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1.§ 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist im Fall eines gesetzlichen Forderungsübergangs ent-sprechend anzuwenden.2.In die Wertung, ob bei einer Reise in ein Covid-19-Risikogebiet und dortiger Virus-infektion ein Verschulden hinsichtlich einer aus der Infektion resultierenden Arbeits-unfähigkeit iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG vorliegt, ist angesichts des Bezugspunkts des Verschuldens iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ein durch die Reise verändertes Infektionsrisiko einzubeziehen. Von einem verständigen Menschen ist im eigenen Interesse der Gesunderhaltung und Vermeidung von zur Arbeitsunfähigkeit führen-den Erkrankungen zu erwarten, dass er in Zeiten einer pandemischen Lage das bestehende Infektionsrisiko nicht durch Reisen wesentlich erhöht, ohne dass hierfür ein triftiger Grund vorliegt. Bei der Beurteilung, ob dagegen in grober Weise versto-ßen wird, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 23. September 2022 - 3 Ca 4693/20 - abgeändert und die Beklagte verurteilt,
a) an den Kläger 2.491,68 € brutto abzüglich 1.553,64 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Dezember 2020 zu zahlen;
b) an die A, XXXXX B, 1.553,64 € netto zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlungsansprüche aufgrund Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit für den Zeitraum vom 27. September bis zum 31. Oktober 2020.
3Der Kläger ist bei der Beklagten seit Juli 2008 beschäftigt. Er erhält einen Stundenlohn von 13,13 € brutto bei einer Arbeitszeit von 167 Stunden im Monat. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge des iGZ-DGB aufgrund einer Bezugnahme im Arbeitsvertrag der Parteien Anwendung.
4Die Beklagte gewährte dem Kläger in dem Zeitraum vom 17. August bis zum 25. September 2020 Urlaub. Der Kläger reiste vom 15. August bis zum 26. September 2020 mit dem Flugzeug in die Türkei in seinen Heimatort D. Dort besitzt der Kläger ein Wohnhaus, in dem er für die Dauer des Aufenthalts wohnte. Für diese Region galt zum Reisezeitpunkt eine Covid-19-Reisewarnung des Auswärtigen Amts, die vor nicht notwendigen, touristischen Reisen warnte. Zudem war die Türkei zum Reisezeitpunkt als Risikogebiet durch das Robert-Koch-Institut ausgewiesen.
5Aufgrund der wegen der Pandemie bestehenden Regelungen ließ sich der Kläger am 24. September 2020 auf eine Covid-19-Infektion testen. Der Test fiel negativ aus. Er reiste am 26. September 2020 in Deutschland ein. Ab dem 27. September 2020 befand sich der Kläger aufgrund einer Infektion mit Covid-19 mit schwerem Verlauf in stationärer Behandlung und war arbeitsunfähig erkrankt. Der Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit dauerte jedenfalls bis zum 31. Oktober 2020 an. Eine Quarantäneanordnung des zuständigen Ordnungsamts bzw. Gesundheitsamts erhielt der Kläger nicht.
6Mit seiner am 11. Dezember 2020 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klageschrift hat der Kläger die Zahlung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum vom 27. September bis zum 31. Oktober 2020 begehrt. Am 22. März 2021 hat die Krankenkasse des Klägers, A in B, Krankengeld für den Zeitraum vom 27. September bis zum 31. Oktober 2020 in Höhe von 1.553,64 € an den Kläger gezahlt. Wegen des Leistungsbescheids der Krankenkasse wird auf Bl. 76 dA. Bezug genommen.
7Der Kläger hat behauptet, er habe sich nicht in der Türkei, sondern nach seiner Rückkehr in Deutschland mit dem Coronavirus infiziert. Zudem sei ihm nicht bekannt gewesen, dass die Region seines Aufenthalts als Risikogebiet ausgewiesen war. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, für den streitgegenständlichen Zeitraum Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten.
8Zunächst hat der Kläger mit seinem Klageantrag ausschließlich Zahlung an sich selbst verlangt. Nach der Zahlung des Krankengelds hat er seinen Klageantrag teilweise auf Zahlung an seine Krankenkasse umgestellt.
9Der Kläger hat zuletzt beantragt,
10die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.491,68 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich eines Betrages in Höhe von 1.553,64 €, der an die A, XXXXX B, zu zahlen ist, zu zahlen.
11Die Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie hat behauptet, der Kläger habe sich während seines Aufenthalts in der Türkei mit Covid-19 infiziert. Sie hat die Ansicht vertreten, den Kläger treffe ein die Entgeltfortzahlung ausschließendes Verschulden an seiner Erkrankung, da er entgegen öffentlicher Warnungen in ein Risikogebiet gereist und sich dort angesteckt habe.
14Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Tatsache, ob sich der Kläger während seines Aufenthalts in der Türkei bis zum 26. September 2020 mit dem Coronavirus infiziert hat, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Inhalts des schriftlichen Gutachtens vom 30. März 2022 wird auf Bl. 153 ff. dA. Bezug genommen.
15Mit Urteil vom 23. September 2022 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Die Klage sei unzulässig, soweit der Kläger Zahlung an die A in Höhe von 1.553,64 € verlange. Ihm fehle insoweit die Prozessführungsbefugnis, da weder vorgetragen noch ersichtlich sei, dass die Krankenkasse den Kläger zur Geltendmachung etwaiger Ansprüche ermächtigt habe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, da er seine Arbeitsunfähigkeit iSv. § 3 EFZG verschuldet habe. Angesichts des Sachverständigengutachtens stehe fest, dass er sich während seiner Reise in der Türkei mit dem Coronavirus angesteckt habe. Von einem schuldhaften Herbeiführen der Arbeitsunfähigkeit könne ausgegangen werden, wenn ein Arbeitnehmer Regionen entgegen einer ausdrücklichen Reisewarnung besuche, bei denen nach der offiziellen Reisewarnung ein erhöhtes Infektionsrisiko vorliege und tatsächlich ein gegenüber dem Inland nachweislich erhöhtes Infektionsrisiko bestehe. Da die Türkei zum Reisezeitpunkt als Risikogebiet eingestuft gewesen sei, spreche eine widerlegbare Vermutung dafür, dass ein erhöhtes Infektionsrisiko bestanden habe. Es sei sodann an dem Kläger gewesen, im Rahmen der bestehenden Mitwirkungspflicht die Gegebenheiten vor Ort im Urlaubsland im Einzelnen darzustellen. Dem sei er nicht nachgekommen.
16Gegen das dem Kläger am 20. Oktober 2022 zugestellte Urteil richtet sich seine am 9. November 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, die er am 20. Januar 2023 innerhalb der bis zu diesem Tag verlängerten Berufungsbegründungsfrist unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klage sei auch hinsichtlich der Zahlung von Entgeltfortzahlung an die Krankenkasse zulässig, da angesichts des Anspruchsübergangs nach Klageerhebung eine gesetzliche Prozessstandschaft nach §§ 265 ff. ZPO vorliege. Die Klage sei auch begründet. Zwar werde nicht mehr in Abrede gestellt, dass er sich in der Türkei mit dem Coronavirus infiziert habe. Es treffe ihn jedoch kein Verschulden iSd. § 3 EFZG. Seine Reise sei an keinen Urlaubsort in einer Urlaubsregion erfolgt, sondern an seinen Heimatort mit Aufenthalt in einer „ganz normalen“ Wohnung. Er bestreitet, dass es sich um ein Hochrisikogebiet gehandelt habe. Zumindest habe er keine Kenntnis davon gehabt, sodass keine subjektive Vorwerfbarkeit vorliege. Er behauptet, er habe sich wie zu Hause in Deutschland verhalten und sei nur zum Einkaufen und für übliche Besorgungen aus dem Haus gegangen. Beim Verlassen des Hauses habe er sich mit einer Schutzmaske geschützt. Er ist der Ansicht, es fehle Vortrag der Beklagten, wie die Gefährdung in D gewesen sei und auf welche Weise er sich gefährdend verhalten haben soll.
17Der Kläger beantragt zuletzt,
18das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 23. September 2022 - 3 Ca 4693/20 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
191. an ihn 2.491,68 € brutto abzüglich 1.553,64 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
202. 1.553,64 € netto an die A, XXXXX B, zu zahlen.
21Die Beklagte beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das arbeitsgerichtliche Urteil. Sie behauptet, eine Zahlungsaufforderung der A sei ihr bislang nicht zugegangen. Bei der Aufenthaltsregion des Klägers habe es sich um ein Hochrisikogebiet gehandelt. Sie vertritt die Auffassung, das darauf gerichtete Bestreiten des Klägers sei als neues Verteidigungsmittel nach § 531 ZPO unzulässig. Im Übrigen habe sich der Kläger in Zeiten der Pandemie vor Buchung und Reiseantritt über das aktuelle Risiko informieren müssen. Allein die Reise in ein Hochrisikogebiet habe schon eine erhöhte Infektionsgefahr begründet. Eine zusätzlich gefahrgeneigte Verhaltensweise sei nicht erforderlich gewesen. Der Kläger habe eine Infektion mutwillig in Kauf genommen. Die in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2023 erörterten 7-Tage-Inzidenzen von 9,6 in Deutschland und 10,0 in der Türkei am 17. August 2020 habe sie auf der Website „www.corona-in-zahlen.de“ nicht finden können. Sie behauptet unter Verweis auf die Websites des Robert-Koch-Instituts und der Weltgesundheitsorganisation, am 17. August 2020 habe die kumulative Inzidenz der letzten sieben Tage deutschlandweit bei 8,5 und in Nordrhein-Westfalen bei 15,0 Fällen pro 100.000 Einwohnern gelegen. Es seien 561 neue Corona-Fälle gemeldet gewesen und die Gesamtzahl der bestätigten Fälle habe bei 224.014 gelegen. In der Türkei seien insgesamt 56.025 neue Fälle gemeldet worden im Vergleich zu 9.508 neuen Fällen in Deutschland. Am 24. September 2020 habe die 7-Tage-Inzidenz in Deutschland 13,2 betragen und in Nordrhein-Westfalen 16,2 pro 100.000 Einwohner. Es seien 2.143 neue Corona-Fälle gemeldet worden, die Gesamtzahl der bestätigten Fälle habe bei 278.070 gelegen. Am 28. September 2020 seien in der Türkei 57.168 neue Fälle gemeldet worden im Vergleich zu 15.663 neuen Fällen in Deutschland. Trotz in etwa gleicher Einwohnerzahl (etwa 84 Mio. Einwohner in der Türkei gegenüber etwa 83 Mio. Einwohnern in Deutschland) seien am 17. August 2020 knapp sechsmal mehr Fälle als in Deutschland gemeldet worden. Sie ist der Ansicht, etwaige Unsicherheiten mit Blick auf die Datenlage seien bei einer gerichtlichen Entscheidung zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen. Zudem sei ein reines Abstellen auf die jeweils vorherrschenden Inzidenzen zu kurzgreifend. Es seien auch die jeweilige Teststrategie und sonstige angeordnete Schutzmaßnahmen in Deutschland und der Türkei in die Betrachtung mit einzubeziehen.
24Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die ausweislich der Sitzungsprotokolle abgegebenen Erklärungen und erteilten rechtlichen Hinweise ergänzend Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe
26Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.
27I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstands statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b ArbGG), nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG am 9. November 2022 gegen das dem Kläger am 20. Oktober 2022 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der nach § 66 Abs. 1 Satz 1, Satz 5 ArbGG verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 20. Januar 2023 ordnungsgemäß nach den §§ 520 Abs. 3 ZPO, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG begründet worden.
28II. Die Berufung ist begründet. Die Beklagte ist zur Zahlung von Entgeltfortzahlung für den streitbefangenen Zeitraum verpflichtet.
291. Die Klage ist zulässig.
30a) Sie ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie ist auf einen bezifferten Entgeltbetrag gerichtet und für den streitgegenständlichen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 6. Dezember 2017 - 5 AZR 699/16 - Rn. 12).
31b) Der Kläger ist auch befugt, den erhobenen Zahlungsanspruch gerichtlich geltend zu machen. Dies gilt auch, soweit der Anspruch für den Fall seines Entstehens nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers aufgrund der Zahlung von Krankengeld auf seine Krankenkasse gemäß § 115 Abs. 1 SGB X nach Rechtshängigkeit übergegangen wäre. Insoweit liegt eine gesetzliche Prozessstandschaft vor.
32aa) Nach § 265 Abs. 1 ZPO schließt die Rechtshängigkeit das Recht der einen oder der anderen Partei nicht aus, die in Streit befangene Sache zu veräußern oder den geltend gemachten Anspruch abzutreten. Nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat die Veräußerung oder Abtretung auf den Prozess keinen Einfluss. Der ursprüngliche Forderungsinhaber verliert durch die Übertragung der Forderung die Sachbefugnis, bleibt aber prozessual befugt, auch diejenigen Ansprüche weiterhin geltend zu machen, die infolge der Abtretung dem neuen Anspruchsinhaber zustehen. Zur Vermeidung einer Abweisung der Klage als unbegründet muss der Kläger seinen Antrag auf Leistung an den neuen Forderungsinhaber umstellen. Die Prozessführungsbefugnis des ursprünglichen Forderungsinhabers besteht aufgrund einer gesetzlichen Prozessstandschaft gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO fort (vgl. BGH 15. Dezember 2022 - I ZR 135/21 - Rn. 15 mwN).
33bb) § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist im Fall eines gesetzlichen Forderungsübergangs entsprechend anzuwenden (vgl. BGH 15. Dezember 2022 - I ZR 135/21 - Rn. 15 mwN; Greger in Zöller ZPO 35. Aufl. § 265 Rn. 5; Saenger ZPO 10. Aufl. § 265 Rn. 6; Musielak/Voit/Foerste ZPO 20. Aufl. § 265 Rn. 5; MüKoZPO/Becker-Eberhard 6. Aufl. 2020 § 265 Rn. 49). Nach ihrem Schutzzweck kommt es für die Anwendbarkeit der Norm nicht auf die Art des Übergangs an. Denn § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO soll insbesondere verhindern, dass die Lage des Gegners nachteilig verändert und das Ergebnis des Prozesses unwirksam gemacht wird (vgl. BGH 14. September 2018 - V ZR 267/17 - Rn. 25). Für das Schutzbedürfnis des Gegners, der die materiell-rechtlichen Änderungen regelmäßig nicht abwenden kann, ist es unerheblich, ob der Anspruchsübergang gewillkürt oder kraft Gesetzes erfolgt.
34cc) Der gesetzliche Forderungsübergang nach § 115 Abs. 1 SGB X ist nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers nach Rechtshängigkeit erfolgt. Ausweislich des Wortlauts („erbracht hat“) knüpft die Legalzession an die tatsächliche Erbringung der Sozialleistung an (Schlaeger/ Bruno in Hauck/Noftz SGB X 4. EL 2023 § 115 Rn. 29 mwN). Die Klage ist am 11. Dezember 2020 beim Arbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 18. Dezember 2020 zugestellt worden (vgl. § 261 Abs. 1 ZPO). Die Krankenkasse zahlte an den Kläger erst am 22. März 2021 Krankengeld für den streitbefangenen Zeitraum.
35dd) Ob die A B durch eine Legalzession gemäß § 115 Abs. 1 SGB X tatsächlich Inhaberin der Forderung in Höhe von 1.553,64 € netto geworden ist, ist im Rahmen der Zulässigkeit der Klage nicht festzustellen. Sog. doppelt relevante Tatsachen, die zugleich für die Zulässigkeit und die Begründetheit der Klage maßgeblich sind, müssen für die Zulässigkeit nicht festgestellt werden. Für die Annahme der Prozessführungsbefugnis des Klägers gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO reicht es aus, dass er eine nach Rechtshängigkeit eingetretene Rechtsnachfolge schlüssig darlegt. Die Wirksamkeit der Rechtsnachfolge ist im Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfen (vgl. BGH 15. Dezember 2022 - I ZR 135/21 - Rn. 18 mwN).
362. Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG zur Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 27. September bis zum 31. Oktober 2020 In Höhe von 2.491,68 € brutto verpflichtet. Der Anspruch des Klägers ist in Höhe von 1.553,64 € netto gemäß § 115 Abs. 1 SGB X auf seine Krankenkasse übergegangen.
37a) Ein Arbeitnehmer hat nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.
38b) Krankheit iSd. § 3 EFZG setzt einen regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand voraus. Arbeitsunfähigkeit besteht, wenn der Arbeitnehmer infolge Krankheit seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder objektiv nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose hierdurch verhindert oder verzögert würde (vgl. BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 167/16 - Rn. 14 mwN). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger vom 27. September bis zum 31. Oktober 2020 symptomhaft an dem Covid-19-Virus erkrankt war, einer stationären Behandlung bedurfte und aufgrund der symptomhaften Infektion seine Arbeitsleistung nicht erbringen konnte.
39c) Dahingestellt bleiben kann, welche Auswirkungen die behördliche Anordnung einer Quarantäne oder Absonderung auf das Erfordernis der Monokausalität im Rahmen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs hat (vgl. dazu bspw. LAG Hamm 24. August 2023 - 15 Sa 1033/22 - zu II 1 c der Gründe; LAG Hessen 18. August 2023 - 10 Sa 1361/22 - zu II 1 b der Gründe; jeweils Revision anhängig). Im streitgegenständlichen Zeitraum gab es keine durch Verordnung abstrakt-generell festgelegte Quarantänepflicht bei Vorliegen einer Covid-19-Infektion, sondern eine Quarantäne wurde behördlich für jeden Einzelfall durch die zuständige Behörde angeordnet. Eine solche Anordnung des zuständigen Ordnungsamts bzw. Gesundheitsamts hat der Kläger nicht erhalten. Aufgrund des negativen PCR-Testergebnisses vom 24. September 2020 (vgl. S. 3 des Sachverständigengutachtens vom 30. März 2020: PCR-Test im Canciri Public Hospital, Bl. 155 dA.) hätte - die zur Arbeitsunfähigkeit führende symptomhafte Erkrankung hinweggedacht - auch keine Absonderungspflicht wegen der Einreise nach Deutschland aus einem Risikogebiet bestanden (vgl. CoronaEinrVO NRW idF. vom 15. September 2020).
40d) Der Kläger hat seine Arbeitsunfähigkeit auch nicht verschuldet iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG, indem er vom 15. August bis zum 26. September 2020 in den in der Türkei befindlichen Ort D, damit in eine zum Abreisezeitpunkt als Covid-19-Risikogebiet ausgewiesene und von einer Reisewarnung umfassten Region gereist ist und sich dort - was nunmehr zweitinstanzlich zwischen den Parteien unstreitig ist - mit dem Corona-Virus infiziert hat.
41aa) Schuldhaft iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG handelt nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt (BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 167/16 - Rn. 35; 18. März 2015 - 10 AZR 99/14 - Rn. 13).
42(1) Bei dem Verschulden iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG handelt es sich nicht um ein Verschulden iSv. § 276 BGB, der das Maß an Verhaltensanforderungen des Schuldners gegenüber Dritten bestimmt. Das Entstehen einer Krankheit und/oder die daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit betrifft die Person des Arbeitnehmers selbst. Es gilt deshalb festzustellen, ob ein „Verschulden gegen sich selbst“ vorliegt. Schuldhaft im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts handelt deshalb nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Dabei ist - anders als bei der Haftung für Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten nach § 277 BGB - von einem objektiven Maßstab auszugehen. Erforderlich ist ein grober oder gröblicher Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen und damit ein besonders leichtfertiges oder vorsätzliches Verhalten (BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 167/16 - Rn. 36; 18. März 2015 - 10 AZR 99/14 - Rn. 14). Das Risiko der Unaufklärbarkeit der Ursachen einer Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit und eines möglichen Verschuldens des Arbeitnehmers daran liegt beim Arbeitgeber (BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 167/16 - Rn. 36; 18. März 2015 - 10 AZR 99/14 - Rn. 16).
43(2) Mit § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG soll einerseits der Arbeitnehmer bei unverschuldeter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit finanziell abgesichert werden, andererseits sollen Kostenrisiken zwischen Arbeitgeber und Krankenversicherung verteilt werden. Ausgehend von dieser gesetzgeberischen Zielsetzung ist das zu wahrende Eigeninteresse allein das Interesse des Arbeitnehmers, seine Gesundheit zu erhalten und zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankungen zu vermeiden. Ausschließlich dieses ist Bezugspunkt eines anspruchsausschließenden Verschuldens iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG (BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 167/16 - Rn. 36 mwN).
44bb) Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen bei einer Reise in ein Covid-19-Risikogebiet und dortiger Virusinfektion ein Verschulden hinsichtlich einer aus der Infektion resultierenden Arbeitsunfähigkeit iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG vorliegt.
45(1) Teilweise wird vertreten, ein anspruchsausschließendes Verschulden sei allenfalls in besonderen Einzelfällen vertretbar, etwa wenn ein vorerkrankter Arbeitnehmer entgegen ärztlichem Rat eine solche Reise vornimmt (vgl. Fuhlrott/Fischer NZA 2020, 345, 347).
46(2) Demgegenüber wird zum Teil die Auffassung geäußert, ein Verschulden iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG liege grundsätzlich vor, wenn für die bereiste Region zuvor eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts herausgegeben worden sei (vgl. ErfK/Reinhard 23. Aufl. EFZG § 3 Rn. 26; von Steinau-Steinrück/Mosch NJW-Spezial 2009, 578).
47(3) Vermittelnd wird darauf abgestellt, dass jedenfalls dann, wenn die Inzidenzwerte im Urlaubsgebiet nicht deutlich über den Inzidenzwerten des Wohn- und Arbeitsorts bzw. der Bundesrepublik Deutschland liegen, kein anspruchsausschließendes Verschulden anzunehmen sei (vgl. ArbG Kiel 27. Juni 2022 - 5 Ca 229f/22 - zu I 3 der Gründe; Grimm in Tschöpe Arbeitsrecht Handbuch 13. Aufl. S. 716 f. Rn. 118 d; vgl. dazu auch BeckOK ArbR/Ricken 69. Ed. EFZG § 3 Rn. 37: offizielle Reisewarnung und gegenüber dem Inland nachweislich erhöhtes Infektionsrisiko). Nach anderer Auffassung liegt entsprechend der Wertung des § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG ein Verschulden iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG vor, wenn eine Reise in ein zum Zeitpunkt der Abreise als Risikogebiet eingestufte Region erfolgt, ohne dass ein zwingender oder unaufschiebbarer Grund vorliegt (vgl. Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 98 Rn. 40; MüKoBGB/Müller-Glöge 9. Aufl. EFZG § 3 Rn. 42; vgl. dazu auch Weller/Lieberknecht/Habrich NJW 2020, 1017, 1018: sofern kein triftiger Grund vorliegt). Teilweise wird auch vertreten, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG und einem gegenüber dem am Wohnsitz bestehenden deutlich höheren Infektionsrisiko am Ort der Reisedestination liege ein anspruchsausschließendes Verschulden vor (vgl. Beden NZA 2021, 917, 920).
48cc) Ein grober oder gröblicher Verstoß des Klägers gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen, seine Gesundheit zu erhalten und zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankungen zu vermeiden, liegt nicht vor. Angesichts der Gesamtumstände des konkreten Einzelfalls ist ein besonders leichtfertiges oder vorsätzliches Verhalten des Klägers nicht anzunehmen.
49(1) Zum Zeitpunkt der Abreise war die Türkei durch das Robert-Koch-Institut als Risikogebiet ausgewiesen und es bestand für die Region, in die der Kläger reiste, eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts. Dabei ist angesichts des objektiven Maßstabs des Verschuldens iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG unerheblich, ob der Kläger Kenntnis davon hatte, dass es sich um ein Risikogebiet handelt, oder insoweit eine Unkenntnis - wie durch ihn behauptet - vorlag. Jedenfalls stellt es in Zeiten einer pandemischen Lage einen Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen dar, sich vor Reiseantritt nicht über die Infektionslage im Reisegebiet und damit zusammenhängende behördliche Warnungen zu informieren. Soweit die Beklagte behauptet, es habe sich um ein Hochrisikogebiet gehandelt, ist festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Reise des Klägers lediglich Risikogebiete und keine Hochrisikogebiete durch das Robert-Koch-Institut ausgewiesen wurden.
50(2) Diese Umstände allein genügen jedoch nicht, ein anspruchsausschließendes Verschulden anzunehmen. Denn dessen Bezugspunkt ist allein die eigene Gesunderhaltung und Vermeidung von zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen. Dieser Bezugspunkt bedingt es, ein durch die Reise verändertes Infektionsrisiko in die Bewertung einzubeziehen. Von einem verständigen Menschen ist im eigenen Interesse der Gesunderhaltung und Vermeidung von zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen zu erwarten, dass er in Zeiten einer pandemischen Lage das bestehende Infektionsrisiko nicht durch Reisen wesentlich erhöht, ohne dass hierfür ein triftiger Grund vorliegt. Bei der Beurteilung, ob dagegen in grober Weise verstoßen wird, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
51(3) Wertungswidersprüche zu § 56 Abs. 1 Satz 4 letzte Alternative IfSG entstehen angesichts der unterschiedlichen Normzwecke nicht. Die Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG ist Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 34). Derjenige, der das schädigende Ereignis (Tätigkeitsverbot/Absonderung) in vorwerfbarer Weise verursacht hat, soll nicht auf Kosten der Allgemeinheit Entschädigung erhalten, wenn er Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird (vgl. BT-Drs. 19/15164 S. 58). Demgegenüber soll der Arbeitnehmer nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG bei unverschuldeter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit finanziell abgesichert werden und es sollen Kostenrisiken zwischen Arbeitgeber und Krankenversicherung verteilt werden (vgl. BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 167/16 - Rn. 36; 18. März 2015 - 10 AZR 99/14 - Rn. 15). Im Übrigen wurde die sich auf Reisen in ein Risikogebiet beziehende Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 4 letzte Alternative IfSG erst mit Fassung vom 18. November 2020, gültig ab 19. November 2020, und damit zeitlich nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum in das IfSG eingefügt (fraglich ist allerdings, ob die Einfügung konstitutiven oder deklaratorischen Charakter hatte; vgl. dazu bspw. VG Karlsruhe 10. Mai 2021 - 9 K 67/21 - zu II 2 a bb (2) (a) der Gründe).
52(4) Eine wesentliche Erhöhung des Infektionsrisikos durch den Kläger aufgrund seiner Reise zu seinem Heimatort D ist nicht erkennbar.
53(a) Die Umstände, dass es sich um ein Risikogebiet handelte und eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts vor nicht notwendigen, touristischen Reisen vorlag, bedingen noch keine wesentliche Erhöhung des Infektionsrisikos bzw. eine dahingehende widerlegbare Vermutung. Sowohl die Einordnung als Risikogebiet durch das Robert-Koch-Institut als auch die Reisewarnung erfolgte aufgrund einer Bewertung des Infektionsrisikos im betreffenden Gebiet (vgl. dazu Informationen zur Ausweisung internationaler Risikogebiete des Robert-Koch-Instituts, Stand 14. August 2020 - 18:00 Uhr, abrufbar unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Transport/Archiv_Risikogebiete/DE-Tab.html: „Die Einstufung als Risikogebiet erfolgt nach gemeinsamer Analyse und Entscheidung durch das Bundesministerium für Gesundheit, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Die Einstufung als Risikogebiet basiert auf einer zweistufigen Bewertung. Zunächst wird festgestellt, in welchen Staaten/Regionen es in den letzten sieben Tagen mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner gab. In einem zweiten Schritt wird nach qualitativen Kriterien festgestellt, ob für Staaten/Regionen, die den genannten Grenzwert nominell unterschreiten, dennoch die Gefahr eines erhöhten Infektionsrisikos vorliegt.“) Eine Korrelation zum Infektionsgeschehen bzw. der Infektionsgefahr in Deutschland fand dabei keine Berücksichtigung.
54(b) Eine zum Zeitpunkt des Reiseantritts am 15. August 2020 wesentlich erhöhte 7-Tage-Inzidenz der Türkei gegenüber Deutschland ist nicht erkennbar. Es ist auch nicht ersichtlich, dass in der Region D gegenüber den restlichen Gebieten der Türkei Besonderheiten im Infektionsgeschehen zu verzeichnen waren. Inzidenzwerte der einzelnen Staaten können in die Beurteilung der Erhöhung eines Infektionsrisikos einzubeziehen, jedoch kein ausschließlicher Maßstab sein. Denn diese geben lediglich Anhaltspunkte für das durchschnittliche Infektionsrisiko im betroffenen Land, bilden jedoch - insbesondere je nach Fläche - nicht die konkrete Infektionssituation in der Aufenthaltsregion ab. Ferner bemisst sich eine Infektionsgefahr nicht ausschließlich nach der Inzidenz, sondern wird auch durch das individuelle Verhalten geprägt. Da bereits keine erhöhten Inzidenzwerte vorliegen, kann dahingestellt bleiben, wie in einem solchen Fall die Darlegungs- und Beweislast der Parteien zu verteilen ist.
55(5) Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch keine weiteren Verhaltensweisen des Klägers vorliegen, die als besonders leichtfertig anzusehen sind. Insbesondere hat der Kläger sich in seinem Heimatort aufgehalten und hat während des Aufenthalts in seiner eigenen Wohnung gewohnt.
56e) Der Kläger hat die erste und zweite Stufe der jeweils dreimonatigen Ausschlussfrist des § 10 MTV iGZ idF. vom 18. Dezember 2019 jedenfalls mit der Klageschrift vom 11. Dezember 2020, der Beklagten am 18. Dezember 2020 zugestellt, gewahrt. Nach § 11 MTV iGZ idF. vom 18. Dezember 2019 ist das Entgelt für den Monat September 2020 am 15. Bankarbeitstag des Monats Oktober 2020, mithin dem 21. Oktober 2020, und das Entgelt für den Monat Oktober 2020 am 15. Bankarbeitstag des Monats November 2020, mithin dem 20. November 2020 fällig geworden.
57f) Die von dem Kläger geltend gemachte Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs von 2.491,68 € brutto ist von der Beklagten nicht beanstandet worden.
58g) Der Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers ist gemäß § 115 Abs. 1 SGB X auf seine Krankenkasse, A in B, am 22. März 2021 mit der Zahlung des Krankengeldes in Höhe von 1.553,64 € netto übergegangen. Der Kläger hat seinen Zahlungsantrag daher bereits erstinstanzlich nach der Zahlung des Krankengeldes auf Zahlung an seine Krankenkasse in Höhe von 1.553,64 € netto umgestellt.
59aa) Gemäß § 115 Abs. 1 SGB X geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat.
60bb) Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 SGB X sind erfüllt.
61(1) Bei dem Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers handelt es sich um eine übergangsfähige Entgeltleistung. Die Nichterfüllung der Vergütungsansprüche des Klägers durch die Beklagte für den Streitzeitraum war für die Gewährung des Krankengeldes kausal (vgl. zur sachlichen Kongruenz BAG 29. April 2015 - 5 AZR 756/13 - Rn. 13 mwN). Im Falle der Entgeltfortzahlung hätte der Kläger kein Krankengeld erhalten. Auch die für einen Anspruchsübergang erforderliche zeitliche Kongruenz ist gegeben. Entscheidend ist, für welchen Zeitraum die Leistungen des Arbeitgebers auf der einen und die des Sozialleistungsträgers auf der anderen Seite bestimmt sind (BAG 29. April 2015 - 5 AZR 756/13 - Rn. 17 mwN). Das am 22. März 2021 an den Kläger gezahlte Krankengeld wurde für den streitbefangenen Zeitraum geleistet.
62(2) Unerheblich ist, ob die Krankenkasse des Klägers die Beklagte zur Zahlung aufgefordert hat. Der Anspruchsübergang erfolgt bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 SGB X kraft Gesetzes (vgl. Peters-Lange in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB X 3. Aufl. § 115 Rn. 49), ohne dass es einer zusätzlichen Handlung des Sozialleistungsträgers bedarf.
63cc) Der Anspruchsübergang erstreckt sich auf den Nettobetrag iHv. 1.553,64 €. Der Forderungsübergang erfasst nicht die seitens der Krankenkasse abgeführten Beiträge zur Sozialversicherung (vgl. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 924/11 - Rn. 15).
64g) Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 193 BGB. Der Kläger hat die Sozialleistungen, die den Anspruchsübergang bewirkt haben, von der zu verzinsenden Forderung abgesetzt (vgl. BAG 24. Juni 2015 - 5 AZR 462/14 - Rn. 30 mwN).
65III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.
66IV. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Im Hinblick auf eine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers im Fall einer Reise des Arbeitnehmers in eine von einer Reisewarnung umfasste und als Risikogebiet ausgewiesene Region und dortiger Covid-19-Infektion stellen sich entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die höchstrichterlich nicht entschieden sind.
67RECHTSMITTELBELEHRUNG
68Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
69REVISION
70eingelegt werden.
71Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.
72Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
73Bundesarbeitsgericht
74Hugo-Preuß-Platz 1
7599084 Erfurt
76Fax: 0361 2636-2000
77eingelegt werden.
78Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
79Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 72 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Revision ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
80Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
811. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
86Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
87Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
88* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.