das Arbeitsgericht annehme, die Klauseln zur Befristung erfüllten die Voraussetzung der Schriftform im Sinne des § 14 Abs. 4 TzBfG, sei dies unzutreffend. Die Beklagte habe keine Originalausfertigung des Vertrages vorgelegt. Sein Vortrag, er habe die Unterzeichnung des Vertrages als eingescannte und nachträglich eingefügte Unterschriften erkannt, werde ohne die Vorlage des Originals nicht entkräftet. Soweit das Arbeitsgericht der Ansicht sei, dass wegen der Unterschiedlichkeit des äußeren Erscheinungsbildes der Unterschriften es nicht lebensnah sei, von einem eingescannten Exemplar auszugehen, da insoweit anzunehmen wäre, dass dann zwei identische Bilder vorlägen, sei dies nicht zwingend. Fakt sei, dass die Parteien nicht gemeinsam an einem Ort die Verträge unterzeichnet hätten. Der Austausch von Schriftstücken mit eingescannter Unterschrift durch die Beklagte sei zwischen den Parteien üblich gewesen. Darüber hinaus könne die Begründung des Arbeitsgerichts nur für eine Unterschrift eine Unterscheidung feststellen. Dass tatsächlich zwei Originalunterschriften auf der von ihm ebenfalls im Original unterschriebenen und den Parteien wechselseitig zugegangenen Vertragsausfertigungen enthalten gewesen seien, sei dadurch nicht begründbar. Es sei auch nicht lebensfremd, wenn entweder nur eine der Unterschriften eingescannt gewesen sei oder im Kopiervorgang ein Punkt im Bild verloren gegangen sei. Dies sei vielmehr technisch naheliegend. Er habe den Zugang einer im Original unterzeichneten Vertragsausfertigung substantiiert bestritten. Aufgrund dessen sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform von einer Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Klausel mit der auflösenden Bedingung auszugehen. Auch die individualvertragliche Bezugnahme auf die tarifvertraglichen Regelungen sei wegen § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam. Eine Privilegierung in Bezug auf die Einbeziehung eines Tarifvertrages gebe es vorliegend nicht, weil keine vollständige Einbeziehung erfolgt sei. Bei der nur teilweisen Inbezugnahme handele es sich um eine Individualvereinbarung, die den Anforderungen des § 14 Abs. 4 TzBfG genügen müsse. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die fraglichen Klauseln widersprüchlich, unklar und aufgrund dessen intransparent und unwirksam seien. Auch ergebe sich die Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen AGG. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zum Nichtbestehen eines Schadensersatzanspruchs seien unzutreffend. Der Beklagten sei bewusst gewesen, dass sie den Tatbestand der Änderung des Rentenrechts in Bezug auf die Möglichkeit zur anrechnungsfreien vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente neben dem Arbeitseinkommen erst zum 01.01.2023 getroffen worden sei. Dies sei ausdrücklich Gegenstand der Erörterungen der Parteien gewesen. Ihr wären durch Bezug einer Rente neben dem Arbeitseinkommen keinerlei Nachteile entstanden. Die Ablehnung habe ausschließlich zu einem wirtschaftlichen Schaden bei ihm geführt, was der Beklagten auch bewusst gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass sie ihre Rechtsauffassung in Bezug auf die offensichtlich nicht korrelierende neue rentenrechtliche Situation ausschließlich deshalb vertreten habe, um ihn zu veranlassen, sein Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden oder den wirtschaftlichen Schaden alternativ hinzunehmen. Er sei nämlich zuvor Betriebsratsmitglied gewesen und vor einiger Zeit hätte es Differenzen zwischen den Parteien in Bezug auf eine geänderte Beschäftigung gegeben. Da sich die Beklagte mit Rücksicht auf seinen besonderen Kündigungsschutz nicht habe durchsetzen können, sei der Konflikt nunmehr zur Maßregelung genutzt worden, um ihm einen zulässigen finanziellen Vorteil zu versagen. Als besonders langjährig Versicherter hätte er die Möglichkeit gehabt, eine vorgezogene Altersrente in Anspruch zu nehmen können. Ein sonstiges Interesse an der Behauptung der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses für den Fall der Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente habe die Beklagte nicht vorgetragen und ein solches sei auch nicht gegeben. Aus welchem Grund ein Entschädigungsanspruch gemäß § 15 AGG nicht gegeben sein solle, habe das Arbeitsgericht nicht ausgeführt. Die Annahme, ein Entschädigungsanspruch sei nicht gegeben, sei unzutreffend. Eine Benachteiligung wegen des Alters sei offensichtlich greifbar und eine Rechtfertigung nicht gegeben.
39Der Kläger beantragt sinngemäß,
40das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 05.10.2023 Az.: 3 Ca 327/23, teilweise abzuändern, soweit die Klage abgewiesen wurde und
411. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung mit Erreichen der Regelaltersgrenze der Deutschen Rentenversicherung mit Ablauf des 30.11.2023 endete, sondern unbeendet fortbesteht;
422. festzustellen, dass die Beklagte ihm den sich aus ihren Mitteilungen vom 16.1.2023 und 8.3.2023 wegen verzögerter Rentenzahlung ergebenden Schaden zu ersetzen hat.
43Die Beklagte beantragt,
44die Berufung zurückzuweisen.
45Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und trägt ergänzend vor, es sei unzutreffend, dass sie keine Originalunterlagen in der mündlichen Verhandlung am 05.10.2023 vorgelegt habe. Tatsächlich habe sie die ihr vorliegende Originalausfertigung des Anstellungsvertrags vorgelegt, die daraufhin von der Vorsitzenden Richterin in Augenschein genommen worden sei. Sämtliche Unterschriften auf dem Anstellungsvertrag seien handschriftlich geleistet worden. Die Unterschiedlichkeit der Unterschriften auf der ihr vorliegenden Ausfertigung sowie jener des Klägers wiesen auf eine handschriftliche Unterzeichnung hin. Die Unterschrift des Herrn B sei offenkundig mit einem Kugelschreiber geleistet worden, was beim Befühlen des Papiers haptisch erkennbar sei. Letzteres gelte auch für die Unterschrift des Klägers. Somit könne kein Zweifel bestehen, dass das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG eingehalten sei. Sie habe den Kläger auch nicht wegen dessen Ersatzmitgliedschaft im Betriebsrat gemaßregelt. Es könne dahinstehen, ob man in dem Schriftwechsel zu Beginn des Jahres 2023 ein Konflikt erkennen wolle. Jedenfalls liege keine Maßregelung vor. Sie habe den Kläger lediglich darauf hingewiesen, dass der Bezug eines vorzeitigen Altersruhegeldes ihres Erachtens aufgrund einer Bestimmung im Anstellungsvertrag der Parteien zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen werde. Dabei habe sie naturgemäß die Rechtsauffassung vertreten, dass die von ihr vorformulierte Vertragsbestimmungen wirksam seien. Würde man als Maßstab die seit dem 01.01.2023 geänderten rentenrechtlichen Rahmenbedingungen heranziehen und hierin eine schlechtere Behandlung des Klägers erkennen, so bestehe jedenfalls kein Zusammenhang zwischen dem Bestehen auf ihre Rechtsauffassung und den zwei Jahre zurückliegenden Vorgängen im Zuge der Umstrukturierung in der Technik.
46Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf ihre zu Protokoll genommenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
47Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung am 08.05.2024 die beiden den Parteien vorliegenden Exemplare des Anstellungsvertrags vom 18.07.2006 in Augenschein genommen.
48Entscheidungsgründe
49Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
50Die Berufung des Klägers ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage, soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, abgewiesen. Im Einzelnen hat die Kammer die nachfolgenden Erwägungen angestellt:
511. Die Kammer versteht den Antrag des Klägers, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung mit Erreichen der Regelaltersgrenze endete, sondern unbeendet fortbesteht, als eine hier zulässige Kombination aus einem Befristungskontrollantrag nach § 17 TzBfG und einem allgemeinen Feststellungsantrag. Er macht nämlich verschiedene Unwirksamkeitsgründe geltend. Grundsätzlich erfasst der Antrag nach § 17 TzBfG alle Unwirksamkeitsgründe (Ascheid/Preis/Schmidt/Backhaus, Kündigungsrecht, 7. Aufl. 2024, § 17 TzBfG Rn. 11), insbesondere die Einhaltung des Schriftformerfordernisses (BAG, Urteil vom 15.02.2012 – 10 AZR 111/11 = NZA 2012, 733 ff.), die Beachtung des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie die Unwirksamkeit einer Befristungsklausel nach § 7 Abs. 2 AGG aufgrund einer Diskriminierung wegen Alters (jeweils BAG, Urteil vom 25.10.2017 – 7 AZR 632/15 = NZA 2018, 507 ff.). Demgegenüber ist die Rüge, die fragliche Befristungsklausel sei überraschend nach § 305c BGB und deshalb nicht Vertragsbestandteil geworden, mit einer allgemeinen Feststellungsklage zu verfolgen (BAG, Urteil vom 25.10.2017 a.a.O.).
52a) Die Befristungskontrollklage ist fristgerecht erhoben, denn dies kann auch schon – wie hier - vor Fristablauf geschehen (st. Rechtspr. des BAG, zuletzt Urteil vom 23.01.2019 – 7 AZR 733/16 = NZA 2019, 700 ff.).
53Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger schon am 20.12.2022 sein 65. Lebensjahr vollendet hatte. Zwar haben die Parteien unter § 6 des Anstellungsvertrags vereinbart, dass ihr Beschäftigungsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Kläger sein 65. Lebensjahr vollendet, endet. Sie gehen aber übereinstimmend und zu Recht davon aus, dass nach Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.04.2007 (BGBl I, S. 554) zuvor getroffene Vereinbarungen in Einzelarbeitsverträgen oder Tarifverträgen über eine Altersgrenze von 65 Jahren dahin auszulegen sind, dass damit auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung Bezug genommen wird (grundlegend: BAG, Urteil vom 15.05.2012 – 3 AZR 11/10 = DB 2012, 1756 ff.).
54b) Die in § 6 des Anstellungsvertrags enthaltene Regelung über eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze ist Vertragsbestandteil geworden. Zwar handelt es sich unstreitig um eine vorformulierte Vertragsbedingung, so dass die gesetzlichen Regeln über eine Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB Anwendung finden. Die in Streit stehende Vertragsklausel ist aber nicht überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB.
55Eine Bestimmung in allgemeinen Geschäftsbedingungen hat überraschenden Charakter im Sinne der Vorschrift, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Überraschenden Klauseln muss ein „Überrumpelungs- und Übertölpelungs-Effekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners bestimmen sich nach den konkreten Umständen bei Vertragsschluss ebenso wie nach der Gestaltung des Arbeitsvertrags, insbesondere dessen äußeren Erscheinungsbild. So kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihrer Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BAG, Urteil vom 25.10.2017 a.a.O.).
56Die Altersgrenzen-Regelung in § 6 des Anstellungsvertrags ist weder nach ihrem Erscheinungsbild noch nach den sonstigen Umständen so ungewöhnlich, dass der Kläger mit ihr nicht zu rechnen brauchte. Die Befristungsregelung befindet sich nicht an einer unerwarteten Stelle des Vertrags. § 6 des Anstellungsvertrags regelt ausweislich seiner Überschrift die Kündigung und damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zwischen Kündigung des Arbeitsverhältnisses und dessen Beendigung durch eine Altersgrenzenbefristung besteht sachlich ein so enger Zusammenhang, dass ein verständiger Arbeitnehmer damit rechnen konnte, dass unter der Überschrift „Kündigung“ auch Regelungen über eine Höchstbefristung zu finden sind. Zudem sind Befristungsabreden, die auf das Erreichen der Altersgrenze für den Bezug von Altersrente abstellen, im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass schon deshalb ihre Aufnahme in Formularverträgen nicht überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB ist (so auch BAG, Urteil vom 25.10.2017 a.a.O.).
57c) Eine auf das Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung gezogene Höchstbefristung kann sowohl einzelvertraglich als auch in einem Tarifvertrag wirksam vereinbart werden (ErfKomm/Müller-Glöge, 24. Auflage 2024, § 14 TzBfG Rn. 56a; Ascheid/Preis/Schmidt/Backhaus, § 14 TzBfG Rn. 165).
58Das ist im vorliegenden Fall auch geschehen. Die vom Kläger hiergegen geltend gemachten Einwände sind nicht tragfähig.
59aa) Die vorliegende Altersgrenzen-Regelung bedarf zwar eines Sachgrundes nach § 14 Abs. 1 TzBfG. Ein solcher liegt aber vor. Zwar verfolgt der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch nach einer dauerhaften Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses über das Regelrentenalter hinaus legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen. Das Arbeitsverhältnis sichert seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und bietet ihm die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung. Jedoch hat der Arbeitnehmer bei Erreichen der Regelaltersgrenze regelmäßig ein langes Berufsleben hinter sich. Daneben war er typischerweise von der Anwendung der Altersgrenzen-Regelung durch seinen Arbeitgeber selbst begünstigt, weil sich seine Einstellungs- und Aufstiegschancen durch das altersbedingte Ausscheiden anderer Arbeitnehmer verbessert haben. Demgegenüber steht das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Dem Interesse des Arbeitgebers, beizeiten geeigneten Nachwuchs einzustellen oder bereits beschäftigte Arbeitnehmer fördern zu können, ist Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug der Regelaltersrente wirtschaftlich abgesichert ist. Endet das Arbeitsverhältnis durch die vereinbarte Altersgrenze, verliert der Arbeitnehmer den Anspruch auf seine Arbeitsvergütung, die ihm bisher zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hat. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenzen-Regelung ist verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung der dauerhafte Bezug von Leistungen aus einer Altersversorgung tritt. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze ist damit Bestandteil des Sachgrunds. Die Wirksamkeit der Befristung ist allerdings nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig (BAG, Urteil vom 05.03.2013 – 1 AZR 417/12 = NZA 2013, 916 ff.; Ascheid/Preis/Schmidt/Backhaus, a.a.O. § 14 TzBfG Rn. 168).
60bb) Im Ansatz zutreffend geht der Kläger davon aus, dass die Wahrung des Schriftformerfordernisses des § 14 Abs. 4 TzBfG auch für die Vereinbarungen von Altersgrenzen erforderlich ist (BAG, Urteil vom 25.10.2017 a.a.O.). Dabei kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob hier aufgrund der Verweisung auf die tariflichen Bestimmungen für die Arbeitnehmer in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels in § 3 des Anstellungsvertrags etwas anderes gilt (vgl. BAG, Urteil vom 23.07.2014 – 7 AZR 771/12 = NZA 2014, 1341 ff.), weil die Parteien im Anstellungsvertrag die gesetzliche Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG gewahrt haben.
61Nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB muss zur Wahrung eines gesetzlichen Schriftformerfordernisses bei einem Vertrag die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Das ist im vorliegenden Fall geschehen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 08.05.2024 im Original den zwischen den Parteien geschlossenen Anstellungsvertrag vom 18.07.2006 vorgelegt, der von ihrer Seite von ihrer damaligen Prokuristin A sowie ihrem Personalsachbearbeiter B und sowie auf der anderen Seite vom Kläger handschriftlich unterzeichnet wurde. Soweit der Kläger behauptet, die Unterschrift der Prokuristin der Beklagten A sei lediglich eingescannt, hält die Kammer dies für widerlegt. Wie eine Inaugenscheinnahme beider Originalausfertigungen des Anstellungsvertrags in der mündlichen Verhandlung am 08.05.2024 ergeben hat, handelt es sich bei der Unterschrift des Personalsachbearbeiters B ersichtlich um ein Original, denn auf beiden Urkunden lassen sich von der Rückseite her die durch einen Kugelschreiber bei der Unterschriftsleistung erzeugten Ausprägungen ertasten. Dass es sich auch bei der Unterschrift der Prokuristin A um ein Original handelt, ergibt sich daraus, dass deren Namenszug auf der im Besitz des Klägers befindlichen Urkunde und auf jener, die der Kläger nach Unterschriftsleistung an die Beklagte zurückgesandt hatte, sich eindeutig unterscheiden. Dies hat der Kläger zuletzt auch nicht mehr in Abrede gestellt. Dass aber die Prokuristin nur eine der beiden Vertragsurkunden eigenhändig unterzeichnete und für die andere Vertragsurkunde eine Unterschrift einscannte oder einscannen ließ, oder gar in zwei verschiedenen Versionen eingescannte Unterschriften verwendet wurden, dafür gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte. Insbesondere begründet das Fehlen von tastbaren Abdrücken bei der Unterschrift der Prokuristin A kein ausreichendes Indiz dafür, dass es sich um eine eingescannte Unterschrift handeln könnte. Ob eine Unterschrift eine Prägung des fraglichen Schriftstücks bewirkt, hängt von der Art des Schreibwerkzeugs ab, von der Kraft, mit der dieses von dem Unterzeichnenden geführt wird, von der Art und Qualität des Papiers und womöglich von der Art der nachfolgenden Lagerung des Schriftstücks. Im vorliegenden Fall lässt sich lediglich feststellen, dass eindeutige Druckspuren nicht feststellbar sind. Hätte die Unterschrift das Papier bis auf die Rückseite des Schriftstücks durchgedrückt, wäre dies ein sicheres Merkmal dafür, dass es sich um ein Originalschriftstück handelt. Der umgekehrte Schluss ist aber nicht möglich und nicht zulässig (LAG Hamm, Urteil vom 07.02.2024 – 4 Sa 934/23 – n.v.). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn es, wie der Kläger behauptet, ansonsten im Schriftverkehr zwischen ihm und der Beklagten üblich gewesen sein mag, mit eingescannten Unterschriften zu arbeiten. Er behauptet selbst nicht, dass dies auch in solchen Fällen galt, in denen ein gesetzliches Schriftform-Erfordernis zu beachten war. Auch aus dem von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Begleitschreiben vom 30.05.2006, das die Prokuristin A mit blauem Kugelschreiber unterzeichnet hatte, folgt nichts für die Annahme, dass deren Unterschrift auf dem Anstellungsantrag eingescannt war.
62Insgesamt beruht die Behauptung des Klägers auf einer atypischen und wirklichkeitsfernen Annahme, für die nicht die geringsten Anhaltspunkte streiten. Seine Behauptung war nicht beweisbedürftig, weil diese sich als unzulässige Behauptung ins Blaue hinein darstellt. Zwar darf eine Partei Tatsachen behaupten, über die sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich oder jedenfalls für möglich hält, das heißt, sie nur vermutet. Die Grenze zum unzulässigen und damit unbeachtlichen Sachvortrag ist aber erreicht, wenn eine Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie aber bei Fehlen jeglicher tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen (BAG, Urteil vom 14.06.2023 – 8 AZR 136/22 = NZA 2023, 1248 ff.; BGH, Beschluss vom 28.01.2020 – VIII ZR 57/19 = NJW 2020, 1740 ff.). Bei Vorgängen aus einer fremden Privat- oder Geschäftssphäre – also Fällen typischer Sachverhaltsunkenntnis der beweisbelasteten Partei – ist zum Schutz der Beweisperson eine Plausibilitätskontrolle notwendig. Die Partei muss nachvollziehbar darlegen, wie sie zu ihrer Behauptung kommt (Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 20. Auflage 2023, § 138 Rn. 6). Im vorliegenden Fall hat der Kläger auch in zweiter Instanz keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen, die es auch nur entfernt plausibel erscheinen lassen, dass die Unterschrift der Prokuristin A auf dem Anstellungsvertrag bloß eingescannt wurde. Es handele sich damit ersichtlich um eine Behauptung ins Blaue hinein, die keines Beweisantritts und keiner Beweiserhebung bedurfte.
63Zu Unrecht moniert der Kläger weiter, er habe von der Beklagten keine Ausfertigung des Anstellungsvertrags mit allen Unterschriften erhalten. Soweit er sich diesbezüglich auf die bereits mehrfach zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.10.2017 beruft, übersieht er, dass dieser Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall wurde dem dortigen Arbeitnehmer ein Arbeitsvertrag ohne Unterschriften des Arbeitgebers überreicht. Der von diesem nachfolgend unterschriebene und zurückgesandte Arbeitsvertrag wurde vom Arbeitgeber zu den Personalakten genommen, ohne dem Arbeitnehmer eine Vertragsausfertigung mit den Unterschriften des Arbeitgebers zuzuleiten. Nach allgemeinem Vertragsrecht wäre es aber erforderlich gewesen, dass die zum Vertragsschluss führende Annahmeerklärung des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer zugeht, sofern er nicht ausnahmsweise nach § 151 Satz 1 BGB hierauf verzichtet hat oder nach der Vertragssitte eine ausdrückliche Annahmeerklärung gegenüber der anderen Vertragspartei nicht zu erwarten war. Denn in dieser Konstellation lag in der Übersendung einer nicht unterschriebenen Vertragsurkunde nur eine sog. invitatio ad offerendum und das Vertragsangebot ging rechtlich vom Arbeitnehmer aus (BAG, Urteil vom 14.12.2016 – 7 AZR 797/14 = NZA 2017, 638 ff.). Daraus hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung abgeleitet, dass die Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG nur gewahrt ist, wenn die schriftliche Annahmeerklärung dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte aber den Anstellungsvertrag bereits mit zwei Unterschriften versehen dem Kläger übersandt und dieser hat nach eigener Unterschriftsleistung ein Vertragsexemplar an sie zurückgeschickt. In einem solchen Fall liegt das Vertragsangebot in der Übersendung des vom Arbeitgeber unterschriebenen Anstellungsvertrags und die Annahmeerklärung in der Rücksendung der nachfolgend vom Arbeitnehmer unterschriebenen Vertragsurkunde. Damit war der Anstellungsvertrag zustande gekommen und die darin enthaltene Höchstbefristungsabrede in der gesetzlichen Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG wirksam vereinbart. Einer nochmaligen Übersendung einer Vertragsurkunde an den Kläger bedurfte es nicht.
64cc) Die Wirksamkeit der Höchstbefristungsabrede in § 6 des Anstellungsvertrags scheitert auch nicht an dem Umstand, dass der Kläger nach seinen Angaben den Vertrag erst am 02.08.2006 unterzeichnet und zurückgesandt hat.
65Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt, dass ein erst nach Arbeitsaufnahme unterzeichneter Arbeitsvertrag mit Befristungsregelung grundsätzlich nach § 16 TzBfG als ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Arbeitsvertrag gilt (BAG, Urteil vom 14.12.2016 – 7 AZR 142/15 = ZAT 2017, 99 ff.; BAG, Urteil vom 16.03.2005 – 7 AZR 289/04 = NJW 2005, 3595 ff.; BAG, Urteil vom 13.06.2007 – 7 AZR 700/06 = NZA 2008, 108 ff.). Allerdings ist anerkannt, dass ein zunächst unbefristet entstandenes Arbeitsverhältnis nachträglich befristet werden kann. Hierzu sind auf die Herbeiführung dieser Rechtsfolge gerichtete Willenserklärung der Parteien erforderlich. Daran fehlt es in der Regel, wenn die Parteien nach Vertragsbeginn lediglich eine bereits zuvor formunwirksam vereinbarte Befristung in einem schriftlichen Arbeitsvertrag niederlegen. Dadurch wollen sie im Allgemeinen nur das zuvor Vereinbarte schriftlich festhalten und keine eigenständigen rechtsgestaltenden Regelungen treffen (BAG, Urteil vom 15.02.2017 – 7 AZR 223/15 = NZA 2017, 908 ff.). Anders verhält es sich aber, wenn die Parteien vor Vertragsbeginn und vor Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrags keine Befristung vereinbart haben oder wenn sie formunwirksam eine Befristungsabrede getroffen haben, die inhaltlich mit der in dem später unterzeichneten schriftlichen Arbeitsvertrag enthaltenen Befristung nicht übereinstimmt. In diesem Fall wird in dem schriftlichen Arbeitsvertrag nicht lediglich eine zuvor formunwirksam vereinbarte Befristung schriftlich niedergelegt, sondern eine davon abweichende und damit eigenständige Befristungsabrede getroffen, durch die das zunächst bei Vertragsbeginn unbefristet entstandene Arbeitsverhältnis nachträglich befristet wird. Entspricht die Vertragsurkunde den Voraussetzungen des § 126 BGB, ist die Befristung dann nicht wegen eines Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam (BAG, Urteil vom 15.02.2017 a.a.O.; BAG, Urteil vom 13.06.2007 – 7 AZR 700/06a.a.O.; ErfKomm/Müller-Glöge, a.a.O., § 14 TzBfG Rn. 126).
66So liegt der Fall hier. Zwischen den Parteien bestand bereits seit dem 01.03.1994 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Neben anderen Änderungen sollte mit dem auf den 18.07.2006 datierten Anstellungsvertrag auch die dort in § 6 geregelte Befristungsregelung nachträglich installiert werden. Der Regelungswille der Vertragsparteien war somit auf die Abänderung des zunächst begründeten Arbeitsvertrags gerichtet, sodass es nicht darauf ankommt, dass der Kläger vor Vertragsunterzeichnung bei der Beklagten – auf einer anderen Vertragsgrundlage – unbefristet beschäftigt war. Konsequenterweise haben die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits diese Problematik auch nicht schriftsätzlich thematisiert.
67dd) Die Vertragsklausel in § 6 des Anstellungsvertrags ist hinsichtlich der hier in Rede stehenden Altersgrenzen-Befristung weder unverständlich noch unklar und verletzt damit nicht das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
68Etwas anderes ergibt sich zunächst nicht aus dem Umstand, dass jedenfalls nach Auffassung des Arbeitsgerichts die fragliche Vertragsklausel insofern unwirksam ist, als nach ihrem Inhalt auch bei der Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Erhalt eines Rentenbescheids enden soll. Die Vertragsklausel ist nämlich teilbar im Sinne eines sogenannten „Blue-Pencil-Tests“ durch Streichung des unwirksamen Teils. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist (BAG, Urteil vom 21.06.2011 – 9 AZR 236/10 = NZA 2011, 1274 ff.; BAG, Urteil vom 12.03.2008 – 10 AZR 152/07 = NZA 2008, 699 ff.). Im vorliegenden Fall ist die Altersgrenzen-Befristung nach ihrer Fassung eindeutig gegenüber der auflösenden Bedingung bei Bezug einer vorgezogenen Altersrente abgrenzbar und damit im Sinne des Blue-Pencil-Tests aufrechtzuerhalten.
69Für sich genommen ist die Altersgrenzen-Befristung klar und eindeutig. Nichts Abweichendes folgt aus dem Umstand, dass die fragliche Klausel nach Auffassung des Klägers mit der tariflichen Regelung in § 5 des bei Vertragsschluss geltenden Manteltarifvertrags konkurriert. Da der Kläger nicht tarifgebunden ist, spricht alles dafür, dass die arbeitsvertragliche Regelung sich ohnehin gegenüber der tarifvertraglichen Vorschrift durchsetzt, weil § 3 des Anstellungsvertrags ersichtlich Ergänzungsfunktion zukommt. Dessen ungeachtet sind aber arbeitsvertragliche und tarifvertragliche Regelungen hinsichtlich der Altersgrenzen-Befristung inhaltsgleich, sodass sich hieraus eine Intransparenz ohnehin nicht ableiten lässt. Die hier anwendbare Regelung in § 6 des Anstellungsvertrags der Parteien vom 18.07.2006 hält somit einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand.
70ee) Die Befristungsregelung in § 6 des Anstellungsvertrags begründet auch keine Benachteiligung wegen des Alters nach § 7 AGG. Die Vereinbarung ist daher nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Eine Befristung des Arbeitsverhältnisses, die an das Erreichen des Renteneintrittsalters anknüpft, bewirkt zwar eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung bei den Entlassungsbedingungen im Sinne von §§ 7 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 1 AGG. § 10 Sätze 1 und 2 AGG erlauben jedoch eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Nach § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch eine Vereinbarung einschließen, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann. Die Regelung des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG steht wegen des mit ihr verfolgten arbeits- und beschäftigungspolitischen Ziels im Einklang mit Unionsrecht. Die Regelung verfolgt ein legitimes Ziel im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG. Die Befristung ist als Mittel zur Erreichung des legitimen Ziels erforderlich und angemessen. Die Befristung ist erforderlich, um den Zugang jüngerer Personen zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen oder zumindest zu erleichtern und dadurch die Beschäftigungsmöglichkeiten zwischen den Generationen zu verteilen. Die Befristung ist auch angemessen. Der Kläger erhält nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis anstelle seiner Arbeitsvergütung einen Einkommensersatz in Gestalt einer Altersrente. Außerdem hindert die Altersgrenze den Kläger nicht daran, auch nach dem Erreichen des Regelrentenalters berufstätig zu sein. Die Altersgrenze beendet zwar das in der Vergangenheit begründete Arbeitsverhältnis, verbietet aber nicht die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit (ausführlich: BAG, Urteil vom 25.10.2017 a.a.O.). Aus diesen rechtlichen Erwägungen sind auf das Erreichen der Regelaltersgrenze bezogene Befristungsregelungen regelmäßig wirksam und auch im vorliegenden Fall gibt es keine Gründe, die ein Abweichen von diesem Grundsatz rechtfertigen.
71ff) Nach alledem erweist sich die im Anstellungsvertrag unter § 6 getroffene Altersgrenzen-Befristung als wirksam und beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des Monats, in dem der Kläger die Regelaltersgrenze erreichte, mithin am 30.11.2023.
722. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch den auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Schadensersatz zu leisten, abgewiesen.
73a) Die Kammer hat bereits Zweifel, ob der diesbezügliche Feststellungsantrag von dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse getragen ist. Eine auf Feststellung des Anspruchsgrundes gerichtete Klage ist unzulässig, wenn dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist und diese das Rechtsschutzziel erschöpft, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann (etwa BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17 = NJW 2019, 919 ff.). Grundsätzlich ist die Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage subsidiär. Etwas anderes gilt dann, wenn bereits durch die Feststellungsklage der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (etwa: BAG, Urteil vom 16.07.1998 – 6 AZR 672/96 = NZA 1999, 2017 f). Dies gebietet die Prozessökonomie, denn sonst droht eine doppelte Befassung des Gerichts und der beklagten Partei (Musielak/Voit/Foerste, a.a.O., § 256 Rn. 12). Dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung eine etwaige Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen war, steht dem nicht entgegen, weil es maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt (BAG, Urteil vom 18.11.2003 – 1 AZR 30/03 = NZA 2004, 220 ff.). Das Vorliegen des besonderen Feststellungsinteresses als Sachurteilsvoraussetzung muss in jede Lage des Verfahrens gegeben sein und ist von Amts wegen zu prüfen (BAG, Urteil vom 07.02.2019 – 6 AZR 84/18 = NJW 2019, 1833 ff.).
74Letztlich kann hier dahinstehen, ob im vorliegenden Berufungsverfahren das erforderliche Feststellungsinteresse noch zu bejahen ist, weil es lediglich für eine stattgebende Entscheidung unverzichtbar ist (BAG, Urteil vom 16.04.2023 – 9 AZR 554/11 = NJW 2013, 2460 f) und sich der vorliegende Feststellungsantrag jedenfalls als unbegründet erweist.
75b) Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte sich dadurch, dass sie sich in ihren E-Mail-Schreiben vom 16.01.2023 und vom 08.03.2023 auf den Rechtsstandpunkt gestellt hat, dass im Fall der Bewilligung einer vorgezogenen Altersrente zugunsten des Klägers dessen Arbeitsverhältnis mit ihr aufgrund der Regelung in § 6 des Anstellungsvertrags enden würde, nicht diesem gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht hat.
76Nach § 280 Abs. 1 BGB kann ein Gläubiger, wenn der Schuldner eine Pflicht aus einem Schuldverhältnis verletzt, Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen, sofern der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat.
77aa) Im vorliegenden Fall bestand zwar zwischen den Parteien ein Schuldverhältnis in Form ihres Arbeitsverhältnisses. Die Kammer hat bereits Zweifel, ob eine Pflichtverletzung angenommen werden kann. Das Arbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, die in § 6 des Anstellungsvertrags getroffene Regelung, wonach beim Bezug einer vorgezogenen Altersrente das Arbeitsverhältnis der Parteien endet, verstoße gegen § 41 Satz 2 SGB VI. Es erscheint aber fraglich, ob diese Norm überhaupt einschlägig ist. Die hier in Frage stehende Regelung betrifft gerade nicht den Fall, dass der Arbeitsnehmer bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine vorgezogene Altersgrenze beantragen kann, sondern vielmehr den Fall, dass sein Arbeitsverhältnis enden soll, wenn er von dieser rechtlichen Möglichkeit tatsächlich Gebrauch macht. Eine Regelung, die den Arbeitnehmer nicht zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zwingt, sondern ihm lediglich die Möglichkeit nimmt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen und gleichzeitig Arbeitsruhegeld zu beziehen, läuft dem Zweck des § 41 Satz 2 SGB VI aber nicht zuwider (so das BAG, Urteil vom 04.11.2015 – 7 ARZ 851/13 = NZA 2016, 634 ff.). Soweit das Arbeitsgericht die Streichung des § 34 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31.12.2022 gültigen Fassung mit der bis dahin geltenden negativen Anspruchsvoraussetzung, dass eine Vollrente wegen Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze nur zu leisten war, wenn die pro Kalenderjahr einzuhaltende Hinzuverdienstgrenze von 6.300,00 € nicht überschritten wurde, zum Anlass nehmen möchte, § 41 Satz 2 SGB VI erweiternd auszulegen, hat die Kammer Zweifel, ob eine solche Auslegung des § 41 Satz 2 SGB VI über seinen Wortlaut hinaus möglich wäre.
78bb) Dessen ungeachtet vermag die Kammer nicht festzustellen, dass bei unterstellter Pflichtverletzung seitens der Beklagten diese einen dadurch verursachten Schaden gegenüber dem Kläger zu vertreten hätte.
79Zu vertreten hat der Schuldner nach § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB in der Regel Vorsatz und Fahrlässigkeit. Bei der Verwendung von unzulässigen Vertragsklauseln gilt, dass Verschulden jedenfalls dann zu verneinen ist, wenn die fragliche Klausel zum Verwendungszeitpunkt von der Rechtsprechung noch nicht beanstandet wurde oder sie gar höchstrichterlich für zulässig befunden wurde (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2009 – VIII ZR 302/07 = NJW 2009, 2590 ff.; MünchKommBGB/Fornasier, 9. Auflage 2022, § 306 Rn. 52; BeckOGK/Bonin, 01.03.2024, BGB § 306 Rn. 92.1).
80So liegt der Fall hier. Jedenfalls vor der Streichung der Hinzuverdienstgrenze gemäß § 34 Abs. 2 SGB VI a. F. entsprach es der gängigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass eine auflösende Bedingung im Sinne von § 21 TzBfG wirksam vereinbart werden konnte, sofern durch die Bewilligung von Rentenleistungen eine Absicherung des betroffenen Arbeitnehmers gegeben war (etwa BAG, Urteil vom 15.02.2017 – 7 AZR 82/15 = NZA-RR 2017, 398 ff. für die Bewilligung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung; BAG, Urteil vom 04.11.2015 a.a.O. für die Gewährung einer vorgezogenen Altersrente; BAG, Urteil vom 06.12.2000 – 7 AZR 302/99 = NZA 2001, 792 ff. für die Bewilligung einer Versorgungsrente aus der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost). Soweit ersichtlich hat vor dem erstinstanzlichen Urteil in dem vorliegenden Verfahren bislang niemand in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, dass aufgrund der zum 01.01.2023 in Kraft getretenen Gesetzesänderung bisher beanstandungsfreie Vertragsklauseln im Sinne des § 21 TzBfG unwirksam geworden sind. Jedenfalls kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, Rechtsprechung und Schrifttum schuldhaft missachtet zu haben, indem sie sich Anfang des Jahres 2023 auf den Rechtsstandpunkt stellte, die mit dem Kläger getroffene auflösende Bedingung für den Fall der Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente sei weiterhin wirksam. Die Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs aus § 280 Abs. 1 BGB sind somit nicht erfüllt.
81cc) Ob der Beklagten dem Grunde nach vorgeworfen werden könnte, sie habe durch ihr Festhalten an der fraglichen Vertragsklausel gegen das Benachteiligungsverbot aus § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, kann dahinstehen. Auch ein Anspruch aus § 15 Abs. 1 AGG, auf den der Kläger sich hilfsweise beruft, setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG ein Vertretenmüssen des Arbeitgebers voraus, das aus den vorgenannten Gründen hier nicht festgestellt werden kann.
82dd) Soweit der Kläger meint, die Beklagte habe sich lediglich deshalb auf die Wirksamkeit der vereinbarten auflösenden Bedingung berufen, weil sie ihn wegen früherer Meinungsverschiedenheiten oder seiner Betriebsratstätigkeit habe maßregeln wollen, hält die Kammer dies für weit hergeholt. Angesichts der viele Jahr zuvor getroffenen vertraglichen Regelung hätte der Kläger dafür konkrete Anhaltspunkte vortragen und unter Beweis stellen müssen. Ebenso wenig sind die Voraussetzungen für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.v. § 826 BGB ausreichend dargetan.
833. Nach alledem erweist sich die erstinstanzliche Entscheidung, soweit hierüber im Berufungsverfahren zu entscheiden war, als zutreffend. Die Berufung des Klägers musste daher erfolglos bleiben.
84Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
85Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.
86RECHTSMITTELBELEHRUNG
87Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
88Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.