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Differenziert eine Rückzahlungsklausel in einem Fortbildungsvertrag danach, dass der fortgebildete Arbeitnehmer im Falle der Eigenkündigung während der Bindungsfrist zur Rückzahlung nicht verpflichtet ist, wenn der Arbeitgeber dazu einen wichtigen Grund gegeben hat, ist damit regelmäßig ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB gemeint.
Entfällt die Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers bei pflichtwidrigem Verhalten des Arbeitgebers alleine dann, wenn die Pflichtwidrigkeit derart schwerwiegend ist, dass sie einen wichtigen Grund darstellt, ist dies eine unzulässige Verengung der Fälle, in denen sich der fortgebildeten Arbeitnehmer wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers als zur rückzahlungsfreien Eigenkündigung berechtigt ansehen darf. Eine solche Rückzahlungsklausel ist unangemessen benachteiligend und damit unwirksam i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 19.05.2021 – 3 Ca 2704/20 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die klagende Arbeitgeberin fordert von der beklagten Arbeitnehmerin Rückzahlung von Fort- und Ausbildungskosten.
3Die Klägerin, die ein IT-Beratungsunternehmen betreibt, vereinbarte mit der Beklagten am 28.03.2018 einen Arbeitsvertrag als Account Managerin zu einem Bruttomonatsverdienst von 3.000 €. Der Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde auf den 15.04.2020 festgelegt und setzte den erfolgreichen Abschluss einer vorangegangenen Traineeausbildung voraus. Über diese Ausbildung schlossen die Parteien – ebenfalls am 28.03.2018 – einen Traineevertrag. Zur Grundlage dieses Vertrages machte die Klägerin Klauseln, die sie üblicherweise beim Abschluss von Traineeverträgen verwendet und die nach beiderseitigem Verständnis der Parteien Allgemeine Geschäftsbedingungen sind.
4Der Traineevertrag sah eine monatliche Vergütung in Höhe von 2.800 € brutto vor. Er regelte u.a. Folgendes:
5„§ 1 Gegenstand der Ausbildung
6(1) Auf Wunsch des Trainees ermöglicht der Arbeitgeber diesem eine 24-monatige Vertriebsausbildung nach Maßgabe des diesem Vertrag als wesentlichem Bestandteil beigefügten Ausbildungsrahmenplans (Anlage 1) mit internen und externen Trainingsmaßnahmen, Ausbildungsstufen und Schulungen.
7(2) Ziel der Vertriebsausbildung ist die Fortbildung des Trainees zu einem qualifizierten IT-Verkäufer (Account Manager); durch die Vertriebsausbildung soll die berufliche Qualifikation des Trainees nachhaltig verbessert werden, um ihn nach deren Abschluss als selbstständig und eigenverantwortlich tätigen IT-Verkäufer (Account Manager) einsetzen zu können. Die Vertriebsausbildung ist keine Ausbildung i. S. des Berufsbildungsgesetzes.
8(3) Der Trainee wird in den ersten 12 Monaten von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Ab dem 13. Ausbildungsmonat wird er im Rahmen einer Betreuung durch einen Mentor vermehrt praxisnahe Kompetenzen erlernen.
9(4) Die Vertriebsausbildung liegt zum einen im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers, um die Einsatzfähigkeit des Trainees im Betrieb zu erhöhen und ihm im Anschluss an die Vertriebsausbildung einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit Mindestbedingungen, wie sie in Anlage 3 dieser Vereinbarung niedergelegt sind, anzubieten. Überwiegend entspricht die Teilnahme aber dem Interesse des Trainees, um seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten zu verbessern. Seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die Möglichkeit, sich selbständig zu machen, werden nach erfolgreichem Abschluss dieser Vertriebsausbildung deutlich verbessert.
10§ 2 Dauer der Ausbildung
11(1) Die Vertriebsausbildung beginnt am 15. April 2018 und ist auf zwei Jahre befristet, endet somit am 14. April 2020.
12(2) Der Traineevertrag kann beidseits unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 BGB gekündigt werden.
13(…)
14(5) Eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB bleibt hiervon unberührt.
15(…)
16§ 6 Leistungen des Arbeitgebers
17(1) Der Arbeitgeber gewährt dem Trainee in der Erwartung, dass er das Ziel der Vertriebsausbildung erfolgreich erreicht und nach Abschluss ein Arbeitsverhältnis begründet wird, folgende Leistungen:
18a) Freistellung von der Arbeit für die Zeit sämtlicher Ausbildungsstufen, externen sowie internen Lehrveranstaltungen und etwaigen Prüfungen unter Fortzahlung der Fortbildungsvergütung gem. § 4 in bisheriger Höhe einschließlich der Arbeitgeberanteile zu Sozialversicherung
19b) Übernahme der Ausbildungskosten gemäß der dieser Vereinbarung als Anlage 2 beigefügten Aufstellung, Änderungen in der Höhe der Ausbildungskosten werden dem Trainee umgehend mitgesteilt und werden dann Bestandteil dieses Vertrages.
20(…)
21§ 7 Rückzahlungsverpflichtung
22(1) Der Trainee hat dem Arbeitgeber dessen Leistungen nach §§ 4 und 5 Abs. (1) in tatsächlich entstandener Höhe mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und der Mehrwertsteuer zu erstatten, wenn er – ohne dass ihm der Arbeitgeber dazu einen wichtigen Grund gegeben hat – auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden
23a) die Vertriebsausbildung nicht antritt, vorzeitig abbricht bzw. kündigt oder
24b) einen nach Abschluss der Vertriebsausbildung, mithin nach 24 Monaten unterbreiteten unbefristeten Arbeitsvertrag gem. Anlage 3 zu den dort genannten Mindestkonditionen nicht annimmt.
25(2) Scheidet der Trainee auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden innerhalb von 36 Monaten nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss der Vertriebsausbildung ausgestellt wird, aus dem Arbeitsverhältnis gemäß Arbeitsvertrag nach Anlage 3 mit dem Arbeitgeber aus, ohne dass ihm der Arbeitgeber dazu einen wichtigen Grund gegeben hat, hat er diesem für jeden Kalendermonat, der an diesem Zeitraum fehlt, 1/36 der in §§ 4 und 5 Abs. (1) genannten Leistungen in tatsächlich entstandener Höhe, maximal jedoch bis zu dem in Anlage 2 genannten Betrag, mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und der Mehrwertsteuer zu erstatten.
26(…)“
27In einer dem Traineevertrag als Anlage 2 beigefügten Aufstellung listete die Klägerin die Ausbildungskosten auf. Als rückforderungsfähig bezeichnete sie dort alleine einen Betrag in Höhe von 33.600 €, der für die „Freistellung von der Arbeit für die Zeit sämtlicher Ausbildungsstufen innerhalb der ersten 12 Monate“ angefallen sei. Während des Traineeprogramms nahm die Beklagte an 11 Arbeitstagen an Seminaren, externen Schulungen und Trainings teil. Neben der Beklagten und weiteren Trainees gehörten auch Account-Manager der Klägerin zum Teilnehmerkreis. Die Beklagte beendete das Traineeprogramm nach den Bekundungen der Klägerin erfolgreich am 14.04.2020. Eine schriftliche Bestätigung über den Abschluss der Ausbildung stelle die Klägerin nicht aus.
28Die Beklaget kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.07.2020 zum 31.08.2020. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 05.08.2020 auf, an sie 33.600 € zu zahlen.
29Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, § 7 Traineevertrag enthalte eine rechtswirksame Rückforderungsklausel. Die Beklagte schulde ihr für die Freistellung von der Arbeit eine Rückzahlung der für 12 Monate gewährten Vergütung in Höhe von monatlich 2.800 €, insgesamt also 33.600 €. Die Traineeausbildung habe überwiegend dem Interesse der Beklagten entsprochen. Die Beklagte habe sich gem. § 1 Abs. 1 Arbeitsvertrag nach erfolgreichem Abschluss des Traineeprogramms am 14.04.2020 ab dem 15.04.2020 in einem Arbeitsverhältnis mit ihr befunden. Ihr stünde unter Berücksichtigung der Dauer des Arbeitsverhältnisses aus § 7 Traineevertrag ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 29.866,67 € zu. Der Kalendermonat, in dem die Beklagte das Traineeprogramm erfolgreich durchlaufen habe, sei der Monat April 2020 gewesen. Mit Ablauf des Monats April 2020 beginne nach § 7 Abs. 2 S. 1 Traineevertrag der 36-monatige Rückzahlungszeitraum. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2020 löse damit einen anteiligen Rückzahlungsanspruch von 32/36 der Rückforderungssumme aus, mithin 29.866,67 €.
30Der Beginn des Laufs der Bindungsfrist habe nicht in ihren – der Klägerin – Händen gelegen. Zwar habe sie keine Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss der Traineemaßnahme entsprechend § 7 Abs. 2 Traineevertrag ausgestellt. Doch sei eine solche Bestätigung darin zu sehen, dass die Beklagte in das Arbeitsverhältnis übernommen worden sei.
31Es sei in rechtlicher Hinsicht nicht erforderlich, in einer Rückforderungsklausel einen Rückforderungsanspruch auch dann auszuschließen, wenn der Arbeitnehmer aus personenbedingten Gründen nicht mehr in der Lage sei, seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen bis zum Ende der Bleibedauer nachzukommen und aus diesem Grunde das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung beende. Dies lasse sich dogmatisch nicht begründen und sei unausgewogen. Letztlich schließe § 7 Abs. 2 Traineevertrag aber auch in diesem Fall eine Rückzahlungsverpflichtung aus. Die dortige Formulierung bedeute zugleich, dass eine Rückzahlungspflicht entfalle, wenn der Arbeitnehmer für das vorzeitige Ausscheiden einen wichtigen Grund habe. Einen solchen wichtigen Grund habe ein Arbeitnehmer, sollte er nicht mehr in der Lage sein, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten dauerhaft nachzukommen. Das Kriterium eines wichtigen Grundes für eine Eigenkündigung sei in der Rechtsprechung – § 626 BGB – anerkannt.
32Für die Länge der Bindungsdauer sei hier auf die Dauer der Ausbildung abzustellen. Eine zweijährige Ausbildung rechtfertige eine dreijährige Bindung, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Ausbildung sehr kostenintensiv sei. Die Beklagte stelle fälschlich auf eine nur elftägige Freistellung ab. Zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte im ersten Jahr der Ausbildung in vollem Umfang freigestellt gewesen sei.
33Die Klägerin hat behauptet, durch die Ausbildung hätten sich die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten der Beklagten verbessert. Die Beklagte sei während der ersten 12 Monate ihrer Traineezeit freigestellt und vollumfänglich in die Traineeausbildung eingebunden gewesen. Die Beklagte habe Ausbildungsziele in Akquise, fachlich-inhaltlicher Kompetenz und Sales Methodik verfolgen müssen. Diese Themen habe sie täglich bearbeiten müssen, um sie zu erlernen. Vertriebsverantwortung sei der Beklagten während der Traineephase nicht übertragen worden. Vertriebsaufgaben habe sie im ersten Jahr der Traineeausbildung nicht und im zweiten Jahr lediglich unterstützend wahrgenommen. Sie habe der Beklagten Mentoren und Area Manager an die Seite gestellt, deren zeitlicher Aufwand sich auf 5 Wochenarbeitsstunden belaufen hätte. Dies löse für das erste Jahre der Ausbildung Kosten in einem Umfang von 10.800 € aus. Hinzu kämen weitere Kosten aus der Teilnahme an externen Schulungen, Seminaren und Trainings. Unter Berücksichtigung der gezahlten Vergütung und des Aufwands für das der Beklagten überlassene Dienstfahrzeug ergäben sich Ausbildungskosten in Höhe von etwa 120.000 €. Die Beklagte könne sich aufgrund des erfolgreich absolvierten Traineeprogramms und der zahlreichen Schulungen, an denen sie teilgenommen habe, am Markt als praktisch ausgebildete Vertrieblerin präsentieren.
34Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
35die Beklagte zu verurteilen, an sie 29.866,67 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2020 zu bezahlen.
36Die Beklagte hat beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Die Beklagte hat behauptet, sie sei in den ersten 12 Monaten des Traineeprogramms nicht von der Arbeit freigestellt worden. Von Anbeginn sei sie mit Vertriebsaufgaben als Account-Managerin betraut gewesen. Sie habe Neukundentermine wahrgenommen, Termine vor- und nachbereitet, Angebote und Informationsmaterialien erstellt. Von diesen Aufgaben sei sie nur dann freigestellt worden, wenn sie an externen Trainings- oder Schulungsmaßnahmen teilgenommen habe. Diese hätten – insoweit unstreitig – im ersten Jahr des Traineeverhältnisses lediglich an 11 Arbeitstagen stattgefunden. Die Teilnahme von Account-Managern an diesen Schulungen zeige, dass es sich nicht um eine spezifische Fortbildung für Trainees gehandelt habe. Vorteile für ihren beruflichen Lebensweg seien mit einer Teilnahme nicht verbunden gewesen. Im Wesentlichen habe es sich um unternehmensspezifische Schulungen, etwa Produktschulungen oder Schulungen zum Umgang mit betriebsinternen Programmen gehandelt.
39Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Rückzahlungsklausel in § 7 des Traineevertrags sei unwirksam. So seien bereits die Tatbestandsvoraussetzungen der Rückzahlungsklausel nicht erfüllt. Gegenstand der Rückforderung solle der Lohnfortzahlungsbetrag für die Freistellung von der Arbeitsleistung sein. Die Arbeitsleistung habe indes darin bestanden, traineevertragliche Pflichten zu erfüllen. Von diesen hätte sie also nach dem Wortlaut der Rückzahlungsklausel freigestellt werden müssen. Eine Freistellung von der Leistungspflicht aus einem Traineeprogramm zur Wahrnehmung verschiedener Ausbildungsmodule eben dieses Traineeprogramms sei in sich widersprüchlich. Außerdem beginne nach § 7 Abs. 2 Traineevertrag die Rückforderungsfrist zu laufen, sobald eine Bestätigung über die erfolgreich abgeschlossene Traineeausbildung ausgestellt sei. Daran fehle es – insoweit unstreitig. Diese Tatbestandsvoraussetzung lege im Übrigen Beginn und Ende der Rückforderungsdauer in die Hände der Klägerin, die darüber bestimmen könne, wann die Bescheinigung ausgestellt werde.
40Die Rückforderungsklausel in § 7 Traineevertrag benachteilige sie unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB. Die Klausel sehe vor, dass jede Beendigung „auf eigenen Wunsch“ die Rückforderung auslöse, sofern nicht die Klägerin als Arbeitgeberin ihr als Arbeitnehmerin dazu einen „wichtigen Grund“ geben würde. Damit verenge die Klägerin die Fälle rückzahlungsfreier Eigenkündigungen innerhalb der Bleibefrist unzulässig auf Situationen, in denen die Arbeitgeberin ein vertragswidriges Verhalten gezeigt habe, das eine außerordentliche Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB rechtfertige. Wenige schwerwiegende Pflichtverletzungen der klagenden Arbeitgeberin, die eine ordentliche Kündigung rechtfertigen könnten, würden nach wie vor Rückzahlungsverpflichtungen auslösen. Zur Rückzahlung bleibe sie auch dann verpflichtet, würde sie das Arbeitsverhältnis kündigen, weil sie aus personenbedingten Gründen nicht mehr in der Lage wäre, ihren Arbeitsverpflichtungen bis zum Ablauf der Bleibedauer nachzukommen.
41Die Rückzahlungsklausel binde sie unzulässig lang an das Arbeitsverhältnis. So habe die Traineeausbildung im Wesentlichen zum Ziel gehabt, einen innerbetrieblichen Arbeitsplatz der Klägerin überhaupt besetzen zu können. Ein geldwerter Vorteil habe sich für sie daraus nicht ergeben. Die Freistellung für 11 Tage rechtfertige keine Bindungsdauer über 36 Monate.
42Mit Urteil vom 19.05.2021 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, dazu im Wesentlichen auf die Entscheidungen des Berufungsgerichts vom 29.01.2021 – 1 Sa 954/20 und vom 18.05.2018 – 1 Sa 49/18 – verwiesen und ausgeführt, die in § 7 Abs. 2 Traineevertrag enthaltene Rückforderungsklausel sei unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB und damit unwirksam. Sie differenziere nicht ausreichend nach den Gründen für den Ausspruch einer arbeitnehmerseitigen Eigenkündigung. Insbesondere lasse sie eine Rückforderung auch dann zu, wenn der Arbeitnehmer eine berechtigte, von ihm nicht zu vertretende personenbedingte Eigenkündigung ausspreche. Der Klägerin sei nicht zu folgen, nehme sie an, die Klausel erfasse auch diesen Fall. Das Fehlen eines vom Arbeitgeber verursachten wichtigen Grundes besage noch nicht, dass auf der Seite des Arbeitnehmers ein wichtiger Grund für eine Eigenkündigung vorliege.
43Gegen das der Klägerin am 02.06.2021 zugestellte Urteil richtet sich deren am 09.06.2021 eingegangene Berufung, die sie am 30.07.2021 unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Ausführungen im Wesentlichen wie folgt begründet:
44Der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts sei nicht zu folgen. Die vom Arbeitsgericht herangezogenen Entscheidungen des Berufungsgerichts seien rechtsfehlerhaft. Der dort aufgestellte Grundsatz, eine Rückzahlungsklausel müsse auch danach differenzieren, ob der Arbeitnehmer aus berechtigten Gründen eine personenbedingte Eigenkündigung ausspreche, sei uferlos und lasse keinen Raum für berechtigte Interessen des Arbeitgebers. Zutreffend nehme das Arbeitsgericht an, dass der Fall einer Eigenkündigung aus personenbedingten Gründen nicht von der Klausel in § 7 Traineevertrag umfasst sei. Dennoch hätten derartige Gründe sie – die Klägerin – möglicherweise dazu veranlasst, im Fall einer unverschuldeten langandauernden Erkrankung insgesamt von einer Rückzahlungsverpflichtung abzusehen. Sofern sie in § 7 Abs. 2 Traineevertrag einen Rückzahlungsanspruch ausgeschlossen habe, falls sie einen „wichtigen Grund“ gesetzt habe, meine sie damit das in § 628 BGB vertragswidrige Verhalten.
45Die Klägerin beantragt,
46das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 19.05.2021 – 3 Ca 2704/20 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 29.866,67 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2020 zu zahlen.
47Die Beklagte beantragt,
48die Berufung zurückzuweisen.
49Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Jenseits der arbeitsgerichtlich unter Verweis auf die Rechtsprechung des Berufungsgerichts angesprochenen Unwirksamkeit der Klausel sei die Klausel in § 7 Abs. 2 Traineevertrag auch deshalb unangemessen benachteiligend, weil die Klägerin nur den Fall einer Eigenkündigung aus einem von der Arbeitgeberin zu verantwortenden wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 2 BGB von der Rückzahlungsverpflichtung ausgenommen habe. In der Situation einer ordentlichen Eigenkündigung, die durch pflichtwidriges Verhalten des Arbeitgebers ausgelöst worden sei, bleibe sie zur Rückzahlung verpflichtet.
50Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die zu Protokoll abgegebenen Erklärungen Bezug genommen, ebenso wie auf den nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz der Klägerin vom 12.11.2021. Die Berufungskammer hat am 17.01.2022 über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beraten.
51Entscheidungsgründe:
52I. Die Berufung der Klägerin ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG. Sie wurde nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG am 09.06.2021 gegen das am 02.06.2021 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt sowie innerhalb der Frist des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Abs. 3, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG am 30.07.2021 begründet. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.
53II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Zahlung von 29.866,67 € beanspruchen. Insbesondere kann sie ihre Forderung nicht auf § 7 Abs. 2 Traineevertrag stützen. Diese Klausel, die nach übereinstimmender Erklärung beider Parteien eine allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB ist, benachteiligt die Beklagte unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB und ist damit unwirksam.
541. § 7 Abs. 2 Traineevertag verpflichtet die beklagte Arbeitnehmerin zur Rückzahlung von Leistungen, wenn sie innerhalb eines dort näher definierten Zeitraums nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss der Vertriebsausbildung ausgestellt wird, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ohne dass ihr die hier klagende Arbeitgeberin dazu einen „wichtigen Grund“ gegeben hat.
55a) Nach dem Wortlaut der Regelung setzt der Rückforderungstatbestand mit Blick auf den Bindungszeitraum von 36 Monaten u.a. voraus, dass die Klägerin eine „Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss der Vertriebsausbildung“ ausstellt. Eine solche „Bestätigung“ hat die Klägerin der Beklagten – unstreitig – nicht erteilt. Der Erteilung einer solchen Bescheinigung ist allerdings auch keine konstitutive Voraussetzung für den Rückzahlungsanspruch.
56Einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB hat stets eine Auslegung vorauszugehen, deren Ziel es ist, den Klauselinhalt bei Beachtung der subsidiären Entscheidungsvorgabe der Unklarheitenregel des § 305c BGB zu ermitteln (Schlewing in: Clemenz/Kreft/Krause, AGB-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 309 BGB Rn. 6f). Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierenden Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut selbst (BAG 14.09.2011 - 10 AZR 526/10; LAG Hamm 11.10.2019 - 1 Sa 503/19). Eine Auslegung der Regelung über die „Ausstellung einer Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss der Vertriebsausbildung“ hat unter Berücksichtigung der in § 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 28.03.2018 enthaltenen Regelung zu erfolgen. Dort wurde von den Vertragsparteien aufgenommen, dass das Arbeitsverhältnis am 15.04.2020 „nach erfolgreichem Abschluss der vorangegangenen Traineeausbildung gem. Traineevertrag vom 28.03.2018“ beginnt. Der Beginn des Arbeitsverhältnisses setzte demgemäß den erfolgreichen Abschluss der Traineeausbildung voraus. Die Arbeitsvertragsparteien haben damit den Beginn des Arbeitsverhältnisses von einem zukünftigen, objektiv ungewissen Ereignis und somit regelungstechnisch von einer Bedingung im Sinne des § 158 BGB abhängig gemacht. Dies macht deutlich, dass die tatsächliche Arbeitsaufnahme am 15.04.2020 für den Lauf der Bindungsdauer ausschlaggebend ist. Der Ausstellung einer Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss der Traineeausbildung mag für den weiteren beruflichen Fortgang der Beklagten von Bedeutung sein. Für den Beginn des Laufs der Rückzahlungsfrist kommt ihr lediglich deklaratorische Wirkung zu.
57b) Die Klägerin verlangt auch „Leistungen“ im Sinne des § 7 Abs. 2 Traineevertrag zurück. § 7 Abs. 2 Traineevertrag sieht eine Rückzahlungsverpflichtung u.a. für die in § 4 Traineevertrag genannten Leistungen vor. Dabei handelt es sich um die monatliche „Fortbildungsvergütung“, die in den ersten 12 Monaten 2.800 € monatlich betrug. Zugleich begrenzte die Klägerin die rückforderungsfähigen Kosten auf den in Anlage 2 genannten Betrag. In dieser Anlage bezeichnete die Klägerin als rückforderungsfähig alleine einen Betrag in Höhe von 33.600 €, der für die „Freistellung von der Arbeit für die Zeit sämtlicher Ausbildungsstufen innerhalb der ersten 12 Monate“ angefallen war. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die synallagmatische Verpflichtung des Traineevertrags darin besteht, an der Vertriebsausbildung teilzunehmen und dafür eine Vergütung zu erhalten. Die Formulierung, es könnten die Kosten der „Freistellung von der Arbeit für die Zeit sämtlicher Ausbildungsstufen“ zurückgefordert werden, mutet in diesem Zusammenhang widersprüchlich und damit unklar im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB an, soll die Beklagte doch gerade den synallagmatischen Ausbildungsverpflichtungen nachkommen und nicht etwa von diesen freigestellt werden.
58Doch hat die Klägerin nicht nur in Anlage 2 von einer „Freistellung von der Arbeit“ gesprochen. Auch in § 1 Abs. 3 Traineevertrag hat sie aufgenommen, der Trainee werde in den ersten 12 Monaten von der „Verpflichtung zur Arbeitsleistung“ freigestellt. Bei genauerer Betrachtung wird der Wille der Vertragsparteien damit unter Berücksichtigung des Wortlauts der Vereinbarung deutlich. Die Klägerin will mit ihrer Rückforderungsklausel eine Rückzahlung der während der ersten 12 Monate gewährten und von ihr in § 4 Traineevertrag so bezeichneten Fortbildungsvergütung erreichen. Die Formulierung, dies seien die Kosten für die „Freistellung von der Arbeit“, soll unter Betonung des Grundes für die Rückzahlungsverpflichtung lediglich verdeutlichen, dass von der Beklagten keine Arbeitsleistung im eigentlichen Sinn während dieser Zeit erwartet werde, sondern es alleine um die Vermittlung von Ausbildungsinhalten gehe.
592. Letztlich mag es aber auch offen blieben, ob der Klausel in § 7 Abs. 2 Traineevertrag und den dortigen Tatbestandsmerkmalen ein Auslegungsergebnis im vorstehenden Sinne gegeben werden kann. Denn die Klausel benachteiligt die Beklagte aus anderen Gründen unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und ist damit unwirksam.
60a) Die Rückzahlungsklausel in § 7 Abs. 2 Traineevertrag unterliegt einer Angemessenheits- und Transparenzkontrolle i.S.d. §§ 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB. Eine Angemessenheits- und Transparenzkontrolle findet nach § 308 Abs. 3 S. 1 BGB nur bei solchen Allgemeinen Geschäftsbedingungen statt, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu zählen alle Gesetze im materiellen Sinne, ebenso wie richterrechtlich entwickelte Rechtsgrundsätze (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 307 Rn. 51) und auch solche Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 18.03.2014 - 9 AZR 545/12; 13.12.2011 - 3 AZR 791/09; LAG Hamm 29.01.2021 - 1 Sa 954/20). Eine solche Ausgestaltung des Hauptleistungsversprechens legt § 7 Abs. 2 Traineevertrag fest. Dort wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Rückzahlung der Fortbildungskosten in Betracht kommt, zu deren Zahlung die Klägerin sich synallagmatisch verpflichtet hatte.
61Ferner wird durch den ausgelösten Bleibedruck eine von der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1, 2 GG und damit eine von Rechtsvorschriften abweichende Bestimmung getroffen (vgl. BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 18.11.2008 - 3 AZR 192/07; 23.01.2007 - 9 AZR 482/06; 11.04.2006 - 9 AZR 610/05; LAG Hamm 29.01.2021 - 1 Sa 954/20; 18.05.2018 - 1 Sa. 49/18; 10.09.2010 – 7 Sa 633/10).
62b) § 7 Abs. 2 Traineevertrag benachteiligt die Beklagte gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Die Klausel ist daher unwirksam und entfällt ersatzlos. Sie ist auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung mit einem zulässigen Inhalt aufrechtzuerhalten.
63aa) Nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung müssen sich Rückzahlungsklauseln, die als allgemeine Geschäftsbedingungen formuliert sind, nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB daran messen lassen, ob sie den Arbeitnehmer als Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligen. Dabei sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB angemessen zu berücksichtigen (vgl. nur BAG 18.03.2014 - 9 AZR 545/12; 21.08.2012 - 3 AZR 698/10; 18.11.2008 - 3 AZR 192/07; 23.01.2007 - 9 AZR 482/06; 11.04.2001 - 9 AZR 610/05; LAG Hamm, 29.01.2021 - 1 Sa 954/20; 18.05.2018 - 1 Sa. 49/18; 09.03.2012 - 7 Sa 1500/11; 14.01.2011 - 7 Sa 1386/10; 10.09.2010 - 7 Sa 633/10; LAG Nürnberg 26.03.2021 - 8 Sa 412/20; Schrade, Festschrift Ingrid Schmidt, 2021, S. 895, 897; Hoffmann, NZA-RR 2015, 337, 338; Meier/Mosig, NZA 2008, 1168, 1169; Düwell/Ebeling, DB 2008, 406; Schmidt, NZA 2004, 1002).
64Vorformulierte Rückforderungsklauseln sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dann unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu beachten und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren (BAG 18.03.2008 - 9 AZR 186/07; LAG Hamm 21.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 - 1 Sa. 49/18). Um festzustellen, ob eine unangemessene Benachteiligung gegeben ist, sind die rechtlich anzuerkennenden Interessen der Vertragspartner wechselseitig zu berücksichtigen und zu bewerten. Dabei ist ein genereller und typisierender Maßstab anzulegen, der vom Einzelfall losgelöst ist. Unter Berücksichtigung der beteiligten Verkehrskreise sind Art, Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des Geschäfts zu berücksichtigen (BAG 27.7.2010 - 3 AZR 777/08; 18.03.2008 - 9 AZR 186/07; 11.04.2006 - 9 AZR 610/05; LAG Hamm 29.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 - 1 Sa. 49/18).
65Zwar sind einzelvertragliche Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer zu einer Beteiligung an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung für den Fall verpflichten, dass er aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, grundsätzlich zulässig (BAG 18.03.2008 - 9 AZR 186/07; 11.04.2006 - 9 AZR 610/05; 24.06.2004 - 6 AZR 383/03; LAG Hamm 29.01.2021 - 1 Sa 954/20; 18.05.2018 - 1 Sa. 49/18; 09.03.2012 - 7 Sa 1500/11; 14.01.2011 - 7 Sa 1386/10; LAG Nürnberg 26.03.2021 – 8 Sa 412/20). Unwirksam sind sie dann, wenn die grundgesetzlich über Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG garantierte arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers unzulässig eingeschränkt wird. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn die Rückzahlungsverpflichtung bei verständiger Betrachtung einerseits einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entspricht und andererseits der Arbeitnehmer mit der Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhält. Dabei sind die für den Arbeitnehmer zumutbaren Bindungen anhand einer unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfolgenden Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln (BAG 11.04.2006 - 9 AZR 610/05; 19.02.2004 – 6 AZR 552/02; 05.12.2002 - 6 AZR 539/01; LAG Hamm 29.01.2021 - 1 Sa 954/20; 18.05.2018 - 1 Sa. 49/18; 09.03.2012 - 7 Sa 1500/11; 14.01.2011 - 7 Sa 1386/10).
66Auf Seiten des Arbeitgebers ist zunächst das Interesse beachtenswert, eine vom Arbeitnehmer erworbene und von ihm – dem Arbeitgeber – finanzierte Qualifikation grundsätzlich für seinen Betrieb nutzen zu können (Erf-Kom.-Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 438). Dies lässt es berechtigt erscheinen, einen auf Kosten des Arbeitgebers fortgebildeten Arbeitnehmer im Falle eines Ausscheidens aus dem Betrieb an den Kosten zu beteiligen (BAG 11.04.2006 - 9 AZR 610/05; 19.02.2004 - 6 AZR 552/02). Dem steht das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber, seinen Arbeitsplatz frei wählen zu können, ohne mit der Last einer Kostenerstattung konfrontiert zu sein. Im Vordergrund des Abwägungsprozesses befindet sich der Umstand, ob der Arbeitnehmer mit der Ausbildung einen geldwerten Vorteil erlangt, der über die sonstigen wechselseitigen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen hinausgeht (vgl. nur BAG 11.04.2006 - 9 AZR 610/05; 19.02.2004 – 6 AZR 552/02; 16.03.1994 - 5 AZR 339/92; LAG Hamm 21.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 – 1 Sa 49/18; 09.03.2012 - 7 Sa 1500/11; 14.01.2011 - 7 Sa 1386/10).
67bb) Es mag offen bleiben, ob der Beklagten mit der Traineeausbildung ein geldwerter Vorteil zukommt, der eine Bindungsdauer rechtfertigt, die drei Jahre überschreitet. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Bindungszeitraum nicht nur 36 Monate bzw. 3 Jahre beträgt. So beginnt der Bindungszeitraum nach § 7 Abs. 2 Traineevertrag erst mit Ablauf des Monats, in dem die Bestätigung über das Bestehen der Ausbildung erstellt wird, mindestens aber mit Ablauf des Monats, in dem das Arbeitsverhältnis zur Beklagten tatsächlich aufgenommen wird. Aufgenommen wurde das Arbeitsverhältnis am 15.04.2020. Der mit Ablauf des Monats April 2020 beginnenden 36 monatige Rückzahlungszeitraum überschreitet damit den Dreijahreszeitraum um einen halben Monat.
68Ob die Beklagte tatsächlich durch die Traineeausbildung eine Erweiterung ihres Betätigungs- und Aufgabenkreises dergestalt erhalten hat, dass sich ihre Arbeitsmarktchancen deutlich verbessert haben, wie es die Klägerin unter streitigem Vortrag von Tatsachen annimmt, oder ob es ganz überwiegend um eine Vermittlung von internen und für die Tätigkeit bei der Klägerin nötigen Kenntnisse ging, wie es die Beklagte behauptet, mag ebenfalls dahinstehen. Offen bleiben kann es auch, ob die mehr als dreijährige Bindungsdauer unter Berücksichtigung von Fortbildungsdauer und Beschaffenheit der erworbenen Qualifikation angemessen ist.
69Denn die Beklagte wendet zutreffend ein, dass § 7 Abs. 2 Traineevertrag unter Berücksichtigung des generellen und typisierenden Maßstabs, der im Rahmen der Angemessenheitskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen anzulegen ist (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; LAG Hamm 29.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 – 1 Sa 49/18), nicht ausreichend nach dem Grund für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses differenziert.
70(1) So ist höchstrichterlich entschieden, dass es nicht zulässig ist, eine Rückzahlungspflicht einschränkungslos an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Es bedarf vielmehr einer nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenzierten Betrachtung (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 28.05.2013 – 3 AZR 103/12; 11.04.2006 - 9 AZR 610). Dabei lässt sich die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung davon leiten, dass eine Rückzahlungsklausel nur dann ausgewogen ist, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand hat, der Rückzahlungsverpflichtung durch eigene Betriebstreue zu entgehen. Damit wird der Risikoverteilung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber entsprochen. So ist es der Arbeitgeber, der Verluste aufgrund von Investitionen trägt, die nachträglich wertlos werden. Müsste der Arbeitnehmer die in seine Aus- und Weiterbildung investierten Betriebsausgaben auch dann zurückzahlen, wenn die Ursachen einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses alleine dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers entstammen, hätte es der Arbeitgeber entgegen der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung in der Hand, den Arbeitnehmer mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition zu belasten. Eine Klausel, die auch für einen solchen Fall eine Rückzahlungspflicht vorsieht, würde ausschließlich die Interessen des Arbeitgebers berücksichtigen. Sie würde den Arbeitnehmer mangels ausreichender Beachtung der wechselseitigen Interessen unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB benachteiligen (vgl. BAG 18.03.2014 – 9 AZR 545/12; 28.05.2013 – 3 AZR 103/12; 13.12.2011 - 3 AZR 791/09; 24.06.2004 - 6 AZR 383/03; LAG Hamm 21.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 – 1 Sa 49/18; Hessisches LAG 20.10.2010 – 19 Sa 329/10).
71(2) Die hier vorliegende Klausel nimmt zwar eine Differenzierung vor. So regelt § 7 Abs. 2 Traineevertrag, dass die beklagte Arbeitnehmerin zur Rückzahlung verpflichtet bleibt, wenn sie auf eigenen Wunsch oder aus ihrem Verschulden aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ohne dass ihr die klagende Arbeitgeberin dazu einen wichtigen Grund gegeben hat. Doch ist die vorgenommene Differenzierung unzureichend.
72(a) Die beklagte Arbeitnehmerin ist nach dem Klauselinhalt nur dann nicht zur Rückzahlung verpflichtet, wenn die Klägerin ihr einen wichtigen Grund für die Eigenkündigung gegeben hat. Der Begriff „wichtiger Grund“ ist ein Rechtsbegriff, der in § 626 BGB Verwendung findet. Er regelt die Situation vertragswidrigen Verhaltens, das eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile angesichts der Schwere der Pflichtverletzung nicht mehr zumutbar macht. Das Berufungsgericht geht unter Berücksichtigung allgemeiner Auslegungsgrundsätze gem. §§ 157, 133 BGB davon aus, dass die Parteien eben diesen Rechtsbegriff ihrem Verständnis des „wichtigen Grundes“ im Sinne des § 7 Abs. 2 Traineevertrag zugrunde gelegt haben. Denn im Rahmen der Wortauslegung ist bei Verwendung eines Fachbegriffs, dem allgemein eine bestimmte Bedeutung beigemessen wird, grundsätzlich anzunehmen, dass dieser Begriff in seinem üblichen Sinne Verwendung finden soll (vgl. BAG Urt. v. 26.04.2017 - 10 AZR 589/15; 02.11.2016 - 10 AZR 615/15; LAG Hamm Urt. v. 17.07.2020 - 1 Sa 211/20). Dafür spricht ferner, dass die Parteien an anderer Stelle, nämlich in § 2 Abs. 5 Traineevertrag, den Rechtsbegriff des „wichtigen Grundes“ in eben diesem Sinne verwandt haben. Dieses Auslegungsergebnis entsprach im Übrigen auch der erstinstanzlichen Auffassung der Klägerin, die die Verwendung des Begriffs „wichtiger Grund“ in § 7 Abs. 2 Traineevertrag in einen Kontext zu § 626 Abs. 2 BGB stellte. Der Klägerin ist demgemäß nicht zu folgen, nimmt sie nun zweitinstanzlich den Standpunkt ein, gemeint sei ein „vertragswidriges Verhalten“ im Sinne des § 628 BGB. Dieses Begriffspaar haben die Vertragsparteien nun gerade nicht in die Klausel des § 7 Abs. 2 Traineevertrag aufgenommen.
73(b) Mit diesem Auslegungsergebnis bleibt die Klausel in § 7 Abs. 2 Traineevertag Anspruchsgrundlage im Sinne des § 241 Abs. 1 S. 1 BGB für Rückzahlungstatbestände, die der Sphäre der klagenden Arbeitgeberin zuzuordnen sind. Denn die beklagte Arbeitnehmerin bleibt zur Rückzahlung verpflichtet, wenn sie das Arbeitsverhältnis aus von der klagenden Arbeitgeberin veranlassten Gründen kündigt, die nicht derartig schwerwiegend sind, dass sie eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würden, weil ein Abwägen der wechselseitigen Interessen ein Abwarten bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar macht.
74Die beklagte Arbeitnehmerin müsste damit Aus- und Fortbildungskosten auch dann tragen, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind. Eine Vertragsklausel, die auch für einen solchen Fall eine Rückzahlungspflicht vorsieht, berücksichtigt nicht die wechselseitig anzuerkennenden Interessen beider Vertragspartner, sondern einseitig diejenigen des Arbeitgebers. Damit benachteiligt eine solche Klausel den Arbeitnehmer unangemessen (vgl. BAG 13.12.2011 - 3 AZR 791/09; 24.06.2004 - 6 AZR 383/03).
75Das Bundesarbeitsgericht nimmt überzeugend an, dass eine Rückzahlungsklausel unwirksam ist, die den Arbeitnehmer „im Falle einer selbst ausgesprochenen Kündigung auch dann mit den Ausbildungskosten belastet, wenn er sich wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers als zur Eigenkündigung berechtigt ansehen darf“ (BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 Rn. 27) oder aber dazu „vom Arbeitgeber veranlasst wurde“ (BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 Rn. 20). § 7 Abs. 2 Traineevertrag verpflichtet die beklagte Arbeitnehmerin nach dem Wortlaut der Klausel auch dann zur Rückzahlung, wenn die klagende Arbeitgeberin dafür einen Grund gesetzt hat, der niederschwelliger ist als ein solcher, der eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 2 BGB rechtfertigt. Doch kann auch in einer solchen Situation ein Fehlverhalten des Arbeitgebers vorliegen, bei dem sich der Arbeitnehmer im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als „zur Eigenkündigung berechtigt“ ansehen darf. Die Kündigung wäre „vom Arbeitgeber veranlasst“. Die von der Klägerin verwandte Rückforderungsklausel verengt die Berechtigung zur rückforderungsfreien Eigenkündigung damit unzulässig auf die Situation einer fristlosen Kündigung. Mit dieser Verengung ist die Klausel unangemessen benachteiligend und damit unwirksam i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
76(3) Darüber hinaus ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass die Regelung in § 7 Abs. 2 Traineevertrag auch insoweit nicht ausreichend differenziert, als der Arbeitnehmer zur Rückzahlung auch dann verpflichtet bleibt, wenn das Arbeitsverhältnis durch eine arbeitnehmerseitige Kündigung aus einem Grund beendet wird, dessen Ursache in der Person des Arbeitnehmers zu suchen ist. Für die Situation dauerhafter Unfähigkeit der beklagten Arbeitnehmerin, ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, deren Gründe sie nicht zu vertreten hätte, bliebe der klagenden Arbeitgeberin eine Anspruchsgrundlage erhalten.
77(a) Eine solche Kündigung würde auf „Wunsch“ der Beklagten erfolgen, ohne dass die Klägerin dafür einen wichtigen Grund gegeben hätte. Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, § 7 Abs. 2 Traineevertrag schließe auch in diesem Fall eine Rückzahlungsverpflichtung aus. Dieses Subsumtionsergebnis vermochte das Berufungsgericht ebenso wenig zu überzeugen wie das Arbeitsgericht. Zweitinstanzlich hält die Klägerin daran nicht mehr fest und führt aus, dass der Fall einer Eigenkündigung aus personenbedingten Gründen eine Rückforderung möglich mache, sie sich aber möglicherweise veranlasst gesehen hätte, im Fall einer unverschuldeten langandauernden Erkrankung insgesamt von einer Rückzahlungsverpflichtung abzusehen. Die Klägerin stellt damit selbst die Anspruchsqualität der Rückforderungsklausel i.S.d. § 241 Abs. 1 S. 1 BGB für diesen Fall heraus.
78(b) Das Berufungsgericht hat bereits entschieden, dass eine Klausel, die die Rückzahlungsverpflichtung von Fortbildungskosten auch für den Fall einer berechtigten personenbedingten Eigenkündigung des Arbeitnehmers entstehen lässt, nicht ausreichend nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert (LAG Hamm 29.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 – 1 Sa 49/18; nun auch LAG Nürnberg 26.03.2021 – 8 Sa 412/20; zustimmend Lapp/Salamon in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 310 BGB (Stand: 16.09.2020), Rn. 139; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, BGB § 611a Rn. 445; Schrade, Festschrift Ingrid Schmidt, 2021, S. 895, 899 f; für zu weitgehend haltend Staudinger/Krause, 2019, Anh zu §§ 305-310 Rn K 1, Rn. K 212; wohl auch Schönhöft, Anm. zu LAG Hamm 18.05.2018 - 1 Sa 49/18, NZA-RR 2018, 409, 410). Sie benachteiligt den beklagten Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und ist damit unwirksam. Das Berufungsgericht kann kein Interesse der klagenden Arbeitgeberin erkennen, das es gerechtfertigt erscheinen lassen könnte, einen Arbeitnehmer auch für den Fall, dass er aus berechtigten personenbedingten Gründen – etwa bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit - nicht mehr in der Lage ist, der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit bis zum Ablauf der Rückforderungsfrist nachzukommen, durch den mit der Rückforderungsklausel verbundenen Bleibedruck zu zwingen, am Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Bindungsdauer festzuhalten.
79Die in den Entscheidungen des Berufungsgerichts vom 29.01.2021 (1 Sa 954/20) und 18.05.2018 (1 Sa 49/18) ausgeführten Gründe treffen nach wie vor zu: Der Arbeitgeber finanziert dem Arbeitnehmer eine Aus- oder Weiterbildung in dem Interesse, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für seinen Betrieb nutzen zu können (vgl. bereits BAG 19.02.2004 - 6 AZR 552/02). Dieses Interesse des Arbeitgebers berechtigt ihn, dem Grunde nach einen Ausgleich für seine finanziellen Aufwendungen zu suchen und einen vorzeitig sich abkehrenden Arbeitnehmer mit den Fortbildungskosten ganz oder anteilig zu belasten (BAG 19.02.2004 - 6 AZR 552/02; 11.04.2006 - 9 AZR 610/05). Nur ein solches Ereignis kann eine Erstattungspflicht des Arbeitnehmers auslösen, das in die Verantwortungs- und Risikosphäre des Arbeitnehmers fällt und den berechtigten Interessen des Arbeitgebers zuwiderläuft. Der Arbeitnehmer muss die vorzeitige Lösung des Arbeitsverhältnisses beeinflussen können und es damit in der Hand haben, der Erstattungspflicht durch eigene Betriebstreue zu entgehen (BAG 18.03.2014 - 9 AZR 545/12; 19.02.2004 - 6 AZR 552/02; BGH 17.09.2009 - III ZR 207/08; ErfKom-Preis, 21. Aufl. 2021, § 611a BGB Rn. 445).
80Der Arbeitgeber wird demgemäß in einer Rückzahlungsklausel nicht nur danach differenzieren müssen, dass eine arbeitgeberseitige personenbedingte Kündigung rückforderungsfrei bleibt (vgl. dazu Hoffmann, NZA-RR 2015, 337, 340; Schrade, Festschrift Ingrid Schmidt, 2021, S. 895, 900; Schmidt, NZA 2004, 1002, 1005, jeweils unter Hinweis auf die insoweit noch fehlende höchstrichterliche Rechtsprechung). Er muss auch differenzierend aufnehmen, dass im Falle einer berechtigten und nicht vom Arbeitnehmer zu vertretenden personenbedingten Eigenkündigung keine Rückzahlungspflicht besteht (so auch LAG Nürnberg v 26.03.2021 – 8 Sa 412/20; ArbG Ulm 08.05.2017 – 4 Ca 486/16). Ist der Arbeitnehmer aus nicht zu vertretenden personenbedingten Gründen bis zum Ablauf der Bleibefrist nicht mehr in der Lage, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, hat er es auch nicht mehr in der Hand, den berechtigten Erwartungen des Arbeitgebers zu entsprechen, die in die Fortbildung getätigten Investitionen nutzen zu können. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer trotzdem an das Arbeitsverhältnis zu binden, lässt sich jedenfalls nicht an seinem Interesse an einer möglichst langfristigen Nutzung der einmal getätigten Investition festmachen. Eine Rückzahlungsklausel in einer Fortbildungsvereinbarung muss, um nicht unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB zu sein, deshalb u.a. vorsehen, dass eine Rückzahlungsverpflichtung auch dann entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis aus unverschuldeten personenbedingten Gründen, die bis zum Ablauf der Bleibedauer anhalten, vom Arbeitnehmer durch Ausspruch einer Kündigung oder aufgrund einer entsprechenden Auflösungsvereinbarung beendet wird.
81Bei einer Risikobetrachtung stellt sich die Ausbildungsinvestition für den Arbeitgeber, die es trotz der grundgesetzlichen Wertentscheidung in Art. 12 GG rechtfertigt, einen Bleibedruck herzustellen, als verloren dar. Der Arbeitgeber kann sie bis zum Ablauf der Bleibefrist nicht mehr verwerten, weil der Arbeitnehmer die arbeitsvertragliche Leistung, für die er durch die Fort- und Ausbildung qualifiziert wurde, nicht mehr erbringen kann. Das Risiko, dass der Arbeitnehmer aus verschuldensunabhängigen, personenbedingten Gründen das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Bleibefrist nicht fortsetzen kann und deshalb die Ausbildungsinvestition verloren ist, ist alleine der arbeitgeberseitigen Sphäre zuzuweisen.
82In der auf das Urteil des Berufungsgerichts vom 18.05.2018 (1 Sa 49/18) hin ergangenen Revisionsentscheidung (11.12.2018 – 9 AZR 383/18) hat das Bundesarbeitsgericht betont, dass es jedenfalls bei einer arbeitsvertraglich vorgesehenen Suspendierung des Arbeitsverhältnisses infolge personenbedingter Gründe – dort der fehlenden Flugtauglichkeit des fortgebildeten und zur Rückzahlung verpflichteten Piloten – nicht gerechtfertigt sei, den Arbeitnehmer durch die bei einer Eigenkündigung ausgelösten Erstattungspflicht ohne Gegenleistung an das Arbeitsverhältnis zu binden. Dem Arbeitgeber wäre es bis zum Ablauf der Bindungsdauer nicht möglich, die dem Arbeitnehmer durch die Fortbildungsmaßnahme vermittelte Qualifikation zu nutzen, um die aufgewendeten Fortbildungskosten anteilig auszugleichen.
83Auch bei fehlender arbeitsvertraglich vorgesehener Suspendierung der wechselseitigen Verpflichtungen im Falle personenbedingter Gründe ist die Interessenlage für den betroffenen Arbeitnehmer, der bis zum Ablauf der Bleibedauer aus nicht zu vertretenden personenbedingten Gründen nicht mehr in der Lage ist, seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, dieselbe. Nach Ablauf der Entgeltfortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers und Auslaufen etwaiger Zahlungszeiträume von Lohnersatzleistungen bliebe er weiterhin an das für ihn sinnentleerte Arbeitsverhältnis gebunden, sofern er eine Rückzahlungsverpflichtung abwenden will, die ihn in einer solchen existentiell sicher schwierigen Situation besonders belasten würde. Ein Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer gleichwohl an das Arbeitsverhältnis zu binden, das in einem inneren Zusammenhang zu seinem berechtigten Interesse steht, die einmal getätigte Investition in die Fortbildung eines Arbeitnehmers wirtschaftlich verwerten zu können, ist nicht ersichtlich.
84(c) Die dagegen von der Berufung vorgebrachten Gründe vermögen nicht zu überzeugen. Im Wesentlichen wendet die Berufung ein, eine personenbedingte Eigenkündigung lasse sich dogmatisch nicht begründen. Zutreffend ist insoweit, dass § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG die Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers als einen Fall der sozialen Rechtfertigung einer arbeitgeberseitigen Kündigung vorsieht, eine vergleichbare gesetzliche Bestimmung für eine arbeitnehmerseitige Kündigung hingegen nicht gegeben ist, weil eine solche Kündigung für ihre Rechtswirksamkeit keine sachliche Rechtfertigung benötigt. Das ändert aber nichts daran, dass der der Begriff „personenbedingt“ im Zusammenhang mit einem Kündigungsausspruch ein rechtstechnisch eingeführter Begriff ist, der eine Grundlage für klar abgegrenzte Kündigungssituationen bietet. Zwar treten personenbedingte Kündigungsgründe ganz regelmäßig verschuldensunabhängig ein. Gleichwohl ist denkbar, dass ein Vertretenmüssen des Betroffenen gegeben sein kann. Es erscheint deshalb dogmatisch geboten, die Fallgruppe einer „unverschuldeten personenbedingten Eigenkündigung“ zu entwickeln, die ein rückforderungsfreies Ausscheiden des fortgebildeten Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis ermöglicht, sofern diese Gründe bis zum Ablauf der Bleibefrist anhalten. Die Klausel in § 7 Abs. 2 Traineevertrag ist damit auch deshalb unangemessen benachteiligend und damit unwirksam nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, weil sie nicht ausreichend dahingehend differenziert, dem Klauselgegner eine rückforderungsfreie Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Situation zu ermöglichen, dass er infolge unverschuldeter personenbedingter Gründe nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeitskraft bis zum Ablauf der Bleibefrist zu erbringen.
853. § 7 Abs. 2 Traineevertrag kann auch nicht mit einem rechtlich haltbaren Inhalt Bestand haben. Eine geltungserhaltende Reduktion Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nicht möglich (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 28.05.2013 – 3 AZR 103/12; 13.12.2011 - 3 AZR 791/09; LAG Hamm 29.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 – 1 Sa 49/18; Wisskirchen/Block, in: Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 11. Aufl. 2019, Arbeitsvertrag und AGB-Kontrolle, Rn. 118b).
864. Die Klägerin kann ihren Anspruch auf Erstattung der Fortbildungskosten auch nicht auf die §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB stützen. Die Beklagte hat die Fortbildung nicht ohne rechtlichen Grund erlangt, sondern auf Basis des - mit Ausnahme der Rückzahlungsklausel - wirksamen Traineevertrags vom 28.03.2018 (vgl. BAG 06.08.2013 - 9 AZR 442/12; 21. 08. 2012 - 3 AZR 698/10; LAG Hamm 21.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 – 1 Sa 49/18; Staudinger/Richardi/Fischinger (2020) BGB § 611a, Rn. 1581).
87III. Die mündliche Verhandlung war trotz des seitens der Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 12.11.2021 eingereichten Schriftsatzes nicht erneut zu eröffnen.
88Ergeben sich aus nachgereichten Schriftsätzen Gründe zur weiteren Erörterung, erfordern der Grundsatz rechtlichen Gehörs und das Mündlichkeitsprinzip, dass in das Stadium der mündlichen Verhandlung zurückgekehrt wird. Da keiner der in § 156 Abs. 2 ZPO genannten zwingenden Gründe für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aus dem nachgereichten Schriftsatz ersichtlich sind, musste das Gericht nach § 156 Abs. 1 ZPO im Rahmen des dort bestehenden Ermessens von Amts wegen über die Wiedereröffnung entscheiden. Dem ist die Kammer unter Mitwirkung der Richter, die an der vorausgegangenen mündlichen Verhandlung mitgewirkt haben (BAG 31.07.2018 – 3 AZN 320/18; 20.01.2012 – 4 AZR 185/10), in einer Zwischenberatung am 17.01.2022 nachgekommen.
89In der mit Einverständnis sämtlicher beteiligter Richter im Wege der Telefonkonferenz (BAG 14.04.2015 - 1 AZR 223/14; 26.03.2015 – 2 AZR 417/14; Germelmann/Matthes/Prütting-Müller Glöge, ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 73 Rn. 42) durchgeführten Nachberatung waren für die Berufungskammer keine Gründe ersichtlich, die mündliche Verhandlung erneut zu eröffnen. Der Schriftsatz der Klägerin vom 12.11.2021 enthält in tatsächlicher Hinsicht kein neues Vorbringen. Im Wesentlichen befasst sich die Klägerin unter Bezugnahme auf die in der mündlichen Verhandlung vom 05.11.2021 erfolgten Erörterungen zu Gründen für die Zulassung der Revision. Die von der Klägerin in ihrem nachgereichten Schriftsatz angesprochenen rechtlichen Gesichtspunkte wurden bereits in der mündlichen Verhandlung vom 05.11.2021 erörtert und lagen dem Beratungsergebnis der Kammer nach Schluss der mündlichen Verhandlung zugrunde. Die mit dem nun nachgereichten Schriftsatz erfolgten vertiefenden rechtlichen Erörterungen geben keinen Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
90IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG nicht zuzulassen. Zwar wurde in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.12.2018 – 9 AZR 383/18 – die Frage, ob in einer Fortbildungsklausel auch danach zu differenzieren ist, dem fortgebildeten Arbeitnehmer ein rückforderungsfreies Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu eröffnen, wenn personenbedingte Gründe, die nicht von ihm zu vertreten sind, seine Tätigkeit bis zum Ablaufen der Bleibedauer nicht mehr möglich machen, noch nicht uneingeschränkt entschieden (vgl. auch Groeger ArbRB 2019, 166). Auch hatte das Bundesarbeitsgericht in der gegen das Urteil des Berufungsgerichts vom 29.01.2021 - 1 Sa 954/20 – eingelegten Revision angesichts eines in der Revisionsinstanz geschlossenen Vergleichs noch keine Gelegenheit, sich erneut mit dieser Rechtsfrage auseinanderzusetzen.
91Doch ist diese Rechtsfrage vorliegend nicht allein entscheidungserheblich. Die Berufung der Klägerin war bereits deshalb erfolglos, weil die Rückforderungsklausel in § 7 Abs. 2 Traineevertrag mit Blick auf die Entscheidung des BAG vom 13. Dezember 2011 - 3 AZR 791/09 - nicht ausreichend danach differenziert hat, dass Eigenkündigungen des Arbeitnehmers von einer Rückzahlungspflicht auszunehmen sind, deren Gründe der Sphäre des Arbeitgebers entstammen. Ein Grund für eine Revisionszulassung ist nicht darin zu sehen, dass sich das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 19. Januar 2011 – 3 AZR 621/08 - nach Auffassung der Klägerin, die das Berufungsgericht nicht teilt, in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2011 gesetzt haben könnte. Dem Bundesarbeitsgericht war diese Entscheidung im Zeitpunkt der Verkündung seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2011 bekannt. Es hat sich damit auseinandergesetzt (s. BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – Rn. 23).
92RECHTSMITTELBELEHRUNG
93Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
94Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.