Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des ArbG Hagen vom 25.07.2019 – 1 Ga 19/19 wie folgt abgeändert:
Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, untersagt,
bis zum 31.08.2019 für die Firma H GmbH & Co. KG,
als Prokuristin;
als Gesellschafterin der Firma H1 GmbH;
als Kommanditistin der Firma H GmbH & Co. KG
tätig zu werden.
Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Unterlassung von Wettbewerb.
3Die Verfügungsklägerin ist im Bereich Spedition und Logistik tätig. Sie hat ihren Hauptsitz in C und unterhält in T eine Niederlassung. Die Verfügungsbeklagte war seit dem 01.09.2008 als Sachbearbeiterin für die Verfügungsklägerin in Teilzeit (20 Wochenstunden) beschäftigt. Ihr monatliches Bruttoentgelt betrug zuletzt 2.074,00 Euro. Arbeitsvertraglich vereinbarten die Parteien eine beiderseitige Kündigungsfrist von vier Monaten bei zehnjährigem Bestand des Arbeitsverhältnisses. Die Verfügungsbeklagte arbeitete in der T Niederlassung der Verfügungsklägerin. Leiter dieser Niederlassung und Prokurist war der Ehemann der Ehemann der Verfügungsbeklagten. Er war im Innenverhältnis zur Verfügungsklägerin verpflichtet, Beendigungen von Arbeitsverhältnissen zunächst mit der Geschäftsleitung abzustimmen.
4Mit Schreiben vom 14.04.2019 kündigte die Verfügungsbeklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis „zum nächstmöglichen Termin“. Bereits am 15.04.2019 unterzeichnete der Ehemann der Verfügungsbeklagten einen Aufhebungsvertrag, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 30.04.2019 vorsah. Den Abschluss des Aufhebungsvertrages stimmte er zuvor mit dem Geschäftsführer der Verfügungsklägerin ab, der nach vorheriger Beratung seine Zustimmung zur vorgesehenen vorzeiteigen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses erteilte.
5Mit notariellem Vertrag vom 07.05.2019 gründete die Verfügungsbeklagte die H GmbH & Co. KG, geschäftsansässig in T. Die Gesellschaft erbringt Dienstleistungen im Bereich Spedition und Logistik, also im Geschäftsfeld der Verfügungsklägerin, und nahm ihre operative Tätigkeit bereits im Mai 2019 gegenüber Kunden der Verfügungsklägerin auf. Die Verfügungsbeklagte ist die alleinige Gesellschafterin und der Komplementärin, der H1 GmbH, sowie Prokuristin und einzige Kommanditistin der Kommanditgesellschaft.
6Der Ehemann der Verfügungsbeklagten wickelte im Mai 2019 zwei weitere Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern der Niederlassung T ab. Der Mitarbeiter T1 kündigte sein Arbeitsverhältnis am 29.04.2019 ordentlich zum 30.06.2019. Auch mit diesem Mitarbeiter schloss der Ehemann der Verfügungsklägerin, nachdem er die Zustimmung des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin eingeholt hatte, unter dem 10.05.2019 einen Aufhebungsvertrag zum 31.05.2019 ab. Mit Schreiben vom 27.05.2019 kündigte ferner die Speditionskauffrau C ihr Arbeitsverhältnis ordentlich mit Wirkung zum 06.10.2019. Noch am selben Tag, dem 27.05.2019, schloss der Ehemann der Verfügungsklägerin mit dieser Mitarbeiterin einen Aufhebungsvertrag zum 31.05.2019, ohne allerdings in diesem Fall vorher die Zustimmung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages einzuholen.
7Mit Ausnahme einer sich im Erziehungsurlaub befindenden Arbeitnehmerin kündigten auch die restlichen Mitarbeiter der Niederlassung T mit überwiegend gleichlautendem Text jeweils mit Schreiben vom 27.05.2019 ihre Arbeitsverhältnisse. Am 29.05.2019 verlangte die Verfügungsklägerin bei den in der Niederlassung T verbliebenen Mitarbeitern die ihnen überlassenen Mobiltelefone heraus. Sämtliche Daten darauf waren gelöscht. Ebenso sind auch sämtliche Mail-Accounts bereinigt worden. Der Ehemann der Verfügungsklägerin kündigte zum 30.11.2019. Er war danach arbeitsunfähig.
8Die Verfügungsklägerin stellte am 04.06.2019 fest, dass sowohl ihr ehemaliger Mitarbeiter T1 wie auch die ehemalige Mitarbeiterin C für die H GmbH & Co. KG tätig sind. Die Verfügungsklägerin forderte daraufhin die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 08.06.2019 auf, wieder die Tätigkeit für sie aufzunehmen und erklärte vorsorglich die Anfechtung des Aufhebungsvertrages wegen arglistiger Täuschung. Mit Schreiben vom 11.06.2019 „widerrief“ die Verfügungsklägerin rein vorsorglich die von dem Niederlassungsleiter I „abgegebene Erklärung vom 15. April 2019 (Aufhebungsvertrag)“. Eine Reaktion der Verfügungsbeklagten erfolgte nicht.
9Mit dem am 01.07.2019 beim Arbeitsgericht Hagen eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 01.07.2019 hat die Verfügungsklägerin die Unterlassung von Wettbewerb durch die Verfügungsbeklagte bis zum 31.08.2019 begehrt.
10Die Verfügungsklägerin hat die Auffassung vertreten, sie könne die begehrte Unterlassung von der Verfügungsbeklagten verlangen, weil sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund bestünden. Hierzu hat die Verfügungsklägerin – zusammengefasst – folgendes vorgetragen:
11Das Arbeitsverhältnis der Parteien ende erst aufgrund der durch die Verfügungsbeklagte erklärten Kündigung mit Wirkung zum 31.08.2019. Für die Dauer der Kündigungsfrist sei es der Verfügungsbeklagten untersagt, Wettbewerb zu betreiben. Das Arbeitsverhältnis ende nicht zu einem früheren Zeitpunkt. Der Aufhebungsvertrag vom 15.04.2019 sei gemäß § 138 BGB nichtig. Die Verfügungsbeklagte habe nämlich zusammen mit ihrem Ehemann kollusiv zum Nachteil der Verfügungsklägerin zusammengewirkt. Die Übernahme der Tätigkeit der Niederlassung T sei von langer Hand geplant gewesen und sei strukturiert verlaufen. Die Verfügungsbeklagte sei unter einem Vorwand ausgeschieden, um das Konkurrenzunternehmen zeitnah zu gründen. Die Initiative zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei allein von dem Ehemann der Verfügungsbeklagten ausgegangen. Der Verfügungsbeklagten seien sodann zwei weitere Mitarbeiter gefolgt, die wichtig für die Aufnahme der Geschäftstätigkeit gewesen seien. Schließlich seien alle weiteren Mitarbeiter zur Kündigung ihrer Arbeitsverhältnisse veranlasst worden. Daneben seien die Spuren durch Bereinigung der Datenlage auf den PCs und den Mobiltelefonen beseitigt und gleichzeitig die Geschäfte mit den Kunden der Verfügungsklägerin übernommen worden. Der Ehemann der Verfügungsbeklagten habe keine Anstrengungen unternommen, um zwei für die Niederlassung T wesentliche Verträge zu verlängern, die am 30.04.2019 und am 30.06.2019 ausliefen. Die Tätigkeiten seien vom Unternehmen der Verfügungsbeklagten übernommen worden. Die Verfügungsklägerin hätte in Kenntnis der wahren Umstände niemals einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Verfügungsbeklagten zugestimmt, sondern hätte dem Ehemann der Verfügungsbeklagten die Weisung erteilt, das Arbeitsverhältnis mit der Verfügungsbeklagten bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.08.2019 fortzusetzen. Jedenfalls habe der Ehemann der Verfügungsbeklagten seine Vertretungsmacht missbraucht. Das sei der Verfügungsbeklagten bekannt gewesen. Die missbräuchliche Nutzung der Vertretungsmacht habe sich der Verfügungsbeklagten aufdrängen müssen. Sie habe in Kenntnis des Missbrauchs der Vertretungsmacht ihres Ehemannes bewusst, gewollt und zielgerichtet zusammen mit diesem die Voraussetzungen für die Gründung des Konkurrenzunternehmens und Aufnahme der Geschäftstätigkeit des Unternehmens geschaffen. – Der Verfügungsgrund ergebe sich aus der Wiederholungsgefahr bzw. Eilbedürftigkeit. Ein vorläufig vollstreckbarer Titel erster Instanz im Hauptsacheverfahren läge frühestens nach etwa einem halben Jahr vor, so dass die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin während des gesamten Zeitraums bis zum 31.08.2019 vertragswidrig Konkurrenz machen könnte. Die Eilmaßnahme sei daher zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes geboten.
12Die Verfügungsklägerin hat beantragt,
13der Antragsgegnerin es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu untersagen, bis zum 31.08.2019
14a) für die Firma H GmbH & Co. KG, als Prokuristin;
15b) als Gesellschafterin der Firma H1 GmbH;
16c) als Kommanditistin der Firma H GmbH & Co. KG
17tätig zu werden.
18Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
19den Antrag zurückzuweisen.
20Sie hat die Auffassung vertreten, die Verfügungsklägerin könne die begehrte Unterlassung von Konkurrenztätigkeit durch die Verfügungsbeklagte nicht verlangen. Hierzu hat sie – zusammengefast – folgendes vorgetragen:
21In Abstimmung mit dem Geschäftsführer der Verfügungsklägerin sei das Arbeitsverhältnis vorzeitig mit Aufhebungsvertrag vom 15.04.2019 zum 30.04.2019 beendet worden. Der Aufhebungsvertrag sei ordnungsgemäß von dem Ehemann der Verfügungsbeklagten als damaligem Niederlassungsleiter und Prokuristen sowie von der Verfügungsbeklagten unterzeichnet worden. Zumindest bis zum 26.06.2019 sei der Ehemann der Verfügungsklägerin als einzelvertretungsberechtigter Prokurist im Handelsregister eingetragen gewesen. Hintergrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei nicht ein kollusives Zusammenwirken verschiedener Beteiligter gewesen. Die Beendigung sei vielmehr auf Veranlassung des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin erfolgt. Am 12.04.2019 habe dieser den Ehemann der Verfügungsbeklagten angerufen und nach deren Gesundheitszustand gefragt. Die Verfügungsbeklagte sei in der Vergangenheit vielfach krank gewesen und habe sich später auch im Krankenhaus aufgehalten. Daher habe der Ehemann der Verfügungsbeklagten wahrheitsgemäß geantwortet, dass eine chronische Erkrankung bei seiner Ehefrau festgestellt worden und noch nicht absehbar sei, wie sich diese Erkrankung entwickeln werde. Zu diesem Zeitpunkt sei es ihr sehr schlecht gegangen. Daraufhin habe der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin nachgefragt, ob es nicht besser sei, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Die Verfügungsbeklagte sei deswegen schwer enttäuscht gewesen und habe das Arbeitsverhältnis gekündigt. In der Folgezeit sei es dann zum Abschluss des Aufhebungsvertrages gekommen; der Geschäftsführer selbst habe die Abmeldung der Verfügungsbeklagten zum 30.04.2019 veranlasst. Die Verfügungsbeklagte habe nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein neues Unternehmen gegründet, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Die Geschehnisse in der Folgezeit seien der Verfügungsbeklagten nicht vollumfänglich bekannt. Die Mobiltelefone der Mitarbeiter seien zur privaten Nutzung zugelassen gewesen, daher seien sie bei Rücksendung an den Arbeitgeber zurückgesetzt worden. E-Mails seien nicht beseitigt worden. Vielmehr seien E-Mail-Eingänge regelmäßig sofort nach dem Eingang den entsprechenden Projekten zugeordnet und in diese Ordner verschoben worden. Im E-Mail-Eingang hätten sich nur unbearbeitete E-Mails befunden.
22Beide Parteien haben ihre tatsächlichen Angaben durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht.
23Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen folgendes ausgeführt: Die Verfügungsklägerin könne von der Verfügungsbeklagten nicht die Unterlassung von Wettbewerb verlangen, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund des Aufhebungsvertrages vom 15.04.2019 zum 30.04.2019 geendet habe. Der Verfügungsklägerin stehe nicht das Recht zu, den Aufhebungsvertrag anzufechten oder zu widerrufen. Der Aufhebungsvertrag sei auch nicht unwirksam gemäß §§ 138, 242 BGB. Der Ehemann der Verfügungsbeklagten habe die Verfügungsklägerin bei Abschluss des Aufhebungsvertrages wirksam vertreten. Er habe nicht mit der Verfügungsbeklagten kollusiv zum Nachteil der Verfügungsklägerin zusammengewirkt oder seine Vertretungsmacht missbraucht. Der Abschluss des Aufhebungsvertrages sei nicht hinter dem Rücken der Verfügungsklägerin erfolgt, sondern mit vorheriger Zustimmung des Geschäftsführers. Selbst wenn der Ehemann der Verfügungsklägerin von der Absicht der Verfügungsbeklagten, ein Konkurrenzunternehmen zu gründen, gewusst habe, sei er nicht verpflichtet gewesen, dies der Geschäftsführung der Verfügungsklägerin mitzuteilen. Eine solche Verpflichtung sei als zu weitreichend anzusehen und trage nicht dem Umstand Rechnung, dass die Verfügungsbeklagte ein berechtigtes Interesse daran habe, sich mit ihrem Ehemann auf privater Ebene über ihren weiteren beruflichen Weg auszutauschen.
24Das Urteil des ersten Rechtszuges ist am 25.07.2019 verkündet worden. Die Verfügungsklägerin hat mit einem Schriftsatz, der am 05.08.2019 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und die Berufung zugleich begründet.
25Die Verfügungsklägerin meint, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass sich aus dem gesamten Geschehensablauf ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken zwischen der Verfügungsbeklagten und ihrem Ehemann ergebe, um zeitnah ein Konkurrenzunternehmen gründen zu können. Die Verfügungsklägerin trägt hierzu vor, schon am 10.04.2019 sei die Domain „H.world“ registriert worden, auf die das Unternehmen der Verfügungsbeklagten in seiner Geschäftskorrespondenz verweise. Die Verfügungsbeklagte sei als Sachbearbeiterin beschäftigt gewesen und aufgrund ihrer Qualifikation gar nicht in der Lage, ein Logistikunternehmen zu leiten oder auch nur die mit der Prokura versehene Handlungsvollmacht inhaltlich zu füllen. Das Unternehmen der Verfügungsbeklagten habe Kundenverträge übernommen, deren Umsatzanteil hinsichtlich der Niederlassung T etwa 50 % betrage. Sämtliche Mitarbeiter der Niederlassung, die am 27.05.2019 Kündigungen aussprachen, seien nunmehr für das Unternehmen der Verfügungsbeklagten tätig.
26Die Verfügungsklägerin beantragt,
27der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, untersagt, bis zum 31.08.2019
28a) für die Firma H GmbH & Co. KG, als Prokuristin;
29b) als Gesellschafterin der Firma H1 GmbH;
30c) als Kommanditistin der Firma H GmbH & Co. KG
31tätig zu werden
32und – wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht klargestellt hat – das erstinstanzliche Urteil insoweit abzuändern.
33Die Verfügungsbeklagte beantragt,
34die Berufung zurückzuweisen.
35Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und trägt insbesondere vor, dass ein kollusives Zusammenwirken zwischen der Verfügungsbeklagten und ihrem Ehemann zum Nachteil der Verfügungsklägerin weder feststellbar noch nachgewiesen sei. Die Verfügungsklägerin sei insoweit beweispflichtig. Es liege auch kein Verfügungsgrund vor.
36Entscheidungsgründe
37I
38Die Berufung ist zulässig.
39Die Verfügungsklägerin hat die Berufung insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
40II
41Die Berufung hat in der Sache Erfolg.
421. Die Verfügungsbeklagte ist verpflichtet, die im Antrag bezeichneten Wettbewerbshandlungen bis zum 31.08.2019 zu unterlassen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 60 Abs. 1 HGB.
43a) Die Verfügungsbeklagte ist als kaufmännische Angestellte (Sachbearbeiterin) bei der Verfügungsklägerin beschäftigt; sie ist damit Handlungsgehilfin im Sinne des § 59 HGB.
44b) Indem sie als Prokuristin und einzige Kommanditistin des Unternehmens „H GmbH & Co. KG“ und als Gesellschafterin der Komplementärgesellschaft tätig wird, verstößt sie gegen ihre Verpflichtung, im Handelszweig der Verfügungsklägerin nicht für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte zu machen.
45Bei dem bezeichneten Unternehmen handelt es sich um ein Konkurrenzunternehmen, das im gleichen Handelszweig tätig wird. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Verfügungsbeklagte hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 08.07.2019 selbst eingeräumt, dass es sich um das „gleiche Geschäftsfeld“ handelt.
46Bereits der Eintritt als Gesellschafter in die Kapitalgesellschaft einer Wettbewerberin stellt das „Betreiben eines Handelsgewerbes“ und das „Geschäftemachen“ in dem „Handelszweig des Prinzipals“ im Sinne von § 60 Abs. 1 HGB dar (LAG Köln, Urteil vom 29.04.1994 – 13 Sa 1029/93). Erst recht ist der Verfügungsklägerin als Handlungsgehilfin das Tätigwerden als Gesellschafterin, Kommanditistin oder Prokuristin einer Wettbewerberin untersagt.
47c) Die Verfügungsbeklagte hat der Unterlassungspflicht aus § 60 Abs. 1 HGB bis zum 31.08.2019 nachzukommen, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bis zu diesem Zeitpunkt besteht.
48Das Arbeitsverhältnis endet zum 31.08.2019 aufgrund der Kündigung, die die Verfügungsbeklagte am 14.04.2019 „zum nächstmöglichen Termin“ aussprach. Aufgrund der arbeitsvertraglich vereinbarten viermonatigen Kündigungsfrist kommt eine Beendigung erst zum 31.08.2019 in Betracht. Das Arbeitsverhältnis endete nicht zum 30.04.2019 aufgrund des Aufhebungsvertrages vom 15.04.2019. Der Aufhebungsvertrag verstößt gegen die guten Sitten und ist daher gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
49aa) Vereinbarungen, die ein Vertreter im Einverständnis mit dem Vertragsgegner zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil naher Angehöriger „hinter dem Rücken“ des Geschäftsherrn und zu dessen Schaden trifft, verstoßen gegen die guten Sitten (BGH, Urteil vom 17.05.1988 – VI ZR 233/87 m.w.N.). Solche Absprachen zu Lasten des Vertretenen, dessen Interessen der Vertretungsberechtigte wahrzunehmen hat, widersprechen einfachsten und grundlegenden Regeln geschäftlichen Anstandes und kaufmännischer guter Sitte.
50bb) Im Streitfall bestehen hinreichende Indizien dafür, dass die Verfügungsbeklagte bei dem Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 15.04.2019 kollusiv mit ihrem Ehemann als Vertreter der Verfügungsklägerin zu deren Nachteil zusammenwirkte.
51(1) Es ist davon auszugehen, dass die Verfügungsbeklagte bei Abschluss des Aufhebungsvertrages plante, zeitnah – noch während des Laufs der Kündigungsfrist – ein Unternehmen zu gründen, das in Konkurrenz zur Verfügungsklägerin tritt.
52Das ergibt sich aus folgenden Umständen:
53Die Domain für den Internetauftritt der H GmbH & Co. KG wurde schon am 10.04.2019 registriert. Das hat die Verfügungsklägerin unwidersprochen vorgetragen. Die Verfügungsbeklagte ist dem nicht konkret entgegengetreten und hat insbesondere keine Angaben dazu gemacht, wie und auf wessen Veranlassung es zur Registrierung der Domain kam.
54Die H GmbH & Co. KG wurde bereits mit dem notariellen Vertrag vom 07.05.2019 gegründet, also etwa drei Wochen nach dem Abschluss des Aufhebungsvertrages. Weil es im Hinblick auf den Abschluss eines notariellen Vertrages und die Gründung einer Kapitalgesellschaft stets einer gewissen Vorbereitungszeit bedarf, belegt der enge zeitliche Zusammenhang entsprechende Planungen schon bei Abschluss des Aufhebungsvertrages. Die Verfügungsbeklagte hat hierzu keinen näheren Vortrag gehalten, der dieses Indiz hätte widerlegen können. Insbesondere hat sie nicht dargetan, wann sie sich entschloss, das Unternehmen zu gründen, und wie es so schnell zur Unterzeichnung des notariellen Vertrages hatte kommen können.
55Hinzu kommt, dass die Eigenkündigung der Verfügungsbeklagten ohne nachvollziehbares Motiv erfolgte. Ihr Vortrag, sie sei „schwer enttäuscht“ davon gewesen, dass der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin angesichts ihrer Krankheitszeiten über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nachdachte, und habe deswegen selbst gekündigt, widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Es ist ganz unvernünftig, sich nur wegen der unwillkommenen Absicht der anderen Vertragspartei, das Arbeitsverhältnis zu beenden, selbst zur Beendigung des Vertragsverhältnisses zu entschließen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine konkreten Aussichten auf eine Anschlussbeschäftigung oder die Möglichkeit einer selbständigen Tätigkeit bestehen.
56(2) Es ist auch davon auszugehen, dass der Ehemann der Verfügungsbeklagten wusste, dass sie zeitnah eine Konkurrenztätigkeit zur Verfügungsklägerin zu entfalten beabsichtigte.
57Dass die Gründung einer GmbH durch einen Ehepartner ohne vorherige Absprache der Eheleute erfolgt, widerspräche aller Lebenserfahrung und wäre ganz ungewöhnlich. Zwar sind beide Ehegatten berechtigt, (auch selbständig) erwerbstätig zu sein. Bei der Wahl und Ausübung einer Erwerbstätigkeit haben sie jedoch auf die Belange des anderen Ehegatten und der Familie die gebotene Rücksicht zu nehmen (§ 1356 Abs. 2 S. 2 BGB). Das setzt im Regelfall – zumal, wenn mit der Gründung einer Kapitalgesellschaft ein finanzielles Risiko eingegangen wird – voraus, dass sich die Ehepartner zuvor miteinander abstimmen. Die Verfügungsbeklagte hat hierzu nichts Näheres vorgebracht. Sie hat insbesondere nicht angegeben, die Planungen zur Gründung des Unternehmens und den Abschluss des notariellen Vertrages vor ihrem Ehemann verheimlicht zu haben.
58Hinzu kommt, dass die Verfügungsbeklagte als Sachbearbeiterin für die Verfügungsklägerin tätig war und nicht ersichtlich ist, dass sie bereits zuvor ein Unternehmen führte oder auch nur selbständig tätig war. Das legt, wie die Verfügungsklägerin zu Recht vorträgt, die Annahme nahe, dass ihr die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse für eine Unternehmensgründung fehlen. Die Verfügungsbeklagte hat keinen Vortrag dazu gehalten, wie sie solche Kenntnisse und Fähigkeiten erwarb. Sie hat auch nichts dazu vorgebracht, welche andere Person – außer ihrem Ehemann – ihr bei der Führung eines Unternehmens hätte zur Seite stehen können. War die Verfügungsbeklagte aber auf die Unterstützung durch ihren Ehemann angewiesen, so hatte sie ihn denknotwendig in ihre Planungen einzuweihen.
59(3) Schließlich ist davon auszugehen, dass der Ehemann der Verfügungsbeklagten ihre Konkurrenztätigkeit hatte begünstigen wollen.
60Das ergibt sich daraus, dass für ihn im Unternehmen H GmbH & Co. KG ein E-Mail-Account eingerichtet war. Die Verfügungsklägerin hat in der Berufungsbegründung vorgetragen, im Unternehmen der Verfügungsbeklagten sei für ihren Ehemann ein E-Mail-Account mit der Adresse I@H.world eingerichtet gewesen; diese Mail-Adresse sei aktiv. Das ist unstreitig. Die Verfügungsbeklagte ist dem nicht entgegengetreten. Sie hat insbesondere nicht näher dargelegt, zu welchem Zweck dieser E-Mail-Account eingerichtet wurde und wer ihn nutzte.
61Der Ehemann der Verfügungsbeklagten schloss zudem Aufhebungsverträge mit den Mitarbeitern T1 und C ab, die unmittelbar nach Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse für die H GmbH & Co. KG tätig wurden. Auch das ist zwischen den Parteien unstreitig.
62Der Ehemann der Verfügungsklägerin kümmerte sich als verantwortlicher Niederlassungsleiter der Verfügungsklägerin nicht darum, dass zwei wichtige Verträge mit Kunden verlängert wurden. Er ließ diese Verträge vielmehr, wie die Verfügungsklägerin unwidersprochen vorgetragen hat, auslaufen. Es spricht alles dafür, dass dies erfolgte, um der H GmbH die Möglichkeit zu geben (wie es tatsächlich ja auch geschah), diese Verträge anstelle der Verfügungsklägerin fortzuführen. Diese Umstände sind ebenfalls zwischen den Parteien unstreitig. Die Verfügungsbeklagte ist dem Vorbringen der Verfügungsklägerin nicht konkret entgegengetreten.
63Schließlich entwarf der Ehemann der Verfügungsbeklagten den Aufhebungsvertrag vom 15.04.2019 und holte die Zustimmung des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin zum Abschluss dieses Vertrages ein. Das ist wiederum unstreitig. Die im Aufhebungsvertrag vorgesehene Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2019 hätte es – wenn der Aufhebungsvertrag wirksam wäre – der Verfügungsbeklagten ermöglicht, zeitnah eine Konkurrenztätigkeit zu entfalten.
64(4) Der Ehemann der Verfügungsbeklagten hat – für die Verfügungsbeklagte erkennbar – seine arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber der Verfügungsklägerin in erheblicher Weise verletzt, indem er beim Zustandekommen des Aufhebungsvertrages mitwirkte.
65Als Niederlassungsleiter traf den Ehemann der Verfügungsbeklagten die arbeitsvertragliche Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB), die Vermögensinteressen der Verfügungs-
66klägerin zu wahren und sie vor Schaden zu schützen. Dass es den berechtigten Interessen der Verfügungsklägerin zuwider läuft, das Arbeitsverhältnis zur Verfügungsbeklagten vorzeitig zu beenden, damit diese umso eher Konkurrenztätigkeiten entfalten kann, liegt auf der Hand. Dieser Erkenntnis durfte sich weder die Verfügungsbeklagte noch ihr Ehemann verschließen. Dem Ehemann der Verfügungsbeklagten hätte es oblegen, die Verfügungsklägerin über etwaige Absichten eines abkehrwilligen Arbeitnehmers, ein Konkurrenzunternehmen zu gründen, zu unterrichten. Es kann offenbleiben, ob diese Unterrichtungspflicht ausnahmsweise dann nicht besteht, wenn es sich bei dem abkehrwilligen Arbeitnehmer um den Ehepartner handelt. Jedenfalls durfte der Ehemann der Verfügungsbeklagten in keiner Weise am Zustandekommen des Aufhebungsvertrages mitwirken und unter Ausnutzung des Vertrauens in seine Redlichkeit als „Vermittler“ zwischen dem Geschäftsführer der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten die Zustimmung zum Aufhebungsvertrag erschleichen.
67cc) Der Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB steht nicht entgegen, dass der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin Kenntnis vom Abschluss des Vertrages hatte und ihm zuvor zustimmte.
68Das folgt schon daraus, dass der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin die erforderliche Willenserklärung zum Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht abgab. Der Aufhebungsvertrag bedarf gemäß § 623 BGB der Schriftform. Eine schriftliche Erklärung gab nur der Ehemann der Verfügungsbeklagten ab.
69Hinzu kommt, dass der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin dem Aufhebungsvertrag nur deshalb zustimmte, weil er nicht wusste, dass die Verfügungsbeklagte nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zeitnah ein Konkurrenzunternehmen zu gründen beabsichtigte. Hätte er diese Kenntnis besessen, so wäre – wie die Verfügungsklägerin unwidersprochen vorgetragen hat und vernünftigerweise anzunehmen ist – die Zustimmung zum Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht erteilt worden.
70Die Unkenntnis des Geschäftsführers beruhte darauf, dass der Ehemann der Verfügungsbeklagten seine Pflichten als Niederlassungsleiter gegenüber der Verfügungsklägerin verletzte. Er hätte die Verfügungsklägerin über die Absichten der Verfügungsbeklagten, von denen er nach den vorliegenden Indizien Kenntnis hatte, informieren müssen und hätte sich jedenfalls jeglicher Mitwirkung am Zustandekommen des Aufhebungsvertrages enthalten müssen. Weil er faktisch als Mittler zwischen der Verfügungsbeklagten und der Verfügungsklägerin fungierte und unstreitig den Aufhebungsvertrag entworfen und dem Geschäftsführer der Verfügungsklägerin zugeleitet hatte, durfte dieser davon ausgehen, dass der Abschluss des Vertrages und die Verkürzung der Kündigungsfrist nicht mit wettbewerblichen Nachteilen für die Verfügungsklägerin verbunden ist. Das Verhalten ihres Ehemannes muss die Verfügungsbeklagte sich entsprechend § 123 Abs. 2 S. 1 BGB zurechnen lassen. Zwar kann zugunsten der Verfügungsbeklagten angenommen werden, dass sie, falls die Verhandlungen über den Abschluss des Aufhebungsvertrages direkt zwischen ihr und dem Geschäftsführer der Verfügungsklägerin stattgefunden hätten, nicht verpflichtet gewesen wäre, die beabsichtigte zeitnahe Gründung eines Konkurrenzunternehmens zu offenbaren. Da sie aber mit ihrem Ehemann kollusiv zusammenwirkte und ihn als Mittler tätig werden ließ, um zu bewirken, dass der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin die Zustimmung zum Aufhebungsvertrag erteilt, muss sie sich vorhalten lassen, dass sie das Vertrauen des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin in die redliche Pflichterfüllung ihres Ehemannes und dessen Unkenntnis über ihre Planungen arglistig ausgenutzt hat.
712. Der erforderliche Verfügungsgrund liegt vor.
72Der Erlass der einstweiligen Verfügung ist notwendig, um zu verhindern, dass die Verwirklichung des Rechts der Verfügungsklägerin, von der Verfügungsbeklagten Unterlassung von Wettbewerb zu verlangen, vereitelt wird (§ 935 ZPO) und um wesentliche Nachteile für sie abzuwenden (§ 940 ZPO). Durch ihre unternehmerische Wettbewerbstätigkeit verletzt die Verfügungsbeklagte ihre arbeitsvertraglichen Pflichten und beeinträchtigt die berechtigten Interessen der Verfügungsklägerin in nicht hinnehmbarer Weise. Aufgrund des Zeitablaufs ist effektiver Rechtsschutz für die Verfügungsklägerin im regulären Verfahren nicht zu erreichen. Die Verfügungsklägerin muss sich nicht vorhalten lassen, die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit selbst herbeigeführt zu haben, indem sie, nachdem die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 08.06.2019 zur Wiederaufnahme ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit aufgefordert wurde, bis zum 01.07.2019 zuwartete, um die begehrte einstweilige Verfügung zu beantragen. Denn der Erlass einer einstweiligen Verfügung wäre auch dann notwendig gewesen, wenn die Verfügungsklägerin gleich nach dem Aufforderungsschreiben vom 08.06.2019 um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht hätte. Im Hauptsacheverfahren wäre die begehrte Unterlassung von Wettbewerb bis zum 31.08.2019 nicht durchsetzbar gewesen.
733. Die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 Abs. 1 ZPO. Sie kann, wie sich mittelbar aus § 890 Abs. 2 ZPO ergibt, bereits im Urteil erfolgen.
74III
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Verfügungsbeklagte unterlag im Rechtsstreit und hat die Kosten zu tragen. Die Revision ist nicht zulässig (§ 72 Abs. 4 ArbGG).