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1. Bei Überleitung von Beschäftigten in die Entgeltordnung zum TVöD-VKA kann nicht nur eine Höhergruppierung, sondern auch eine erstmalige Eingruppierung nach speziellen Tätigkeitsmerkmalen nur auf Antrag des Beschäftigten nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-LWL erfolgen.
2. Ein in einer psychiatrischen Klinik für Kinder und Jugendliche beschäftigter Erzieher mit staatlicher Anerkennung übt „entsprechende Tätigkeiten“ iSd. Entgeltgruppe S8a der Entgeltordnung zum TVöD-VKA aus, wenn seine Tätigkeiten dem Berufsbild eines Erziehers entsprechen. Diese werden nicht zu pflegerischen Tätigkeiten, weil sie in einem Krankenhaus ausgeübt werden und die Kinder und Jugendlichen sich nicht zur Erziehung, sondern zur Behandlung psychischer Erkrankungen in der Klinik aufhalten.
1) Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 06.02.2018 – 5 Ca 3115/17 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2017 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe S 8a der Anlage 1 Teil B Besonderer Teil XXIV – Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst – TVöD-VKA zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2) Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
3) Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien zu je 50 %.
4) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die richtige Eingruppierung des Klägers.
3Der 1954 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.04.1979 bis zum 31.12.2017 bei dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängern beschäftigt. Der Kläger, der Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist und eine Ausbildung als Erzieher mit staatlicher Anerkennung erfolgreich absolviert hat, war bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der F-Klinik in E, dort Haus 2, eingesetzt, laut seinem ursprünglichen Arbeitsvertrag (Bl. 6 d.A.) als Erzieher. Die F-Klinik ist ein im Krankenhausplan NRW verankertes und genehmigtes Krankenhaus für Kinder- und Jugendpsychiatrie, für das die Verordnung über Maßstäbe und Grundsätze für den Personalbedarf in der stationären Psychiatrie (Psychiatrie-Personalverordnung) vom 18.12.1990, BGBl. I S. 2930 (im Folgenden: Psych-PV) Anwendung findet.
4Das Arbeitsverhältnis ging im Jahr 2009 aufgrund eines Betriebsübergangs auf den Beklagten über. Der Beklagte ist Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbandes Nordrhein-Westfalen. Ab diesem Zeitpunkt erhielt der Kläger eine Vergütung nach Entgeltgruppe Kr 7a, Stufe 6 TVöD. Der hierfür maßgebliche § 2 TVÜ-LWL sah iVm. § 4 TVÜ-VKA ebenso wie die Vorgängernorm aus dem BAT-LWL vor, dass Angestellte mit abgeschlossener Ausbildung als Erzieher, die in Krankenhäusern mit entsprechender Tätigkeit beschäftigt waren, Krankenschwestern/Krankenpflegern in der tariflichen Eingruppierung gleichgestellt waren. In einem zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit wurde eine Klage des Klägers, mit der er Vergütung nach den Regelungen des TVÜ-LWL für übergeleitete Beschäftigte begehrte, rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei nicht bereits seit 2005 für den Beklagten tätig gewesen (BAG 03.07.2013 – 4 AZR 138/12 –). Mit Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung zum 01.01.2017 leitete der Beklagte den Kläger in Entgeltgruppe P7 Stufe 6 TVöD-VKA über. Die früheren Sonderregelungen über die Eingruppierung von in LWL-Kliniken Beschäftigten sind zu diesem Zeitpunkt entfallen. Der Kläger erhielt eine monatliche Pflegezulage in Höhe von 46,02 € und darüber hinaus eine monatliche sog. Psychiatriezulage nach § 33 Abs. 1 Buchst. c), Abs. 6 BAT-LWL in Höhe von 15,34 €.
5Haus 2 der F-Klinik ist ein Behandlungsbereich für schulpflichtige Kinder im Alter von ca. 10 – 15 Jahren mit Störungen aus dem gesamten Spektrum der kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankungen, die auf einer offenen Therapiestation behandelt werden können, so zB affektive Störungen wie Depressionen, Selbstwertstörungen, Impulskontrollstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Identitätsstörungen, Angst- und Zwangserkrankungen, Ticstörungen, Störungen des Sozialverhaltens, somatoforme Störungen, tiefgreifende Entwicklungsstörungen (Autismus Spektrum), Anpassungsstörungen, Persönlichkeitsfehlentwicklungen, Aufmerksamkeitsdefizitstörungen, Bindungsstörungen, pathologischer PC-/Internetkonsum, Störungsbilder aus dem Formenkreis der Psychosen (phasenabhängig), Essstörungen. Die Klinik steht unter ärztlicher Leitung. Nach dem Stationskonzept für Haus 2 der F-Klinik (Bl. 107 ff. d.A.) wird dort nach einem schulenübergreifenden Ansatz mit Schwerpunkt auf einem systemisch-familienorientierten Ansatz gearbeitet. Neben der familientherapeutischen Ausrichtung kommen v.a. auch verhaltenstherapeutische und tiefenpsychologisch fundierte Verfahren sowie Traumatherapie zur Anwendung. Die (Be-)Handlungsteams sind multiprofessionell zusammengesetzt und arbeiten nach dem Bezugspersonen-Konzept. Das Stationskonzept hat darüber hinaus ua. folgenden Inhalt:
6„[…]
72. Pflege und Erziehungsdienst
82.1. PED-Bezugspersonenkonzept
9Das Bezugspersonenkonzept ist das zentrale Arbeitsinstrument des Pflege- und Erziehungsdienstes, welches die Pflege- und Erziehungsplanung sowie das gemeinsame Gelingen der Behandlungsplanung sicher stellt. Das Konzept beinhaltet einen systematisch geführten, kooperativen Prozess zwischen allen an der Behandlung beteiligten Professionen. In ihm wird die Behandlungsplanung auf den individuellen Bedarf abgestimmt, um gemeinsam vereinbarte Ziele und Wirkungen mit hoher Qualität zu erreichen. […]
102.1.2 Pflege- und Erziehungsprozess
11Die Bezugsperson (BZP) soll nach Möglichkeit beim Aufnahmegespräch beteiligt sein. Sie stimmt innerhalb der ersten 48 Stunden mit dem fallführenden Therapeuten die Therapieziele und –maßnahmen ab und integriert diese in die Pflege- und Erziehungsplanung. Die weitere Behandlungsplanung wird in regelmäßigen Abständen im multiprofessionellen Team zwischen BZP und fallführendem Therapeuten abgesprochen. […]
122.3 Ziel- und ressourcenorientiertes Handeln
13Die therapeutische und pädagogische Arbeit ist grundsätzlich ziel-, lösungs- und ressourcenorientiert. […]
143. Multiprofessionelles Team
15In einem multiprofessionellen Team arbeiten verschiedene Berufsgruppen kooperativ zusammen, so dass unterschiedliche Beobachtungen, Sichtweisen und Behandlungsansätze zu den jeweiligen Kindern und Eltern ausgetauscht und zusammengetragen werden können. Im Mittelpunkt steht das Engagement für Patienten und Angehörige. Gerade durch die Zusammensetzung unterschiedlicher Professionen und personeller Ressourcen in einem Team erhält man die Möglichkeit, vielfältige Fähigkeiten zu nutzen. Dadurch kann die Effektivität der Arbeit bei gleichzeitiger Entlastung des Einzelnen gesteigert werden. Die multiprofessionellen Teams bilden auf der Grundlage ihres berufsgruppenspezifischen Selbstverständnisses vernetzte und kooperierende Behandlungsmilieus zur ambulanten, tagesklinischen und stationären Diagnostik und Behandlung.
16[…]
176. Stationskonzept
186.1 Vorstellung der Station Haus 2
19Haus 2 ist eine Station für schulpflichtige Kinder von mindestens 8 bis maximal 15 Jahren mit Problemen aus dem gesamten Spektrum der kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankungen, die auf einer offenen Therapiestation behandelt werden können.
206.1.1 Behandlung
21Haus 2 arbeitet mit einem systematisch familientherapeutischen Schwerpunkt sowie integrierten verhaltenstherapeutischen Elementen. Bei entsprechenden Problembereichen werden zusätzlich traumatherapeutische Interventionen durchgeführt. Zentrale Bausteine der Therapie sind die Arbeit mit der gesamten Familie und wenn notwendig den umliegenden Systemen (z.B. Schule, Wohngruppe etc.).
22Für unser Team ist neben der systemisch psychotherapeutischen Bearbeitung der familiären Problemfelder die intensive pädagogische Arbeit mit dem Patienten, den Eltern, der Familie und dem sozialen Umfeld die wesentliche Säule des Behandlungskonzeptes.
23Zum multiprofessionellen Team gehören Ärzte, Psychologen, Diplom-Pädagogen, Heilpädagogen, Sozialpädagogen, Erzieher und Kinderkrankenschwestern.
24Die Behandlungszeit beträgt in der Regel ca. 12 Wochen in Einzelfällen wird diese aber individuell auf das Kind und den Problembereich zugeschnitten und können dann auch kürzer oder länger andauern. […]
256.1.2 Klientel
26Im Haus 2 werden grundsätzlich Kinder im Alter von 8 bis 15 Jahren behandelt. In den Grenzbereichen wird noch einmal die Passung der Kinder hinsichtlich ihrer Reife überprüft um den Kindern optimale und dem Reifegrad angemessene Bedingungen zu bieten. Die Behandlungsbedürftigkeit der Kinder wird in einem Aufklärungsgespräch erörtert und festgestellt. Wichtig für die erfolgreiche Bearbeitung der Problemfelder des einzelnen Kindes ist eine gute Zusammenarbeit mit dem familiären System. Diese gute Zusammenarbeit schließt auch die aktive Mitarbeit der verschiedenen Mitglieder an der Behandlung (beide Elternteile, Geschwister etc) im familiären System ein.
27Kinder die akute Eigen- oder Fremdgefährdung aufweisen können erst nach Abklingen der akuten Gefährdungslage auf unsere Therapiestation aufgenommen werden.
28Patienten mit einer primär dissozialen Symptomatik werden ab einem Alter von 12 Jahren nur dann aufgenommen, wenn sie selbstmotiviert einen eigenen Therapieauftrag erarbeiten können. Die Behandlung im Haus zwei schließt auch die Behandlung von Kindern mit einer geistigen Behinderung ein, solange sie vom therapeutischen Setting der Station profitieren können und sich in den Stationsalltag integrieren können.
29Stoffgebundene Abhängigkeitserkrankungen werden im Haus 2 nicht behandelt. Patienten, bei denen ein Missbrauch von Alkohol oder Drogen zum Problemverhalten gehört, aber nicht ausschließlich dieses determinieren, werden im Haus 2 behandelt.
306.2 Behandlungsbausteine und –angebot
316.1.2 Therapeutische Angebote
32Einzeltherapie […]
33Gruppentherapie […]
34Familientherapie […]
35Hundgestützte therapeutische Arbeit mit dem Besuchshund Taps […]
36Mototherapie […]
37Musiktherapie […]
38Heilpädagogisches Kreativangebot […]
396.3.2 Pädagogische Behandlungsbausteine
40Pflege- und Erziehungsprozess […]
41Sozio-therapeutischer Raum […]
42Mädchengruppe […]
43Jungengruppe […]
44Stabilisierungsarbeit […]
45Marte Meo […]
46Freizeit […]
47Tiergestützte Pädagogik […]
48Sonnen/Wolkenkiste […]
49Elternarbeit […]
50Elternabend […]
51Krisenintervention […]
526.2.3 Sozialdienst […]“
53Zu den dem Kläger übertragenen Aufgaben gehörte das Richten und Ausgeben von Medikamenten, die Anleitung und Hilfe bei der Eigenhygiene, die Sicherstellung hygienischer Maßnahmen, die Sicherstellung der Nahrungsaufnahme, eine regelmäßige Vitalzeichenkontrolle, die Pflegedokumentation, entlastende und orientierungsgebende Gesprächskontakte (einzelfallbezogen), die sachgerechte Durchführung ärztlicher Anordnungen, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen und Trainingsmaßnahmen im Rahmen der Pflegeplanung (einzelfallbezogen). Der Kläger war ferner Anlaufstelle für Patienten, Angehörige und andere außenstehende Personen, einschließlich telefonischer Kontakte. Ferner übernahm der Kläger Aufgaben der Bezugspflege gemäß dem Bezugspflegekonzept, stellte im Rahmen von Therapieplänen individuelle Pflege- und Erziehungspläne (PEP) auf, begleitete ärztliche Visiten, führte Gespräche mit Angehörigen, wirkte bei Einzel- und Fremdtherapien mit, begleitete Hausbesuche, Vorstellungstermine in sonstigen Einrichtungen und Institutionen (einzelfallbezogen), führte Maßnahmen im Zusammenhang mit Aufnahme, Verlegung und Entlassung durch, wirkte an speziellen psychotherapeutischen Maßnahmen (Gruppentherapie) mit und übernahm die fortwährende Betreuung und ständige Beobachtung der Patienten mit der jeweils im Pflegeplan vorgesehenen Intensität (einzelfallbezogen). Der zeitliche Umfang der einzelnen Tätigkeiten ist zwischen den Parteien streitig.
54Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei fehlerhaft eingruppiert. Tatsächlich sei er in Entgeltgruppe S8b Anlage 1 TVöD-VKA einzugruppieren.
55Eine Eingruppierung nach den speziellen Tätigkeitsmerkmalen für Beschäftigte in der Pflege komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil er die fachlichen persönlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfülle. Er übe als Erzieher ausschließlich erzieherische Arbeiten aus und sei daher nach Wegfall der besonderen Regelungen für LWL-Kliniken anhand der speziellen Tätigkeitsmerkmale für den Sozial- und Erziehungsdienst einzugruppieren. Seine Tätigkeit sei ein einheitlicher Arbeitsvorgang.
56Richtig sei danach eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S8b Anlage 1 TVöD-VKA. Er sei Erzieher mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit. Die Tätigkeiten des Klägers seien überwiegend erzieherischer Art, nicht zuletzt, weil es sich um Kinder- und Jugendliche handele. Durch die Zusammensetzung des Teams sei sichergestellt, dass der Kläger nicht überwiegend pflegerisch arbeiten müsse.
57Zudem übe er besonders schwierige fachliche Tätigkeiten iSd. Entgeltgruppe S8b Anlage 1 TVöD-VKA aus. Bei den von ihm betreuten Kindern und Jugendliche handele es sich um behinderte Menschen iSd. § 2 SGB IX bzw. um solche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten.
58In Haus 2 seien nahezu ausschließlich Erzieher und Erzieherinnen tätig, die nach dem Bezugspersonenkonzept arbeiteten. Dies belege, zusammen mit der familientherapeutischen Ausrichtung, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit auf der erzieherischen Arbeit liege. Patienten würden dort durchschnittlich 12 Wochen bleiben.
59Der Kläger hat beantragt,
60festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm ab 01.01.2017 eine Vergütung nach Entgeltgruppe S 8b des Anhangs 2 (zu § 1 Nr. 13) Anlage 1 Teil B besonderer Teil XXIV Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst des TVöD zu zahlen.
61Der Beklagte hat beantragt,
62die Klage abzuweisen.
63Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne nicht nach den speziellen Tätigkeitsmerkmalen für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst eingruppiert werden. Dies komme bereits dem Grunde bzw. dem Zweck nach nicht in Betracht. In der F-Klinik würden Kinder nicht zum Zwecke der Erziehung, sondern mit dem Ziel der Genesung von ihrer psychischen Erkrankung untergebracht. Dies werde durch das Stationskonzept des Haus 2 belegt. Die Kinder kämen zur medizinischen Behandlung in die F-Klinik. Die psychiatrische Pflege von Kindern- und Jugendlichen enthalte weitere Elemente, als sie aus der reinen somatischen Pflege bekannt seien. Der Kläger übe daher Tätigkeiten iSd. psychiatrischen Pflegebegriffs aus. Dies sei auch daran ersichtlich, dass die durch die Behandlung entstehenden Kosten von der Krankenkasse getragen würden. Auch die kurze Verweildauer der Patienten von durchschnittlich 28 Tagen spreche gegen eine erzieherische Tätigkeit. Aus diesem Grund würden erzieherische Tätigkeiten keinen Schwerpunkt bilden. Aus der multiprofessionellen Zusammensetzung des Teams lasse sich ein solcher nicht ableiten. Der Kläger habe auch durch Fort- und Weiterbildung psychiatrisches Pflegewissen erworben.
64Einer Eingruppierung nach den speziellen Tätigkeitsmerkmalen für Beschäftigte in der Pflege stehe nicht entgegen, dass der Kläger nicht über eine Ausbildung im Pflegebereich verfüge. Dies ergebe sich bereits aus Nr. 2 der grundsätzlichen Eingruppierungsregelungen (Vorbemerkungen) zur Entgeltordnung zum TVöD-VKA.
65Die Tätigkeit des Klägers bestehe aus mindestens zwei Arbeitsvorgängen, nämlich zum einen mit pflegerischen und zum anderen mit erzieherischen Tätigkeiten. Letzter würde der Kläger nicht überwiegend ausüben.
66Mit Urteil vom 06.02.2018 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Der Kläger könne keine Vergütung nach den speziellen Tätigkeitsmerkmalen für den Sozial- und Erziehungsdienst verlangen. Die Tätigkeiten seien nicht als einheitlicher Arbeitsvorgang eines Erziehers oder als überwiegend erzieherische Tätigkeit zu bewerten. Der Kläger werde zwar im Arbeitsvertrag als „Erzieher“ bezeichnet, er übe aber vor allem Behandlungstätigkeiten aus. Letztlich sei der gesamte Bereich therapeutisch-ärztlich verantwortet und der Kläger als Pfleger für die Umsetzung der angeordneten Maßnahmen verantwortlich. Auch die nur kurze Verweildauer der Patienten in der Klinik spreche für eine pflegerische und gegen eine erzieherische Tätigkeit.
67Gegen das dem Kläger am 19.02.2018 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 08.03.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, die er am 17.05.2018 innerhalb der bis zum 22.05.2018 verlängerten Berufungsbegründungsfrist unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet:
68Der Kläger übe weit überwiegend erzieherische Tätigkeiten aus und sei damit als Erzieher mit staatlicher Anerkennung und entsprechenden Tätigkeiten einzugruppieren. Sämtliche Tätigkeiten seien täglich von ihm zu erbringen. Hiervon seien lediglich die Medikamentenausgabe und die Sicherstellung hygienischer Maßnahmen dem pflegerischen Bereich zuzuordnen. Diese seien aber Zusammenhangstätigkeiten im Hinblick auf die erzieherischen Tätigkeiten. Auch Tätigkeiten, die grundsätzlich der Pflege zugeordnet werden könnten, seien tatsächlich solche, die der Erziehung zuzuordnen seien. So diene die Sicherstellung der Nahrungsaufnahme nicht lediglich dem Ziel einer ordnungsgemäßen Ernährung, sondern vielmehr dem Erlernen einer ausgewogenen Ernährung und eines sozialen Miteinanders. Während der Mahlzeiten würden der Tagesablauf besprochen und vergangene Tagesabschnitte reflektiert. Die Mahlzeiten würden überwiegend gemeinsam zubereitet und damit die Kommunikationsfähigkeit verbessert, das Selbstwertgefühl der Patienten gesteigert und ein Gemeinschaftsgefühl aufgebaut. Ähnlich sei die Tätigkeit der Anleitung und Hilfe bei der Eigenhygiene zu bewerten. Dies beinhalte keineswegs ausschließlich, dass die Kinder und Jugendlichen hygienisch versorgt würden, sondern auch, den Kindern und Jugendlichen beizubringen, wie zB die notwendige Zahnhygiene und allgemeine Körperhygiene zu bewältigen seien. Soweit der Kläger ärztliche Anordnungen befolge, beträfen diese im Rahmen des Bezugspersonenkonzeptes den erzieherischen, nicht den medizinischen/pflegerischen Teil. Der Kläger übernehme im Rahmen der stationären Betreuung der Kinder Aufgaben, die bei ambulanter Betreuung von den Eltern wahrgenommen würden. Er kommuniziere darüber hinaus mit den Eltern, um diese langfristig in ihre Rolle als Eltern bzw. Erziehungsberechtigte zurückzuführen. Er unterstütze den jeweiligen Patienten in seiner persönlichen Entwicklung unter dem Einfluss der therapeutischen Behandlung. So helfe er zB Kindern und Jugendlichen, ihr Verhalten zu reflektieren und Aggressionen in den Griff zu bekommen, indem er mit ihnen alternative Verhaltensweisen einübe. Dies werde durch Sport- und weitere Freizeitangebote unterstützt, der Kläger sei zB als Klettertrainer und Waldpädagoge ausgebildet. Damit übe der Kläger nahezu ausschließlich Tätigkeiten aus, die zB auf der Internetplattform der Bundesagentur für Arbeit als Tätigkeiten eines Erziehers anzusehen seien. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich dabei auch um pflegerische Tätigkeiten handeln könne. Der Kläger als Erzieher übe diese als erzieherische Tätigkeiten aus.
69Die Tätigkeiten des Klägers würden einen einheitlichen Arbeitsvorgang darstellen. Die Medikamentengabe sei eine Zusammenhangstätigkeit, mache aber ohnehin lediglich 4,32 % der täglichen Arbeitszeit aus.
70Darüber hinaus würden die Tätigkeiten des Klägers auch den Merkmalen der Entgeltgruppe S8b Anlage 1 TVöD-VKA entsprechen. Der Kläger arbeite in einer Gruppe von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX, weil in Haus 2 durchweg Kinder und Jugendliche stationär aufgenommen würden, die seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen hätten, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern könnten. Allen behandelten Krankheitsbildern wohne inne, dass die durch sie hervorgerufene Beeinträchtigung letztendlich zu vielfältigen Problemen mit der sozialen Umwelt führe. Die Dauer der Beeinträchtigung reiche über den Klinikaufenthalt hinaus und sei oftmals lebenslang. Darüber hinaus wiesen die Patienten wesentliche Erziehungsschwierigkeiten auf. Dies sei psychischen oder psychiatrischen Erkrankungen immanent. Alle in Haus 2 behandelten Krankheiten hätten Folgen im Rahmen der Teilhabe an der Gesellschaft, der überwiegende Teil habe Schul- und Lernprobleme. Die sozialen Folgen der jeweiligen Krankheiten würden durch die Behandlung nicht vollständig aufgelöst und würden den Zugang und den Aufbau eines persönlichen Bezuges erschweren.
71Die Eingruppierung des Klägers in Entgeltgruppe P7 bzw. P8 sei tarifwidrig, da der Kläger nicht über die erforderliche Ausbildung verfüge. Dementsprechend beantrage der Kläger nicht eine Höhergruppierung iSd. § 29b TVÜ-VKA, sondern eine tarifgerechte Eingruppierung. Jedenfalls aber habe er durch Klageerhebung am 04.09.2017 auch einen etwaig erforderlichen Höhergruppierungsantrag gestellt.
72Der Kläger beantragt,
73das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 06.02.2018 – 5 Ca 3115/17 – abzuändern und
741) festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2017 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe S 8b der Anlage 1 Teil B Besonderer Teil XXIV – Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst – TVöD-VKA zu zahlen;
752) hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1) und dessen Abweisung als unzulässig den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 8.607,72 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
76Der Beklagte beantragt,
77die Berufung zurückzuweisen.
78Der Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, wiederholt und vertieft seine erstinstanzlichen Ausführungen und führt ergänzend aus: Der Kläger sei nicht überwiegend erzieherisch tätig und daher nicht nach den entsprechenden Tätigkeitsmerkmalen eingruppiert. Im Rahmen der Tarifverhandlungen sei diskutiert worden, dass es für Erzieher und Pflegekräfte bei dem Beklagten die gleichen Stellenbeschreibungen gebe und insgesamt die Pflege im Vordergrund stehe.
79Der Aufenthalt der Kinder und Jugendlichen in der F-Klinik diene allein dem Zweck der Behandlung einer psychischen oder psychiatrischen Erkrankung. Die Tätigkeiten des Klägers würden denen eines Fachkinderkrankenpflegers für Psychiatrie entsprechen. Hierzu würde die fachgerechte pflegerische Betreuung der psychisch erkrankten Kinder und Jugendlichen, auch in ihrer besonderen Situation, die Beratung und Anleitung der Patienten, Angehörigen und unterstellten Mitarbeiter und die Wahrnehmung organisatorischer und verwaltender Aufgaben gehören. Psychiatrische Pflege unterscheide sich von der somatischen Pflege und beinhalte auch die Berücksichtigung der seelischen und sozialen Bedürfnisse des Patienten.
80Die Tätigkeitsfelder in der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie seien im Katalog der Regelaufgaben (Anlage 2 zu § 8) Psych-PV aufgeführt. Nach den diesbezüglichen Materialien (Bl. 314 ff. d.A.) ließen sich die Aufgaben in der psychiatrischen Pflege in die drei Bereiche einzelfallbezogene, gruppenbezogene und umfeldbezogene Aufgaben aufgliedern. Die gesamte Tätigkeit des Klägers sei daher schwerpunktmäßig pflegerisch geprägt. Hierfür sei insbesondere die Zweckbestimmung der Einrichtung, in welcher die Tätigkeit ausgeübt werde, nämlich die F-Klinik als Krankenhaus, ausschlaggebend. Die Kinder seien dort nicht zur Erziehung, sondern mit dem Ziel der Genesung untergebracht. Daher seien die Tätigkeiten, die der Kläger als erzieherische ansehe, aufgrund ihres Zusammenhangs mit den Erkrankungen der Kinder und Jugendlichen als pflegerische einzustufen. Dementsprechend existiere für Angestellte im Pflege- und Erziehungsdienst auch lediglich eine Stellenbeschreibung (Bl. 602 d.A.), die für Gesundheits- und Krankenpfleger und Erzieher gleichermaßen gelte und Pflegetätigkeiten vorsehe.
81Aufgrund der nur kurzen Verweildauer der Patienten von durchschnittlich 66,9 Tagen könne eine langfristige Erziehungsplanung seitens des Klägers nicht stattfinden. In Haus 2 seien im PED-Team auch nicht überwiegend Erzieher beschäftigt. Von 12 Mitarbeitern seien sechs Erzieher, drei hätten eine Ausbildung im Pflegebereich absolviert und drei weitere seien Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagogen.
82Darüber hinaus übe der Kläger auch keine besonders schwierige fachliche Tätigkeit aus. Die Klinik des Beklagten sei kein Tätigkeitsort iSd. Protokollerklärungen. Darüber hinaus ließe sich nicht abstrakt beurteilen, ob ein Patient ein Mensch mit Behinderung sei oder nicht.
83Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle ergänzend Bezug genommen.
84Entscheidungsgründe
85Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Feststellung, in Entgeltgruppe S8a Anlage 1 TVöD-VKA eingruppiert zu sein. Zu Recht hat das Arbeitsgericht demgegenüber die Klage abgewiesen, soweit der Kläger die Feststellung einer Eingruppierung in Entgeltgruppe S8b Anlage 1 TVöD-VKA begehrt. Der Hilfsantrag ist nicht zur Entscheidung angefallen.
86I.
87Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b) ArbGG) und nach den § 519 ZPO, §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der nach § 66 Abs. 1 Satz 1, Satz 5 ArbGG verlängerten Frist ordnungsgemäß begründet worden. Sie ist damit insgesamt zulässig.
88II.
89Die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz ist nach § 533 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG zulässig. Der Beklagte hat sich auf die geänderten Anträge rügelos eingelassen, so dass die nach § 533 Nr. 1 ZPO erforderliche Einwilligung vorliegt. Im Übrigen ist sie auch sachdienlich, da sie geeignet ist, für den Fall der Unzulässigkeit des Feststellungsantrags den Streit zwischen den Parteien zu erledigen. Darüber hinaus stützt der Kläger sein mit dem Hilfsantrag verfolgtes Begehren auf denselben Lebenssachverhalt wie hinsichtlich des Hauptantrags, so dass die diesbezüglichen Tatsachen der Verhandlung und Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen waren, § 533 Nr. 2 ZPO.
90III.
91Die Berufung ist aber nur teilweise begründet. Die Klageanträge sind zulässig, aber nur hinsichtlich einer Eingruppierung in Entgeltgruppe S8a Anlage 1 zum TVöD-VKA begründet.
921.
93Der Hauptantrag ist als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig. Das Feststellungsinteresse des Klägers ist nicht aufgrund der zwischenzeitlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfallen. Der erforderliche Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil anstrebt (BAG 13.08.2009 – 6 AZR 330/08 – Rn. 13). Das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt auch nicht deswegen, weil der Kläger mit seinem Hilfsantrag bereits eine Bezifferung der durch ihn begehrten Ansprüche vorgenommen hat (vgl. hierzu 27.01.2011 – 6 AZR 526/09 – Rn. 12), da die Zahlung ausschließlich hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Hautpantrag geltend gemacht wird.
94Auch der Hilfsantrag ist zulässig, insbesondere war der Kläger nicht gehindert, den Antrag nur für den Fall zu stellen, dass die Kammer den Hauptantrag als unzulässig ansehen würde. Ein Antrag darf nur unter eine innerprozessuale Bedingung gestellt werden. Dies muss aber nicht notwendigerweise das Unterliegen oder Obsiegen mit dem Hauptantrag sein, also eine bestimmte Entscheidung des Gerichts über den mit dem Hauptantrag verfolgten Anspruch. Es ist ebenso zulässig, über einen Antrag nur für den Fall eine Sachentscheidung zu begehren, dass das Gericht im Zusammenhang mit dem Hauptantrag eine Rechtsfrage in einer bestimmten Weise beurteilt (BAG 17.12.2015 – 2 ZR 304/15 – Rn. 23). Dementsprechend ist es auch zulässig, einen Antrag nicht generell für den Fall der Abweisung des Hauptantrags, sondern nur für den Fall zu stellen, dass der Hauptantrag als unzulässig abgewiesen wird.
952.
96Der Hauptantrag ist nur zum Teil begründet. Der Kläger ist in Entgeltgruppe S8a Anlage 1 TVöD-VKA, nicht aber in Entgeltgruppe S8b Anlage 1 TVöD-VKA eingruppiert.
97a)
98Gegenstand des Hauptantrags ist nicht nur eine Eingruppierung in Entgeltgruppe S8b Anlage 1 TVöD-VKA, sondern auch eine solche in Entgeltgruppe S8a Anlage 1 TVöD-VKA. Wird die Feststellung einer Vergütungspflicht nach einer bestimmten tariflichen Entgeltgruppe begehrt, so ist in diesem Antrag auch die Geltendmachung einer niedriger bewerteten Entgeltgruppe als „Weniger“ enthalten, wenn die Voraussetzungen des Tätigkeitsmerkmals denknotwendig bei der Erfüllung der höherwertigen Entgeltgruppe vorliegen müssen. Dies ist etwa bei sog. Aufbaufallgruppen gegeben. Es bedarf in solchen Fällen nicht eines ausdrücklich gestellten Hilfsantrags (BAG 21.10.2013 – 4 AZR 321/12 – Rn. 35). Die Entgeltgruppen S8a und S8b Anlage 1 TVöD bauen aufeinander auf.
99b)
100Seit 01.12.2009 findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der TVöD-K (durchgeschrieben Fassung des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung (BAG 03.07.2013 – 4 AZR 138/12 – Rn. 24 f.). Dieser wiederum verweist für die Eingruppierung in § 12 auf die Anlage 1 – Entgeltordnung VKA.
101c)
102Die Eingruppierung in Entgeltgruppe S8a oder S8b Anlage 1 TVöD-VKA folgt entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus einer originären Eingruppierung nach § 12 TVöD. Der Kläger war durch den Beklagten zum 01.01.2017 zunächst korrekt in Entgeltgruppe P7 der Anlage 1 TVöD-VKA übergeleitet worden. Die Eingruppierung war nicht tarifwidrig.
103Bis zum 31.12.2016 war der Kläger in Entgeltgruppe Kr 7a TVöD eingruppiert. Dies hat der Kläger nicht in Zweifel gezogen und mit der vorliegenden Klage auch nicht angegriffen. Zum 01.01.2017 war der Kläger als Arbeitnehmer, der zwischen dem Inkrafttreten des TVöD und dem 31.12.2016 neu eingestellt worden war, nach §§ 29a ff. TVÜ-LWL in die neue Entgeltordnung zum TVöD überzuleiten (§ 29 Abs. 1 Satz 1, 2 TVÜ-LWL).
104Nach § 29a Abs. 1 Satz 1, 2 TVÜ-LWL erfolgt die Überleitung unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit. Eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierungen findet aufgrund der Überleitung in die Entgeltordnung für den Bereich der VKA nicht statt. Nach § 29d TVÜ-LWL hat eine Überleitung von der Entgeltgruppe Kr 7a in die Entgeltgruppe P7 Anlage 1 TVöD-VKA zu erfolgen. Aufgrund der früheren, korrekten Eingruppierung in Entgeltgruppe Kr 7a war daher die von dem Beklagten vorgenommene Überleitung nach den tariflichen Regelungen korrekt. Eine Überprüfung der Eingruppierung war gerade nicht vorgesehen. Der TVÜ-LWL enthält auch keine Sonderregelungen für die Überleitung und Eingruppierung der Beschäftigten, die bis zum 31.12.2016 lediglich aufgrund der für den Bereich des LWL geltenden Sonderregelungen nach den Kr-Merkmalen eingruppiert waren.
105Mangels Änderung der Tätigkeiten des Klägers hatte der Beklagte auch keine Neubewertung der Eingruppierung des Klägers durchzuführen.
106d)
107Der Kläger hat allerdings einen Antrag nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-LWL gestellt, aufgrund dessen er zwar nicht in Entgeltgruppe S8b Anlage 1 TVöD-VKA, aber in Entgeltgruppe S8a Anlage 1 TVöD-VKA eingruppiert war. Auch die Eingruppierung nach anderen Tätigkeitsmerkmalen ist eine Höhergruppierung iSd. § 29b TVÜ-LWL.
108aa)
109Spätestens mit seiner Klage hat der Kläger einen Antrag nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-LWL gestellt. Dies ergibt die Auslegung des Antrags. Mit diesem begehrt der Kläger rückwirkend zum 01.01.2017 eine Eingruppierung nach Entgeltgruppe S8b Anlage 1 TVöD-VKA. Dies entspricht der Rechtsfolge, die sich – vorausgesetzt, die Ansicht des Klägers zur Bewertung seiner Tätigkeiten ist zutreffend – nach einem Antrag gemäß § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-LWL ergibt. Dementsprechend konnte sein Antrag, auch wenn der Kläger vorrangig die Auffassung vertreten hat, er sei auch ohne einen solchen Antrag umzugruppieren, nur dahingehend verstanden werden, der Kläger begehre eine Neubewertung seiner Tätigkeiten nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-LWL.
110bb)
111Ein Antrag nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-LWL kann nicht nur dann gestellt werden, wenn der Beschäftigte eine Höhergruppierung innerhalb der Tätigkeitsmerkmale einer Beschäftigtengruppe bzw. des Allgemeinen Teils begehrt, sondern auch dann, wenn der Beschäftigte geltend macht, er sei nach der neuen Entgeltordnung nach anderen – speziellen – Tätigkeitsmerkmalen des Teils B einzugruppieren. Dies ergibt die Auslegung des § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-LWL.
112(1)
113Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 19.06.2018 – 9 AZR 564/17 – Rn. 17; 20.09.2017 – 6 AZR 143/16 – Rn. 33).
114(2)
115Dem Wortlaut der Vorschrift nach betrifft diese nur Höhergruppierungen, mithin Eingruppierungen in eine höhere Entgeltgruppe. Nach Sinn und Zweck der Norm sind hiervon jedoch auch Fallgestaltungen erfasst, in denen – wie vorliegend vom Kläger behauptet – sich eine Eingruppierung nach anderen, speziellen Tätigkeitsmerkmalen aufgrund der neuen Entgeltordnung ergibt. Aus dem Zusammenspiel der §§ 29 ff. TVÜ-LWL ergibt sich, dass die Tarifparteien die Überleitung umfassend dahingehend regeln wollten, dass Beschäftigte grundsätzlich bei der Entgeltgruppe verblieben, in der sie vor dem 01.01.2017 korrekt eingruppiert waren. Soweit sich allerdings nach der neuen Entgeltordnung Verbesserungen für die Beschäftigten ergeben, sollen diese auf Antrag die Möglichkeit erhalten, die Verbesserungen in Anspruch zu nehmen. Dieser Sinn und Zweck kann aber nur dann erreicht werden, wenn dies nicht nur für Höhergruppierungen im eigentlichen Sinn, sondern auch für Umgruppierungen gilt. Mithin steht es jedem Beschäftigten, der eine für sich gegenüber seiner bisherigen Eingruppierung günstigere Eingruppierung aus der neuen Entgeltordnung herleitet, offen, einen Antrag nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-LWL zu stellen.
116cc)
117Aufgrund seines Antrags war der Kläger ab dem 01.01.2017 rückwirkend in Entgeltgruppe S8a Anlage 1 TVöD-VKA, nicht aber in Entgeltgruppe S8b Anlage 1 TVöD-VKA eingruppiert. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 TVöD-VKA ist der Beschäftigte in die Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.
118(1)
119Die für die durch den Kläger begehrte Eingruppierung maßgeblichen Tätigkeitsmerkmale lauten wie folgt:
120Anlage 1 – Entgeltordnung
121Teil B Besonderer Teil
122[…]
123XXIV. Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst
124[…]
125Entgeltgruppe S8a
126Erzieherinnen/Erzieher, Heilerziehungspflegerinnen/Heilerziehungspfleger und Heilerzieherinnen/Heilerzieher mit staatlicher Anerkennung und jeweils entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.
127Entgeltgruppe S8b
1281. Erzieherinnen/Erzieher, Heilerziehungspflegerinnen/Heilerziehungspfleger und Heilerzieherinnen/Heilerzieher mit staatlicher Anerkennung und jeweils entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten. […]
Protokollerklärungen:
1311. Die Beschäftigten – ausgenommen die Entgeltgruppe S4 bei Tätigkeiten der Fallgruppe 2, Entgeltgruppe S7 und Entgeltgruppe S8b bei Tätigkeiten der Fallgruppe 2 eingruppierten Beschäftigten – erhalten für die Dauer der Tätigkeit in einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim oder einer vergleichbaren Einrichtung (Heim) eine Zulage in Höhe von 61,36 € monatlich, wenn in dem Heim überwiegend behinderte Menschen im Sinne des § 2 SGB IX oder Kinder und Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht sind; sind nicht überwiegend solche Personen ständig untergebracht, beträgt die Zulage 30,68 € monatlich. […]
6. Besonders schwierige fachliche Tätigkeiten sind zB die
a) Tätigkeiten in Integrationsgruppen (Erziehungsgruppen, denen besondere Aufgaben in der gemeinsamen Förderung behinderter und nicht behinderter Kinder zugewiesen sind) mit einem Anteil von mindestens einem Drittel von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung,
136b) Tätigkeiten in Gruppen von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX oder von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten […]
137(2)
138Die Tätigkeiten des Klägers erfolgten in einem einheitlichen Arbeitsvorgang.
139(a)
140Ein Arbeitsvorgang ist eine – unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung – nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbstständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten. Maßgebend für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleiben dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können jedoch dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vorneherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Dafür reicht die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte übertragen zu können, solange sie nach der tatsächlichen Arbeitsorganisation des Arbeitgebers als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person real übertragen sind. Tatsächlich getrennt sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist (BAG 17.05.2017 – 4 AZR 798/14 – Rn. 16; 13.05.2015 – 4 AZR 355/13 – Rn. 16).
141Innerhalb eines Arbeitsvorgangs müssen die qualifizierenden Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals nicht ihrerseits wiederum in dem tariflich für den Arbeitsvorgang als solchen grundsätzlich geforderten Umfang von mindestens der Hälfte der Arbeitszeit vorliegen. Da nach § 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD die gesamte auszuübende Tätigkeit dem Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsgruppe entspricht, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmales oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen und der Arbeitsvorgang nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 12 TVöD hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden darf, erfüllt ein Arbeitsvorgang als solcher die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals bereits dann, wenn diese innerhalb des Arbeitsvorgangs überhaupt in rechtserheblichem Ausmaß vorliegen (vgl. zu § 22 BAT BAG 25.08.2010 – 4 AZR 5/09 – Rn. 23).
142(b)
143Nach diesen Grundsätzen stellten die dem Kläger übertragenen Tätigkeiten einen einzigen Arbeitsvorgang dar. Alle dem Kläger übertragenen Tätigkeiten, nämlich das Richten und Ausgeben von Medikamenten, die Anleitung und Hilfe bei der Eigenhygiene, die Sicherstellung hygienischer Maßnahmen, die Sicherstellung der Nahrungsaufnahme, eine regelmäßige Vitalzeichenkontrolle, die Pflegedokumentation, entlastende und orientierungsgebende Gesprächskontakte (einzelfallbezogen), die sachgerechte Durchführung ärztlicher Anordnungen, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen und Trainingsmaßnahmen im Rahmen der Pflegeplanung (einzelfallbezogen), die Kontaktpflege zu Patienten, Angehörigen und anderen außenstehenden Personen, die im Rahmen des Bezugspflegekonzeptes anfallenden Aufgaben, die Erstellung von individuellen Pflege- und Erziehungsplänen (PEP), die Begleitung ärztlicher Visiten, die Mitwirkung bei Einzel- und Fremdtherapien, die Begleitung bei Hausbesuchen und Vorstellungsterminen in sonstigen Einrichtungen und Institutionen (einzelfallbezogen), die Durchführung von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Aufnahme, Verlegung und Entlassung, der Mitwirkung an speziellen psychotherapeutischen Maßnahmen (Gruppentherapie) und der fortwährenden Betreuung und ständigen Beobachtung der Patienten mit der jeweils im Pflegeplan vorgesehenen Intensität sind auf das Arbeitsergebnis der Betreuung der in der Klinik befindlichen Kinder und Jugendlichen mit dem Ziel der Mitwirkung an der Genesung derselben gerichtet (vgl. zur Tätigkeit eines Erziehers im Allgemeinen auch BAG 24.03.2010 – 4 AZR 721/08 – Rn. 26). Entgegen der Auffassung des Beklagten können die Tätigkeiten nicht je nachdem, ob es sich um pflegerische oder erzieherische Tätigkeiten handelt, in verschiedene Arbeitsvorgänge aufgeteilt werden. Denn die Tätigkeiten sind dem Kläger einheitlich übertragen und von ihm als einheitliche Leistung im Rahmen eines Gesamtkonzepts zu erbringen. Unabhängig davon, wie diese Tätigkeiten tariflich zu bewerten sind, werden sie durch den Kläger nicht in getrennten Arbeitsschritten, sondern im Verlaufe seines Arbeitstages je nach Anfall erbracht. Eine organisatorische Trennung ist durch den Beklagten nach der von ihm vorgelegten Stellenbeschreibung (Bl. 602 ff. d.A.) lediglich für die Fälle erfolgt, in denen für die Tätigkeiten eine besondere Ausbildung erforderlich ist. Soweit der Kläger Verwaltungstätigkeiten wie die Dokumentation der Maßnahmen vorzunehmen hat, handelt es sich um Zusammenhangstätigkeiten zu den Betreuungstätigkeiten.
144(3)
145Die Tätigkeit des Klägers innerhalb dieses einheitlichen Arbeitsvorgangs entsprach den speziellen Tätigkeitsmerkmalen für den Sozial- und Erziehungsdienst. Der Kläger übte als staatlich anerkannter Erzieher entsprechende Tätigkeiten aus, so dass er in Entgeltgruppe S8a Anlage 1 TVöD-VKA eingruppiert war.
146(a)
147Die Anwendung der speziellen Tätigkeitsmerkmale für den Sozial- und Erziehungsdienst ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger nicht im Bereich des TVöD-B beschäftigt war. Eine solche Beschäftigung ist keine Voraussetzung für die Anwendung der speziellen Tätigkeitsmerkmale, § 36 Abs. 2 TVöD-B bzw. § 36 Abs. 2 TVöD-VKA.
148(b)
149„Entsprechende Tätigkeit“ bedeutet, dass, um die Tätigkeitsmerkmale zu erfüllen, dem Kläger eine Tätigkeit übertragen sein muss, die die tariflich geforderte Ausbildung auch erfordert oder dem Berufsbild eines Erziehers entspricht. Der Aufgabenbereich muss also der geforderten Ausbildung entsprechen (vgl. zu Sozialarbeitern/Sozialpädagogen BAG 04.09.1996 – 4 AZR 174/95 –). Der Begriff des Erziehers, wie er von den Tarifvertragsparteien in den Tätigkeitsmerkmalen für Angestellte im Erziehungsdienst verwendet wird, ist im berufskundlichen Sinne zu verstehen (BAG 27.01.1999 – 4 AZR 88/98 – zu II 1 der Gründe).
150(c)
151Nach diesen Grundsätzen übte der Kläger „entsprechende Tätigkeiten“ eines Erziehers aus.
152(aa)
153Erzieher beobachten das Verhalten und Befinden von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, betreuen und fördern sie, analysieren die Ergebnisse nach pädagogischen Grundsätzen und beurteilen zB Entwicklungsstand, Motivation und Sozialverhalten. Auf dieser Grundlage erstellen sie langfristige Erziehungspläne und bereiten Aktivitäten sowie pädagogische Maßnahmen vor, die zB das Sozialverhalten oder die individuelle Entwicklung unterstützen. Sie fördern die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, indem sie diese zu kreativer Betätigung sowie zu freiem oder gelenktem Spielen anregen. Weiterhin dokumentieren sie die Maßnahmen und deren Ergebnisse, führen Gespräche, unterstützen und beraten bei schulischen Aufgaben und privaten Problemen. Darüber hinaus bereiten sie Speisen zu, behandeln leichte Erkrankungen und Verletzungen und leiten zu Körperpflege- und Hygienemaßnahmen an. Erzieher reflektieren die erzieherische Arbeit im Team, ggf. auch zusammen mit Vorgesetzten oder Fachleuten aus Medizin, Psychologe und Therapie, und arbeiten mit anderen sozialpädagogischen Fachkräften zusammen. Zu Eltern bzw. Erziehungsberechtigten halten sie engen Kontakt und stehen ihnen informierend und beratend zur Seite (vgl. https://berufenet.arbeitsagentur.de/berufenet/faces/index?path=null/suchergebnisse/kurzbeschreibung&dkz=9162&such=erzieher – zuletzt abgerufen am 25.09.2018).
154(bb)
155Selbst wenn der Kläger entgegen seiner Behauptung keine langfristigen Erziehungspläne aufstellen sollte, entsprachen die von ihm auszuübenden Tätigkeiten denen eines Erziehers. Denn er leitete die Kinder und Jugendlichen bei der Eigenhygiene und Nahrungsaufnahme an, begleitete sie während ihres Aufenthalts in der Klinik, führte Gespräche mit den Patienten und Angehörigen und betreute sie damit umfassend. Dies sind pädagogische Maßnahmen, die ua. auch das Sozialverhalten und die individuelle Entwicklung der Kinder und Jugendlichen fördern sollen. Nicht erforderlich ist, dass der Kläger alle möglichen Tätigkeiten eines Erziehers auch tatsächlich ausgeübt hätte. Das Fehlen einzelner Tätigkeiten führt nicht dazu, dass die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten keinen erzieherischen Charakter mehr gehabt hätten. Die Einordnung der Tätigkeiten des Klägers als erzieherische Tätigkeiten entspricht auch dem Stationskonzept des Beklagten. Danach wird auf in Haus 2 nicht lediglich ein Pflege-, sondern ein Pflege- und Erziehungsdienst vorgehalten und in einem multiprofessionellen Team ua. auch intensiv pädagogisch gearbeitet. Dieser multiprofessionelle Ansatz bedingt, dass die einzelnen Teammitglieder jeweils entsprechend ihrer Ausbildung tätig und nicht fachfremd eingesetzt werden. Dabei ist die Erziehungsarbeit, die ua. der Kläger leitet ein Teil der Behandlung, wodurch sie aber ihren Charakter als Erziehungsarbeit nicht verliert. Nach dem Stationskonzept ist die pädagogische Arbeit sogar wesentliche Säule des Behandlungskonzeptes.
156Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass ein Großteil der Tätigkeiten des Klägers grundsätzlich auch dem Berufsbild eines Fachkinderkrankenpflegers (Psychiatrie) (vgl. hierzu https://berufenet.arbeitsagentur.de/berufenet/faces/index?path=null/suchergebnisse/kurzbeschreibung&dkz=14830&such=Fachkinderkrankenpfleger%2Fin+-+Psychiatrie – zuletzt abgerufen am 25.09.2018) zugeordnet werden könnte. Dies führt allerdings nicht dazu, dass es sich nicht mehr um entsprechende Tätigkeiten eines Erziehers handelt. Der Kläger übte gerade keine fachfremden, seiner Ausbildung nicht entsprechenden Tätigkeiten aus, sondern als Erzieher solche Tätigkeiten, die seinem Berufsbild entsprachen. Daran ändert nichts, dass er dies nicht in den für Erzieher klassischen Beschäftigungsbetrieben wie Kindergärten, Erziehungsheimen oä., sondern in einer Klinik, in der sich die Kinder- und Jugendlichen stationär aufhalten, tut und dass die Kinder und Jugendlichen sich dort nicht langfristig aufhalten. Auch dadurch, dass der Kläger Fortbildungen im Bereich der Pflege besuchte, hat sich der Inhalt der Tätigkeit des Klägers nicht geändert.
157Der Zweck des Aufenthalts der Kinder und Jugendlichen auf der Station ändert die Tätigkeiten des Klägers nicht inhaltlich. Die erzieherischen Tätigkeiten werden nicht zu pflegerischen Tätigkeiten, weil die fraglichen Kinder und Jugendlichen an psychischen Erkrankungen leiden. Anders als die früheren Sonderregelungen SR2a und SR2b BAT-LWL (vgl. hierzu BAG 09.11.2005 – 4 AZR 437/04 –) oder die AVR (BAG 19.10.2000 – 6 AZR 425/99 –) ist für die Anwendbarkeit der speziellen Tätigkeitsmerkmale für den Sozial- und Erziehungsdienst auch gerade nicht erforderlich, dass der Kläger in einer bestimmten Einrichtung tätig wird.
158Unerheblich ist auch, wenn der Beklagte die Tätigkeiten des Klägers in der zuletzt vorgelegten Stellenbeschreibung als „Pflege“ bezeichnet. Diese Wertung kann nicht zu einer geänderten Tätigkeitsbewertung führen (vgl. BAG 16.11.2011 – 4 AZR 773/09 – Rn. 23).
159Dieser Bewertung der Tätigkeiten des Klägers steht nicht entgegen, dass für die F-Klinik die Psych-PV Anwendung findet. In § 9 Psych-PV ist für Einrichtungen für die Kinder- und Jugendpsychiatrie – anders als für psychiatrische Einrichtungen für Erwachsene – ausdrücklich die Beschäftigung von Personen der Berufsgruppe „Erziehungsdienst“ vorgesehen. Zudem können nach § 6 Abs. 2 Psych-PV auch Fachkräfte anderer Berufsgruppen beschäftigt werden, so lange das therapeutische Konzept erfüllt wird. Die Beschäftigung von Erziehern nicht als Pflegepersonal, sondern in ihrer Funktion als Erzieher ist also durch die Anwendbarkeit der Psych-PV gerade nicht ausgeschlossen.
160Soweit – wie der Beklagte behauptet – die Tarifparteien von einer überwiegend pflegerischen Tätigkeit bei dem Beklagten ausgegangen sein sollten, besagt dies nichts über die konkrete Tätigkeit und Eingruppierung des Klägers.
161(d)
162Selbst wenn einzelne Tätigkeiten des Klägers nicht als erzieherische, sondern als pflegerische Tätigkeiten anzusehen gewesen sein sollten, verbliebe es dabei, dass die erzieherischen Tätigkeiten diejenigen sind, die die Tätigkeiten des Klägers prägen und damit für die Eingruppierung entscheidend sind (vgl. zur Abgrenzung bei Tätigkeitsmerkmalen des Allgemeinen und besonderen Teils BAG 04.07.2012 – 4 AZR 673/10 – Rn. 24 ff.). Prägend für die Tätigkeit des Klägers ist die Mitwirkung am PED-Bezugspersonenkonzept, in welchem der Kläger erzieherisch tätig wird. Etwaige pflegerische Tätigkeiten fallen demgegenüber nicht maßgeblich ins Gewicht, unabhängig davon, ob die zeitlichen Angaben des Klägers zutreffend sind.
163(4)
164Demgegenüber hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt, besonders schwierige fachliche Tätigkeiten iSd. Entgeltgruppe S8b Anlage 1 TVöD-VKA ausgeübt zu haben. Zu den besonderen Anforderungen an seine Tätigkeit hat der Kläger nichts vorgetragen, er beruft sich insoweit auf das Tätigkeitsbeispiel Nr. 6 Buchst. b) der Protokollerklärung. Wenn dieses Tätigkeitsbeispiel zutreffen würde, wäre gleichzeitig das Merkmal des Oberbegriffs der besonders schwierigen fachlichen Tätigkeit erfüllt (vgl. BAG 25.03.1998 – 4 AZR 659/96 – zu II 3 d aa der Gründe). Der Kläger hat allerdings nicht dargelegt, in einer Gruppe von behinderten Menschen iSd. § 2 SGB IX oder von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten tätig zu werden. Selbst bei Unterstellung, der Kläger sei in einer Gruppe tätig geworden (vgl. hierzu BAG 29.01.1992 – 4 AZR 217/91 –), ist nicht ersichtlich, dass es sich um eine Gruppe von behinderten Menschen iSd. § 2 SGB IX oder von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten gehandelt hätte. Die Kinder und Jugendlichen werden nicht ausdrücklich wegen einer Behinderung oder wegen wesentlicher Erziehungsschwierigkeiten (vgl. hierzu BAG 06.03.1996 – 4 AZR 671/94 – zu II 2 b der Gründe; 25.03.1998 – 4 AZR 659/96 –) stationär behandelt, sondern wegen einer psychischen Erkrankung. Aus einer solchen folgt zwar, dass bei den Kindern und Jugendlichen eine seelische Störung vorliegt, die auch – wie die stationäre Behandlung zeigt – ein durchaus gravierendes Ausmaß angenommen hat, nicht aber auch zwangsläufig, dass es sich um behinderte Menschen iSd. § 2 SGB IX oder um Kinder und Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten handelt. Auch die Tarifparteien haben die Tätigkeit in einer psychiatrischen Klinik nicht der Tätigkeit in einer Gruppe von behinderten Menschen iSd. § 2 SGB IX gleichgestellt, wie sich aus der Protokollerklärung Nr. 2 Buchst. a) und d) ergibt. Der Kläger wäre daher gehalten gewesen, im Einzelnen vorzutragen, warum die psychischen Erkrankungen der Kinder und Jugendlichen zwingend dazu führen, dass eine Gruppe von behinderten Menschen iSd. § 2 SGB IX oder von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten vorliegen. Hierzu ist allerdings lediglich in Bezug auf die behandelten Krankheitsbilder, nicht aber im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit des Klägers und die konkret vom Kläger betreuten Kinder und Jugendlichen Vortrag erfolgt. Die Tatsache, dass die behandelten Erkrankungen zu einer lang anhaltenden Beeinträchtigung führen können, belegt nicht, dass dies zwangsläufig so ist.
1653.
166Mangels Unzulässigkeit des Hauptantrags ist der Hilfsantrag der Kammer nicht zur Entscheidung angefallen.
167III.
168Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 97 Abs.1, 92 ZPO.
169Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für beide Parteien zuzulassen.