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1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 23.01.2020 – 6 Ca 3796/19 – wird als unzulässig verworfen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten um Entschädigungsansprüche des Klägers wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach dem AGG anlässlich einer Bewerbung bei der Beklagten.
3Der am 21.11.1960 geborene Kläger bewarb sich bei der Beklagten um eine Stelle als Fachkraft für Arbeitssicherheit, die mit 5.000,- € brutto monatlich vergütet wird.
4In der Stellenausschreibung heißt es u. a.: „Wir bieten Ihnen: […] Ein junges und engagiertes Team.“
5Auf die Stellenausschreibung bewarben sich zahlreiche Bewerberinnen und Bewerber, so dass sich die Beklagte entscheiden musste. Die Entscheidung fiel auf einen anderen Bewerber.
6Der Kläger erhielt am 11.07.2019 eine Absage und forderte die Beklagte am 09.09.2019 erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz auf.
7Mit seiner am 15.10.2019 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 24.10.2019 zugestellten Klage hat der Kläger seine Ansprüche weiter verfolgt.
8Er hat behauptet, er erfülle alle Anforderungen der Stellenausschreibung und sei für die Stelle besser geeignet, als die anderen Bewerber. Er hätte die Stelle bei sachgerechter Auswahl erhalten müssen. Er sei aber wegen seines Alters zurückgewiesen worden. Die Benachteiligung werde aufgrund der Formulierung in der Stellenausschreibung vermutet. Eine Entschädigung und Schmerzensgeld sei in Höhe eines Jahresgehaltes angemessen.
9Nachdem die Beklagte im Gütetermin am 11.11.2019 säumig gewesen ist, ist sie antragsgemäß zur Zahlung von 60.000,- € nebst Zinsen seit dem 24.10.2019 verurteilt worden. Gegen das ihr am 21.11.2019 zugestellte Versäumnisurteil hat sie am 26.11.2019 Einspruch eingelegt.
10Der Kläger hat beantragt,
11das Versäumnisurteil vom 11.11.2019 aufrecht zu erhalten.
12Die Beklagte hat beantragt,
13das Versäumnisurteil vom 11.11.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
14Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei von ihr in keiner Weise diskriminiert worden, auch nicht wegen seines Alters. Der Kläger habe nicht allein aufgrund seiner Ablehnung von einer Altersdiskriminierung ausgehen dürfen, weil hierfür jedwede Anhaltspunkte fehlten. Sein Vortrag, dass er alle in der Ausschreibung benannten Voraussetzungen erfülle und daher besser geeignet sei als andere Bewerber, entbehre jedweder tatsächlichen Grundlage und sei deshalb ohne weiteren substantiierten Vortrag keine tragende Grundlage für die streitgegenständlichen Ansprüche.
15Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil vom 11.11.2019 mit Urteil vom 06.05.2020 aufrechterhalten und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
16Der Kläger habe einen rechtzeitig außergerichtlich und gerichtlich geltend gemachten Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 S. 1 AGG aufgrund einer Diskriminierung wegen seines Alters in Höhe von 60.000,00 EUR. Eine Diskriminierung des bei Absage fast 59 Jahre alten Klägers werde entgegen der Ansicht der Beklagten vermutet. So habe die Beklagte streitlos eine Stelle in einem „jungen und engagierten Team“ ausgeschrieben, was nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstelle und deshalb geeignet sei, die Vermutung i.S.v. § 22 AGG zu begründen, der Kläger sei im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen seines Alters benachteiligt worden. Die Darlegungs- und Beweislast, dass keine Diskriminierung vorliegt, hätte nach Vorliegen der Vermutungswirkung die Beklagte getroffen. Dieser sei sie aber nicht nachgekommen, da sie sich zu den Gründen ihrer Auswahlentscheidung nicht geäußert habe. Die Entschädigung sei nicht nach § 15 Abs. 2 S. 2 AGG auf drei Gehälter gedeckelt, da nach Lage der Akten kein Fall vorläge, nachdem der Kläger auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. So sei die Beklagte dem klägerischen Vortrag nicht hinreichend entgegen getreten, er würde alle Voraussetzungen erfüllen, unter allen Bewerber am besten für die Stelle geeignet sein und wäre bei diskriminierungsfreier Auswahl eingestellt worden. Allein die Beklagte könne vortragen, welche Bewerber mit welcher Qualifikation sich beworben hätten und welcher Bewerber aus welchen Gründen besser als der Kläger geeignet wäre. Dem Kläger sei auch bei der Einschätzung zur Höhe seines Entschädigungsanspruchs zu folgen, nachdem die Beklagte dem Anspruch der Höhe nach überhaupt nicht entgegengetreten sei. Die Entschädigung habe angemessen zu sein und müsse der Schwere des Verstoßes entsprechen, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Eine Entschädigung in Höhe eines Jahresverdienstes sei wirklich abschreckend, aber im vorliegenden Einzelfall noch angemessen, weil die Beklagte sich zu den Gründen ihrer Auswahlentscheidung gar nicht geäußert und auch keine Umstände dargetan habe, die für eine geringere Bemessung sprechen würden.
17Gegen das ihr am 18.02.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.03.2020 beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.05.2020 am 13.05.2020 wie folgt begründet:
18Das Urteil des Arbeitsgerichts sei unrichtig, weil eine Diskriminierung fälschlicherweise angenommen worden sei. So habe das Arbeitsgericht fälschlicherweise eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters gem. § 3 Abs. 1 AGG vor dem Hintergrund angenommen, dass die Ausschreibung mit dem Begriff „jung“ unmittelbar an das Lebensalter anknüpfe. Sie – die Beklagte – habe den Kläger jedoch nicht aufgrund seines Lebensalters abgewiesen. Vielmehr sei die ausgeschriebene Stelle mit einem besseren Bewerber besetzt worden.
19Mit Beschluss vom 31.08.2020 hat die Kammer darauf hingewiesen, dass die Berufungsbegründung nicht den Vorgaben der §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 520 Abs. 3 S. 2 ZPO gerecht werden dürfte. Hierzu hat die Beklagte trotz Aufforderung nicht Stellung genommen.
20Die Beklagte beantragt,
21das Urteil des Arbeitsgerichtes Dortmund vom 23.01.2020 – 6 Ca 3796/19 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
22Der Kläger beantragt,
23die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
24hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.
25Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint, die Berufung sei unzulässig.
26Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird ergänzend auf den vorgetragen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
27Gründe
28Die Berufung der Beklagten war nach § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
29I. Die Berufung der Beklagten ist unzulässig.
301. Sie ist zwar nach § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG an sich statthaft sowie i.S.v. § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet worden.
312. Die Berufungsbegründung entspricht jedoch nicht den Anforderungen der §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO, weshalb sie nach § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO vom Amts wegen als unzulässig zu verwerfen war.
32a) Hiernach muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Eine Berufungsbegründung genügt nur dann den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden, doch muss die Berufungsbegründung auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will (vgl. BAG vom 19.02.2013 – 9 AZR 543/11; BAG vom 15.03.2011 – 9 AZR 813/09; BAG vom 19.10.2010 – 6 AZR 118/10). Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (vgl. BAG vom 19.02.2013 – 9 AZR 543/11). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es demnach nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (vgl. BAG vom 14.03.2017 – 9 AZR 633/15; LAG Schleswig-Holstein vom 11.05.2017 – 5 Sa 287/16).
33b) Die Berufungsbegründung der Beklagten vom 13.05.2020 genügt diesen Anforderungen nicht. Die Beklagte hat sich in keiner Weise mit den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils auseinandergesetzt.
34aa) Das reine Vorbringen, die Entscheidung des Arbeitsgerichts habe fälschlicherweise eine Diskriminierung angenommen, geht weder mit einer rechtlichen noch einer tatsächlichen Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils einher.
35bb) Dies gilt auch für die Annahme das Arbeitsgericht habe fälschlicherweise eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters gem. § 3 Abs. 1 AGG vor dem Hintergrund angenommen, dass die Ausschreibung mit dem Begriff „jung“ unmittelbar an das Lebensalter anknüpfe. Dies stellt lediglich die Wiederholung der Urteilsbegründung dar. Warum die Entscheidung falsch sein sollte, teilt die Beklagte nicht mit. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils fehlt vollständig.
36cc) Soweit die Beklagte geltend macht, sie habe den Kläger nicht aufgrund seines Lebensalters abgewiesen, stellt dies die reine Wiederholung einer bereits erstinstanzlich geäußerten Einschätzung dar ohne konkreten Bezug zum Urteil aufzuweisen.
37dd) Auch der Beklagtenvortrag, die ausgeschriebene Stelle sei mit einem besseren Bewerber besetzt worden, vermag keine andere Entscheidung zu rechtfertigen.
38Das Arbeitsgericht hat in der Formulierung der Stellenanzeige ein Indiz gesehen, das eine Benachteiligung wegen des Alters vermuten lässt. Dieses Indiz habe die Beklagte nicht widerlegt. Ebenso wenig sei sie dem Vortrag des Klägers zu seiner Eignung ausreichend entgegengetreten, weshalb eine Begrenzung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 S. 2 AGG nicht in Betracht komme. Hiermit setzt die Beklagte sich in der Berufungsbegründung nicht auseinander. Sie trägt weiterhin nicht zur Auswahlentscheidung und Qualifizierung des Klägers vor. Warum welche Auffassung des Arbeitsgerichts mit welcher Folge fehlerhaft sein könnte, teilt die Beklagte nicht mit. Der Berufungsbegründung ist nicht einmal zu entnehmen, ob der Einwand sich gegen die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils zur Vermutungswirkung, zur Wiederlegung oder zur Entschädigungshöhe richten soll.
39Ebenso wenig ist die Berufung insoweit nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO zulässig.
40Es ist bereits zweifelhaft, ob das Vorbringen der Beklagten, die ausgeschriebene Stelle sei mit einem besseren Bewerber besetzt worden, als ein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel der Beklagten anzusehen ist. Letztlich handelt es sich nämlich lediglich um eine (weiterhin unsubstantiierte) Ergänzung des unsubstantiierten erstinstanzlichen Vorbringens der Beklagten zur anderweitigen Besetzung. Wird die Berufung gleichwohl ausschließlich mit neuen Angriffs- oder Verteidigungsmitteln begründet, braucht die Entscheidungserheblichkeit zwar ausnahmsweise nicht gesondert dargetan zu werden, wenn sie sich unmittelbar aus dem angefochtenen Urteil und den Ausführungen in der Berufungsbegründung ergibt. Dennoch ist Mindestvoraussetzung für eine hinreichende Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel einerseits sowie die Darlegung, warum diese das angefochtene Urteil infrage stellen sollen (vgl. BAG vom 21.05.2019 – 2 AZR 574/18). Hieran mangelt es allein aufgrund des Umstandes, dass der Berufungsbegründung nicht entnommen werden kann, gegen welche Feststellung des Arbeitsgerichts der Einwand erfolgt (s.o.).
41II. Der Beklagten war entgegen ihres Antrags in der mündlichen Verhandlung auch keine Schriftsatzfrist mehr einzuräumen. Dies ist bereits mit Beschluss vom 31.08.2020 nach den entsprechenden Hinweisen geschehen, ohne dass die Beklagte - was für die Entscheidung indessen nicht erheblich ist - Stellung genommen hat.
42III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da sie mit dem Rechtsmittel unterlegen ist.
43IV. Gründe für die Zulassung der Revision i.S.d. § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben. Keine der aufgeworfenen Rechtsfragen ist von grundsätzlicher Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen insoweit auch keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde.
44RECHTSMITTELBELEHRUNG
45Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
46Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.