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Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 09.02.2023, 5 Ca 1 127/22, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und
festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 16.06.1021 ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Kommissionierer zu den Bedingungen der Tarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie NRW zu beschäftigen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte.
Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen wegen Verletzung der zulässigen Überlassungshöchstdauer gemäß 9 Abs. 1 Nr. lb, 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen gilt, hilfsweise ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages hätte unterbreitet werden müssen sowie über die Pflicht zur Beschäftigung des Klägers.
2Der Kläger war seit dem 16.06.2017 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages als Leiharbeitnehmer zunächst bei der A GmbH und nach einem Betriebsübergang seit dem 01.05.2018 bei der Firma B GmbH zu einem durchschnittlichen Bruttoentgelt von zuletzt 3.287,94 EUR (vgl. BI. 5
3d.A.) beschäftigt.
4Er wurde im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses durchgängig bis zum 06.04.2022 auf demselben Arbeitsplatz als Kommissionier eingesetzt. Entleiherin war bis zum30.06.2018 noch die C AG D und erst seit dem 01.07.2018, aufgrund eines Betriebsteilüberganges, die hiesige Beklagte.
5Die Beklagte ist ebenso wie die C AG Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie NRW. Der Kläger ist kein Gewerkschaftsmitglied.
6Rückwirkend zum 01.04.2017 schlossen die Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag
7Leih-Zeitarbeit für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (TV LeiZ 2017), der den Vorgänger TV LeiZ 2012 ablöste und — soweit hier von Interesse — das Folgende bestimmt:
§ 1 Geltungsbereich
Für diesen Tarifvertrag gilt der Geltungsbereich des Einheitlichen Manteltarifvertrages (EMTV).
3. Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein, dass die Höchstdauer eines Einsatzes nach diesem Tarifvertrag (§§ 3 und 4 Nr. 1) 48 Monate nicht überschreiten darf.
1. Die Betriebsparteien können im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung den Einsatz von Leih-Zeitarbeit und die Ausgestaltung der betrieblichen Flexibilität regeln. Auf Verlangen einer Seite sind hierzu Verhandlungen aufzunehmen.
12a. In dieser Vereinbarung können zum betrieblichen Einsatz von Leih-Zeitarbeit u.a. geregelt werden:
13 Höchstdauer des Einsatzes und Übernahmeregelung
1. Für Betriebsvereinbarungen nach § 3 Nr. 3 ohne die Festlegung einer Überlassungshöchstdauer gilt Folgendes:
15c) Sofern keine Einigung erzielt wird, gilt eine Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten ab dem 01.Juni 2017, für Leih-Zeitarbeitnehmer, die nach dem
1. Juni 2017 im Einsatzbetrieb beschäftigt werden, gelten 36 Monate vom Zeitpunkt des Einsatzbeginns.
d) Für Beschäftigte, die zum 01. Juni 2017 bereits im Einsatzbetrieb beschäftigt waren, gilt die Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten ab 1. Juni 2017 entsprechend.
3. Wird eine Betriebsvereinbarung nach § 3 gekündigt, entstehen die Pflichten nach § 4 frühestens sechs Monate nach Auslaufen der Betriebsvereinbarung. "
19Am 08.112018 einigten sich die Tarifvertragsparteien auf den Tarifvertrag Leih-Zeitarbeit für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (TV LeiZ 201 8), (BI. 30 ff. d.A.), der zum 01.012019 in Kraft trat, seinerseits den TVLeiZ 2017 ablöste und auszugsweise das Folgende bestimmt:
...3. Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein, dass die Höchstdauer eines Einsatzes nach diesem Tarifvertrag (§§ 3 und 4 Nr. 1) 48 Monate nicht überschreiten darf.
1. Die Betriebsparteien können im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung den Einsatz von Leih-Zeitarbeit und die Ausgestaltung der betrieblichen Flexibilität regeln. Auf Verlangen einer Seite sind hierzu Verhandlungen aufzunehmen.
22a. In dieser Vereinbarung können zum betrieblichen Einsatz von Leih-Zeitarbeit u.a. geregelt werden:
23- Einsatzzwecke Einsatzbereiche und Volumen von Leih-Zeitarbeit - Höhe der Vergütung der Leih-Zeitarbeitnehmer, die in Verleihverträgen vereinbart wird (s.a. Nr. 1 b, dritter Spiegelstrich)
24 -Höchstdauer des Einsatzes und Übernahmeregelung
1. Besteht keine Betriebsvereinbarung gemäß § 3 gilt Folgendes: Nach 18 Monaten Überlassung hat der Entleiher zu prüfen, ob er dem Leih-Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten kann. Nach 24 Monaten Überlassung hat der Entleiher dem Leih-Zeitarbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten. Dieses kann nach Beratung mit dem Betriebsrat bei akuten Beschäftigungsproblemen entfallen.
Bei Unterbrechungen von weniger als drei Monaten werden Einsatzzeiten im selben Betrieb addiert.
27 Protokollnotiz
Zu den Einsatz-/Beschäftigungszeiten nach den obigen Spiegelstrichen zählen auch die zurückgelegten Zeiten vor Inkrafttreten dieses Tarifvertrages.
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages bestehende Ergänzungstarifverträge sowie bei Inkrafttreten des TV LeiZ vom 24. Mai 2012 bestehende betriebliche Regelungen zur Leih-Zeitarbeit bleiben in Kraft und verdrängen die Regelungen dieses Tarifvertrags bis zu ihrem Ende mit Ausnahme der betrieblichen Regelungen nach § 8.
1. Für Betriebsvereinbarungen nach § 3 Nr. 3 ohne die Festlegung einer Überlassungshöchstdauer, die beim Inkrafttreten des Vorläufertarifvertrages vom 2. Februar 2017/22. Mai 2017 am 1. April 2017 bereits bestanden, gilt Folgendes: a) Die Betriebsparteien sollen eine Überlassungshöchstdauer vereinbaren.
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b) Sofern die Betriebspatteien sich nicht bis zum 31. August 2017 auf die Ergänzung einer bestehenden Betriebsvereinbarung um eine Überlassungs
höchstdauer verständigt haben, gilt eine Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten ab dem 1. Juni 2017. Für Leih-Zeitarbeitnehmer, die nach dem 1. Juni 2017 im Einsatzbetrieb beschäftigt werden, gelten die 36 Monate vom Zeitpunkt des Einsatzbeginns.
c) Für Beschäftigte, die zum 1. Juni 2017 bereits im Einsatzbetrieb beschäftigt waren, gilt die Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten ab 1. Juni 2017 entsprechend.
2. Für Betriebsvereinbarungen nach § 3 Nr. 3, die bereits die Festlegung einer Überlassungshöchstdauer beinhalten und beim Inkrafttreten des Vorläufertarifvertrages vom 2. Februar 2017 / 22. Mai 2017 am 1. April 2017 bestanden, werden Einsatz-/ Beschäftigungszeiten angerechnet.
343. Wird eine Betriebsvereinbarung nach § 3 gekündigt, entstehen die Pflichten nach § 4 frühestens sechs Monate nach Auslaufen der Betriebsvereinbarung. '
Im Rahmen des Betriebsteilübergangs von der C AG auf die Beklagte wurde am 1 1.04.2018 zwischen Metall NRW und der IG Metall, vertreten durch die Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen, ein Überleitungstarifvertrag (Logistik) für die C AG, die E GmbH sowie die Beklagte abgeschlossen; es werden BI. 33 ff. der Akte ausdrücklich in Bezug genommen. Darin heißt es auszugsweise:
Die C AG sowie die E GmbH beabsichtigen, die Logistik-Aktivitäten an den deutschen Standorten D und F aufgrund des veränderten Geschäftsumfelds in die H Service GmbH (nachfolgend H) auszugliedern und unter dem Dach der C AG eigenständig zu betreiben. Die Ausgliederung der Logistik-Aktivitäten auf eine eigenständige C-Gesellschaft soll dazu führen, perspektivisch auch die Logistik-Dienstleistungen, die heute bereits extern vergeben werden, durch die H dauerhaft und nachhaltig im Konzern auszuführen. Die genaue Beschreibung der betroffenen Abteilungen und Beschäftigten erfolgt im Interessenausgleich zwischen den zuständigen Betriebsparteien. Durch die Überführung werden die Rechtsfolgen eines Betriebsteilübergangs gemäß § 613a BGB ausgelöst.
Die vor dem Betriebsteilübergang bei der C AG oder der E GmbH zurückgelegten Einsatz-/Beschäftigungszeiten von Leih-Zeitarbeitnehmern gelten nicht als Einsatz-/Beschäftigungszeiten gemäß § 4 TV
LeiZ: Die Einsatz-/Beschäftigungszeiten gemäß § 4 TV LeiZ beginnen ungeachtet etwaiger vorheriger Überlassungen bei einem Rechtsvorgänger der H mit dem erstmaligen Einsatz in der H neu zu laufen. Dies berührt nicht die Zeitenberechnungen nach § 2 TV BZ ME.
Im Zusammenhang mit den oben aufgeführten Tarifverträgen vereinbarten die jeweiligen Betriebsparteien ferner folgende, den Einsatz von Leiharbeitnehmern betreffende Betriebsvereinbarungen:
39Im C-Konzern galt für die Arbeitnehmerüberlassung die Konzern BV-Nr. 28 vom
4015.05.2014, die zum 31.12.2017 gekündigt wurde (vgl. BI. 145 d.A.) und noch keine Überlassungshöchstdauer vorsah.
41Unter dem 30.05.2018 schloss die C AG mit ihrem Betriebsrat die Betriebsvereinbarung Nr. 224 über den „Einsatz von Leiharbeitnehmer/innen im Werk D" (vgl. BI. 62 ff. d./A.) mit auszugsweise folgendem Wortlaut:
Die Betriebsvereinbarung nutzt die Möglichkeit des § 3 TV LeiZ — Tarifvertrages zur Leih-/ und Zeitarbeit für die Metall- und Elektronindustrie (NRW/BW), den Einsatz von Zeit-/ und Leiharbeitnehmern und die Ausgestaltung der betrieblichen Flexibilität zu regeln.
a) Die Parteien vereinbaren zunächst verbindlich eine Höchstüberlassungsdauer von 36 Monaten für den einzelnen Leiharbeitnehmern gemäß TV LeiZ/ AüG.
b) Spätestens zum 30.09.2019 soll eine Überprüfung der vereinbarten Überlassungshöchstdauer stattfinden. Sollten die Betriebsparteien vor Ort gemeinsam dann feststellen, dass ein verantwortungsbewusster und angemessener Umgang mit dem Thema Leiharbeit erfolgt, kann eine Verlängerung auf 48 Monate Höchstüberlassungsdauer vereinbart werden.
45c) Gemäß TV LeiZ werden alle Einsatzzeiten ab dem 01.04 2017 berücksichtigt. Erstmalig wird danach die Überlassungshöchstdauer zum 31.03.2020 (36 Monate) bzw. ggf. zum 31.03.2021 (48 Monate) erreicht. ...
Die Beklagte wiederum vereinbarte mit ihrem Betriebsrat am 20.02.2020 die „Betriebsvereinbarung Nr. 235 zum Einsatz von Leiharbeitnehmer/innen im Logistikzentrum D" (vgl. BI. 36 ff. d.A.), in der es u.a. heißt:
a) Die Parteien vereinbaren zunächst verbindlich eine Höchstüberlassungsdauer von 48 Monaten für den einzelnen Leiharbeitnehmer gemäß TV LeiZ /AüG.
48b) Alle Einsatzzeiten werden ab dem 01.07.2018 berücksichtigt.
49Erstmalig wird danach die Überlassungshöchstdauer zum 30.06.2022 (48 Monate) erreicht.
50Mit seiner am 11.08.2022 beim Arbeitsgericht Iserlohn eingegangenen Klage begehrt der Kläger seine tatsächliche Beschäftigung als Kommissionierer, die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht bzw. ihm hilfsweise ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages zu unterbreiten sei.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass wegen Überschreitens der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer zwischen ihm und der Beklagten gemäß
529 Abs. 1 Nr. 1 b, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG sei verfassungswidrig und europarechtswidrig; die Verlängerung der Höchstüberlassungsdauer auf 48 Monate verstoße gegen das Übermaßverbot. Seine auf Dauer angelegte Überlassung sei rechtsmissbräuchlich und verstoße gegen die Richtlinie RI- 2008/104/EG.
Die in der Betriebsvereinbarung Nr. 235 vorgesehene Überlassungsdauer ab dem
5401.07.2018 sei aus mehreren Gesichtspunkten unwirksam. Der Betriebsteilübergang auf Seiten der Beklagten ändere nichts an der Berücksichtigungsfähigkeit der Einsatzzeiten ab dem 16.06.2017, die Betriebsvereinbarung Nr. 224 mit der darin enthaltenen Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten sei nicht wirksam abgelöst, so dass die Bestandsschutzklausel des § 8 TV LeiZ 2017 zu seinen Gunsten eingreife. Jedenfalls aber sei die Beklagte nach S 4 TV LeiZ verpflichtet gewesen, ihm den Abschluss eines Arbeitsvertrages anzubieten.
55Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
561. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Kommissionierer zu den Bedingungen der Tarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie NRW zu beschäftigtgen,
2. festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 16.12.2018 gemäß § 1 Abs. lb) AÜG besteht,
3. hilfsweise, für den Fall der Abweisung des Klageantrags zu 2., festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 16.06.2020 gem. § 1 Abs. 1 b AÜG besteht,
594. hilfsweise, für den Fall der Abweisung des Klageantrags zu 3., festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 16.06.2021 gem. § 1 Abs. 1 b AÜG besteht,
5. hilfsweise, für den Fall der Abweisung der Klageanträge zu 2. und 4., die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags anzubieten, wonach der Kläger ab dem 16.06.2019 als Kommissionierer nach den Bedingungen der Tarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie NRW unbefristet beschäftigt wird.
61Die Beklagte hat beantragt,
62die Klage abzuweisen.
63Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe die analog anzuwendende Klageerhebungsfrist des § 17 TzBfG versäumt.
64Die zulässigen Höchsteinsatzzeiten seien für den Kläger nicht überschritten worden.
65Die Einsatzzeit vor dem 01.07.2018 sei nicht zu berücksichtigen, da es sich bei ihr formal um eine andere Entleiherin als die C AG handele. Der Betriebsübergang führe nicht zu einem Übergang der Leiharbeitsverhältnisse, der Beginn der Berechnung der Überlassungshöchstdauer sei auch wirksam in S 7 des Überleitungstarifvertrages sowie in der BV Nr. 235 geregelt, wobei letztere die Betriebsvereinbarung Nr. 224 abgelöst habe. Der TV LeiZ entfalte Wirkung auf sämtliche Leiharbeitsverhältnisse, in denen die Beklagte als Entleiherin auftrete, ohne dass es auf die Mitgliedschaft des Klägers in einer Gewerkschaft nicht ankomme.
Ein Anspruch auf ein Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages bestünde nicht, da § 4 TV LeiZ aufgrund der einschlägigen Betriebsvereinbarungen Nr. 224 und Nr. 235 nicht anwendbar sei.
67Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 09.02.2023 abgewiesen.
68
Es hat das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten und folgerichtig auch den Beschäftigungsanspruch abgelehnt. § 17 TzBfG sei nicht, auch nicht analog, auf die vorliegende Fallgestaltung anwendbar. Die Einsatzzeiten vor dem 01.07.2018, die bei der C AG geleistet wurden, seien nicht zu berücksichtigen, da der Betriebsteilübergang auf die Beklagte mangels entsprechender vertraglicher Beziehung nicht die Leiharbeitnehmer umfasse. Schließlich hätten die Betriebsparteien die Höchstüberlassungsdauer wirksam auf 48 Monate verlängert, wobei es sich hinsichtlich der Wirksamkeit der gesetzlichen und tariflichen Regelungen der Begründung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.09.2022, 4 AZR 83/21 , angeschlossen hat. Die BV Nr. 224 sei wirksam von der BV Nr. 235 abgelöst worden, da weder gegen zwingende Bestandsschutzregelungen aus dem TV LeiZ verstoßen worden sei noch ein besonderer Vertrauensschutz verwirklicht wäre. Ein Anspruch auf Unterbreitung eines Angebots zum Abschluss eines Arbeitsvertrages gemäß § 4 TV LeiZ sei nicht erforderlich, da es sich bei der Beklagten, die erst seit dem 01.07.2018 existent sei, wegen der einschlägigen BV Nr. 224 nicht um einen Betrieb ohne Betriebsvereinbarung gehandelt habe.
Gegen dieses dem Kläger am 14.02.2023 zugestellte Urteil hat er am 20.02.2023 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 15.05.2023 am 12.05.2023 begründet.
70Der Kläger führt zweitinstanzlich aus, das Arbeitsgericht habe fälschlich die Überlassungszeiten vor dem Betriebsübergang außer Betracht gelassen. Er gehe davon aus, dass die Beklagte nahtlos in die Überlassungsverträge mit der B GmbH eingetreten und für den Begriff des Entleihers auf den Betrieb statt auf das Unternehmen abzustellen sei.
71
Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.09.2022 könne nicht gefolgt werden. Die Beklagte könne sich nicht auf die Verlängerung der Überlassungshöchstdauer in der BV Nr.- 235 bzw. überhaupt auf die Anwendbarkeit des TV LeiZ und die Wirksamkeit der darauf basierenden Betriebsvereinbarungen berufen, da sie - anders als ihre Rechtsvorgängerin — einen Betrieb der Speditions- und Logistikindustrie führe und daher nicht in den fachlichen Anwendungsbereich falle. Es handele sich auch nicht um einen Nebenbetrieb i.S.d. § 1 EMTV, da die Beklagte, deren von ihr selbst aufgelistete Tätigkeiten bestritten würden, nicht den Fertigungsprozess selbst unterstütze, sondern ausschließlich Logistikleistungen am fertigen Endprodukt erbringe. Sollten vereinzelt Halbfertigteile zur Weiterverarbeitung eingelagert und versendet worden seien, so handele es sich nur um untergeordnete Aufgaben.
Bei unterstelltem Vorliegen eines Nebenbetriebes, der in den Anwendungsbereich des TV LeiZ fiele, sei die BV Nr. 224 nicht wirksam von der BV Nr. 235 abgelöst worden, da sie erstmals zum 31.03.2021 hätte gekündigt werden können und dann der 36Monatszeitraum für ihn bereits abgelaufen gewesen sei.
73Es sei auch mit den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen nicht vereinbar, dass die Tarifvertragsparteien und/oder die Betriebsparteien auch den Beginn für die Überlassungshöchstdauer verschieben und somit faktisch die 48 Monate beliebig verlängern könnten.
74Schon vor Abschluss der BV Nr. 224 habe unstreitig die Konzern BV Nr. 28 vom 15.05.2014 gegolten, die zum 31.12.2017 gekündigt worden sei. Diese stelle eine Betriebsvereinbarung i.S.d. § 3 TV LeiZ ohne Festlegung einer Höchstüberlassungsdauer dar; so dass die Bestandsschutz- und Übergangsregelungen der 7, 8 TV LeiZ 2017 und TV LeiZ 2018 zur Anwendung kämen, die eine Höchstüberlassungsdauer von 36 Monaten verbindlich festlegten.
75Aus diesem Grund greife schließlich auch der auf § 4 TV LeiZ fußende Hilfsantrag.
76Er beantragt,
77das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 09.02.2023, 5 Ca 1 127/22, abzuändern und
78 1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Kommissionierer zu den Bedingungen der Tarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie NRW zu beschäftigen,
2. festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 16.12.2018 gemäß § 1 Abs. lb) AÜG besteht,
803. hilfsweise, für den Fall der Abweisung des Klageantrags zu 2., festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 16.06.2020 gem. S 1 Abs. 1 b AÜG besteht,
814. hilfsweise, für den Fall der Abweisung des Klageantrags zu 3., festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 16.06.2021 gem. S 1 Abs. 1 b AÜG besteht,
825. hilfsweise, für den Fall der Abweisung der Klageanträge zu 2. und 4., die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags anzubieten, wonach der Kläger ab dem 16.06.2019 als Kommissionierer nach den Bedingungen der Tarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie NRW unbefristet beschäftigt wird.
Die Beklagte beantragt,
84die Berufung zurückzuweisen
85Die Beklagte rügt die Zulässigkeit der Berufung mangels hinreichender Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils.
86Darüber hinaus verteidigt sie die ergangene Entscheidung und ihre Begründung. Bei ihr handele es sich um einen Hilfs- bzw. Nebenbetrieb der C AG, da bei ihr die
87Warenannahme und Einlagerung von C Artikeln entweder von anderen C Werken oder aber externen Lieferanten erfolge ebenso wie die Kommissionierung und
88Verpackung. Es werde der Warenausgang und die Vorbereitung für den Transport mit Externen und auch den Export durchgeführt. Außerdem würden Halbfertigteile wie z.B. Schrauben für die Weiterverarbeitung in Mexiko oder China verpackt, eingelagert und weiterversendet. In diesem Bereich sei die IG Metall auch ohne Rücksicht auf die rechtliche Einordnung als Nebenbetrieb tarifzuständig. Die Rechtsprechung zu den Branchenzuschlägen sei auf die vorliegende Fragestellung nicht übertragbar. Die Ausführungen des Klägers zu S 613a BGB lägen neben der Sache, denn entscheidend sei allein, dass er erst seit dem 01.07.2018 bei ihr als Entleiherin eingesetzt sei. Da sein Arbeitsverhältnis nur zur Verleiherin bestanden habe, sei es auch von dem Teilbetriebsübergang nicht erfasst. Des Weiteren sei der Beginn der Überlassungsdauer wirksam sowohl im Überleitungstarifvertrag als auch in der BV Nr. 235 erst für den 01.07.2018 vereinbart.
89Aufgrund der KBV Nr. 28 habe zwar über § 8 Nr. 1 c) zunächst eine Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten gegolten, diese sei jedoch wirksam von der BV Nr. 224 bestätigt und dann von der BV Nr. 235 abgelöst worden. Zu Gunsten des Klägers habe kein Vertrauensschutz bestanden, da der Zeitraum frühestens am 16.06.2020 und somit zeitlich später abgelaufen wäre.
90Ein Anspruch aus § 4 TV LeiZ scheide aus, da dieser frühestens zum 30.06.2018 entstanden wäre und zu diesem Zeitpunkt wiederum die BV Nr. 224 in Kraft gewesen sei.
91
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
93A. Berufung ist zulässig.
94Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und auch fristgerecht eingelegt worden (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG). Ferner ist sie fristgerecht 66 Abs. 1 ArbGG) sowie entgegen der Auffassung der Beklagten auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.
Der Kläger führt im Rahmen der Berufungsbegründung u.a. aus, das Arbeitsgericht habe fälschlich einen neuen Überlassungsvertrag zwischen der B GmbH und der Beklagten unterstellt und daher die Auswirkungen des Betriebsüberganges falsch bewertet. Zudem scheide die Anwendbarkeit der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie aus, da es sich bei der Beklagten um ein Speditions- und Logistikunternehmen handele, so dass auch die streitgegenständlichen Betriebsvereinbarungen keine Anwendung finden könnten. Ohnehin hätte die BV Nr. 224 schon deshalb nicht wirksam von der BV Nr. 235 abgelöst werden können, da erstere erstmals zum 31 .03.2021 hätte gekündigt werden können. Auch sei es mit den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen nicht vereinbar, dass die Tarifvertragsparteien und/oder die Betriebsparteien auch den Beginn für die Überlassungshöchstdauer verschieben und somit faktisch die 48 Monate beliebig verlängern könnten. Schließlich führt er neu die KBV Nr. 28 in den Rechtsstreit ein, die die Anwendbarkeit der Übergangsvorschriften des § 8 TV LeiZ 2017 bzw. TV LeiZ 2018 und damit eine Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten nach sich ziehen soll. Damit liegen eine hinreichende Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils sowie neue Angriffsmittel vor.
96B. Die Berufung ist nur zum Teil begründet.
Die Berufung war zurückzuweisen, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass zwischen ihm und der Beklagten bereits seit dem 16.02.2018, hilfsweise dem 16.06.2020 ein Arbeitsverhältnis besteht. Sie hatte allerdings Erfolg, soweit der Kläger die tatsächliche Beschäftigung beantragt und mit dem Hilfsantrag zu 4) den Bestand eines Arbeitsverhältnisses seit dem 16.06.2021 festgestellt wissen möchte.
98Die Klage ist zulässig.
Es wird auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil (BI. 94 d.A.) Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG, denen die Beklagte mit der Berufung nicht entgegengetreten ist.
100Ergänzend ist anzuführen, dass sämtliche Klageanträge hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 ZPO sind, da die gesetzlichen Vorgaben des § 10 Abs. 1 Satz 3 bis 5 AÜG für den Kläger streiten (vgl. auch BAG 04.05.2022, 9 AZR 228/21 , Rn. 15; Schüren/Hamann/Schüren, 6. Aufl., AÜG § 10 Rn. 155).
Auch die Voraussetzungen für eine Klage auf zukünftige tatsächliche Beschäftigung gemäß § 259 ZPO, namentlich die Besorgnis, der Schuldner werde sich andernfalls der rechtzeitigen Leistung entziehen (BAG 18.10.2017, 10 AZR 47/17 Rn. 12), ist erfüllt, da die Beklagte noch im Berufungsverfahren die Auffassung verteidigt, den Kläger nicht beschäftigen zu müssen.
102Il. Die Klage ist hinsichtlich der Anträge zu 1) und 4) begründet, im Übrigen jedoch unbegründet bzw. nicht zur Entscheidung angefallen.
1031 . Die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses scheitert nicht bereits an § 17 TzBfG i.V.m. § 7 KSchG. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die 3-wöchige Klageerhebungsfrist der 17, 21 TzBfG nicht, auch nicht analog, auf die vorliegende Fallgestaltung anzuwenden; insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil des Arbeitsgerichts (vgl. BI. 94 d./A.) Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG. Diesen Erwägungen ist die Beklagte im Rahmen des Berufungsverfahrens auch nicht mehr entgegengetreten.
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2. Die Beklagte war gemäß Antrag zu 1) zu verurteilen, den Kläger entsprechend seiner bisher für sie ausgeübten Tätigkeit als Kommissionierer zu beschäftigen, da zwischen den Parteien gemäß 9 Abs. 1 Nr. lb, 10 Abs. 1 AÜG seit dem 16.06.2021 ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen gilt.
a) Der Arbeitnehmer hat im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße tatsächliche Beschäftigung. Rechtsgrundlage des durch die Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers - der allein Gegenstand der vorliegenden Klage ist - sind § 61 la, § 613 BGB i.V.m. der Generalklausel des § 242 BGB, die durch die Wertentscheidungen der Art. 1 und Art. 2 GG zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausgefüllt wird. Er setzt neben einer arbeitsvertraglichen Verbindung der Parteien voraus, dass das Interesse des Arbeitnehmers an seiner Beschäftigung das des Arbeitgebers an seiner Nichtbeschäftigung überwiegt. Er kann ausgeschlossen sein, wenn eine Beschäftigung des Arbeitnehmers, z.B. wegen Auftragsmangels oder einer Umorganisation, die auf einer rechtmäßigen unternehmerischen Entscheidung beruht, nicht (mehr) möglich ist. Der Arbeitgeber trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich das Überwiegen der von ihm geltend gemachten schutzwürdigen Interessen ergeben soll, weil er hieraus für sich günstige Rechtsfolgen ableitet. Er hat die tatsäçhlichen Grundlagen für den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs schlüssig vorzutragen und im Fall des Bestreitens zu beweisen (zum Ganzen BAG 15.06.2021, 9 AZR 217/20, Rn. 43 ff.).
106b) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten gilt zwischen den Parteien seit dem 16.06.2021 ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen, da die zulässige Überlassungshöchstdauer durch die Überlassung in der Zeit vom 16.06.2017 bis 06.04.2022 überschritten wurde.
107aa) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 AÜG unwirksam ist. Arbeitsverträge
zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern sind gemäß § 9 Abs. 1 Nr. lb AÜG mit dem Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. lb AÜG unwirksam, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält. Tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, gilt das Arbeitsverhältnis mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist die Überlassungsdauer arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogen zu bestimmen, wobei Bezugspunkt der Überlassungsdauer nach § 1 Abs. l b AÜG die Dauer der Eingliederung des überlassenen Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation eines Entleihers ist, wohingegen es auf den konkreten Arbeitsplatz nicht ankommt (BAG 08.1 1 .2022, 9 AZR 486/21 , Rn. 21 ff.; BAG 14.09.2022, 4 AZR 83/21 , Rn. 13).
Nach § 1 Abs. lb Satz 3 AÜG kann in einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine von § 1 Abs. lb Satz 1 AÜG abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Die Geltung eines solchen Tarifvertrags erfordert allein die Tarifgebundenheit des Entleihers. Für den Verleiher und den überlassenen Arbeitnehmer gilt die tarifliche Regelung unabhängig von deren Tarifgebundenheit. Es handelt sich bei einer solchen tarifvertraglichen Regelung weder um eine Inhalts- noch eine Betriebsnorm i.S.v. S 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 TVG; der Gesetzgeber hat den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche in § 1 Abs. lb Satz 3 AÜG eine von den im Tarifvertragsgesetz vorgesehenen Arten von Tarifnormen (S 1 Abs. 1 TVG) und deren Bindungswirkung (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 TVG) abweichende Regelungsbefugnis eingeräumt (ausf. BAG 14. 09. 2022, 4 AZR 83/21 , Rn. 26 ff.).
bb) § 1 Abs. lb Satz 3 und 5 AÜG sind entgegen der Ansicht des Klägers verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BAG 08.11. 2022, 9 AZR 486/21 , Rn. 25; BAG 14. 092022, 4 AZR 26/21, Rn. 32 ff.).
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Sie stehen auch mit der Richtlinie 2008/104/EG im Einklang (BAG 08.1 1 2022, 9 AZR 486/21, Rn. 26; BAG 14.09.2022, 4 AZR 26/21 , Rn. 54 ff.). Die Übertragung der Regelungsbefugnis auf die Tarifvertragsparteien der Branche der entleihenden Unternehmen sowie deren Möglichkeit, abweichende betriebliche Regelungen zuzulassen, ist auch ohne eine gesetzliche Festlegung einer absoluten Überlassungshöchstgrenze zulässig.
Die Kammer schließt sich insoweit ausdrücklich den Erwägungen und Argumentation des Bundesarbeitsgerichts an.
112Vorliegend haben die Tarifvertragsparteien bzw. nachgelagert die Betriebsparteien in zulässigerweise von ihrem Recht Gebrauch gemacht, die Überlassungshöchstdauer auf 48 Monate zu verlängern. Der Kläger konnte daher von der Beklagten ausgehend vom 16.06.2017 bis zum 15.06.2021 beschäftigt werden, ohne dass die Rechtsfolgen der 9 Abs. 1 Nr.lb, 10 Abs. 1 AÜG eintrat; seit dem 16.06.2021 wird hingegen ein Arbeitsverhältnis fingiert.
cc) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist für die Berechnung der Überlassungshöchstdauer auf den 16.06.2017 abzustellen. Seit diesem Tag war er zunächst für die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die C AG, und seit dem 01 .07.2018 für die Beklagte selbst tätig.
Trotz des formalen Wechsels der Entleiherin ist hier die Einsatzzeit seit dem 16.06.2017 zu Grunde zu legen.
115(1) Der auf Seiten der Beklagten stattgefundene Betriebsteilübergang führt nicht unmittelbar zu einem Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers nach § 613a BGB. Es wird insoweit zunächst auf die überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil (dort Seite 14, BI. 95R d.A.) Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Ergänzend ist auszuführen, dass sich etwas anderes auch nicht aus dem Beschluss des EuGH vom 21.10.2010, C 242/09, ergibt, der zu konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung ergangen ist und in dem der EuGH auch einen „nichtvertraglichen Arbeitgeber" anerkennt. Selbst bei Übertragung der Entscheidung auf Fälle außerhalb der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung würde die geforderte Weitergewährung geltender Arbeitsbedingungen nicht den Arbeitgeberwechsel, im vorliegenden Fall also von der B GmbH auf die Beklagte nach sich ziehen (Schüren/Hamann/Schüren, 6. Aufl., AÜG § 1 Rn. 264 f.). Unmittelbare Wirkungen kann § 613a BGB nur entfalten im Verhältnis des Klägers zu seinem Verleihunternehmen, wie dies auch zum 01.05.2018 durch den Übergang von der A GmbH auf die B GmbH geschehen ist. Zwischen dem Kläger und der C AG als Entleiherin bestand aber zu keinem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis, so dass ein solches auch nicht übergehen konnte; erst Recht wird ein solches neues Arbeitsverhältnis durch den Betriebsübergang auch nicht begründet.
Darüber hinaus verbietet es § 613a BGB dem Erwerber nicht, im Anschluss an den Betriebsübergang seinerseits frei darüber zu entscheiden, ob und mit welchem Verleiher er zukünftig die Aufgaben bewältigen will. § 613a BGB verfolgt nicht den Zweck, ihm außerhalb bestehender Arbeitsverhältnisse auch die Fortsetzung des Vertrages zu einem Verleihunternehmen aufzubürden.
118(2) Dennoch gebietet es § 1 Abs. lb AÜG bei richtlinienkonformer Auslegung die Einsatzzeiten des Klägers seit dem 16.06.2017 anzurechnen, wenn - wie hier der Betriebsübergang auf Seiten des Entleihers gerade nicht zur Zäsur hinsichtlich des Einsatzes von Leiharbeitnehmern geführt hat, sondern die bisherige Tätigkeit nahtlos fortgesetzt wird.
119Es ist bereits fraglich, ob es der Beklagten überhaupt freigestanden hätte, ab dem 01 .07.0218 mit einem gänzlich neuen Vertragspartner die Aufgaben abzudecken und die Einsätze der bisherigen, von B gestellten Leiharbeitnehmer zu beenden, da sie nach eigenen Angaben im Wege der Ausgliederung entstanden ist. Nachdem aber jedenfalls die Beklagte die bisherigen Einsätze der Leiharbeitnehmer der B GmbH fortführte, kommt es nur auf die tatsächliche Überlassung des Klägers an. Die Wertung des S 1 Abs. lb AÜG zeigt deutlich, dass durch einen bloß formalen Wechsel der beteiligten Arbeitgeber die Überlassungshöchstgrenzen nicht umgangen werden dürfen (Hamann, NZA 2023, 1 151 ff.; umfassend zum Meinungsstand BeckOK ArbR/Kock, 69. Ed. , § 1 AÜG, Rn. 107ff.; i. Erg. auch ErfK-R010ff, 23. Aufl., § 1 AÜG, Rn. 50).
Zwar geht das Bundesarbeitsgericht im Rahmen des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ebenfalls von einem streng formellen Arbeitgeberbegriff aus und stellt gerade nicht auf die Tätigkeit im Betrieb ab (BAG 05.04.2023, 7 AZR 224/22, Rn. 17), jedoch ist der dort zu beurteilende Begriff der Vorbeschäftigung gemäß § 14 TzBfG nicht gleichzusetzen mit der Überlassungsdauer nach dem AÜG. Noch in derselben Entscheidung urteilt das Bundesarbeitsgericht zu S 1 Abs. lb AÜG sodann auch, die Überlassungsdauer sei arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogen zu bestimmen und führt dazu aus, dass es auf die Dauer der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Entleihers ankomme (BAG 05.04.2023, 7 AZR 224/22, Rn. 19 unter Bezug auf BAG, 14.09.2022, 4 AZR 26/21 , Rn. 14 ff.). Diese Wendung wiederum bezieht sich auf die vor dem Beschluss des EuGH vom 17.03.2022, C — 232/20, noch streitige und nunmehr geklärte Frage, ob wegen des nur vorübergehenden Charakters der Leiharbeit die Berechnung der Überlassungshöchstdauer arbeitsplatzbezogen oder aber arbeitnehmerbezogen ist. Geklärt ist nunmehr, dass es ein etwaiger Dauerbedarf des Entleihers auf einem bestimmten Arbeitsplatz dem Merkmal vorübergehend nicht entgegensteht. Eine Aussage darüber, ob es auf einen formellen Arbeitgeberbegriff ankommt, ist damit nicht getroffen.
Der Kläger ist bereits seit dem 16.06.2017 faktisch auf ein- und demselben Arbeitsplatz tätig und er hat unbestritten vorgetragen, dass sich für ihn durch den Betriebsübergang zum 01 .07.2018 tatsächlich nichts verändert habe. Auch die Beklagte beruft sich nicht etwa auf veränderte Vertragsbedingungen. Der Schutzzweck des § 1 Abs. lb AÜG ebenso wie die Richtlinie EG 2008/104/EG gebieten es, diese Beschäftigungsdauer anzurechnen, da das Abstellen auf einen formalen Entleiherbegriff zwar für die Entstehung bzw. den rechtlichen Übergang eines Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB sachgerecht ist, nicht aber bezogen auf die das Tatsächliche betreffende Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Entleihers.
122
Die Überlassungshöchstgrenze dient der Verwirklichung des Merkmals „vorübergehend". Nach der Rechtsprechung des EuGH kennzeichnet der Begriff „vorübergehend" nicht den Arbeitsplatz, der im entleihenden Unternehmen zu besetzen ist, sondern die Modalitäten der Überlassung eines Arbeitnehmers an dieses Unternehmen (EuGH 17.03.2022, C-232/20, Rn. 31), wobei der Schwerpunkt auf der Art der Überlassung, nicht aber der Rechtspersönlichkeit oder gar Firmierung des Entleihers liegt. Entscheidend ist der seiner Natur nach nur vorübergehend angelegte Einsatz (EuGH 17.03.2022, C-232/20, Rn. 34). Wegen der gleichbleibenden Einsatzmodalitäten für den Kläger, die wegen des Betriebsübergangs und der damit einhergehenden Identitätswahrung auch nach dem 01 .07.2018 identisch blieben, ist im Rahmen des maßgeblichen Arbeitnehmerbezugs auf die einheitliche Eingliederung ab dem 16.06.2017 abzustellen, wohingegen der formelle Status des Entleihunternehmen zu keinem anderen Ergebnis führen kann. Dieses Ergebnis ist auch nicht nur auf Fälle eines Rechtsmissbrauchs zu beschränken, in denen ein Betriebsübergang zielgerichtet herbeigeführt wird, um die Regelungen zur Überlassungshöchstdauer zu umgehen. Vielmehr ist es sachgerecht, unmittelbar bei der Bestimmung des Beginns der Überlassungsdauer auf den Zeitpunkt abzustellen, seit dem der Leiharbeitnehmer durchgängig in ein- und dieselbe Arbeitsorganisation eingegliedert ist.
(3) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten angeführten § 7 Überleitungs TV Logistik bzw. Ziff. 4 b) der zwischen den Betriebsparteien geschlossenen BV Nr. 235, die beide den Beginn für die Berechnung der Überlassungshöchstdauer auf den 01.07.2018, mithin den Tag des Betriebsteilüberganges, festlegen.
124(a) Es kann dahinstehen, ob die IG Metall überhaupt tarifzuständig für den Abschluss des ÜberleitungsTV Logistik für die Beklagte als Dienstleistungsunternehmen war bzw. die Betriebsparteien überhaupt unter den fachlichen Geltungsbereich des TV LeiZ fallen und so in § 2 Nr. 3 TV LeiZ 2018 eine Ermächtigungsgrundlage zum Abschluss der Betriebsvereinbarung Nr. 235 hatten.
125(b) Die Zuständigkeit der Tarifvertragsparteien unterstellt, verstößt die Regelung in § 7 des ÜberleitungsTV Logistik jedenfalls gegen die gesetzliche Wertung S 1 Abs. lb AÜG i.V.m. der Richtlinie 2008/104/EG.
126§ 1 Abs. lb Satz 3, 4 AÜG gestattet den Tarifvertragsparteien zwar Abweichungen von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer; neben der Festlegung einer Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten im TV LeiZ, auf den beide Bezug nehmen und die als solche nicht zu beanstanden ist (BAG 14.09.2022, 4 AZR 83/21 , Rn. 73 ff.), stellt die gleichzeitige Regelung eines späteren Zeitpunktes der Überlassungshöchstdauer eine die Rechtsetzungsmacht der Tarifvertragsparteien überschießende Regelung dar.
127
Die Tarifvertragsparteien als Normgeber sind bei der tariflichen Normsetzung nicht völlig frei und die von ihnen ausgehandelten Normen können praktische Wirkung nur entfalten, wenn ihnen kraft staatlicher Anordnung unmittelbare und zwingende Wirkung zukommt und sie sich gegenüber einzelvertraglichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen durchsetzen, was in § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG bzw. S 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG seinen Niederschlag gefunden hat und nur günstigeren einzelvertraglichen Regelungen nach § 4 Abs. 3 TVG den Vorrang eingeräumt. Der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien geht also nicht so weit, dass die einfachgesetzlichen Wertungen des AÜG unterlaufen und ausgehöhlt werden dürfen. (BAG 19.12.2019, 6 AZR 563/18, Rn. 19; BAG 25.07.2023, 9 AZR 322/22, Rn. 27). Der Gesetzgeber kann Abweichungen zu Lasten der Arbeitnehmer durch Tarifvertrag zulassen, wobei die Tarifvertragsparteien trotz der den Tarifverträgen immanenten Richtigkeitsgewähr nicht völlig frei sind, sondern bei der Ausgestaltung ihrer Regelungen u.a. die vorhandenen Gesetzesvorgaben zu beachten haben (ErfK-Franzen, 23. Aufl., § 1 TVG, Rn. 14).
In § 7 des Überleitungstarifvertrages Logistik beziehen sich die Tarifvertragsparteien explizit auf § 4 TV LeiZ 2017 und haben damit indirekt die bereits aufgrund der Regelungen des § 2 Nr. 3 TV LeiZ verbindlich festgelegte Höchstüberlassungsdauer von 48 Monaten ausgedehnt. Sie haben den Berechnungsbeginn (seit dem 01.04.2017 bzw. den individuellen Beschäftigungsbeginn) auf den 01.07.2018 verschoben und die zurückliegenden Einsatzzeiten für nicht anrechenbar erklärt. Zwar erfolgte dies erkennbar vor dem Hintergrund des Betriebsteilübergangs, aufgrund der oben aufgeführten Erwägungen gebietet dieser jedoch keine Unterbrechung der Anrechnung der Beschäftigungszeiten bei der Rechtsvorgängerin. Es erfolgte vielmehr eine unzulässige und damit unwirksame Ausdehnung des im TV LeiZ bestimmten 48 Monatszeitraums.
129(c) Diese Erwägungen für den ÜberleitungsTV Logistik gelten in gleicher Weise auch für die BV Nr. 235, die ihre Ermächtigungsgrundlage im TV LeiZ 2018 findet, der ebenfalls die Überlassungshöchstgrenze auf 48 Monate festschreibt.
130dd) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers sind der TV LeiZ 2017 und später der TV LeiZ 2018 auch bei der Beklagten, d.h. im Zeitraum nach dem 01.07.2018, anwendbar, so dass sich die zu ermittelnde Überlassungshöchstdauer nach diesen Vorschriften bestimmt.
Es handelt es sich bei den TV LeiZ um Tarifverträge der Einsatzbranche gemäß § 1 Abs. lb AÜG, der Einsatzbranche Metall, da die Beklagte einen Hilfs- und Nebenbetrieb i.S.d. § 1 TV LeiZ 2018 i.V.m. § 1 Ziff. 2 EMTV betreibt.
(a) Das Verfahren war nicht nach § 97 Abs. 5 ArbGG auszusetzen. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung eines Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG auszusetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits davon abhängt, ob die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung gegeben ist. Neben der Entscheidungserheblichkeit erfordert die Aussetzung des Verfahrens nach § 97 Abs. 5 ArbGG, dass eine der in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG genannten Eigenschaften aufgrund vernünftiger Zweifel streitig ist.
133Entscheidend ist nicht die Tarifzuständigkeit der IG Metall für den ÜberleitungsTV Logistik, auf den es in diesem Zusammenhang nicht ankommt, sondern für den TV LeiZ, für den sie jedoch unzweifelhaft besteht (vglbar BAG 14.09.2022, 4 AZR, Rn.64 ff.)
134Die Frage der Zugehörigkeit der Beklagten zur Einsatzbranche Metall ist zwischen den
135Parteien zwar streitig diskutiert worden, sie betrifft aber das Problem des fachlichen Geltungsbereichs und lässt sich für die Kammer auch unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eindeutig beantworten.
136(b) Hilfs- und Nebenbetriebe i.S.d. § I TV LeiZ 2018 i.V.m. S 1 Ziff. 2 EMTV sind solche, die nach ihren ausschließlichen oder überwiegenden betrieblichen Tätigkeiten den Fertigungsprozess eines Katalogbetriebs unterstützen und deshalb zum entsprechenden Wirtschaftszweig in dem Sinne „gehören", dass sie ihm zuzuordnen sind. Das folgt aus dem Oberbegriff „Hilfs- und Nebenbetrieb", für den die ausdrücklich genannten Reparatur-, Zubehör-, Montage- und Dienstleistungsbetriebe - klargestellt durch die Verknüpfung „und sonstigen" - Regelbeispiele sind. Kennzeichnend für den Hilfs oder Nebenbetrieb ist, dass der betreffende Betrieb ein selbständiger Betrieb ist, der für einen anderen Betrieb - den Hauptbetrieb - eine Hilfsfunktion ausübt und den dort verfolgten Betriebszweck unterstützt. Es nicht erforderlich, dass Katalog- und Unterstützungsbetrieb denselben Inhaber haben (BAG 18.03.2020, 5 AZR 430/18, Rn. 27; BAG 22.02.2017, 5 AZR 252/16, Rn. 19).
137(c) Dem Kläger ist zuzugeben, dass jedenfalls für die Anwendbarkeit des TV BZ ME nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts explizit gefordert wurde, dass eine Unterstützungstätigkeit des Fertigungsprozesses bzw. für die Produktion stattfindet (BAG 18.03.2020, 5 AZR 430/18, Rn. 30), wohingegen die von der Beklagten aufgeführten Tätigkeiten, hinsichtlich derer das einfache Bestreiten durch den Kläger aufgrund seiner tatsächlichen Kenntnisse und Sachnähe unbeachtlich ist, der Produktion nachgelagerte Aufgaben betreffen. Diese Rechtsprechung, die zum TV BZ ME ergangen ist, kann in ihren Grundzügen auch ohne Weiteres auf die zu entscheidende Fallkonstellation übertragen werden. Das Bundesarbeitsgericht führt in der vorzitierten Rechtsprechung aus, dass Hilfsbetrieb dann vorliege, wenn eine Dienstleistung „an einem Produkt der Metall- und Elektroindustrie" erbracht wird. Letzteres wurde zwar in jenem Fall schlussendlich verneint, allerdings fand in dem vom Bundesarbeitsgericht zu beurteilenden Fall die Produktion in den USA statt, während in Deutschland ohne Vorhaltung einer eigenen Produktionsstätte im Wesentlichen der Vertrieb der in den USA hergestellten Teile erfolgte. Auch in einem vom LAG Hessen entschiedenen Verfahren bestand die Problematik darin, dass es sich um ein Kontraktlogistikunternehmen handelte, welches Dienstleistungen für ein Großhandelsunternehmen für Elektroartikel erbrachte, nicht hingegen für ein Unternehmen, das selbst Be- oder Verarbeitung an Gütern vornimmt (LAG Hessen 18.08.2022, 5 BVL 2/21 , Rn. 48).
Im Unterschied dazu handelt es sich bei der Beklagten um einen Betrieb, der unmittelbar innerhalb einer eigentlichen Produktionsstätte die Verpackung, Lagerung und die Vorbereitung für den Transport vornimmt. Es liegt in der Natur der Sache, dass die fertigen Produkte unmittelbar nach ihrer Herstellung zunächst verpackt, sodann gelagert und für den Weiterversand vorbereitet werden müssen. Bei diesen Tätigkeiten, die sich der Fertigung derart unmittelbar anschließen, handelt es sich noch um die Unterstützung der eigentlichen Produktion, da eine andere Sichtweise zu einer künstlichen Aufspaltung der einzelnen Arbeitsvorgänge führen würde. Die Beklagte schuldet unmittelbar und - bezogen auf die C AG D - noch am Ort der Produktion Dienstleistungen für ein Produktionsunternehmen und bildet ohne zeitliche und räumliche Zäsur sozusagen das letzte Glied innerhalb der Fertigungskette.
ee) Gemäß des somit einschlägigen § 2 Abs. 3 TV LeiZ 2018 galt sodann eine
140
Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten, auf die sich die gemäß § 3 Abs. la) TV LeiZ 2018 ermächtigten Betriebsparteien mit der BV Nr. 235 wirksam verständigt haben.
Der Rechtmäßigkeit der in Ziff. 4) BV Nr. 235 vereinbarten Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten stehen weder die KBV Nr. 28 noch die BV Nr. 224 oder aber die Übergangsregelungen des § 8 TV LeiZ entgegen.
142(a) Die KBV Nr. 28, die zum 15.05.2014 in Kraft trat und zum 31.12.2017 gekündigt wurde, enthielt unstreitig keine Regelung zur Überlassungshöchstdauer.
143(b) Die BV Nr. 224, die zum 01.06.2018 in Kraft trat, enthielt in Ziff. 4 eine Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Überprüfung bis 30.09.2019 und ggf. Verlängerung auf 48 Monate.
144Diese 36 Monate wären für den Kläger, ausgehend vom 16.06.2017 am 15.06.2020 abgelaufen. Betrachtet man die Beklagte insgesamt, so wären die 36 Monate ausgehend von einem frühestmöglichen Anrechnungsbeginn 01.04.2017 gemäß Ziff. 4 der
145BV Nr. 224 i.V.m. § 19 Abs. 2 AÜG (dazu BAG 05.04.2023, 7 AZR 224/22, Rn. 19;
146BAG 08.1 1 2022, 9 AZR 486/21, Rn. 19 f.; BAG 14.09.2022, 4 AZR 26/21 , Rn. 77,
81) für die vor bzw. seit dem Zeitpunkt eingesetzten Leiharbeitnehmer erstmalig am 31 .03.2020 erreicht worden.
148(c) Noch vor Ablauf dieser Zeitspanne am 20.02.2020, vereinbarten die Betriebsparteien sodann wirksam die BV Nr. 235, die zum 01.03.2020 in Kraft trat.
149Regeln mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Betriebsvereinbarungen denselben Gegenstand, löst die neuere Betriebsvereinbarung unter - auch stillschweigender Aufhebung für die Zukunft eine ältere grundsätzlich auch dann ab, wenn die Neuregelung für den Arbeitnehmer ungünstiger ist.
So liegt der Fall hier.
151
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers kommt es also nicht darauf an, ob die BV Nr. 224 nur mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten hätte gekündigt werden können, da die Ablösung auch durch den Neuabschluss einer Folgebetriebsvereinbarung geschehen kann.
Nur soweit in bereits bestehende Besitzstände der Arbeitnehmer eingegriffen wird, sind die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu beachten
153(St. Rspr. BAG 29.10.2002, 1 AZR 573/01 , Rn. 27; BAG 13.10.2016, 3 AZR 439/15, Rn. 20; ErfK/Kania, 23. Aufl., S 77 BetrVG, 64). Der Arbeitnehmer muss bei jeder nur betriebsvereinbarungsoffen ausgestalteten Kollektivregelung mit ihrer Verschlechterung oder ihrem völligen Fortfall rechnen (BAG 30.10.2019, 5 AZR 450/17, Rn. 60; BAG 17.07.2012, 1 AZR 476/1 1, Rn. 53).
154Für den Kläger bestand noch kein schutzwürdiges Vertrauen in die in Ziff. 4 BV Nr. 224 festgehaltene Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten, da dieser Zeitraum bei In Kraft-Treten der neuen Betriebsvereinbarung noch nicht abgelaufen war. Er musste daher noch mit einer Verschlechterung der für ihn geltenden Bedingungen rechnen. Dies gilt umso mehr, darauf hatte auch das Arbeitsgericht hingewiesen, vor dem Hintergrund, dass der TV LeiZ eine Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten einräumt und vor allem die Betriebsparteien bereits in Ziff. 4 b) der BV Nr. 224 eine Verlängerung ins Auge gefasst hatten. Entsprechend der ebenfalls auch vom Arbeitsgericht aufgestellten Erwägungen ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Betriebsparteien in Ziff. 4
c) der BV Nr. 224 zum erstmaligen Erreichen der Überlassungshöchstdauer auch schon den 31.03.2021 als Eventualität benennen.
156Bei Vereinbarung der BV Nr. 235 am 20.02.2020 bzw. bei deren In-Kraft-Treten am 01.03.2020 waren somit selbst bei einer Berücksichtigung des frühestmöglichen Beschäftigungsbeginns die 3 Jahre für keinen Arbeitnehmer abgelaufen, so dass noch kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers entstanden sein konnte.
157Die Ausschöpfung der im TV LeiZ 2018 vorgegebenen Dauer von 48 Monaten ist nicht zu beanstanden, da sich die tarifliche Ermächtigung ihrerseits noch im Rahmen dessen hält, was von den Tarifvertragsparteien vernünftigerweise als vorübergehend angesehen werden kann (BAG 14.09.2022, 4 AZR 83/21 , Rn. 73 ff.)
(d) Schließlich stehen auch die Überleitungsvorschriften des § 8 TV LeiZ 2018 bzw. TV LeiZ 2017 der Verlängerung der Überlassungshöchstdauer nicht entgegen.
159
§ 7 TV LeiZ ist unter keinem Gesichtspunkt einschlägig, da auch die im Berufungsverfahren neu in den Rechtsstreit eingeführte KBV Nr. 28 erst zum 15.05.2014 in Kraft trat und somit keine zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV LeiZ 2012 bestehende betriebliche Regelung darstellt.
Auch aus der Übergangsregelung des § 8 TV LeiZ 2018 ergibt sich kein Verschlechterungsverbot.
161Zwar handelt es sich bei der KBV Nr. 28 um eine Betriebsvereinbarung nach § 8 Abs. 1 TV LeiZ 2018 i.V.m. § 3 Nr. 3 ohne die Festlegung einer Überlassungshöchstdauer, die am 01.04.2017 schon bestanden hat, so dass gemäß § 8 Abs. 1 b) eine Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten seit dem 01.06.2017 bzw. dem späteren individuellen Beschäftigungsbeginn gilt. entgegen der Rechtsauffassung des Klägers bedeutet diese Übergangsregelung jedoch keine Veränderungssperre, soweit nicht in bestehende Besitzstände eingegriffen wird.
162
In § 8 Abs. 1 Ziff. c) haben die Tarifvertragsparteien vielmehr von ihrer Rechtsetzungsmacht dahingehend Gebrauch gemacht, dass sie für den Fall zum 31.08.2017 nicht angepasster Betriebsvereinbarungen anstelle der Betriebsparteien zunächst eine Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten bestimmen, die kombiniert mit dem ebenfalls festgelegten Berechnungsbeginn am 01.06.2017 die 48 Monate nicht voll ausschöpft. Diese ausdrücklich als Übergangsregelung bezeichnete Festschreibung ist allerdings im Verhältnis zu § 2 Nr. 3 TV LeiZ 2018 zu lesen, der einschränkungslos eine Höchstdauer von bis zu 48 Monaten vorsieht. Den Betriebsparteien sollte es durch die Übergangsregelung nicht verwehrt sein, (weiterhin) von ihrem Recht aus § 3 TV LeiZ Gebrauch zu machen und innerhalb der Grenzen des Vertrauensschutzes später abweichende Betriebsvereinbarungen abzuschließen. Nach der Lesart des Klägers würde die Übergangsregelung des § 8 TV LeiZ 2018 dazu führen, dass es den Betriebsparteien, sofern sie nicht bis zum 31.08.2017 und damit einem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des TV LeiZ 2018 tätig geworden waren, jedenfalls bis zum etwaigen Abschluss eines neuen Tarifvertrages verwehrt wäre, Betriebsvereinbarungen mit einer abweichenden Überlassungshöchstdauer abzuschließen. Ein solches Verständnis
lässt sich dem Tarifvertrag an keiner Stelle entnehmen. Im Gegenteil wird der Abschluss von Betriebsvereinbarungen mit konkreter Überlassungshöchstdauer gerade forciert, was sich nicht zuletzt auch in der Regelung des § 4 TV LeiZ 2018 widerspiegelt, die den Betrieben ohne Betriebsvereinbarung zusätzliche Pflichten zur Überprüfung und dem Angebot eines Arbeitsvertrages aufbürdet.
Es bleibt somit auch in diesem Zusammenhang dabei, dass nach den oben bereits dargestellten Grundsätzen zur verschlechternden Ablösung kollektivrechtlicher Vereinbarungen die Beklagte rechtswirksam mit der BV Nr. 235 eine abweichende Regelungstreffen konnte, da die 36 Monate noch nicht abgelaufen und die Überlassungshöchstdauer noch nicht erreicht war.
164Nichts anderes ergibt sich im Übrigen mit Blick auf die Vorgängerregelung des § 8 TV LeiZ 2017, da die in § 8 Abs. 1 c), d) geregelten Fristen und Termine identisch sind. § 8 Abs. 1 a) und b) TV LeiZ 2017 verdeutlichen aber die obigen Ausführungen, dass die Tarifvertragsparteien vorrangig den Betriebsparteien die Festlegung von Überlassungshöchstgrenzen überlassen wollten und nur nachrangig für den Fall der Untätigkeit einsprangen und selbst eine Grenze festlegten, ohne dass damit allerdings eine Veränderungssperre einhergehen sollte.
Nach alledem ist die einschlägige Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten für den Kläger seit dem 16.06.2021 überschritten, so dass aufgrund der 9 Abs. lb, 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis fingiert wird.
c) Im Rahmen dessen ist die Beklagte auch zur Beschäftigung des Klägers verpflichtet, da sie keine konkreten Tatsachen vorgetragen hat, die einer Beschäftigung des Klägers entgegenstehen; die bisherigen Aufgaben als solche anfallen unstreitig noch an, die Vergabe und Organisation wiederum fällt allein in ihren Verantwortungsbereich (vgl. dazu BAG 28.02.2023, 8 AZB 17/22, Rn. 17).
Die Beklagte hat sich hinsichtlich der Beendigung des Einsatzes ausdrücklich nur auf das nahende Ende der aus ihrer Sicht einschlägigen Überlassungshöchstdauer sowie hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten des Klägers berufen.
1683. Der Klageantrag zu 2) ist ebenso wie der sodann zur Entscheidung angefallene Hilfsantrag zu 3) unbegründet, da sich aus den obigen Ausführungen ergibt, dass zwischen den Parteien erst ab dem 16.06.2021 ein Arbeitsverhältnis bestand.
1694. Der hilfsweise geltend gemachte Klageantrag zu 4), die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses seit dem 16.06.2021 , ist wiederum begründet.
5. Der Klageantrag zu 5), der ausdrücklich nur für den Fall der Abweisung der Klageanträge zu 2) und 4) gestellt wurde, ist hingegen nicht zur Entscheidung angefallen.
171c. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, wobei die Kammer aufgrund der Abweisung der Klageanträge zu 2) und 3) eine Kostenteilung vorgenommen hat.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, da im Hinblick auf die Problematik der Anrechenbarkeit von bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten absolvierten Überlassungszeiträume sowie der Beurteilung des fachlichen Geltungsbereichs des TV LeiZ 2018 Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen.
Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien
174R E V I S I O N eingelegt werden.
175Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
176Bundesarbeitsgericht
177Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt
178Fax: 0361 2636-2000
179eingelegt werden.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.012022 gem. 46g Satz 1, 72 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Revision ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
182Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1831 . Rechtsanwälte,
1842. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Per son ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisa
tion und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
187Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
188Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß S 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsge-
189•richt.de.
190 eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.