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An der pauschalen Verdoppelung des Schonbetrages gem. § 1 Ziff. 1 DVO zu § 90 Abs. 2 SGB XII ist auch nach der Neuregelung zum 01.01.2017 und der Anhebung des Freibetrages auf 5.000,-00 € festzuhalten. Eine Kapitallebensversicherung, deren Verwertung oder Beleihung keine besondere Härte gem. § 90 Abs. 3 SGB XII bedeutet, stellt Vermögen i. S. d. § 115 Abs. 3 ZPO dar.
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 04.08.2017 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 04.07.2017 - 3 Ca 473/17 - wird zurückgewiesen.
Gründe
2I. Der Kläger hatte unter dem 03.02.2017 eine Kündigungsschutzklage erhoben. Das Verfahren endete am 21.03.2017 mit einem Vergleich, aus welchen sich ein Abfindungsanspruch des Klägers von 10.800,00 € brutto ergab.
3Diese wurde mit Abrechnung für den Monat April 2017 in Höhe von 7.227,60 € ausgezahlt. Weiterhin verfügt der Kläger über eine Kapital-Lebensversicherung, die derzeit einen Rückkaufwert von 6.172,32 € ausweist. Das Arbeitsgericht berechnete daher ein anrechenbares vorhandenes Vermögen von 13.399,92 €, von dem es ein Schonvermögen von 10.000,00 € für den Kläger sowie einen Freibetrag für ein Kind in Höhe von 500,00 € in Abzug brachte, somit verbleibende 2.899,92 € einzusetzendes Vermögen. Die entstandenen Kosten des Verfahrens belaufen sich auf ca. 2.135,46 € für Anwaltsgebühren.
4Der Kläger hatte zum Zeitpunkt einer Hausfinanzierung weiterhin eine Risikolebensversicherung inklusive Berufsunfähigkeit abgeschlossen. Gegen die vom Arbeitsgericht avisierte Anrechnung der Lebensversicherung wandte er sich mit der Begründung, dass diese zur Absicherung des Hauskaufs gedacht gewesen sei. Eine Abtretung an die Bank sei versehentlich unterblieben. Dort ginge man aber davon aus, dass diese für die Finanzierung als Sicherheit diene. Die Bank würde im Fall der Verwertung der Kapitallebensversicherung von ihm erwarten, dass die Risikolebensversicherung entsprechend aufgestockt werde. Deren Verwertung stelle daher eine unzumutbare Härte dar.
5Das Arbeitsgericht wies darauf hin, dass neben einer Kündigung der Versicherung auch deren Beleihung in Frage komme. Da das vom Arbeitsgericht errechnete anrechenbare Vermögen die entstehenden Kosten übersteigt, lehnte es die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 04.07.2017, zugestellt am 05.07.2017 ab. Gegen diesen Beschluss wandte sich der Kläger mit der am 04.08.2017 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.
6II. Die gemäß §§ den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
71. Grundsätzlich hat die Partei für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowohl ihr Einkommen als auch ihr Vermögen in den Grenzen des § 115 Abs. 3 ZPO einzubringen. Zu dem insoweit berücksichtigungsfähigen Vermögen gehört neben einer erhaltenen Abfindung (BAG, Beschluss vom 24.04.2006, 3 AZB 12/05, unter II.2. a) der Gründe mit weiteren Nachweisen, NZA 2006, S. 751; BAG, Beschluss vom 18.09.2007 – 3 AZB 32/06 -, unter II der Gründe) auch eine Lebensversicherung, soweit deren Verwertung oder Beleihung der Partei gemäß § 90 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 2 SGB XII zumutbar ist.
8a) Regelmäßig zählt der Rückkaufwert einer Lebensversicherung zum verwertbaren Vermögen, soweit dieser das sogenannte Schonvermögen übersteigt (so schon die erkennende Kammer Beschluss vom 12.06.2017, 5 Ta 533/16, n.v.; vgl. LAG Köln, Beschluss vom 19.02.2013, 5 Ta 368/12, juris; BAG, Beschluss v. 25.11.2008 - 3 AZB 55/08, juris; BAG, Beschluss v. 05.05.2006 - 3 AZB 62/04, AP Nr. 6 zu § 115 ZPO). Auch dass die Verwertung einer Lebensversicherung oder Rentenversicherung mit Kapitalabfindungswahlrecht zu einer Vernichtung wirtschaftlicher Werte führt, weil der Rückkaufwert hinter dem wahren Wert der Versicherung zurückbleibt, begründet keine Härte im Sinn des § 90 Abs. 3 SGB XII. Anderes gilt im Einzelfall, soweit sich eine Auflösung des noch nicht fälligen Lebensversicherungsvertrages als nicht zumutbar darstellt (vgl. insoweit: OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 598; OLG Köln, NJW-RR 2001, 644; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Aufl., 2010, § 6 Rz. 383).
9b) Ein Rückgriff auf eine Lebensversicherung kommt weiterhin nicht in Betracht, wenn es sich um eine Altersvorsorge i. S .d. § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII handelt. Hiernach muss Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge i. S. des § 10 a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient, nicht eingesetzt werden, wenn seine Ansammlung staatlich gefördert wurde ("Riester-Rente").
10c) Darüber hinaus können auch weitere Vermögensteile zum Schonvermögen gehören.
11§ 90 Abs. 3 S. 1 und 2 SGB XII wiederholen den Zumutbarkeitsgesichtspunkt des § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO und konkretisieren ihn. Eine Härte liegt hiernach u.a. dann vor, wenn die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Mit dieser Regelung wird der Aufbau einer angemessenen, nicht staatlich geförderten Lebensversicherung gesichert (BGH, Beschluss vom 09. Juni 2010 – XII ZB 55/08 –, Rn. 31, juris).
12d) Diese Ausnahmebestände liegen nicht vor. Eine besondere Härte ist auch nicht deshalb gegeben, weil der Kläger die Kapitallebensversicherung nicht ohne Gefährdung des ihm gewährten Kredites für das von ihm im Jahr 2016 erworbene Haus verwerten könnte.
13Zum einen ergibt sich bereits aus den vorliegenden Daten, dass diese Versicherung gerade nicht zur Absicherung der Finanzierung des Hauskaufs abgeschlossen worden ist, da bei einer monatlichen Beitragszahlung von 29,59 € ansonsten kein Rückkaufwert von 6.172,32 € gegeben wäre. Weiterhin führt der Kläger selbst aus, dass eine Abtretung an die Bank tatsächlich nicht erfolgt ist. Diese steht ihm daher zur freien Verfügung. Selbst wenn der Kläger für den Fall der Verwertung der Kapitallebensversicherung die abgeschlossene Risikolebensversicherung erhöhen müsste, würde dieses lediglich eine Veränderung des verfügbaren Einkommens bedeuten, welches hier nicht zur Berechnung steht. Dass die sich hieraus ergebende monatliche Belastung im Hinblick auf das Einkommen des Klägers unzumutbar wäre, ist nicht belegt und auch nicht ersichtlich. Es kann daher dahinstehen, ob eine solche Erwartungshaltung der finanzierenden Bank überhaupt besteht.
14Weiterhin muss die Kapitallebensversicherung auch nicht zwingend gekündigt werden, da auch eine Beleihung möglich ist. Hierauf hat bereits das Arbeitsgericht hingewiesen.
152. Es ergibt sich daher die von dem Arbeitsgericht vorgenommene Berechnung. Der Kläger verfügt über ein anrechenbares Vermögen aus der erhaltenen Abfindung und dem Rückkaufwert der Kapitallebensversicherung in Höhe von 13.399,92 €. Hiervon abzuziehen ist der Schonbetrag gemäß § 1 Ziff. 1, 2 DVO zu § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII in der ab dem 01.01.2017 geltenden Fassung. Somit beträgt dieser für den Kläger 5.000,00 € und für ein unterhaltsberechtigte Kind 500,00 €. Aufgrund der zum Zeitpunkt der Prüfung für die Voraussetzungen zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter vorliegenden Arbeitslosigkeit des Klägers ist der Betrag gemäß § 1 Ziff. 1 DVO zu § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII aufgrund der besonderen Lebenslage und der aus der Arbeitslosigkeit herrührenden besonderen Belastungen zu verdoppeln (BAG, Beschluss vom 24.04.2006, 3 AZB 12/05, NZA 2006, S. 751).
16Hier hatte das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass dem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise weitere Kosten etwa durch Fahrten bei der Suche nach neuer Arbeit, ggf. durchzuführende Schulungen und Bewerbungen sowie einen möglichen Umzug entstehen können, die im Einzelfall nicht von vornherein absehbar sind. Als Anhaltspunkt für die Höhe der dem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise entstehenden Kosten könne daher die Höhe des Schonbetrages für Ledige nach der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII dienen. Diese Rechtsprechung bezog sich zwar auf die Durchführungsverordnung in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung, die einen Freibetrag von 2.301,00 € für die Partei vorsah. Die Kammer ist aber der Auffassung, dass auch angesichts der nicht unerheblichen Anhebung des Freibetrages gemäß § 1 Ziff. 1 DVO zu § 90 Abs. 2 SGB XII an dieser pauschalen Verdoppelung des Freibetrages zur Berücksichtigung der sich aus der eingetretenen Arbeitslosigkeit ergebenden Belastungen festzuhalten ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese gesetzliche Neuregelung im Rahmen der Änderungen des SGB XII zum 01.01.2017 durch Artikel 11 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) sowie durch Artikel 2 des Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) verabschiedet wurde. Mit diesem Gesetz wurden insbesondere für Menschen mit Bedarf in besonderen Lebenslagen erhöhte Freibeträge für vorhandenes Vermögen eingeführt, die eine selbstbestimmte Lebensführung, Alterssicherung und Förderung der Erwerbstätigkeit erleichtern sollten. In diesem Zusammenhang scheint auch weiterhin die Verdoppelung des Schonbetrages gemäß § 1 Ziff. 1 DVO zu § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII angemessen, um die Förderung der Aufnahme der weiteren Erwerbstätigkeit auch im Hinblick der aus der Arbeitslosigkeit resultierenden Einkommenseinbußen zu gewährleisten.
17Damit ergibt sich ein vom Vermögen abzuziehender Betrag von 10.500,00 € und somit ein verbleibendes Restvermögen von 2.899,92 €, welches die entstandenen Prozesskosten übersteigt, weshalb das Arbeitsgericht zu Recht die Bewilligung von Prozesskosten abgelehnt hat.