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Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 23.07.2019 – 1 Ga 5/19 – abgeändert.
Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, die am 06.05.2019 ausgeschriebene Stelle als Fachbereichsleitung für den Fachbereich 50/Soziales (APL-Nr.: 050/001; APL-Bew: A 13 gD; Nr.: 1/2019) vorläufig nicht zu besetzen, bis über die Bewerbung der Verfügungsklägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden ist; spätestens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsacheklage.
Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zulässig.
Tatbestand
2Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf einstweilige Untersagung einer anderweitigen Stellenbesetzung in Anspruch.
3Die Verfügungsklägerin ist seit dem 25.04.1995 bei der Verfügungsbeklagten beschäftigt. Bei der Verfügungsbeklagten gibt es fünf Fachbereiche, denen jeweils ein Fachbereichsleiter vorsteht. Fachbereichsleiter des Fachbereichs Soziales ist seit mehreren Jahren T. Die Verfügungsklägerin ist seit vielen Jahren dem Fachbereich Soziales zugewiesen. Von 2005 bis 2009 sowie von 2011 bis 2016 war sie stellvertretende Fachbereichsleiterin. Im Jahr 2016 wurde der Verfügungsklägerin die Funktion als stellvertretende Fachbereichsleiterin entzogen, nachdem es zu Schwierigkeiten im Bereich der Personalführung gekommen war. Seitdem ist die Verfügungsklägerin weiterhin im Fachbereich Soziales, nun allerdings dort im Bereich Jobcenter / Arbeitgebervermittlung eingesetzt. Sie ist in die Entgeltgruppe 10 eingruppiert und erhält eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von ca. 4.870,- €.
4Am 06.05.2019 wurde bei der Verfügungsbeklagten die Stelle der Fachbereichsleitung im Fachbereich Soziales ausgeschrieben (Anlage K 2, Bl. 35 GA). Auf diese Stelle bewarben sich neben der Verfügungsklägerin die interne Bewerberin Frau R sowie zwei externe Bewerber, Frau C und Herr H. Am 13.06.2019 wurden mit den vier Bewerberinnen und Bewerbern jeweils etwa halbstündige Vorstellungsgespräche geführt. Auf Seiten der Verfügungsbeklagten nahmen der Bürgermeister X, sein Allgemeiner Vertreter Z, der aktuelle Stelleninhaber T, der stellvertretende Vorsitzende des Personalrats S, die Gleichstellungsbeauftragte U sowie der Personalreferent I teil. Die Gespräche erfolgten jeweils nach dem gleichen Muster. Die Bewerberinnen und der Bewerber stellten sich zunächst vor. Sodann wurden die bisherigen beruflichen Tätigkeiten erörtert. Die Bewerberinnen und der Bewerber wurden zu Stärken und Schwächen befragt. Sodann wurden die Führungserfahrung abgefragt und die Vorstellungen zu Mitarbeiterführung und Mitarbeitermotivation. Bei den internen Bewerberinnen wurde zudem abgefragt, in welchen Bereichen man meine, dass sich der Fachbereich weiter entwickeln könne. Der Inhalt der Gespräche wurde stichpunktartig protokolliert (Anlage Nr. 2, Bl. 91 ff. GA). Im Nachgang der Vorstellungsgespräche zog Herr H seine Bewerbung zurück. Die Verfügungsbeklagte entschloss sich zunächst, die Stelle der externen Bewerberin C zuzuweisen. Diese lehnte die angebotene Stelle ab. Sodann entschloss sich die Verfügungsbeklagte, die Stelle der internen Bewerberin R zuzuweisen. Am 01.07.2019 teilte die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin durch Herrn Z mit, dass man sich für eine andere Bewerberin entschieden habe. Man habe sich mit der Entscheidung schwer getan, da alle Bewerberinnen und Bewerber sehr eng beieinander gelegen hätten. Auch bestünden an der fachlichen Qualifikation der Verfügungsklägerin keine Zweifel. Herr Z bot der Verfügungsklägerin weitere Gespräche an, welche allerdings an der Entscheidung als solches nichts ändern würden. Dieses Gesprächsangebot nahm die Verfügungsklägerin nicht an. Mit ihrem am 12.07.2019 bei Gericht eingegangen Antrag begehrt die Verfügungsklägerin, die ausgeschriebene Stelle bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nicht anderweitig zu besetzen.
5Die Klage zur Hauptsache ist unter dem Aktenzeichen Arbeitsgericht Arnsberg 1 Ca 480/19 erhoben.
6Die Verfügungsklägerin hat die Ansicht vertreten, ein Verfügungsanspruch sei gegeben. Die ausgeschriebene Stelle sei ihr nach dem Prinzip der Bestenauslese zuzuweisen. Sie habe den Fachbereich über mehrere Jahre geleitet. Sie habe Personalkompetenz gehabt. Die Verfügungsklägerin hat auf eine Arbeitsplatzbeschreibung vom 18.11.2010 verwiesen (Bl. 40 ff. GA) sowie auf ein Schreiben vom 02.11.2019 (Bl. 96 GA). Für den Entzug der stellvertretenden Fachbereichsleitung im Jahr 2016 sei die Führungsschwäche des Fachbereichsleiters mitursächlich gewesen. Dieser habe keine Entscheidungen getroffen, dann aber gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommuniziert, dass sie – die Verfügungsklägerin – die Entscheidungen getroffen habe. Hierdurch sei eine schwierige Situation entstanden. Es bestehe auch ein Verfügungsgrund. Es bedürfe einer einstweiligen Verfügung, um zu verhindern, dass die Stelle vor einer Entscheidung in der Hauptsache besetzt werde.
7Die Verfügungsklägerin hat beantragt:
8Der Verfügungsbeklagten wird zur Vermeidung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Ordnungsgeldes untersagt, die mit der APL-Nr.: 050/01; APL-Bew: A 13 gD; Nr.: 1/2019 am 06.05.2019 ausgeschriebene Stelle als Fachbereichsleitung für den Fachbereich 50 – Soziales vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit einem anderen Bewerber als der Verfügungsklägerin zu besetzen.
9Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
10den Antrag abzuweisen.
11Die Verfügungsbeklagte hat die Ansicht vertreten, es bestehe schon kein Verfügungsgrund. Die Verfügungsklägerin habe nach der ablehnenden Auswahlentscheidung sie, die Verfügungsbeklagte, nicht einmal aufgefordert, die Gründe für die Auswahlentscheidung mitzuteilen. Zudem bestehe auch kein Verfügungsanspruch. Sie, die Verfügungsbeklagte, habe ihre Entscheidung nach dem Grundsatz der Bestenauslese getroffen. Nach den Ergebnissen der Auswahlgespräche sei die Bewerberin R insgesamt besser geeignet als die Verfügungsklägerin. Dabei seien beide Bewerberinnen von der fachlichen Qualifikation für die ausgeschriebene Stelle geeignet. Frau R sei seit 1989 bei der Verfügungsbeklagten beschäftigt und verfüge wie die Verfügungsklägerin über die Qualifikation als Verwaltungsfachangestellte und Verwaltungswirtin. Frau R habe in verschiedenen Abteilungen gearbeitet und viele unterschiedliche Erfahrungen sammeln können. U.a. sei sie bis zum Jahr 2018 auch langjährig im Fachbereich Soziales tätig gewesen. Frau R sei nach der Einschätzung der Auswahlkommission von ihrer Person und den persönlichen Kompetenzen her besser für die zu besetzende Stelle geeignet. Frau R habe in der Vergangenheit gezeigt, dass sie eine zuverlässige, belastbare, stressresistente, kompromissbereite und loyale Beschäftigte sei. Ihre Umgangsformen, ihre Kooperationsbereitschaft sowie ihre Verantwortungsbereitschaft seien deutlich ausgeprägt. Damit entspreche sie dem Anforderungsprofil der Stellenausschreibung, welche eine ausgeprägte Sozialkompetenz sowie einen kooperativen Führungsstil voraussetze. Dagegen habe die Verfügungsklägerin im persönlichen Anforderungsbereich, insbesondere zu den Punkten Kompromissbereitschaft, Teamfähigkeit, Kooperationsfähigkeit und Vorbildfunktion, Defizite. Auch im Vorstellungstermin habe die Verfügungsklägerin erklärt, dass sie „meine Ziele“ durchsetzen wolle. Der Verfügungsklägerin sei im Jahr 2016 das Amt der stellvertretenden Fachbereichsleiterin entzogen worden sei, weil es seinerzeit Schwierigkeiten im Bereich der Personalführung gegeben habe.
12Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 23.07.2019 zurückgewiesen. Die Verfügungsklägerin habe einen Verfügungsanspruch nicht darlegen können. Es seien keine formellen Fehler im Auswahlverfahren ersichtlich. Die Auswahlkommission sei mit der Hinzuziehung von sechs Personen quantitativ groß und qualitativ hochkarätig besetzt gewesen. Unter Berücksichtigung des dem Arbeitgeber einzuräumenden Auswahlermessens und des ihm zuzubilligenden Entscheidungsspielraums sei die Auswahlentscheidung nicht zu beanstanden. Vertretbar sei die Auswahlkommission von einer gleich guten fachlichen Eignung der Verfügungsklägerin und der Bewerberin R ausgegangen. Unter Berücksichtigung der seinerzeitigen Schwierigkeiten bei der Personalführung in 2016 und unter Berücksichtigung von Äußerungen der Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung am 23.07.2019 sei es nicht zu beanstanden, dass die Kommission Frau R eine größere persönliche Eignung zugebilligt habe.
13Das Urteil ist der Verfügungsklägerin am 26.07.2019 zugestellt worden. Die Verfügungsklägerin hat am 20.08.2019 Berufung eingelegt und die Berufung zugleich begründet.
14Die Verfügungsklägerin wendet ein, entgegen der vom Arbeitsgericht geäußerten Zweifel bestehe ein Verfügungsgrund. Es gereiche ihr, der Verfügungsklägerin, nicht zum Nachteil, wenn die Verfügungsbeklagte ihre ablehnende Entscheidung nicht in der gebotenen Weise begründet habe. Es bestehe auch ein Verfügungsanspruch. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht angenommen, es seien keine formellen Fehler des Auswahlverfahrens ersichtlich. Entgegen § 9 Abs. 2 LGG NW sei die Auswahlkommission nicht zur Hälfte mit Frauen besetzt gewesen sondern mit fünf männlichen und nur einem weiblichen Mitglied. Aus diesem Fehler resultiere ein Anspruch auf eine neue fehlerfreie Durchführung des Auswahlverfahrens (LAG Hamm 11 Sa 1023/16). Des Weiteren habe die Verfügungsbeklagte der ihr obliegenden Dokumentationspflicht nicht genügt. Es fehle eine zureichende schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen. Eine solche Dokumentation könne nicht im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden (weitere Einzelheiten: S. 5, 6 Berufungsbegründung, Bl. 117, 118 GA). Nicht berechtigt sei es, dass das Arbeitsgericht zu ihrem Nachteil ausgeführt habe, sie habe im Verfahren „unverblümt“ ihrem Vorgesetzten Führungsschwäche zugesprochen. Sie habe insoweit lediglich auf tatsächliche Geschehensverläufe in der Vergangenheit hingewiesen. Schließlich falle auf, dass sich in den Unterlagen keine Leistungsbeurteilungen der Bewerberinnen und Bewerber fänden. Bestritten werde eine ordnungsgemäße Information des Personalrats und der Gleichstellungsbeauftragten.
15Die Verfügungsklägerin beantragt,
16das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 23.07.2019 , 1 Ga 5/19, abzuändern und der Verfügungsbeklagten aufzugeben, die am 06.05.2019 ausgeschriebene Stelle als Fachbereichsleitung für den Fachbereich 50/Soziales (APL-Nr.: 050/001; APL-Bew: A 13 gD; Nr.: 1/2019) vorläufig nicht zu besetzen, bis über die Bewerbung der Verfügungsklägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden ist; spätestens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsacheklage.
17Die Verfügungsbeklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Die Verfügungsbeklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Formelle Fehler seien im Verfahren erster Instanz weder von der Verfügungsklägerin gerügt worden noch vom Arbeitsgericht festgestellt worden. Zu Recht habe das Arbeitsgericht auch aufgrund seines eigenen Eindrucks eine bessere Eignung der Verfügungsklägerin verneint. Die von der Verfügungsklägerin zitierte Entscheidung des LAG Hamm sei ihr, der Verfügungsbeklagten, nicht bekannt gewesen. Die Entscheidung sei vereinzelt geblieben, eine höchstrichterliche Klärung der Rechtsfrage stehe aus. Sie habe die Auswahlkommission nicht paritätisch besetzen können. Es sei angemessen, dass neben dem Bürgermeister X der Fachbereichsleiter Personal Z und der derzeitige Fachbereichsleiter T der Kommission angehört hätten (weitere Einzelheiten: S. 2, 3 Berufungsbeantwortung, Bl. 137, 138 GA). Eine Benachteiligung einer Frau sei nicht gegeben, denn die Kommission habe sich für eine Besetzung der Stelle mit einer Frau entschieden. Der Einwand unzureichender Dokumentation sei nicht begründet. Alle Unterlagen seien im Verfahren komplett vorgelegt worden. Dass die Verfügungsklägerin das erstinstanzliche Gericht der Lüge durch eine unwahre Wiedergabe ihrer Äußerungen bezichtige, spreche für sich.
20Der Sach- und Streitstand ist entsprechend § 313 Abs. 2 ZPO in seinem wesentlichen Inhalt dargestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Vorbringen der Parteien in den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie auf die gerichtlichen Sitzungsprotokolle verwiesen.
21Entscheidungsgründe
22Die Berufung der Verfügungsklägerin ist nach §§ 8 Abs.2, 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG statthaft und zulässig. Die Berufung ist form- und fristgerecht entsprechend den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
23Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Das nach der Stellenausschreibung durchgeführte Auswahlverfahren ist rechtlich fehlerhaft abgelaufen. Die Verfügungsklägerin kann deshalb beanspruchen, dass die Besetzung der Stelle mit der konkurrierenden Bewerberin unterbleibt, bis in rechtlich fehlerfreier Weise über ihre Stellenbewerbung entschieden worden ist.
24I.
25Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Jede Bewerbung muss nach diesen Kriterien beurteilt werden. Die Geltung des Grundsatzes der Bestenauslese wird durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Das dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Öffentliche Ämter iSv. Art. 33 Abs. 2 GG sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die von Arbeitnehmern besetzt werden können. Verfassungsrechtlich ist ebenso der Zugang zu Beförderungsämtern geschützt. Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst steht nach Art. 33 Abs. 2 GG bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes ein Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Daraus folgt angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren (BAG 12.12.2017 – 9 AZR 152/17 – AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 79).
26Zur Realisierung des Bewerbungsverfahrensanspruch kann die unterlegene Bewerberin auch den Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 935, 940 ZPO beantragen. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann geboten sein, um einer endgültigen anderweitigen Stellenbesetzung vorläufig entgegenzuwirken (BVerfG 09.07.2007 – 2 BvR 206/07 – BVerfGK 11, 398 = ZTR 2007,707; BAG 24.03.2009 – 9 AZR 277/08 – AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 70 Rn. 37 – 41; NK-GA-von Roetteken, 1. Aufl. 2016, Art. 33 GG Rn. 103). Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen eine (unveränderte) Fortführung des Bewerbungsverfahrens ist stattzugeben, wenn das Bewerbungsverfahren rechtlich fehlerhaft durchgeführt worden ist und bei Vermeidung des Fehlers eine Besetzung der Stelle mit der Rechtsschutz begehrenden unterlegenen Bewerberin möglich erscheint (BVerfG 25.11.2015 – 2 BvR 1461/15 – NJW 2016, 309; BVerfG 09.07.2007 – 2 BvR 206/07 – BVerfGK 11, 398 = ZTR 2007,707; Groeger-Hauck-Scholz, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 2014, Teil 2 Rn. 162 ff, insb. 171 = S. 166 – 168).
27Bei der rechtlichen Überprüfung einer Auswahlentscheidung nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG ist die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu beachten. Für die unterlegene Bewerberin muss die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes vor den staatlichen Gerichten gesichert sein. Das erfordert, dass der öffentliche Arbeitgeber das Auswahlerfahren in einer Weise dokumentiert, die eine anschließende gerichtliche Prüfung möglich macht (BVerfG 09.07.2007 – 2 BvR 206/07 – BVerfGK 11, 398 = ZTR 2007,707; Groeger-Hauck-Scholz, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 2014, Teil 2 Rn. 64 = S. 127, 128).
28II.
29Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Verfügungsklägerin sind im hier zu entscheidenden Fall erfüllt.
301. Der für den Erlass einer Entscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben. Mit der Bekanntgabe der anderweitigen Auswahlentscheidung durch die verfügungsbeklagte Stadt am 01.07.2019 musste die Verfügungsklägerin damit rechnen, dass die Verfügungsbeklagte die ausgeschriebene Stelle - ohne eine vorläufige Untersagung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes – alsbald anderweitig besetzen werde. Angesichts dessen besteht für den Antrag vom 09.07.2017 – bei Gericht eingegangen am 12.07.2017 – der nötige Verfügungsgrund (vgl. NK-GA-von Roetteken, 1. Aufl. 2016, Art. 33 GG Rn. 10105, 101). Mit der Antragseinreichung am 12.07.2019 hat die Verfügungsklägerin die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit der gebotenen Zügigkeit beantragt.
312. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist begründet.
32a) Aus den zutreffend von der Verfügungsklägerin aufgezeigten Gründen ist das im Juni/Juli 2019 durchgeführte Auswahlverfahren rechtlich zu beanstanden:
33- Die Verfügungsbeklagte hat das Kriterium der fachlichen Leistung nicht zureichend berücksichtigt; sie hat der Bestenauslese zwischen der Verfügungsklägerin und der internen Bewerberin R weder dienstliche Beurteilungen noch sonstige zusammengefasste Aussagen zur bisherigen Leistung der Konkurrentinnen innerhalb ihrer jeweils langjährig bestehenden Arbeitsverhältnisse zugrunde gelegt (aa).
34- Die Verfügungsbeklagte hat ihre Auswahlerwägungen zugunsten der Bewerberin R nicht in der gebotenen Weise schriftlich dokumentiert (bb).
35- Die Zusammensetzung der Auswahlkommission verstößt gegen die gesetzliche Vorgabe in § 9 Abs. 2 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern für das Land Nordrhein-Westfalen (LGG NW) (cc).
36aa) Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat der öffentliche Arbeitgeber als Kriterium der Auswahlentscheidung neben den Gesichtspunkten der Eignung und Befähigung die fachliche Leistung der Bewerberinnen und Bewerber zu berücksichtigen. Der Begriff der fachlichen Leistung beinhaltet die berufliche Erfahrung, die Bewährung in der jeweiligen Berufssparte und das fachliche Wissen und das fachliche Können. Das Kriterium der fachlichen Eignung zielt auf die Arbeitsergebnisse des Beamten / Tarifbeschäftigten bei Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben ab (Groeger-Hauck-Scholz, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 2014, Teil 2 Rn. 23 = s. 105; MD-Badura, GG, Art. 33 GG Rn. 31 [Dez. 2014]). Die fachliche Leistung ist damit vergangenheitsorientiert; sie sagt etwas aus über die praktische Bewährung und die Brauchbarkeit der bisherigen Arbeitsergebnisse im Hinblick auf die jeweils gestellten dienstlichen Anforderungen (v. Roetteken/Rothländer-v. Roetteken, Beamtenstatusgesetz, § 9 BeamtStG Rn. 311 [Aug. 2016]). Allerdings ist anerkannt, dass der Dienstherr, wenn er nicht auf dienstliche Beurteilungen oder sonstige eigene Einschätzungen zurückgreifen kann, sich auch durch ein Vorstellungsgespräch ein Bild über die persönliche Eignung des Bewerbers machen kann (BVerfG 27.05.2013 – 2 BvR 462/13 – IÖD 2013,182 – Rn. 16 in der Einstellungssituation einer externen Bewerberin für eine Einstellung in den Schuldienst). Bei einer Konkurrenz mehrerer interner Bewerber um einen Beförderungsposten ist der aktuelle Leistungsvergleich indes regelmäßig anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen, welche eine umfassende Kenntnis der für die Bewertung maßgeblichen Tatsachen voraussetzen und die dienstliche Tätigkeit im maßgeblichen Beurteilungszeitraum auf der Grundlage zuverlässiger Erkenntnisquellen vollständig erfassen (BVerwG 04.11.2010 – 2 C 16/09 – BVerwGE 138,102 Rn. 46, 47). Der für die Beurteilung Zuständige muss dabei in der Lage gewesen sein, sich ein eigenes vollständiges Bild von den Leistungen eines Bewerbers zu machen, ggf. ist er darauf angewiesen, sich fehlende Kenntnisse von anderen sachkundigen Personen zu beschaffen (Beurteilungsbeiträge) (BVerwG aaO Rn. 47). Zwar liegt es im Ermessen des Dienstherrn / öffentlichen Arbeitgebers, welche Verfahrensausgestaltung er der Qualifikationsbeurteilung gibt. Da sich Umfang und Qualität fachlicher Leistungen in einem bestehenden Dienstverhältnis jedoch vorrangig nur anhand der konkreten Erfahrungen mit einem Beamten oder Tarifbeschäftigten beurteilen lassen, dürfen diese Erfahrungen und die daraus resultierenden Ergebnisse nicht durch andere Elemente eines Ausleseverfahrens in den Hintergrund gedrängt werden (v. Roetteken/Rothländer - v. Roetteken, Beamtenstatusgesetz, § 9 BeamtStG Rn. 317 [Aug. 2016]). Hier hat die Verfügungsbeklagte entgegen der Vorgabe des Art. 33 Abs. 2 GG das Kriterium der fachlichen Leistungen nicht hinreichend berücksichtigt. Die Verfügungsbeklagte hat sich bei ihrer Auswahlentscheidung keine umfassende Kenntnis über die fachlichen Leistungen in den zurückliegenden Jahren des Arbeitsverhältnisses der Verfügungsklägerin einerseits und der internen Konkurrentin R andererseits verschafft. Sie hat weder dienstliche Beurteilungen herangezogen noch sonstige dokumentierte Aussagen über die Gesamtheit der in der Vergangenheit gezeigten Leistungen genutzt. Die in den vorgelegten Dokumenten angesprochenen Gesichtspunkte geben keinen umfassenden Aufschluss über das Leistungsbild der Bewerberinnen in den aktuell zurückliegenden Jahren vor der Bewerbung (vgl. die insoweit unzureichenden Auflistungen in der „Anl. Nr. 1“, Bl. 90 GA).
37bb) Die Auswahlerwägungen zugunsten der internen Bewerberin R sind nicht in der gebotenen Weise schriftlich dokumentiert worden. Nach der Rechtsprechung sind die entscheidenden Auswahlerwägungen schriftlich zu dokumentieren, damit die Auswahlentscheidung durch die Gerichte nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG überprüft werden kann (s.o.). Die von der Verfügungsklägerin zur Gerichtsakte gereichten Unterlagen genügen diesen Anforderungen nicht - weder die Anl. Nr. 1 [tabellarische Aufstellung der Bewerberinnen und des Bewerbers], Bl. 90 GA, noch die vier Blatt „Bewerberübersicht für Vorstellungsgespräche – Fachbereichsleitung 50 – Soziales“ für die jeweiligen Bewerberinnen und den Bewerber mit handschriftlichen Notizen, Anl. Nr. 2, Bl. 91 – 94 GA - . Eine aussagekräftige – und justitiable - Abwägung von positiven und negativen Gesichtspunkten unter Darstellung eines Gedankenganges, der zu einer Bestenauslese zugunsten von Frau R führt, ist diesen Unterlagen nicht zu entnehmen.
38cc) Die Auswahl ist schließlich deshalb rechtlich zu beanstanden, weil die Besetzung der Auswahlkommission nicht den Vorgaben des LGG NW entsprochen hat (dazu: LAG Hamm 01.06.2017 – 11 Sa 1023/16 – NZA-RR 2017, 622 [rechtskräftig, nachdem die zugelassene und eingelegte Revision zurückgenommen worden ist]). Das Landesgleichstellungsgesetz gilt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 LGG NW u.a. für die Verwaltungen der Gemeinden und Gemeindeverbände in Nordrhein-Westfalen und damit auch für die verfügungsbeklagte Stadt. Da innerhalb des streitgegenständlichen Bewerbungsverfahrens am 13.06.2019 Auswahlgespräche mit den Bewerberinnen und Bewerbern vor einer Kommission stattgefunden haben, ist bei der Anwendung des Art. 33 Abs. 2 GG die Regelung des § 9 Abs. 2 LGG NRW zu berücksichtigen. Nach Satz 1 dieser Bestimmung sollen Auswahlkommissionen zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. Ist dies aus zwingenden Gründen nicht möglich, so § 9 Abs. 2 Satz 2 LGG NW, sind die Gründe aktenkundig zu machen. Ungeachtet der Verwendung des Wortes „sollen“, handelt es sich um eine zwingende Regelung (Burkholz, Landesgleichstellungsgesetz NRW, 2007, § 9 LGG NRW Rn. 12; ebenso VG Frankfurt 10.01.2008 – 9 G 3464/07 – PersR 2008, 278 Rn. 20, 21 [zur entsprechenden Regelung in § 12 Hessisches Gleichstellungsgesetz – HGlG]). Auswahlkommissionen sind Gremien, die für den Dienstherrn oder Arbeitgeber Entscheidungen über die Besetzung von Stellen treffen oder jedenfalls maßgebend vorbereiten, also z.B. die Qualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber vergleichend abwägen, ein Vorstellungsgespräch durchführen oder einen Auswahlvorschlag vorbereiten (Burkholz, aaO, § 9 LGG NRW Rn. 10; v. Roetteken, BGleiG, 59. Aktualisierung April 2017, § 7 BGleiG Rn. 158 [Wortlaut § 7 Abs. 3 BBleiG: „Auswahlkommissionen sollen geschlechtsparitätisch besetzt sein. Ist eine paritätische Besetzung aus triftigen Gründen nicht möglich sind die jeweiligen Gründe aktenkundig zu machen.“]). Der Vorschrift des § 9 Abs. 2 LGG NRW liegt das Ziel zugrunde, bei der Bewertung der Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber den Vorstellungen auch von Angehörigen des weiblichen Geschlechts gleichgewichtig Rechnung zu tragen, zugleich soll die Akzeptanz von Besetzungsentscheidungen verbessert werden (Burkholz, aaO, § 9 LGG NRW Rn. 11; v. Roetteken, aaO, § 7 BGleiStG Rn. 165 – 167; VG Frankfurt 10.01.2008 – 9 G 3464/07 – PersR 2008, 278 Rn. 7 [zu § 12 HGlG]). Bevor von der gesetzlichen Vorgabe „aus zwingenden Gründen“ abgewichen wird, ist zu prüfen, ob die Parität der Frauen durch eine Verkleinerung der Kommission oder die Hinzuziehung weiterer Beschäftigter hergestellt werden kann (Burkholz, aaO, § 9 LGG NRW Rn. 13; v. Roetteken, aaO, § 7 BGleiG Rn. 181). Ein Verstoß gegen die Verfahrensvorgabe des § 9 Abs. 2 LGG NRW verletzt eine abgelehnte Bewerberin in ihrer verfassungsrechtlich geschützten Position aus Art. 33 Abs. 2, Art. 3 Abs. 2 GG und damit in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch und begründet einen Anspruch der abgelehnten Bewerberin auf eine neue fehlerfreie Durchführung des Auswahlverfahrens (LAG Hamm aaO; VG Frankfurt 26.02.2008 – 9 G 3556/07 – Rn. 21; VG Frankfurt 10.01.2008 – 9 G 3464/07 – PersR 2008, 278 Rn. 8 [jeweils zu § 12 HGlG]; v. Roetteken, aaO, § 7 BGleiG Rn. 169). Die am 13.06.2019 zusammengetretene Kommission war nicht paritätisch besetzt (fünf männliche und ein weibliches Mitglied). Insbesondere war der fachlich in besonderer Weise maßgebende Teil der Kommission ausschließlich männlich repräsentiert. Die Voraussetzungen für ein Absehen vom Gebot der Parität gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 LGG NW sind nicht aufgezeigt. Das Vorbringen der verfügungsbeklagten Stadt verhält sich nicht zu den Möglichkeiten einer Vergrößerung oder Verkleinerung der Kommission mit dem Ziel, Parität herzustellen. Dass eine paritätische Besetzung aus zwingenden Gründen nicht möglich gewesen wäre, kann so nicht festgestellt werden. Auch dass „zwingende“ Gründe gegen eine paritätische Besetzung aktenkundig gemacht worden wären, lässt sich der Darstellung der Verfügungsbeklagten nicht entnehmen.
39b) Da es angesichts der fachlichen Qualifikation und des beruflichen Werdegangs der Verfügungsklägerin einerseits und der Bewerberin R andererseits möglich erscheint, dass sich in einem fehlerfrei wiederholten Auswahlverfahren eine Entscheidung zugunsten der Verfügungsklägerin ergibt, kann die Verfügungsklägerin aufgrund ihrer Rechtsposition als Stellenbewerberin gemäß Art. 33 Abs. 2 GG beanspruchen, dass eine anderweitige Stellenbesetzung vorläufig unterbleibt. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zu entsprechen.
40III.
41Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat die Verfügungsbeklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gegen Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts in Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ist die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zulässig (§ 72 Abs. 4 ArbGG). Dies hat die Kammer zur Klarstellung im Tenor ausgesprochen.
42RECHTSMITTELBELEHRUNG
43Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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