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Auf die Gegenvorstellung der Klägerin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24.09.2024 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 06.05.2024 aufgehoben.
Es verbleibt bei der durch Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 14.05.2022 bewilligten Prozesskostenhilfe.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
2Das Schreiben der Klägerin vom 20.09.2024, das als Gegenvorstellung auszulegen war, gegen die im Tenor genannte Entscheidung des Beschwerdegerichts ist begründet.
31. Die Gegenvorstellung gegen eine nicht rechtsmittelfähige Entscheidung des Beschwerdegerichts im Prozesskostenhilfeverfahren ist grundsätzlich möglich (vgl. Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 127 ZPO, Rz. 69). Sie kann eingelegt werden, wenn Wiederaufnahme- oder Wiedereinsetzungsgründe vorliegen, das rechtliche Gehör durch das Beschwerdegericht verweigert wurde oder die Entscheidung des Beschwerdegerichts greifbar gesetzwidrig ist.
42. Im vorliegenden Fall liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin vor.
5a) Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage vor Erlass der Entscheidung zu äußern und vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Garantiert ist den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Insbesondere sichert das Verfahrensgrundrecht, dass sie mit Ausführungen und Anträgen gehört werden (vgl. BVerfG 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14 - Rn. 47 ff.; Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 74. Lieferung 07.2017, Art. 103 GG, Rn. 91 m. w. N.).
6b) Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsgericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zunächst zu Recht aufgehoben, da die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten im Nachprüfungsverfahren gem. § 124 Ziff. 2 ZPO a.F. nicht nachgekommen ist. Eine bedürftige Partei kann aber auch noch im Beschwerdeverfahren gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfe-Bewilligung eine nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO geforderte Erklärung nachholen, auch wenn sie die Frist zur Einreichung der Erklärung schuldhaft versäumt hat (BAG Beschluss v. 18.11.2003, 5 AZB 46/03; NZA 2004, 1062 f; ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern, zB Beschluss vom 02.012024, 13 Ta 258/23, n.v.).
7Vorliegend hat die Klägerin zwar auch innerhalb der vom Landesarbeitsgericht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gesetzten Frist bis zum 18.09.2024 Unterlagen nicht eingereicht, so dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 24.09.2024 aufgehoben wurde. Im Nachgang ging dann jedoch am 25.09.2024 ein Schreiben der Klägerin vom 20.09.2024 beim Landesarbeitsgericht ein, dem ein Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beigefügt war. Es kann nicht festgestellt werden, dass zu diesem Zeitpunkt der Beschluss vom 24.09.2024 schon existent geworden ist.
8Insofern gilt, dass ein Beschluss iSd § 329 Abs. 2 ZPO, der nicht zu verkünden, sondern zuzustellen ist, erst dann existent, also erlassen wird, wenn er mit dem Willen des Gerichts in einer der Verkündung vergleichbaren Weise aus dem inneren Geschäftsbetrieb herausgelangt ist mit dem Zweck, den Parteien bekannt gegeben zu werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29.8.2017 - XI ZR 318/16, NJW 2017, 3239; 13; vom 16.9.2016 - V ZR 3/16, MDR 2017, 107). Das ist zB der Fall, wenn eine Ausfertigung des Beschlusses zur Post gegeben (zB BGH 16.9.2016 - V ZR 3/16, MDR 2017, 107) oder in das Gerichtsfach eines Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist, aber auch schon dann, wenn der Gerichtswachtmeister eine Ausfertigung bei der Geschäftsstelle abgetragen hat, um sie in das Gerichtsfach des Prozessbevollmächtigten einzulegen oder zur Post(-stelle) zu geben; ein Zugang bei den Parteien ist hingegen nicht erforderlich (vgl. Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 329 ZPO, Rn. 19). Bis zu diesem Zeitpunkt liegt nur ein innerer Vorgang des Gerichts vor. Selbst wenn der Beschluss unterschrieben ist, ist er bis zum Verlassen der Gerichtsakten noch nicht mit unabänderbarer Wirkung erlassen, so dass Eingaben bis zu diesem Zeitpunkt als rechtzeitig eingegangen gelten und damit vom Gericht zu beachten sind. Wenn der PKH-Empfänger die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse also zwar erst nach Ablauf einer gesetzten Nachfrist und am Tage nach Erlass des PKH-Aufhebungsbeschlusses, jedoch vor der Ausfertigung und Übergabe an die Post durch die Geschäftsstelle beim Arbeitsgericht einreicht, muss die nachgereichte Erklärung berücksichtigt und eine ggf. schon erlassenen Entscheidung beseitigt oder inhaltlich geändert werden.
9So liegt der Fall hier. Der Abvermerk datiert vom 25.09.2024. Eine Uhrzeit ist naturgemäß nicht ersichtlich. Der Eingangsstempel des Landesarbeitsgerichts weist einen Eingang der Unterlagen ebenfalls am 25.09.2024 aus. Da aufgrund dessen nicht festgestellt werden kann, dass die Unterlagen der Klägerin vor Erlass der Beschwerdeentscheidung eingegangen sind - was auf einem internen Vorgang des Gerichts beruht -, waren sie bei Erlass der Beschwerdeentscheidung noch zu berücksichtigen.
10Die Klägerin hat durch Vorlage des aktuellen Bescheids über den Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch nachgewiesen, dass sie nicht in der Lage ist, einen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten, ohne den für sich und ihre Familie erforderlichen Unterhalt zu beeinträchtigen. Damit sind die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung weiterhin gegeben.
113. Danach war die Entscheidung des Beschwerdegerichts vom 24.09.2024 aufgrund des am 25.09.2024 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schreibens der Klägerin, welches als Gegenvorstellung auszulegen war, aufzuheben und auf ihre sofortige Beschwerde die Aufhebungsentscheidung des Arbeitsgerichts ihrerseits aufzuheben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufrechtzuerhalten.
12Rechtsmittelbelehrung
13Die Entscheidung ist unanfechtbar.