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Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 10.02.2022 – 3 Ga 3/22 – wird auf Kosten der Verfügungsklägerin zurückgewiesen.
Die Revision ist nicht zulässig.
Tatbestand
2Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung macht die Verfügungsklägerin ihren Bewerbungsverfahrensanspruch bezogen auf ihre Bewerbung vom 25.10.2021 auf die Stelle „Gestütsleiterin/Gestütsleiter (w/m/d) beim Nordrhein-Westfälischen B“ in A geltend.
3Die 1965 geborene Verfügungsklägerin war vom 01.06.1996 bis zum 03.03.2017 Leiterin des Nordrhein-Westfälischen B in A. Das Arbeitsverhältnis endete am 03.03.2017 mit Zugang einer von dem verfügungsbeklagten Land ausgesprochenen fristlosen Kündigung. Das verfügungsbeklagte Land stützte die Kündigung auf den Vorwurf, die Klägerin habe durch verschiedene Verhaltensweisen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten wiederholt gravierend verletzt, vorzuwerfen seien insbesondere eine pflichtwidrige Abrechnung von Reisetagen zu eigenem Vorteil, eine pflichtwidrige Vorteilsnahme, Verstoß gegen eine Nebentätigkeitsuntersagung und mehrfaches Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Verkauf von Pferden. Die von der Verfügungsklägerin gegen die fristlose Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage ist erfolglos geblieben. Das Arbeitsgericht Münster hat die Kündigungsschutzklage durch Urteil vom 12.04.2018 abgewiesen (2 Ca 492/17 / Kopie Bl. 111 – 190 GA). Das LAG Hamm hat die von der Verfügungsklägerin dagegen eingelegte Berufung durch Urteil vom 14.03.2019 zurückgewiesen (11 Sa 980/18 / Kopie Bl. 191 – 283 GA). Die von der Verfügungsklägerin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 27.09.2019 zurückgewiesen (2 AZN 769/19 7 Kopie Bl. 284 – 286 GA).
4Anschließend war eine Nachfolgerin als Gestütsleiterin beschäftigt. Nachdem deren Tätigkeit beendet worden war, schrieb das verfügungsbeklagte Land die Stelle „Gestütsleiterin/Gestütsleiter (w/m/d) beim Nordrhein-Westfälischen B“ unter dem 21.10.2021 aus. Die Kopie des Ausschreibungstextes findet sich auf Bl. 79 - 81. GA, darauf wird Bezug genommen. In der Ausschreibung heißt es zum persönlichen Kompetenzprofil:
5hohe Führungs- und Sozialkompetenz
Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Einsatzbereitschaft und Flexibilität
ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten, Verhandlungsgeschick
hohes Verantwortungsbewusstsein, Entscheidungsfähigkeit und Kreativität
Unter dem 25.10.2021 bewarb sich die Klägerin auf die Stelle. Auf die Kopie des Bewerbungsschreibens nebst Anlagen wird Bezug genommen (Bl. 82 ff GA).
11Das verfügungsbeklagte Land fertigte unter dem 22.11.2021 einen Vermerk über den Vorauswahltermin vom 22.11.2021. Darauf wird Bezug genommen (Bl. 108 ff GA). Unter der Überschrift „1. Aktenvermerk zur Prüfung der Bewerbung von Frau C.“ heißt es dort auszugsweisen:
12...
13Das Vertrauen des Landes NRW als Arbeitgeber in die Person der Bewerberin wurde durch die seinerzeitigen Vorkommnisse, die zu der wirksam ausgesprochenen Kündigung geführt haben, berechtigterweise nachhaltig und unwiderruflich erschüttert und zerstört, so dass eine weitere Zusammenarbeit nicht zuzumuten war.
14Die Umstände, die seinerzeit zu der Kündigung geführt haben, waren völlig unabhängig von der späteren strafrechtlichen Bewertung für das Arbeitsverhältnis so gravierend, dass die Begründung eines erneuten Beschäftigungsverhältnisses in der angestrebten Funktion auch weiterhin nicht zumutbar ist.
15Folglich erfüllt die Bewerberin zwar das fachliche Anforderungsprofil, die ebenfalls für eine Einstellung in den Landesdienst erforderliche persönliche Eignung ist aber infolge der - gerichtlich bestätigten - nachhaltigen Erschütterungen und Zerstörung des Vertrauens dauerhaft nicht gegeben.
16Das seinerzeitige Strafverfahren, das in der Berufungsinstanz nach langer Verfahrensdauer eingestellt worden ist, steht dem nicht entgegen, da die seinerzeit gewonnenen Erkenntnisse jedenfalls weiterhin den Schluss auf eine Verfehlung zulassen bzw. nicht vollumfänglich ausräumen konnten. In wesentlichen Teilen ging es bei den Strafvorwürfen um gegen das Land NRW und damit den Arbeitgeber gerichtete Straftaten.
17Die nicht in Gänze widerlegten Vorwürfe gerade im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Tätigkeit als Gestütsleiterin sind auch weiterhin geeignet, die persönliche Eignung bzw. Zweifel daran mit Blick auf eine erneute Einstellung als Gestütsleiterin des nordrhein-westfälischen B zu begründen.
18Weder ist Vertrauen in irgendeiner Form wiederhergestellt worden noch in Bezug auf die vakant herausgehobene und im Fokus der Öffentlichkeit stehende Funktion der Gestütsleitung in der Person der Bewerberin wieder herstellbar. Eine erneute Tätigkeit der Bewerberin in führender Funktion des weder mit Blick auf die Beschäftigten des Nordrhein Westfälischen B noch mit Blick auf das MULNV als Fach -und Dienstaufsicht vertrauensvoll möglich. Es ist überdies auch schwerlich vorstellbar mit Blick darauf, dass die langwierigen, über mehrere Jahre über alle bzw. mehrere Instanzen geführten Arbeitsgerichts- und Strafprozesse zu ganz erheblicher Unruhe und Verunsicherung in der Belegschaft und der Öffentlichkeit, insbesondere auch in für das B zentral bedeutsamen Züchterschaft, geführt haben.
19gez.
20H….
21Auf Nachfrage der Verfügungsklägerin vom 13.12.2021 teilte das verfügungsbeklagte Land der Verfügungsklägerin am 13.12.2021 per E-Mail-Schreiben mit, dass deren Bewerbung bei einer Vorauswahl unter Zugrundelegung des Anforderungsprofils und unter Berücksichtigung der weiteren Einstellungskriterien leider nicht in die engere Wahl habe gezogen werden können. Wegen des genauen Wortlauts der Absage wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Bl. 4 GA).
22In einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Warendorf war die Verfügungsklägerin noch vor Verkündung des Berufungsurteils im Kündigungsschutzprozess wegen gemeinschaftlicher Vorteilsnahme in vier Fällen zur Zahlung einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen verurteilt worden (46 Ls 1/17 AG Warendorf). Die Verfügungsklägerin hat gegen ihre Verurteilung Berufung zu dem Landgericht Münster eingelegt. Dort ist das Verfahren mit Zustimmung aller Beteiligter gemäß § 153a StPO eingestellt worden (Kopie des Beschlusses LG Münster vom 24.01.2020 - 4 Ns-44 Js 980/14-15/19 –-46 Ls 1/17 AG Warendorf - : Bl. 317 GA).
23Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Verfügungsklägerin unter dem 16.12.2021 bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf anhängig gemacht. Dieses hat den Rechtsstreit durch rechtskräftig gewordenen Beschluss vom 19.01.2022 an das Arbeitsgericht Münster verwiesen (Bl. 22 ff GA).
24Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Verfügungsklägerin mit Urteil vom 10.02.2022 zurückgewiesen (s.u.). Am 15.03.2022 besetzte das verfügungsbeklagte Land die streitgegenständliche Stelle der Gestütsleitung mit dem Bewerber Dr. D. (Verlautbarung B vom 15.03.2022: Bl. 323, 324 GA).
25Die Klägerin hat gemeint, die Begründung des verfügungsbeklagten Landes sei unzutreffend, da sie, die Antragstellerin, das Anforderungsprofil in jeder Hinsicht erfülle, insbesondere da sie rund 20 Jahre dieses B erfolgreich geleitet habe. Es sei nicht ansatzweise erkennbar, warum sie das Anforderungsprofil trotz dieses Umstandes nicht erfüllen solle. Aus Art. 33 GG folge der Anspruch jedes Deutschen auf gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt nach Befähigung, Eignung und Leistung. Entgegen der Auffassung des Landes habe sie Anspruch auf Berücksichtigung im streitgegenständlichen Stellenbesetzungsverfahren. Das Land könne nicht damit gehört werden, die persönliche Eignung sei nicht gegeben. Richtig sei, dass das seinerzeit bestehende Arbeitsverhältnis seitens des verfügungsbeklagten Landes mit außerordentlicher Kündigung - nämlich in Form der sogenannten Verdachtskündigung - beendet worden sei. Sofern sich aber aufgrund eines nachfolgenden Strafverfahrens herausstelle, dass der ursprüngliche Verdacht unberechtigt sei, entstehe bei der Verdachtskündigung sogar ein Wiedereinstellungsanspruch. Als Minus ergebe sich, dass sie, die Verfügungsklägerin, im Bewerbungsverfahren berücksichtigt werden müsse. Aus dem Vermerk vom 22.11.2021 ergebe sich, dass diese Umstände nicht berücksichtigt worden seien.
26Die Verfügungsklägerin hat zuletzt beantragt,
27dem beklagten Land zu untersagen, die Stelle Gestütsleiterin/Gestütsleiter (W/M/D) beim nordrhein-westfälischen B Az. 74 / 2021 zu besetzen, bevor unter der Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden sei.
28Das verfügungsbeklagte Land hat beantragt,
29den Antrag zurückzuweisen.
30Das verfügungsbeklagte Land hat die Auffassung vertreten, die Verfügungsklägerin sei zu Recht nicht im Bewerbungsverfahren zu berücksichtigen. Es bestehe weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund. Der Verfügungsgrund bestehe nicht, denn die Verfügungsklägerin habe das Verfahren selbst verschleppt, indem sie zunächst vor der unzuständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit geklagt habe und dann den Termin zur mündlichen Verhandlung habe verlegen lassen. Ein Verfügungsanspruch bestehe nicht, denn der Bewerbungsverfahrensanspruch der Verfügungsklägerin sei nicht verletzt. Der Verfügungsklägerin fehle die persönliche Eignung für die Stelle. Zweifel an der persönlichen Eignung seien schon dann legitim, wenn nur ein Disziplinarverfahren eingeleitet sei. Im hiesigen Verfahren habe es sogar ein Strafverfahren mit einer Einstellung nach 153 a StPO gegeben. Weiterhin sei durch zwei Instanzen festgestellt worden, dass die fristlose Kündigung gerechtfertigt gewesen sei.
31Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 10.02.2022 zurückgewiesen. Der Antrag sei zulässig aber unbegründet. Die Verfügungsklägerin sei nicht in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt. Der Verfügungsklägerin fehle die persönliche Eignung für die Stelle. Die Auswahl der Verfügungsklägerin erscheine deshalb nicht möglich. Nach Art. 33 Abs. 2 GG bestehe ein Anspruch des Bewerbers auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in das Bewerbungsverfahren und rechtsfehlerfreie Auswahlentscheidung auf der Grundlage der Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG und das in einer Weise, dass effektiver Rechtsschutz ermöglicht sei, wie er nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten sei. Die Verfügungsklägerin habe bislang nicht glaubhaft gemacht, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt worden sei. Sie habe insbesondere nicht vorgetragen, dass der Sachvortrag zur Verdachtskündigung falsch gewesen sei. Weiterhin habe das LAG im Kündigungsschutzverfahren auch drei Sachverhalte als zur Tatkündigung berechtigend festgestellt. Das Vertrauen des verfügungsbeklagten Landes in die Person der Verfügungsklägerin sei durch die Vorkommnisse, die zur fristlosen Kündigung geführt hätten, unwiederbringlich zerstört. Im Strafverfahren seien die Vorfälle nicht gänzlich ausgeräumt worden. Unter Berücksichtigung der Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn sei nicht ersichtlich, dass von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet worden seien, sachfremde Erwägungen angestellt worden wären oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen worden sei. Nachdem rechtskräftig feststehe, dass die Verfügungsklägerin zu Recht fristlos entlassen worden sei, sei nicht zu beanstanden, dass das verfügungsbeklagte Land sich auf einen unwiederbringlichen Vertrauensverlust berufe und die fehlende persönliche Eignung feststelle. Die Besetzung der Stelle mit der Verfügungsklägerin erscheine nicht als möglich. Ein Grund, eine anderweitige Stellenbesetzung im Hinblick auf die Bewerbung der Verfügungsklägerin zu untersagen, sei nicht ersichtlich.
32Das Urteil des Arbeitsgerichts ist der Verfügungsklägerin am 17.02.2022 zugestellt worden. Die Verfügungsklägerin hat am 18.02.2022 Berufung eingelegt und die Berufung am 15.03.2022 begründet.
33Die Verfügungsklägerin wendet ein, unzutreffend nehme das Arbeitsgericht an, dass sie nicht in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt sei. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe das verfügungsbeklagte Land nicht allein aufgrund der 2017 ausgesprochenen Kündigung ihre – der Verfügungsklägerin – Eignung verneinen dürfen. Aus der Tatsache der Kündigung im Jahr 2017 ergebe sich entgegen dem Vermerk des verfügungsbeklagten Landes in keiner Weise, dass hier auch nach nunmehr fünf Jahren das Vertrauensverhältnis nicht habe wiederhergestellt werden können bzw. neu habe begründet werden können. Ganz offensichtlich gehe das Land davon aus, dass eine einmal gestörte Vertrauensgrundlage nicht wiederhergestellt werden könne. Das sei unzutreffend. Das Strafverfahren sei ohne Verurteilung eingestellt worden. Erforderlich sei eine umfassende Würdigung aller Aspekte. Das sei hier erkennbar unterblieben. Ein bloßes Abstellen auf ein Fortwirken seinerzeit im Kündigungsschutzprozess abgehandelter Aspekte sei unzureichend. Das verfügungsbeklagte Land setze sich mit eigenen Wertungsprinzipien in Widerspruch. Die bisherige Leiterin sei wegen tierschutzrechtlich problematischer Trainingsmethoden nicht dienstrechtlich oder disziplinarrechtlich belangt worden, sie sei lediglich an das Umweltministerium versetzt worden.
34Die Verfügungsklägerin beantragt,
35unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Münster vom 10.02.2022, zugestellt am 17.02.2022, das beklagte Land zu verpflichten, die Stelle der Gestütsleitung beim nordrhein-westfälischen b (- 74 / 2021 -) nicht zu besetzen, bevor unter der Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu über die Bewerbung der Klägerin entschieden worden ist.
36Das verfügungsbeklagte Land beantragt,
37die Berufung zurückzuweisen.
38Das verfügungsbeklagte Land verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Das Antragsbegehren der Verfügungsklägerin habe von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Inzwischen könne dem Begehren schon deshalb nicht mehr entsprochen werden, weil die Stelle inzwischen mit Herrn Dr. D. besetzt sei. Das Stellenbesetzungsverfahren sei abgeschlossen. Die inhaltlichen Angriffe der Verfügungsklägerin auf das Urteil des Arbeitsgerichts seien nicht überzeugend. Rechtsfehlerfrei sei das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Verfügungsklägerin wegen unwiederbringlicher Zerstörung der Vertrauensgrundlage aus den Gründen der fristlosen Kündigung nicht mit ihrer Bewerbung zu berücksichtigen sei. Es gebe keinen Grund, weshalb es zu einer Wiederherstellung der Vertrauensbeziehung gekommen sein sollte. Auch nur Ansatzpunkte dafür seien nicht zu erkennen. Es bleibe dabei, dass das Berufungsurteil im Kündigungsschutzverfahren in Rechtskraft erwachsen sei. Es seien erhebliche Pflichtverletzungen als Grund für eine Tatkündigung gegeben gewesen, welche zur Unzumutbarkeit der Fortführung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten. Die Einstellung des Strafverfahrens sei nicht nach § 170 Abs. 2 StPO wegen nicht hinreichenden Tatverdachts erfolgt. Es sei lediglich zu einer Einstellung unter Auflagen gemäß § 153a StPO gekommen, was ausreichend gewesen sei, um das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Gegenstand des Strafverfahrens seien bei Weitem nicht sämtliche Pflichtverletzungen gewesen, welche es, das Land, zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen gehabt habe. Das gesamte Verhalten der Verfügungsklägerin zeige, dass sie hinsichtlich der seinerzeitigen Geschehnisse keinerlei Einsicht oder Unrechtbewusstsein zeige. Noch vor dem Arbeitsgericht habe die Verfügungsklägerin argumentiert, sie sei seinerzeit Opfer einer „Hexenjagd“ geworden, die bis heute ihren Abschluss nicht gefunden habe. Im Auswahlprozess habe eine ausführliche und umfassende Gesamtwürdigung der Bewerbung der Verfügungsklägerin stattgefunden, wobei auch zugunsten der Verfügungsklägerin sprechende Auswahlargumente berücksichtigt worden seien. Das verfügungsbeklagte zitiert hierzu aus dem Auswahlvermerk (Zitat auf Bl. 332 GA).
39Der Sach- und Streitstand ist entsprechend § 313 Abs. 2 ZPO in seinem wesentlichen Inhalt dargestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Parteien in den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie auf die gerichtlichen Sitzungsprotokolle verwiesen.
40Entscheidungsgründe
41A. Die Berufung der Verfügungsklägerin ist nach §§ 8 Abs.2, 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG statthaft und zulässig. Die Berufung ist form- und fristgerecht entsprechend den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
42B. Die Berufung der Verfügungsklägerin bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen, dem verfügungsbeklagten Land durch eine Entscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu untersagen, die streitgegenständliche Stelle der B in A anderweitig zu besetzen, bevor unter der Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden ist.
43Bei der Entscheidung folgt die Berufungskammer den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu arbeitsrechtlichen Konkurrentenverfahren gemäß Art. 33 Abs. 2 GG (I.). Im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts steht der von der Verfügungsklägerin begehrten Eilentscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 935 ff, 916 ff ZPO bereits der Umstand entgegen, dass das verfügungsbeklagte Land die Stelle am 15.03.2022 mit einem Konkurrenten besetzt hat. Damit fehlt dem Rechtsschutzbegehren der Verfügungsklägerin seit dem 15.03.2022 die Eilbedürftigkeit. Es fehlt der für ein Urteil im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO) (II.). Davon unabhängig bleibt die Berufung auch aus den vom Arbeitsgericht zutreffend ausgeführten Gründen ohne Erfolg. Wegen des gravierend pflichtwidrigen Verhaltens der Verfügungsklägerin, welches zu der wirksamen fristlosen Kündigung des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mit Datum vom 03.03.2017 geführt hat, fehlt der Verfügungsklägerin die persönliche Eignung für die Stelle der Gestütsleitung, auf die sie sich (erneut) beworben hat. Für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung fehlt es damit auch an einer zu sichernden Rechtsposition der Verfügungsklägerin, es fehlt der Verfügungsanspruch (III.).
44I. Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt.
45Öffentliche Ämter im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die ein öffentlicher Arbeitgeber mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt. Der unbeschränkt und vorbehaltlos gewährte Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Verfassungsnorm dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Beamten und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst steht deshalb bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Daraus folgt angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren. Bei Verfahrensfehlern kann sich ein Anspruch des abgelehnten Bewerbers ergeben, dass die Auswahlentscheidung unter Vermeidung des rechtlichen Fehlers wiederholt wird (BAG 17.10.2017 – 9 AZR 192/17 – AP TzBfG § 9 Nr. 9 = NZA 2018, 174 mwN). Nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen kann sich darüber hinausgehend ein Anspruch des abgelehnten Konkurrenten ergeben, dass ihm die Stelle übertragen wird (BAG 17.08.2010 – 9 AZR 347/09 - AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 71).
46Der Anspruch auf Zugang zu einem öffentlichen Amt setzt eine freie Stelle voraus. Das grundrechtsgleiche Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Artikel 33 Abs. 2 GG kann nur vor einer Besetzung der Stelle mit dem ausgewählten Konkurrenten verwirklicht werden. Wegen des Gebots des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG bedarf der Bewerbungsverfahrensanspruch deshalb ggf. der Sicherung durch eine einstweilige Verfügung nach §§ 935 ff ZPO gegen eine anderweitige Stellenbesetzung. Dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist genügt, wenn dem abgelehnten Bewerber die Möglichkeit gewährt wird, vorläufigen Rechtsschutz vor der Besetzung des Amtes in Anspruch zu nehmen (BAG 18.09.2007 - 9 AZR 672/06 - ). Erfolgt die durch Art. 33 Abs. 2 GG vorgeschriebene Bestenauswahl unter den Bewerbern rechtlich fehlerhaft, so kann sich ein Anspruch des abgelehnten Bewerbers auf eine erneut durchzuführende Auswahlentscheidung ergeben (s.o.). Bei der erneuten Entscheidung hat der öffentliche Arbeitgeber dann die vom Gericht festgestellten Auswahlfehler zu unterlassen und ist insoweit an die Rechtsauffassung des Gerichts gebunden (BAG 21.01.2003 - 9 AZR 72/02 - ). Eine vorläufige Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs durch einstweilige Verfügung setzt dabei voraus, dass die Aussichten des Bewerbers, im Falle eines ordnungsgemäßen Auswahlverfahrens zum Zuge zu kommen, offen sind, das heißt seine Auswahl muss als möglich erscheinen (BVerfG 25.11.2015 – 2 BvR 1461/15 – NJW 2016, 309).
47II. Wie eingangs bereits angeführt besteht hier die Besonderheit, dass das verfügungsbeklagte Land die ausgeschriebene Stelle inzwischen am 15.03.2022 mit dem von ihm ausgewählten Bewerber Dr. D. besetzt hat, wobei das Land sich daran nicht durch das anhängige Berufungsverfahren gehindert gesehen hat. Hat der Arbeitgeber die ausgeschriebene Stelle durch Abschluss eines Arbeitsvertrags oder durch eine beamtenrechtliche Ernennung mit einem anderen Bewerber besetzt, hat der unterlegene Bewerber keinen Anspruch darauf, dass das Auswahlverfahren – trotz der erfolgten Stellenbesetzung – wiederholt wird (BAG 12.10.2010 – 9 AZR 554/09 – AP GG Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 73). Hat der Arbeitgeber in einer solchen Konstellation bei der Stellenbesetzung die ihm aus Art. 33 Abs. 2 GG obliegenden Verpflichtungen verletzt und / oder gegen eine den Bewerbungsverfahrensanspruch sichernde einstweilige Verfügung verstoßen, können sich allerdings Schadensersatzansprüche des nicht berücksichtigten Bewerbers ergeben (BAG aaO; Schaub-Ahrendt, Arbeitsrechts-Handbuch, 18. Aufl. 2019, § 183 Rn. 9, S. 1999). Für die Bejahung eines solchen Anspruchs muss festgestellt werden, dass ein hypothetischer Kausalverlauf bei rechtmäßigem Vorgehen des Arbeitgebers zu einer Entscheidung geführt hätte, welche für die Schadensersatz begehrende Partei günstig gewesen wäre (BAG aaO; BAG 28.01.2020 – 9 AZR 91/19 -). Zur Sicherung eines etwaigen derartigen Schadensersatzanspruches, der auf einen hypothetischen Kausalverlauf abstellt, bedarf die Verfügungsklägerin indes keiner vorläufigen Sicherung ihres Anspruchs durch eine Entscheidung des einstweiligen Rechtsschutzes. Nach Besetzung der strittigen Stelle am 15.03.2022 ist keine Situation (mehr) gegeben, in der durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts der Verfügungsklägerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, wie es nach §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 935 ZPO Voraussetzung für eine arbeitsgerichtliche Eilentscheidung im Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Verfügung ist. Eine arbeitsgerichtliche einstweilige Unterlassungsverfügung ist auch nicht nach §§ 62 Abs. 2, 940 ZPO angezeigt. Eine Situation im Sinne des § 940 ZPO, dass eine gerichtliche Eilentscheidung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint, ist seit der anderweitigen Stellenbesetzung am 15.03.2022 nicht (mehr) gegeben. Es fehlt für eine arbeitsgerichtliche Eilentscheidung durch Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 935, 940 ZPO die erforderliche Eilbedürftigkeit und damit der erforderliche Verfügungsgrund (vgl. Groeger-Hauck-Scholz, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 3. Aufl. 2020, § 2 Rz. 2.172 = S. 152). Für die Verfolgung etwaiger Rechtsbeeinträchtigungen im Bewerbungsverfahren gemäß Art. 33 Abs. 2 GG bleibt die Verfügungsklägerin auf das reguläre arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren verwiesen.
48III. Unabhängig von dem unter II. ausgeführten Grund hat die Berufung der Verfügungsklägerin aber auch aus dem bereits vom Arbeitsgericht ausgeführten Grund keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht entschieden, dass es nicht zu beanstanden ist, dass das beklagte Land unter Berücksichtigung der Geschehnisse, welche zum Ausspruch der rechtskräftig für wirksam befundenen fristlosen Kündigung vom 03.03.2017 geführt haben, die persönliche Eignung der Verfügungsklägerin im Vorauswahlverfahren am 22.11.2021 für die ausgeschriebene Stelle verneint hat und die Verfügungsklägerin für die weitere Auswahl nicht berücksichtigt hat. Der in Art. 33 Abs. 2 GG angeführte Begriff der Eignung stellt ab auf die Person der Bewerberin selbst mit ihren körperlichen, geistigen, seelischen und charakterlichen Eigenschaften (BAG 05.03.1996 – 1 AZR 590/92 (A) -). Zu Recht hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass es einer Besetzung der Stelle mit dem rechtlich nicht zu beanstandenden Anforderungsprofil hoher Führungs- und Sozialkompetenz und hohen Verantwortungsbewusstseins entgegensteht, dass das Vertrauen des verfügungsbeklagten Landes zur Person der Verfügungsklägerin unwiederbringlich zerstört ist durch die Vorkommnisse, die zur fristlosen Kündigung geführt haben. Es sei, so das Arbeitsgericht weiter zutreffend, nicht ersichtlich, dass das verfügungsbeklagte Land dabei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet hätte, sachfremde Erwägungen angestellt hätte oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hätte. Dies führe, so das Arbeitsgericht weiter zutreffend, dazu, dass der Verfügungsklägerin die persönliche Eignung für die zu besetzende Stelle fehle. Als Kündigungsgründe für die fristlose Kündigung nach den Regeln der Tatkündigung ergeben sich auf der Grundlage des rechtskräftigen Berufungsurteils im Kündigungsschutzprozess (LAG Hamm 14.03.2019 – 11 Sa 980/18 -):
49▪ Fakturierung von Reisetagen von A nach Katar zugunsten der privaten Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der die Verfügungsklägerin beteiligt war, anstatt zugunsten des verfügungsbeklagten Landes;
50▪ unerlaubte Konkurrenztätigkeit durch Geschäfte der Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Reitschule in Doha/Katar, mit welcher auch das verfügungsbeklagte Land in Geschäftsbeziehung stand, und dies unter Verletzung des arbeitsvertraglichen Nebentätigkeitsverbots;
51▪ Annahme materieller Vergünstigungen zugunsten der Verfügungsklägerin und ihres Ehemanns im Gegenwert eines namhaft vierstelligen Euro-Betrags anlässlich der Anreise und der Teilnahme bei Einladungsreitturnieren in Katar unter Verstoß gegen die Verpflichtungen aus § 3 Abs. 3 TV-L (Verbot der Annahme von Geschenken und Vergünstigungen mit Bezug auf die vertragliche Tätigkeit für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes - resp. Anzeigepflicht und Möglichkeit der Ausnahmegenehmigung durch den öffentlichen Arbeitgeber).
52Im Berufungsurteil, welches das verfügungsbeklagte Land zum Gegenstand auch des vorliegenden Rechtsstreits gemacht hat, hat die seinerzeit ebenfalls erkennende 11. Kammer des LAG Hamm zu den Kündigungsgründen insoweit im Einzelnen ausgeführt (LAG Hamm 14.03.2019 – 11 Sa 980/18 -):
53c) Unter Anwendung der zu a) und b) dargestellten Grundsätze ist ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB aus den beiden vom Arbeitsgericht angenommenen Gründen und aus zwei weiteren Gründen zu bejahen: Fakturierung von Reisetagen zum Vorteil der privaten ECI GbR anstatt zugunsten des beklagten Landes (aa), Verdachtskündigung wegen des Geldflusses bei Verkauf des Pferdes Fürst von Fleury / Florestan II (bb), unerlaubte Konkurrenztätigkeit mit der ECI GbR unter Verstoß gegen die Nebentätigkeitsuntersagung (cc), Entgegennahme von Vergünstigungen beträchtlichen Werts zu eigenen Gunsten und zugunsten des Ehemanns im Kontext der dienstlichen Geschäftsbeziehung zur Reitschule Al Shaqab / Katar anlässlich der Teilnahme an zwei Einladungsturnieren (dd), die Gründe zu aa), cc), dd) dabei nach den Regeln der Tatkündigung und der Grund bb) nach den Grundsätzen zur Verdachtskündigung. Da alle Gründe den Vertrauensbereich des Arbeitsverhältnisses berühren und das beklagte Land wegen der exponierten Stellung der Klägerin als Gestütsleiterin in A in besonderer Weise auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Klägerin angewiesen ist, genügt jeder der vier Gründe für sich betrachtet, die Kündigung zu rechtfertigen und dies auch ohne vorherige einschlägige Abmahnung. Die Abwägung der Interessen ergibt ein überwiegendes Interesse des beklagten Landes, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beenden zu können, weil das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin zerstört ist (ee).
54aa) Eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist ist dem beklagten Land nicht zumutbar, weil die Klägerin ebenso wie die Beschäftigten G. … und B. … einen Teil der anlässlich ihrer dienstlichen Aufenthalte in Katar absolvierten Reisetage zugunsten der ECI GbR und nicht für das beklagte Land und damit pflichtwidrig zu eigenen Gunsten abgerechnet hat - für die drei Beschäftigten insgesamt sechs Reisetage des Zeitraums vom 19.03.2012 bis zum 24.11.2013 per Rechnung der ECI GbR vom 25.11.2013 (für Klägerin 2 Reisetage zu den Aufenthalten 28.10.-31.10.2012 und 11.11.-17.11.2013 / Arbeitspapier aus Besitz Klägerin K 30, Bl. 793, 794 GA). Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin damit in schwerwiegender Weise gegen die Vermögensinteressen des beklagten Landes verstoßen hat (erstinstanzliches Urteil unter I.2.a) = S. 58-62). Darauf nimmt die Berufungskammer Bezug und beschränkt sich auf die nachstehenden zusammenfassenden und ergänzenden Ausführungen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Unstreitig sind die privaten Beratungsleistungen der Klägerin und die der beiden weiteren Beschäftigten stets anlässlich dienstlicher Aufenthalte in Katar er-bracht worden. Unstreitig sieht der Vertrag zwischen Al Shaqab und dem beklagten Land vor, dass Al Shaqab dem beklagten Land die Reisetage der Landesbediensteten nach Katar vergütet. Die Klägerin war damit bei ihren dienstlichen Aufenthalten in Katar gehalten, sowohl ihren Anreisetag wie auch ihren Abreisetag als Reisetag zugunsten des beklagten Landes in Rechnung zu stellen. Unstreitig hat die Klägerin dies nicht getan sondern Geld für Reisetage zum eigenen privaten Vorteil liquidiert (über die ECI GbR). Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Hinweis der Klägerin auf reisekostenrechtliche Regeln die Vorgehensweise nicht rechtfertigt. Das Reisekostenrecht verhält sich zu der Frage, ob und in welcher Höhe dienstlich ausgelöste Reisekosten von dem Dienstherrn zu erstatten sind oder ob sie wegen einer hinzutretenden Wahrnehmung privater Interessen ganz oder teilweise vom Beschäftigten selbst zu tragen sind. Zu der Frage, ob und in welchem Umfang vertragliche Forderungen des Dienstherrn gegen Dritte zu realisieren sind, trifft das Reisekostenrecht keine Regelungen.
55bb) Ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist zu bejahen, weil der dringende Verdacht begründet ist, dass die Klägerin Beihilfe geleistet hat, dass dem Beschäftigten B. … von dritter Seite entgegen § 3 Abs. 3 TV-L finanzielle Vergünstigungen in Bezug auf ein dienstliches Geschäft zugewandt worden sind. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden. Auf die Begründung des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG / erstinstanzliches Urteil unter I.2.b) = S. 62-64). Die Berufungskammer beschränkt sich auf die nachstehenden zusammenfassenden und ergänzenden Ausführungen. …
56cc) Eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist ist dem beklagten Land nicht zumutbar, weil die Klägerin durch die Gründung der ECI GbR und die anschließende Erbringung entgeltlicher Beratungs- und Vermittlungsleistungen für die Reitschule Al Shaqab vertragswidrig eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit bei einem Geschäftspartner ihres Arbeitgebers zu eigenem wirtschaftlichen Vorteil verrichtet hat und damit zugleich gegen die im Juli 2012 schriftlich ausgesprochene Nebentätigkeitsuntersagung verstoßen hat.
57Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers nach § 241 Abs. 2 BGB. Es handelt sich in der Regel um eine erhebliche Pflichtverletzung. Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG 23.10.2014 aaO). Eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen (BAG 23.10.2014 – 2 AZR 644/13 – AP BGB § 626 Nr. 252; MK-Henssler, BGB, 7. Aufl. 2016, § 626 BGB Rn. 170 - 173). Eine vorhergehende Abmahnung ist regelmäßig entbehrlich (BAG 16.08.1990 – 2 AZR 113/90 – AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 10 unter III. 2. a), 3. a); MK-Henssler, BGB, 7. Aufl. 2016, § 626 BGB Rn. 171). Verboten sind sowohl die Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen wie auch die Unterstützung eines Wettbewerbers des Arbeitgebers (BAG 23.10.2014 aaO).
58Gegen diese Verpflichtung hat die Klägerin verstoßen, indem sie als Gesellschafterin der ECI mit dem Kunden des Landgestüts, der Reitschule Al Shaqab, einen Vertrag über Beratungsleistungen abschloss und anschließend unstreitig in Erfüllung dieses Vertrages Beratungsleistungen erbrachte, die seitens der ECI in Rechnung gestellt wurden und die anschließend der Klägerin durch anteilige Überweisung eines fünfstelligen Eurobetrags auf ihr Privatkonto wirtschaftlich zugutegekommen sind (Vertrag Al Shaqab – ECI vom 06.08.2012, B 11, Bl. 248 ff, 251, 252 GA: „ … 2. Project Objectives: 1. To assist the transformation project of the existing SH Riding Academy to an Equine Educatuion Center (EEC); 2. To assist quality management in riding, leveling and associated areas; …). Zugleich hat die Klägerin damit der ausdrücklichen Untersagung bestimmter Nebentätigkeiten durch Schreiben vom 19.07.2012 zuwidergehandelt (B 6, Bl. 225, 226 GA). In der Antwort auf den Nebentätigkeitsantrag der Klägerin vom 15.06.2012 heißt es dort im zweiten Absatz unter „zu 3.“: „Die Vermittlung von Gegenständen und Leistungen jeglicher Art, einschließlich von Pferden, an Personen mit denen das Land NRW, vertreten durch das Landgestüt, im laufenden und in den drei vorangegangenen Kalenderjahren in geschäftlichen Beziehungen steht, wird Ihnen daher gemäß § 3 Abs. 4 Satz 2 TV-L untersagt.“. Damit war der Klägerin eine Nebentätigkeit für natürliche oder juristische Personen untersagt, die aktuell 2012 oder in den Jahren 2011, 2010 oder 2009 in geschäftlichen Beziehungen zum dem Land NRW, vertreten durch das B, standen. Gegen dieses Nebentätigkeitsverbot verstoßen die von der Klägerin unstreitig erbrachten und in Rechnung gestellten Beratungsleistungen durch die ECI zugunsten der Reitschule Al Shaqab. Das vertragswidrige Verhalten der Klägerin stellt einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar.
59Die von der Klägerin zur Rechtfertigung ihres Verhaltens erst- und zweitinstanzlich vorgebrachten Argumente greifen nicht durch. Ein Verständnis der Nebentätigkeitsuntersagung in dem Sinne, dass die Nebentätigkeitsversagung nur die Geschäftspartner des B betreffe, mit denen kumulativ im aktuellen und zusätzlich auch in den drei vorangegangen Jahren Geschäftsbeziehungen bestanden hätten, ist mit dem Wortlaut des Schreibens vom 19.07.2012 nicht zu vereinbaren. Ein solches Verständnis verschließt sich dem erkennbar zum Ausdruck gebrachten Willen des Arbeitgebers. In dem der Versagung unmittelbar vorausgehenden Absatz 1 unter der Überschrift „zu 3.“ weist das beklagte Land zur Begründung der nachfolgenden Untersagung auf die Gefahr von Interessenkonflikten hin, wenn die Klägerin einerseits als rechtsgeschäftliche Vertreterin des Landgestüts über den Bezug von Gegenständen und Leistungen für das Landgestüt entscheidet und andererseits selbst diese Genstände oder Leistungen an Dritte, möglicherweise gegen Entgelt, vermittelt. Die Gefahr einer Interessenkollision ist erkennbar am größten, wenn die privaten Leistungen der Klägerin gegenüber Personen erfolgen, zu denen das Landgestüt aktuell in Geschäftsbeziehungen steht. Das beklagte Land sieht eine Gefahr der Interessenkollision ausweislich des Wortlauts darüber hinaus aber auch dann als gegeben, wenn die Geschäftsbeziehung zwar nicht mehr aktuell besteht aber nur kurze Zeit zurückliegt und zwar „drei vorangegangene Kalenderjahre“. Angesichts der ausdrücklich verlautbarten Zielsetzung einer Vermeidung von Interessenkollisionen umfasst das Nebentätigkeitsverbot alle Geschäftspartner des Landgestüts, zu denen ab 2009 Geschäftsbeziehungen bestanden und damit auch Geschäftspartner, zu denen das Landgestüt erst 2012 oder nachfolgend in Geschäftsbeziehungen getreten ist. Die Klägerin hat auch nicht schlüssig aufgezeigt, dass sie sich aufgrund von Rückäußerungen aus dem Ministerium für berechtigt halten durfte, als Gesellschafterin der ECI GbR auf eigene Rechnung Beratungsleitungen und sonstige entgeltliche Leistungen für den Geschäftspartner des Landes, die Reitschule Al Shaqab, zu erbringen. Unstreitig hat die Klägerin in ihrem Nebentätigkeitsantrag vom 15.06.2012 gegenüber dem beklagten Land nicht offengelegt, dass sie mit den weiteren Beschäftigten G. … und B. … eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gründen wollte, um mit dieser auf eigene Rechnung Leistungen für die Reitschule Al Shaqab zu erbringen. Die von der Klägerin behaupteten Äußerungen des Dr. E. in einem Gespräch im Juli 2012 – welche das beklagte Land unter Hinweis auf eine mit Herrn Dr. H. … geführte Rücksprache bestreitet – sind nicht geeignet, das Verhalten der Klägerin zu rechtfertigen. Unstreitig hat der Zeuge Dr. H. … die Nebentätigkeitsuntersagung vom 19.07.2017 weder formuliert noch unterzeichnet. Auch gehört der Zeuge Dr. H. … nicht der für Nebentätigkeitsgenehmigungen zuständigen Abteilung I des Ministeriums (Dienstaufsicht) an. Vor diesem Hintergrund durfte die Klägerin Ausführungen des Dr. H. … nicht als authentische Interpretation der Nebentätigkeitsuntersagung auffassen, zumal der Zeuge Dr. H. … nach Darstellung der Klägerin ausdrücklich von einer („vorsichtshalben“) Rückfrage bei der Abteilung I wegen eines zu dieser Abteilung bestehenden „angespannten Verhältnisses“ abgeraten hatte.
60dd) Ein wichtiger Grund, der die fristlose Kündigung vom 03.03.2017 rechtfertigt, liegt unabhängig davon auch deshalb vor, weil die Klägerin anlässlich ihrer beiden Teilnahmen an den Einladungsturnieren in Doha zu eigenen Gunsten und zugunsten ihres Ehemanns im Kontext der dienstlichen Geschäftsbeziehung zur Reitschule Al Shaqab / Katar Vergünstigungen im Gegenwert eines jeweils namhaften vierstelligen Eurobetrags in 2013 wie auch in 2014 entgegennahm (je Person und Jahr Hin- und Rückflug Business-Klasse nach/von Doha / kostenlose Hotelunterbringung für zwei Personen für die Dauer der beiden mehrtägigen Aufenthalte, 2013 im F Hotel in Doha, 2014 im Hotel G in Doha).
61Nach § 3 Abs. 3 TV-L, der kraft vertraglicher Bezugnahme für das Arbeitsverhältnis der Parteien gilt, dürfen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes von Dritten Belohnungen, Geschenke, Provisionen oder sonstige Vergünstigungen mit Bezug auf ihre Tätigkeit nicht annehmen (§ 3 Abs. 3 Satz 1 TV-L). Ausnahmen sind nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich (§ 3 Abs. 3 Satz 2 TV-L). Werden den Beschäftigten derartige Vergünstigungen angeboten, haben sie dies dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen (§ 3 Abs. 3 Satz 3 TV-L). Wer gegen diese Vorschriften verstößt, gibt seinem Arbeitgeber regelmäßig einen Grund zur fristlosen Kündigung (BAG 26.09.2002 – 2 AZR 424/01 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 Rn. 40 [zur Vorgängerregelung § 10 BAT]; BAG 17.03.2005 – 2 AZR 245/04 – AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 – Rn. 41 [zu § 10 BAT]; zu TV-L / TVöD: Breier u.a., TV-L Kommentar, § 3 TV-L Rn. 64 [8/2010] u. Bredemeier/Neffke-Weizenegger, TVöD/TV-L, 5. Aufl. 2017, § 34 TV-L Rn. 2 i.V.m vor § 34 TVöD Rn. 386; ErfK-Niemann, 19. Aufl. 2019, § 626 BGB Rn. 98 ff, speziell für ö. D. Rn. 98b [fristlose Kündigung bei größeren Beträgen bei einmaligem Verstoß]). Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben sich Vorteile versprechen lässt oder entgegennimmt, die dazu bestimmt oder auch nur geeignet sind, ihn in seinem geschäftlichen Verhalten zugunsten Dritter und zum Nachteil seines Arbeitgebers zu beeinflussen, und damit gegen das sog. Schmiergeldverbot verstößt, handelt den Interessen seines Arbeitgebers zuwider und gibt diesem damit regelmäßig einen Grund zur fristlosen Kündigung. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Es reicht vielmehr aus, dass der gewährte Vorteil allgemein die Gefahr begründet, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. In Fällen dieser Art liegt die eigentliche Ursache dafür, dass ein solches Verhalten die außerordentliche Kündigung rechtfertigt, nicht so sehr in der Verletzung vertraglicher Pflichten sondern in der damit zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, unbedenklich eigene Vorteile bei der Erfüllung von Aufgaben wahrnehmen zu wollen, obwohl er sie allein im Interesse des Arbeitgebers durchzuführen hat. Durch sein gezeigtes Verhalten zerstört er das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG 21.06.2001 – 2 AZR 30/00 – EzA § 626 BGB Unkündbarkeit Nr. 7 = EzBAT § 54 BAT Unkündbare Angestellte Nr. 12 Rn. 41 mwN; ErfK-Niemann, 19. Aufl. 2019, § 626 BGB Rn. 98, 98a mwN).
62Diesen Verpflichtungen hat die Klägerin durch die Entgegennahme der Leistungen für sich und ihren Ehemann (Flüge, Hotelunterbringung) in gravierender Weise zuwider gehandelt. Die Vergünstigungen erfolgten „mit Bezug auf ihre Tätigkeit“. Für die Annahme des Bezugs muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Vergünstigung und der dienstlichen Tätigkeit bestehen; es genügt ein allgemeiner Bezug zur Tätigkeit (z. B. als Bau- oder Beschaffungssachbearbeiter), ein Zusammenhang mit einer konkreten pflichtgemäßen oder pflichtwidrigen dienstlichen Handlung ist nicht erforderlich (Breier u.a., TV-L Kommentar, § 3 TV-L Rn. 61 [3/2007]; Bredemeier/Neffke-Gerretz, TVöD/TV-L, 5. Aufl. 2017, § 3 TV-L Rn. 5 i.V.m. § 3 TVöD Rn. 26). Der Bezug ist hier dadurch begründet, dass zwischen der Reitschule Al Shaqab und dem beklagten Land geschäftliche Beziehungen bestanden; die entsprechenden Verträge hatte die Klägerin als Leiterin des B für das beklagte Land verhandelt, abgeschlossen und anschließend durch entsprechende Leistungserbringungen umgesetzt. Die Klägerin hat zur Entgegennahme der Vergünstigungen weder eine Zustimmung des Landes eingeholt noch hat sie die angebotenen und erhaltenen Vergünstigungen dem zuständigen Ministerium (unverzüglich) angezeigt. Die Vorgänge sind im Ministerium erst aufgrund der anonymen Mitteilung vom 13.08.2014 „Betreff Vorteilsnahme im Amt am Nordrhein-Westfälischen B bekannt geworden. Auch diese Pflichtwidrigkeit erfüllt für sich betrachtet unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der widerstreitenden Interessen den Tatbestand des wichtigen Grundes für eine fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB.
63ee) Jeder der unter aa) bis dd) behandelten Gründe wiegt für sich betrachtet so schwer, dass er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist unzumutbar erscheinen lässt. Jeder der Vorwürfe berührt das Vertrauensverhältnis so schwerwiegend, dass das beklagte Land sich jeweils nicht auf eine Abmahnung als milderes Mittel verweisen lassen muss. Die Klägerin hat das Vertrauen des beklagten Landes in ihre Zuverlässigkeit und Redlichkeit durch jede der geschehenen Pflichtwidrigkeiten zerstört. Dabei ist von besonderem Gewicht, dass das beklagte Land wegen der exponierten Stellung der Klägerin als Leiterin des Landgestüts mit Budget- und Personalverantwortung in besonderer Weise auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Klägerin angewiesen ist. Gegen die Klägerin sprechen weiter die Heimlichkeit ihres Vorgehens und die Höhe des wirtschaftlichen Wertes der angenommenen Vergünstigungen. Wegen des gravierend vertragswidrigen Verhaltens der Klägerin stehen ihr Lebensalter, ihre soziale Situation, die beträchtliche Dauer des Bestandes des Arbeitsverhältnisses und die Verdienste, die sie sich in den vergangenen Jahren bei der Leitung des Landgestüts erworben hat, dem Interesse des beklagten Landes, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beenden zu können, jeweils nicht entgegen.
64…
65Die vorstehend unter aa), cc), dd) und ee) im Berufungsurteil des Kündigungsschutzprozesses ausgeführten Gründe haben, wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, das Vertrauen des verfügungsbeklagten Landes in die erforderliche Führungs- und Sozialkompetenz der Verfügungsklägerin und deren Verantwortungsbewusstsein dauerhaft zerstört, zumal die Verfügungsklägerin die Pflichtverstöße seinerzeit im Zusammenwirken mit exponierten ihr unterstellten Mitarbeitern des Landgestüts und im Verborgenen realisiert hatte. Dem seinerzeitig festgestellten Lebenssachverhalt begegnet die Klägerin nicht mit dem Einwand unzutreffender Tatsachenfeststellung. Der bloße Zeitablauf von 2017 bis 2021/2022 ist nicht geeignet, den Vertrauensverlust zu beseitigen oder im Sinne einer Wiederherstellung der persönlichen Eignung zu relativieren; Einsicht und ein bedauerndes Bereuen der Verfügungsklägerin ergeben sich aus dem Vorbringen der Verfügungsklägerin im vorliegenden Rechtsstreit nicht. Entgegen der Argumentation der Verfügungsklägerin ergibt sich ein anderes Ergebnis auch nicht aus dem mitgeteilten Fortgang des Strafverfahrens, der Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO durch das LG Münster nach Auflagenerfüllung durch die Verfügungsklägerin (Beschluss LG Münster vom 24.01.2020 - 4 Ns-44 Js 980/14-15/19 –-46 Ls 1/17 AG Warendorf - ). Dies gilt bereits deshalb, weil die Beurteilung, ob ein pflichtwidriges Verhalten eine fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigt, unabhängig von der strafrechtlichen und strafgerichtlichen Bewertung des beanstandeten Verhaltens zu erfolgen hat (BAG 02.03.2017 – 2 AZR 698/15 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung N. 55 Rn. 24, 25; BAG 12.08.1999 – 2 AZR 923/98 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 28 unter II. 2. b) cc); ErfK-Niemann, 22. Aufl. 2022, § 626 BGB Rn. 133a mwN). Gleiches gilt für die Eignungsbeurteilung innerhalb einer Bewerberauswahl nach Art. 33 Abs. 2 GG. Bereits aus diesem Grund ist der Abschluss des Strafverfahrens ohne strafgerichtliche Verurteilung durch eine Einstellung gemäß § 153a StPO für das Konkurrentenbegehren der Verfügungsklägerin nicht entscheidungserheblich. Unabhängig davon führt der Hinweis auf die Einstellung des Strafverfahrens durch den Beschluss nach § 153a StPO aber auch deshalb nicht zu einem für die Verfügungsklägerin günstigen Ergebnis, weil eine Einstellung nach § 153a StPO nicht besagt, dass der Beschuldigte eines Strafverfahrens keine Straftat begangen hat. Während die Einstellung eines Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgt, wenn kein hinreichender Tatverdacht besteht, ist Voraussetzung der Einstellung nach § 153a StPO, dass der Beschuldigte ihm erteilte Weisungen und Auflagen erfüllt hat und in Ansehung dessen das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigt ist und die Schwere der Schuld der Einstellung nicht entgegensteht. Angesichts dieser Voraussetzungen des Einstellungsbeschlusses gemäß § 153a StPO kann aus einem Beschluss nach § 153a StPO weder die Schuldlosigkeit des Beschuldigten des Strafverfahrens hergeleitet werden noch kann daraus geschlussfolgert werden, dass der Beschuldigte durch das Verhalten, das Gegenstand der Anklage war, arbeitsvertragliche Pflichten nicht verletzt hätte. Es verbleibt mit der Entscheidung des Arbeitsgerichts dabei, dass es nicht zu beanstanden ist, dass das verfügungsbeklagte Land die Verfügungsklägerin unter Annahme eines Eignungsmangels am 22.11.2021 aus dem weiteren Auswahlprozess ausgeschlossen hat. Die Vorgehensweise des verfügungsbeklagten Landes ist nicht rechtfehlerhaft. Da dem verfügungsbeklagten Land ein Auswahlfehler bei der Bewerberauswahl nicht anzulasten ist und eine Berücksichtigung der Verfügungsklägerin wegen ihrer fehlenden persönlichen Eignung bei einer Fortführung des Auswahlprozesses nicht möglich erscheint, fehlt dem Begehren auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz (auch) der erforderliche Verfügungsanspruch, die glaubhaft zu machende hinreichend gesicherte Rechtsposition für das verfolgte Begehren. Auch wegen Fehlens des Verfügungsanspruchs hat es bei der Zurückweisung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung zu verbleiben.
66C. Nach § 97 Abs. 1 ZPO hat die mit ihrem Rechtsmittel unterlegene Verfügungsklägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht war nicht zuzulassen. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist eine Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zulässig, § 72 Abs. 4 ArbGG. Dies hat die Kammer zur Klarstellung im Urteilstenor ausgewiesen.
67RECHTSMITTELBELEHRUNG
68Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
69Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.