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Wird eine über das Instanzende hinausgehende Frist zur Vervollständigung der Prozesskostenhilfeunterlagen gesetzt (Nachfrist), so handelt es sich regelmäßig um eine Ausschlussfrist. Nach Ablauf der Nachfrist eingereichte Unterlagen können dann nicht mehr berücksichtigt werden.
Anders liegt es, wenn trotz Ablaufs der Nachfrist das Gericht eine weitere Frist zur Einreichung bzw. Vervollständigung der Unterlagen setzt. Wird eine solche (weitere) Nachfrist gesetzt, so darf die bedürftige Partei darauf vertrauen, dass innerhalb dieser Frist eingereichte Unterlagen noch berücksichtigt werden, d. h. es wird durch die Fristgewährung ein Vertrauenstatbestand geschaffen.
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13.11.2024 aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Neubescheidung des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe an das Arbeitsgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe:
2I.
3Der Kläger hat Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht Bielefeld beantragt.
4Dem am 28.08.2024 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt. Im Gütetermin am 29.08.2024 wurde dem Kläger eine Frist von drei Wochen zur Vervollständigung seiner Unterlagen gesetzt. Das Verfahren endete in diesem Gütetermin durch Vergleich, mit dem sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.09.2024 verständigten.
5Mit Schreiben vom 03.09.2024 forderte das Gericht den Kläger auf, binnen drei Wochen Nachweise zu erbringen darüber, wie er seinen Lebensunterhalt bestreite, sowie über die Wohn- und Heizkosten. Ferner wurde der Kläger aufgefordert, einen aktuellen Kontoauszug des letzten Monats vorzulegen.
6Mit am 30.09.2024 beim Arbeitsgericht eingegangen Schreiben übermittelte der Kläger eine Lohnabrechnung für den Monat August 2024 und teilte mit, dass ihm eine Abrechnung für September 2024 noch nicht vorliege. Ferner übersandte er einen Abschlagsplan der Stadtwerke A sowie Kontoauszüge für den Zeitraum 01.08. bis 02.09.2024, aus dem sich die Abbuchung der Stadtwerke sowie der Miete ergeben. Mit Schreiben vom 30.09.2024 forderte das Gericht den Kläger nochmals auf, bis zum 14.10.2024 Angaben dazu zu machen, wie er seinen Lebensunterhalt bestreite sowie seine Wohnkosten nachzuweisen und Angaben dazu zu machen, ob Unterhaltspflichten gegenüber Dritten bestehen. Mit Schreiben vom 22.10.2024 erinnerte das Arbeitsgericht an die Erledigung binnen zwei Wochen.
7Nachdem diese Schreiben unbeantwortet blieben, wies das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 13.11.2024 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 28.08.2024 gemäß § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO zurück.
8Gegen den ablehnenden Beschluss vom 13.11.2024, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am gleichen Tag, wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde vom 22.11.2024, beim Arbeitsgericht eingegangen am gleichen Tag. Er trägt vor, dass er die angeforderten Nachweise eingereicht habe und nicht ersichtlich sei, welche weiteren Nachweise fehlten.
9Mit Beschluss vom 17.12.2024 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen mit der Begründung, dass die vorgelegte Lohnabrechnung angesichts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.09.2024 am 30.09.2023 nicht mehr aktuell gewesen sei und die Mietkosten nicht belegt worden seien, und hat den Sachverhalt dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
10II.
11Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 11a Abs. 1 ArbGG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Jedenfalls mit der vom Arbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht verweigert werden.
121. Grundsätzlich gilt, dass gemäß der §§ 114, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe erhält, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das Prozesskostenhilfe-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt. Vollständig ist die Prozesskostenhilfe-Antragstellung, wenn sie § 117 Abs. 2 ZPO entspricht. § 117 Abs. 4 ZPO schreibt für die Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO) die Benutzung des amtlichen Vordrucks vor. Diesem sind entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Nach § 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann das Gericht darüber hinaus verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen oder Auskünfte einholen (§ 118 Abs. 2 ZPO). Dies entbindet den Antragsteller jedoch nicht von seiner Verpflichtung, die notwendigen Belege zur Glaubhaftmachung auch ohne gerichtliche Aufforderung von sich aus gemäß § 117 Abs. 2 ZPO der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beizufügen. Geschieht dies nicht, muss das Gericht auf den Mangel hinweisen und innerhalb einer gesetzten Frist zur Glaubhaftmachung auffordern (§ 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Diese Frist ist keine Ausschlussfrist (Schultzky in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 118 Rn. 27). Anders ist es nur bei einer über das Ende der Instanz hinausgehenden Nachfrist zur Vorlage von Belegen (LAG Hamm, Beschluss vom 1. Juli 2015 – 14 Ta 6/15 –, Rn. 42., juris).
132. Grundsätzlich kann erst zu dem Zeitpunkt, in dem diesen Anforderungen genügt ist, Prozesskostenhilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden. Jedoch kann die Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Bewilligungsantrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche oder Zumutbare getan hat (BAG, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 3 AZB 34/11 –, Rn. 13, juris). Soweit die Voraussetzungen einer rückwirkenden Bewilligung vorliegen, sind aus der Staatskasse Tätigkeiten des beigeordneten Rechtsanwalts zu vergüten, die dieser auf die Hauptsache bezogen bei oder nach dem Eingang des Prozesskostenhilfeantrags erbracht hat (BAG, Beschluss vom 16. Februar 2012 – a.a.O.).
143. Ausgehend davon ist der Beschluss des Arbeitsgerichts aufzuheben. Der Kläger hat vor dem Beschluss des Arbeitsgerichts durch seinen formgerechten Bewilligungsantrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche und Zumutbare getan.
15a) Der Kläger hat mit seinem Schriftsatz vom 30.09.2024 neben Kontoauszügen, aus denen sich die Wohn- und Heizkosten ergeben, eine Lohnabrechnung für den Monat August 2024 vorgelegt und darauf hingewiesen, dass ihm eine Abrechnung für den Monat September 2024 noch nicht vorliege. Das ist nachvollziehbar, denn die vorgelegte August-Abrechnung wurde am 02.09.2024 und somit zu Beginn des Folgemonats ausgestellt, so dass am 30.09.2024 eine Abrechnung für den Monat September 2024 noch nicht vorlag. Der Kläger hat damit mit seinem Schriftsatz vom 30.09.2024 alles von seiner Seite aus für die Bewilligung Erforderliche oder Zumutbare getan, um sein Einkommen zu belegen.
16b) Zwar wurden die Unterlagen erst nach Ablauf der am 30.09.2023 endenden Nachfrist eingereicht und wären somit verspätet. Vorliegend war die Fristversäumnis aber unschädlich, denn das Arbeitsgericht hat mit seinen Schreiben vom 30.09.2024 und vom 22.10.2024 weitere Nachfristen gesetzt. Wird eine Nachfrist gesetzt, so darf die bedürftige Partei darauf vertrauen, dass über ihr Prozesskostenhilfegesuch ordnungsgemäß auch nach Verfahrens- oder Instanzbeendigung noch entschieden wird, d. h. es wird durch die Fristgewährung ein Vertrauenstatbestand geschaffen (LAG Hamm, Beschluss vom 14. Juni 2019 – 14 Ta 566/18 –, Rn. 24, juris). Das gilt auch dann, wenn die dem Antragsteller gesetzte Frist mehrfach verlängert wird, weil das schutzwürdige Vertrauen auf Bewilligung der begehrten Prozesskostenhilfe auch dann noch bis zur letzten gesetzten Frist fortbesteht (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2008 – XII ZB 151/07 –, Rn. 12, NJW-RR 2008, 942-943). Selbst wenn der Antragsteller innerhalb der gesetzten Frist reagiert, aber zunächst nur einen Teil der offenen Fragen klärt, ist sein Vertrauen auf die Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe weiter geschützt. Denn dies wäre auch ohne die (Teil-)Antwort der Fall, und dem Antragsteller bleibt es unbenommen, die Antwort bis zum Fristablauf weiter zu ergänzen (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2008 – XII ZB 151/07 –, Rn. 12, aaO).
17c) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe durfte auch nicht verweigert werden im Hinblick auf die fehlenden Nachweise von Wohn., Heiz- und Unterhaltskosten. Denn wird – wie vorliegend – zwar der amtliche Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht, werden die Angaben aber nur teilweise belegt, so entbindet dies das Gericht nicht von einer Bedürftigkeitsprüfung im Übrigen, also ohne diese Belastungen. Denn nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO bleiben Belastungen ohne die erforderliche Glaubhaftmachung lediglich „insoweit“, d.h. als vermögensmindernde Verbindlichkeiten, unberücksichtigt. Prozesskostenhilfe ist dann unter Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Abzüge zu bewilligen. Gänzlich zu versagen ist sie nur, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass die Partei die Prozesskosten selbst bezahlen kann (vgl. Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024, § 118 ZPO, Rn. 28; BeckOK ZPO/Reichling, 35. Ed. 1.1.2020, ZPO § 118 Rn. 25; MüKoZPO/Wache, 5. Aufl. 2016, ZPO § 118 Rn. 16, jew. m.w.N.; LAG Hamm, Beschluss vom 26.04.2024 – 13 Ta 20/24 – n.v.; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. Februar 2024 – 3 Ta 13/24 –, Rn. 18, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 8. April 2020 – 13 WF 18/20 –, Rn. 6, juris).
18Ausgehend davon durfte das Arbeitsgericht die beantragte Prozesskostenhilfe auch nicht mit der Begründung verweigern, dass der Kläger die weiteren Auflagen des Gerichts nicht erfüllt habe. Denn selbst wenn das Arbeitsgericht davon ausging, dass die vorgelegten Kontoauszüge nicht als hinreichender Nachweis der Wohn- und Heizkosten dienen und auch die Angaben zu Unterhaltszahlungen an Dritte unzureichend waren, so hätte es diese Angaben als Belastungen außer Acht lassen, im Übrigen aber eine Bedürftigkeitsprüfung anhand des vorgelegten Einkommensnachweises vornehmen müssen. Eine solche Bedürftigkeitsprüfung ist bislang unterblieben.
194. Das Beschwerdegericht kann den angefochtenen Beschluss ausnahmsweise aufheben und das Verfahren statt einer eigenen Sachentscheidung an das Prozessgericht zurückverweisen. Hat das Ausgangsgericht die Bewilligung ohne Prüfung der Erfolgsaussicht bereits wegen fehlender Bedürftigkeit versagt und beurteilt das Beschwerdegericht diese Frage anders, so hat es ohne Entscheidung in der Sache das Verfahren zur Prüfung der Erfolgsaussicht und nochmaliger Entscheidung über das Gesuch an das Ausgangsgericht zurückzuverweisen (vgl. MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020, ZPO § 127 Rn. 37, beck-online; Gottschalk/ Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe 10. Aufl. 2021, Rn. 1090; LAG Köln, Beschluss vom 17. November 2015 – 12 Ta 298/15 –, Rn. 13 - 14, juris).
205. Gegen diesen Beschluss ist mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde, für die kein Anlass besteht, ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben (§ 78 Satz 2 ArbGG iVm. § 72 Abs. 2 ZPO, § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
21Rechtsmittelbelehrung:
22Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.