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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Münster vom 06.03.2020 – 1 Ca 866/19 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für Krankheits- und Urlaubszeiten ein Provisionsausfallgeld in Höhe von 13.493,84 € zusteht.
3Zwischen dem Kläger und einer Rechtsvorgängerin der Beklagten bestand spätestens seit dem 01.01.2016 ein Arbeitsverhältnis, wonach er in N als Vertriebsbeauftragter tätig war. Der entsprechende Anstellungsvertrag vom 29.05./21.06.2015 (Blatt 5ff. der Gerichtsakte) enthält unter anderem folgende Regelungen:
4„§ 3 Bezüge und Arbeitszeit
5(1) Für seine Tätigkeit erhält Herr H ein festes Jahresgrundentgelt von€ 51.000,- brutto (in Worten: einundfünfzigtausend), das in 12 gleichen Beträgen nach Abzug der Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung jeweils am Ende eines Kalendermonats, bargeldlos gezahlt wird.
6(2) Herr H erhält darüber hinaus einen erfolgsabhängigen variablen Gehaltsanteil in Höhe von jährlich € 34.000,- brutto. Einzelheiten hierzu werden in einer separaten Zielvereinbarung geregelt. Herr H hat auf den Abschluss der Zielvereinbarung hinzuwirken.
7(3) Der Bonus entsteht ab einem Zielerfüllungsgrad von 50% der finanziellen Ziele bzw. einem Zielerfüllungsgrad von 70% der individuellen Ziele und errechnet sich wie folgt:
8[…]
9Der Anspruch auf Bonus wird 30 Tage nach Feststellung des Jahresabschlusses des D-Konzerns zur Zahlung fällig.
10(4) Herr H erhält eine monatliche Bonusvorauszahlung in Höhe von € 600,- brutto, die bei der Jahresabrechnung verrechnet wird. […]“
11Die Rechtsvorgängerin der Beklagten schloss erstmals für das Kalenderjahr 2016 eine Zielvereinbarung mit dem Kläger. Diese Zielvereinbarung unterscheidet zwischen finanziellen Zielen und individuellen Zielen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das zur Gerichtsakte gereichte Exemplar (Blatt 82 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
12Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging zum 01.05.2017 durch einen Betriebsübergang auf die Beklagte über und bestand bis zum 30.09.2018 fort; sodann endete es durch eine Kündigung des Klägers.
13Seit Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte und bis zu dessen Beendigung erhielt der Kläger monatlich jeweils ein Grundgehalt in Höhe von 4.250,00 € brutto sowie eine Vorauszahlung auf die variable Vergütung in Höhe von 600,00 € brutto. Diese monatlichen Zahlungen erbrachte die Beklagte durchgehend, d.h. auch für Zeiten, in welchen der Kläger Urlaub hatte oder arbeitsunfähig krank war. Eine Zielvereinbarung kam zwischen den Parteien für die Kalenderjahre 2017 und 2018 nicht zustande.
14Es existiert eine „Richtlinie Beteiligung am Unternehmenserfolg“ der P AG, auf welche die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Schreiben/Vereinbarungsentwurf vom 30.04.2018 (Blatt 67 der Gerichtsakte) verwies. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Richtlinie wird auf Blatt 54f. der Gerichtsakte Bezug genommen.
15Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses machte der Kläger für die Kalenderjahre 2015 bis 2018 aus seiner Sicht offene Zahlungsansprüche geltend. Die Parteien einigten sich schließlich auf die Zahlung einer erfolgsabhängigen Vergütung in Höhe von 14.000,00 € brutto für das Kalenderjahr 2018 (Bl. 12 d.A.), welche an den Kläger ausgezahlt wurde. Für das Kalenderjahr 2017 hatte der Kläger bereits zuvor Bonuszahlungen von insgesamt mehr als 30.000,00 € aufgrund einer Einigung vom 05.04.2018 erhalten (Bl. 8 d.A.) erhalten.
16Darüber hinaus macht der Kläger mit der Klage nunmehr die Zahlung von Provisionsausfallgeld geltend.
17Der Kläger konnte die vertraglich geschuldete Tätigkeit urlaubs- bzw. krankheitsbedingt
18in 2015 an 13 Arbeitstagen,
19in 2016 an 39 Arbeitstagen,
20in 2017 an 37 Arbeitstagen und
21in 2018 an 35 Arbeitstagen nicht erbringen.
22Mit seiner Klage verfolgt er eine zusätzliche Vergütung für diese Tage, die er wie folgt berechnet:
23variable Vergütung des Kalenderjahres : AT des Jahres x Ausfalltage
24Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die für Handelsvertreter geltenden Vorschriften (§§ 87 Abs. 1, 3 sowie 87a-c HGB) seien entsprechend anzuwenden. Eine Provisionsvergütung sei im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart worden. Maßgeblich für die Höhe der variablen Vergütung seien die individuellen Ziele gewesen. Die Tätigkeit des Angestellten beim Vertragsabschluss fließe in die Bewertung des Entgelts ein wie bei einem Handelsvertreter, der einen Auftrag beibringe.
25Auch die in der „Richtlinie Beteiligung am Unternehmenserfolg“ vorgesehene Rückzahlungsverpflichtung spreche für eine Berechnung des variablen Gehaltsbestandteils nach den Grundsätzen der Provision und es sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte das Recht gehabt habe, etwaige Rückforderungsansprüche mit dem Grundgehalt des Klägers zu verrechnen.
26Daher habe die Beklagte für die Tage, an denen er aufgrund Erholungsurlaubs oder wegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht die vertraglich vereinbarte Vergütung habe erzielen können, ein Provisionsausfallgeld zu zahlen. Hinsichtlich der insoweit durch den Kläger vorgenommenen Berechnungen wird auf Seite 3 der Klageschrift (Blatt 3 der Gerichtsakte) verwiesen.
27Der Kläger hat beantragt,
28die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.493,84 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2018 zu zahlen.
29Die Beklagte hat beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Sie hat die Ansicht vertreten, zwischen den Parteien sei keine Provisionsvergütung vereinbart worden und der Kläger sei auch nicht als Handelsvertreter beschäftigt gewesen. Die Voraussetzungen der Verweisung nach § 65 HGB seien nicht erfüllt, da hier die Zahlung eines erfolgsabhängigen Bonus‘ geschuldet gewesen sei. Arbeitsvertraglich sei ausdrücklich vereinbart gewesen, dass die Höhe des Bonus‘ sich nach den finanziellen Zielen des Unternehmens und den individuellen Zielen des Klägers bemesse. Auch die Fälligkeitsregelung in § 3 Abs. 3 des Anstellungsvertrages zeige, dass es sich um eine Bonuszahlung handele, für welche der Jahresabschluss des gesamten Unternehmens zu berücksichtigen sei.
32Der Kläger habe durch Abwesenheiten aufgrund Urlaubs oder Krankheit auch keine finanziellen Nachteile erlitten. Eine zusätzliche Zahlung von Provisionsausfallgeld liefe aus Sicht der Beklagten darauf hinaus, dass der Kläger für Krankheits- und Urlaubszeiträume doppelt vergütet würde.
33Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.03.2020 zurückgewiesen und hierzu ausgeführt, eine Anspruchsgrundlage für die Ansprüche sei nicht erkennbar. Ein Anspruch nach §§ 3 EFZG und 11 BurlG scheide aus, da der Kläger für die streitigen Zeiträume Entgeltfortzahlung erhalten habe.
34Ansprüche aus einem Provisionsausfallgeld seien nicht gegeben, da der Kläger nicht dargelegt habe, dass er aufgrund einer Vergütung auf Provisionsbasis Entgelte nicht erhalten habe, die er ohne Arbeitsunfähigkeit oder Urlaub ins Verdienen gebracht hätte. Die vom Kläger für seine Ansprüche herangezogenen Entscheidungen seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da es sich dort um Rückzahlungen von Provisionsvorschüssen gehandelt habe, was vorliegend nicht gegeben sei.
35Gegen das ihm am 30.03.2020 zugestellte Urteil wendet er sich mit der am 29.04.2020 bei Gericht eingegangenen Berufung, die nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.06.2020 am 30.06.2020 begründet worden ist.
36Hier führt er aus, der Anspruch ergebe sich entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes aufgrund der Rechtsprechung des EuGH, wonach ein Arbeitnehmer, der für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit und des Urlaubes ein Gehalt in üblicher Höhe zu erhalten habe, einen Ausgleich dafür zu erhalten habe, dass er in der Folgezeit aufgrund der in den Ausfallzeiten unterbliebenen Verdienstmöglichkeiten für eine Provision einen geringeren Verdienst erhalte, als er bei Weiterarbeit erhalten können hätte. Als Referenzzeitraum seien 12 Monate anzusehen. Ein Hinweis des Gerichtes, dass der Kläger hierzu ergänzenden Vortrag hinsichtlich der Berechnung halten solle, sei nicht ergangen. Das Arbeitsgericht habe fälschlich die Auffassung vertreten, die Ansprüche des Klägers seien durch die monatliche Bonusvorauszahlung von 600,00 € berücksichtigt.
37Dieses Vorbringen hat der Kläger mit dem nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz insoweit ergänzt, als er die Ansicht vertritt, die Berufung sei zulässig, insbesondere habe sie sich hinreichend mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Münster insoweit auseinandergesetzt, als die Auffassung vertreten worden sei, dass sehr wohl eine Anspruchsgrundlage bestehe sowie gerügt worden sei, dass das Gericht keinen Hinweis auf eine möglicherweise fehlerhafte Berechnung gegeben habe. Die Rechtsprechung des EuGH sei anzuwenden, da sie sich auf alle Fälle einer Vergütung nach Provision beziehe. Der Kläger habe auch dargelegt, inwiefern sich die Höhe seiner Vergütung auf die einzelnen von ihm getätigten Geschäfte beziehe. So unterscheide die Vereinbarung vom 07.03.2020 zwischen individuellen und finanziellen Zielen. Die Bezeichnung des Vergütungsbestandteils als Bonus stehe dem nicht entgegen.
38Der Kläger beantragt,
39das Urteil des Arbeitsgerichts Münster AZ.: 1 Ca 866/19 vom 06.03.2020 abzuändern,
40die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 13.493,84 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2018 zu zahlen.
41Die Beklagte beantragt,
42die Berufung zurückzuweisen.
43Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung ihres Vorbringens und vertritt die Auffassung, der geltend gemachte Anspruch sei bereits rein rechnerisch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, da der Kläger nicht dargetan habe, welchen Entgeltausfall er gehabt haben will.
44Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
45Entscheidungsgründe
46I. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) begründet worden.
471) Die Berufung setzt sich in der Berufungsbegründungsschrift auch jedenfalls in noch ausreichender Weise entsprechend den Anforderungen des § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO mit den Urteilsgründen des Arbeitsgerichtes auseinander.
48a) Gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Danach genügt eine Berufungsbegründung nur dann den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden, doch muss die Berufungsbegründung auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will (ständige Rechtsprechung, vgl. nur: BAG 19. Februar 2013 – 9 AZR 543/11; BAG 15. März 2011 – 9 AZR 813/09; BAG 19. Oktober 2010 – 6 AZR 118/10). Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (vgl. BAG 19. Februar 2013 – 9 AZR 543/11). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es demnach nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (vgl. BAG 14. März 2017 – 9 AZR 633/15; vgl. LAG Schleswig-Holstein 11. Mai 2017 – 5 Sa 287/16).
49b) Der Kläger hat insoweit in der Berufungsbegründung jedenfalls darauf hingewiesen, dass das im Rahmen der variablen Vergütung erwirtschaftete Entgelt ebenso wie eine Provision zu behandeln ist, weshalb für die Ausfallzeiten des Klägers jedenfalls bezogen auf den Referenzzeitraum von 12 Monaten eine Vergütung von Umsatzprovision zu zahlen sei, da er in diesen Monaten gerade keine Provision habe erwirtschaften können.
50Damit hat er zumindest angedeutet, dass seiner Auffassung nach entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes die erwirtschaftete Bonuszahlung wie eine Provision zu behandeln und anteilig für die Ausfallzeiten zu zahlen ist.
51Ob dieser Vortrag stichhaltig oder schlüssig ist, ist eine Frage der Begründetheit der Berufung.
52II. Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Kammer folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts und sieht insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
53Die Berufungsbegründung sowie der ergänzende Vortrag geben zu folgenden Ergänzungen Anlass:
541) Soweit der Kläger davon ausgeht, dass der ihm zugesicherte jahresbezogene Bonus eine Provisionszahlung darstellt und daher einen Entgeltbestandteil, der fortlaufend zusätzlich zum Gehalt und daher auch bei Ausfallzeiten als Entgeltfortzahlungsbestandteil im Sinne der §§ 3 EFZG, 1, 11 BUrlG fortzuzahlen ist, verkennt er die Begrifflichkeiten.
55a) Das Urlaubsentgelt gem. § 11 BUrlG umfasst bezüglich des Geldfaktors die Vergütungsbestandteile, die der Arbeitnehmer im Referenzzeitraum als Gegenleistung für seine Tätigkeit in den maßgeblichen Abrechnungszeiträumen erhalten hat. Zum Arbeitsverdienst im Sinne des Gesetzes gehört die für die Arbeitsleistung geschuldete Gegenleistung wie das Gehalt oder der Lohn, unabhängig davon, in welchen Zeitabschnitten (Stunden, Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren) sie berechnet werden. Hierzu gehört auch der Prämienlohn als besondere Form des Leistungslohns. Davon sind Prämien und Provisionen zu unterscheiden, die nicht als Grundvergütung für die geleistete Arbeit geschuldet, sondern für besondere Leistungen versprochen sind. Sind sie im Bezugszeitraum erbracht und vergütet, gehören sie zum Verdienst im Sinne des Gesetzes. Einmalige Prämien, die keine laufende Arbeitsleistung honorieren, bleiben unberücksichtigt (ErfK/Gallner, 20. Aufl. 2020, BUrlG § 11 Rn. 6).
56b) Das fortzuzahlende Entgelt gem. § 4 EFZG erfasst nicht nur den Leistungslohn (Akkord- und Prämienlohn), sondern auch die Beträge, die allein oder neben einem festen Zeitlohn als Erfolgsvergütung vereinbart sind, wie Provisionen, Tantiemen, Boni, Prämien und weiteres (ErfK/Reinhard, 20. Aufl. 2020, EFZG § 4 Rn. 13).
57In beiden Fällen geht es darum, dass ein Arbeitnehmer während der Zeiten, in denen er unverschuldet seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, so gestellt werden soll, als hätte er seine Arbeitsleistung erbracht. Dieses ist der Grund- und Leitgedanke des Entgeltfortzahlungsanspruchs bei Krankheit und während des Urlaubs. Dieser galt von Gesetzes wegen und aufgrund der Auslegung durch das BAG bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie 2003/88/EG vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (siehe nur BAG, Urteil vom 04. Oktober 1978, 5 AZR 886/77, juris zu einer Anwesenheitsprämie).
58Der Arbeitnehmer soll nicht aufgrund zu befürchtender Entgelteinbußen daran gehindert werden, seinen Urlaubsanspruch zu verwirklichen oder eine Arbeitsunfähigkeit auszukurieren.
59Nichts anderes hat der EuGH unter anderem in der von dem Kläger herangezogenen Entscheidung entschieden, indem er ausgeführt hat, dass der Arbeitnehmer nicht nur in dem Zeitraum, in dem er unentschuldigt fehlt, über einen Geldbetrag verfügen können muss, der dem in Zeiten mit Arbeitsleistung vergleichbar sein muss, sondern auch nicht in der Folgezeit geringere Einkünfte beziehen soll, da zum Beispiel eine fehlende Möglichkeit für Vertragsabschlüsse und zu verdienende Provisionen in einem späteren Zeitraum ein geringeres Entgelt bewirken (EuGH, Urteil vom 22.05.2014, C-539/12, juris, RZ. 20 f.) Der Bezugszeitraum für die Ermittlung kann dabei stark variieren und bis zu 12 Monaten betragen, je nach zu bearbeitendem Berufsfeld etwa bei Großprojekten (so schon BAG Urteil vom 05.06.1985, 5 AZR 459/83, AP Nr. 39 zu § 63 HGB). In die Berechnung des Urlaubsentgeltes sind sämtliche Entgeltbestandteile einzubeziehen, bei denen ein innerer Zusammenhang zwischen Arbeitsleistung und Vergütungsbestandteil besteht und die ein Entgelt für die mit der Aufgabenerfüllung verbundenen Unannehmlichkeiten darstellen (EuGH, Urt. v. 22.5.2014 - C-539/12 (S.) -, Rn. 29, 32).
60Allen diesen Entscheidungen ist aber gemein, dass es sich um das laufende Entgelt des betroffenen Arbeitnehmers handelt, welches sich aus einer Grundvergütung und einem Gehaltsbestandteil zusammensetzt, der sich aufgrund fortlaufend im Einzelfall bezahlter Provisionen ergibt.
61c) Dieses Entgelt hat der Kläger erhalten, wie das Arbeitsgericht zu Recht erkannt hat.
62Er hat in den Zeiten des unverschuldeten Arbeitsausfalles eben die Vergütung erhalten, die er auch erhalten hätte, wenn er gearbeitet hätte, nämlich ein Grundgehalt und den Abschlag auf den Bonus.
63Aus diesem Grund kann auch dahinstehen, inwieweit der Jahresbonus auch auf einzelnen, vom Kläger abgeschlossenen Geschäften beruht. Tatsache ist, dass er niemals bezogen auf einzelne Ausfallzeiträume gezahlt wurde und wird.
64d) Auch das vom Kläger herangezogene Urteil des LAG München (Urt. vom 03.09.2019, 9 Sa 177/19, juris) bezieht sich gerade nicht auf einen Jahresbonus, sondern auf eine konkrete Umsatzprovision, die allerdings bei Zugrundelegung von Jahreszahlen gezahlt wird.
65Hier führte das LAG selbst aus, dass maßgebend für die Frage der Anrechnung sei, ob mit einer Zahlung eine auf einen bestimmten Zeitabschnitt entfallende Arbeitsleistung vergütet werde. Provisionen, die der Arbeitgeber als einzige Gegenleistung oder neben einem Fixum schulde, seien Arbeitsverdienst iSd. § 11 BUrlG und daher in die Berechnung einzustellen. Eine an die jeweilige Arbeitsleistung anknüpfende Umsatzbeteiligung sei wie eine Provision zu behandeln. Bei der Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht zu bleiben hätten auf das gesamte Jahr bezogene Leistungen wie Gratifikationen oder Jubiläumsgelder oder sonstige Vergütungen für Leistungen während eines Gesamtzeitraums, die ohne Rücksicht darauf abgegolten werden, welche Tätigkeit erbracht wurde, d.h. mit denen ein Erfolg belohnt werde, der von einer Arbeitsleistung weitgehend unabhängig ist (LAG München, Urteil vom 03. September 2019, 9 Sa 177/19, Rn. 182 - 183, juris).
66Nach der zugrundeliegenden Vereinbarung der Parteien des dortigen Rechtsstreites hing die Vergütung des Klägers konkret von abgerechneten Honorarstunden ab, die auf die Arbeit des dortigen Klägers zurückgingen. Die Vergütung des Klägers erhöhte sich unmittelbar durch jede nach Erreichen einer bestimmten Umsatzschwelle ge- leisteten Arbeitsstunde, für die von der Mandantschaft Honorar gezahlt wurde. Es wurde gerade keine Gesamt- oder Jahresleistung oder ein allgemeiner Erfolg vergütet, sondern konkret die Leistung einer weiteren abrechenbaren Stunde, worauf das LAG München als Abgrenzung ausdrücklich verwies (wie vor, Rn. 184, juris).
67e) Es lag somit ein anderer als hier zu entscheidender Sachverhalt vor.
68Für den Kläger bestand gerade keine Vereinbarung, die seine konkreten erreichten Umsätze mit einem bestimmten prozentualen Satz vergütete. Vielmehr war zwischen den Parteien ausweislich der in erster Instanz vorgelegten Zielvereinbarung vom 07.03.2016 (Bl. 82 d.A.) ein Jahresziel vereinbart. Nach dem Arbeitsvertrag § 4 Abs. 3 Unterabsatz 2 war ab einer auf das Jahr gesehenen Zielerreichung von 50 % der finanziellen Ziele und 70% der individuellen Ziele die Bonuszahlung als Basis möglich zuzüglich einer vereinbarten linearen Steigerung.
69Daraus ergibt sich, dass mit dem Bonus gerade nicht die einzelnen ins Verdienen gebrachten Umsätze mit festen Sätzen honoriert, sondern eine Jahresleistung bzw. ein Jahreserfolg mit einer pauschalen Leistung vergütet werden sollte. Dasselbe gilt für die vereinbarten individuellen Ziele, bei denen es sich um eine pauschale Vergütung für im Jahr gezeigte konstante Erfüllung bestimmter arbeitsvertraglicher Nebenpflichten handelt.
70Eine solche Vereinbarung beinhaltet schon vom Ansatz her, dass dieser die mögliche Gesamtleistung des Jahres zugrunde liegt, die bei Beachtung eines normalen Verlaufs des Arbeitsverhältnisses möglich ist, damit auch bei Inanspruchnahme von Urlaub und im Durchschnitt immer auftretender krankheitsbedingter Fehltage.
71Im Gegensatz zu einer und sei es auch auf das Jahr berechneten Umsatzprovision pro Geschäft, wie sie der Entscheidung des LAG München zugrunde lag, gilt eben nicht die Annahme, dass der Kläger den an den tatsächlichen Arbeitstagen erwirtschafteten Umsatz auch an den unverschuldeten Fehltagen - also zusätzlich - erwirtschaftet hätte, so dass für diese Tage ebenfalls dieser Durchschnittssatz zu zahlen ist.
72Vielmehr hat der Kläger ein Gesamtjahresergebnis erarbeitet, welches mit einer Pauschale für das gesamte Jahr und damit alle Arbeitstage, die tatsächlich erbrachten und diejenigen, an denen er unverschuldet der Arbeit ferngeblieben ist, gezahlt wird. Insoweit würde der Kläger dann, wenn er für diese Fehltage jetzt noch - zusätzlich - den Durchschnitt des auf das Jahr gesehenen Bonus' erhielte, für diese Tage mehr Entgelt erhalten, als für diejenigen, an denen er gearbeitet hat.
732) Eine fehlende Vergütung für unverschuldete Fehlzeiten und damit ein Verstoß gegen §§ 11 BurlG, 4 EFZG könnte dann bestehen, soweit der Kläger geltend machen würde, dass er ohne die Fehltage eine höhere Zielerreichung und damit einen höheren Bonus erreicht hätte (siehe hierzu: Annuß: Arbeitsrechtliche Aspekte von Zielvereinbarungen in der Praxis, NZA 2007, 290 (293)).
74Hierzu hat er aber zum einen nicht vorgetragen und zum anderen haben sich die Parteien ausweislich des Sachverhaltes für die vergangenen Jahre über die zu zahlenden Beträge geeinigt.
75III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
76IV. Gründe, die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
77RECHTSMITTELBELEHRUNG
78Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
79Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.