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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 24.08.2017, 2 Ca 384/17 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlungsansprüche des Klägers für den Monat September 2016 und in diesem Zusammenhang insbesondere darüber, ob etwaige Ansprüche aufgrund einer arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist verfallen sind.
3Der 1964 geborene Kläger war bei der Beklagten ab dem 15. Juli 2016 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 09. Juli 2016 als Servicemitarbeiter beschäftigt. Nach § 4 des Arbeitsvertrags sollte er eine Grundvergütung von 8,50 Euro brutto je Arbeitsstunde sowie Zuschläge für Nachtarbeit in der Zeit zwischen 23:Uhr und 6:00 Uhr in Höhe von 15 % der Grundvergütung erhalten. Die Vergütung sollte zum 15. des Folgemonats fällig sein. In § 9 des Arbeitsvertrags ist folgende Klausel enthalten:
4„§ 9 Ausschlussklausel
5Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber dem anderen Vertragspartner schriftlich erhoben werden.
6Ausgenommen hiervon sind Ansprüche, die aus der Verletzung des Lebens, Körpers oder der Gesundheit resultieren, alle Ansprüche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung sowie die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Zahlung seiner Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns.“
7Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitsvertrags wird auf den Vertrag vom 09.07.2016 (Bl. 4 bis 7 d. A.) Bezug genommen.
8Der Kläger war zunächst in der Zeit vom 20. Juli 2016 bis Ende August 2016 arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 12. September 2016 schloss sich eine weitere Arbeitsunfähigkeit an. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer mit Schreiben vom 14. September 2016 ausgesprochenen Kündigung der Beklagten am 29. September 2016.
9Mit der Entgeltabrechnung für den Monat September 2016 (Bl. 8 d. A.) rechnete die Beklagte die vom Kläger tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro je Arbeitsstunde sowie Nachtzuschläge und einen Verpflegungszuschuss ab. Daneben rechnete sie als Entgeltfortzahlung für 23,49 Stunden einen Betrag in Höhe von 199,67 Euro brutto ab. Den sich aus der Abrechnung ergebenden Nettobetrag von 657,48 Euro zahlte sie an den Kläger aus.
10Im Rahmen eines unter dem Aktenzeichen 2 Ca 1315/16 vor dem Arbeitsgericht Siegen geführten Rechtsstreits stritten die Parteien um Entgeltfortzahlungsansprüche des Klägers für den Monat August 2016. Das Verfahren endete durch einen im Gütetermin vom 10. November 2016 geschlossenen Vergleich.
11Mit Schreiben vom 13. Dezember 2016 (Bl. 21 d. A.), welches den Bevollmächtigten der Beklagten am 14. Dezember 2016 zuging, forderten die Bevollmächtigten des Klägers die Beklagte zur Erfüllung des in dem Verfahren 2 Ca 1315/16 geschlossenen Vergleichs auf. Weiter heißt es in dem Schreiben wörtlich:
12„Darüber hinaus haben wir Ihre Partei aufzufordern, das Arbeitsverhältnis auch für den Monat September 2016 abzurechnen, auch insbesondere hinsichtlich der offenen Urlaubsabgeltung.“
13Mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 erwiderten die Bevollmächtigten der Beklagten, dass der Vergleich bereits erfüllt worden sei. Hierzu überreichten sie eine Abrechnung über den im Vergleich vereinbarten Bruttobetrag und teilten mit, dass der sich ergebende Nettobetrag an den Kläger überwiesen worden sei. Auf den zweiten Punkt komme man noch zurück. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2016 teilten die Bevollmächtigten der Beklagten dann mit, die Vergütung für den Monat September 2016 sei bereits anlässlich des Ausscheidens des Klägers abgerechnet worden sei. Die in der Abrechnung nicht berücksichtigte Urlaubsabgeltung habe man nunmehr ergänzend abgerechnet und den sich ergebenden Nettobetrag am 22. Dezember 2016 an der Kläger ausgezahlt.
14Mit Schreiben vom 02. März 2017 wandten sich die Bevollmächtigten des Klägers erneut an die Bevollmächtigten der Beklagten und machten geltend, dass ihrer Auffassung nach für den Monat September insgesamt 112 Stunden Entgeltfortzahlung hätten geleistet werden müssen. Mit seiner am 22. März 2017 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger diesen Anspruch weiter.
15Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, er habe seine Ansprüche für den Monat September 2016 mit Schreiben vom 13. Dezember 2016 ausreichend geltend gemacht. Nachdem die Entgeltabrechnung für den Monat September 2016 mit Schreiben der Bevollmächtigten der Beklagten vom 22. Dezember 2016 übersandt worden sei, habe er die Ansprüche innerhalb von drei Monaten nochmals mit Schreiben vom 02. März 2017 spezifiziert geltend gemacht. Die Ansprüche seien daher nicht verfallen.
16Im Kammertermin vom 24. August 2017 erschien für die Beklagte - entsprechend vorheriger Ankündigung - niemand.
17Der Kläger hat daraufhin beantragt,
18die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat September 2016 1.575,43 Euro brutto abzüglich 657,48 Euro netto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01. Oktober 2016 zu zahlen.
19Des Weiteren beantragte er
20den Erlass eines Versäumnisurteils.
21Mit Urteil vom 24. August 2017 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die zulässige Klage sei unschlüssig. Ein etwaiger Anspruch des Klägers sei verfallen, da bis zum 15. Januar 2017 keine ordnungsgemäße Geltendmachung erfolgt sei. Die in § 9 des Arbeitsvertrages vereinbarte Ausschlussfrist sei wirksam und vom Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen. Das Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 13. Dezember 2016 beinhalte keine ordnungsgemäße Geltendmachung, da in ihm weder die Art noch die Höhe der Ansprüche näher bezeichnet worden seien. Da dem Kläger die Abrechnung für den Monat September jedenfalls am 22. Dezember 2016 vorgelegen habe, hätte noch ausreichend Zeit bestanden, die Ansprüche innerhalb der Ausschlussfrist zu spezifizieren.
22Gegen das ihm am 04. September 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04. Oktober 2017 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 30. November 2017 mit einem am 28. November 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
23Der Kläger ist der Ansicht, das Schreiben vom 13. Dezember 2016 beinhalte eine ausreichende Geltendmachung. Zu berücksichtigen sei, dass die Parteien bereits einen Vorprozess geführt hätten, in welchem es um die Berechnung der Entgeltfortzahlung für den Monat August 2016 gegangen sei. Aufgrund des Vorprozesses sei für die Beklagte eindeutig erkennbar gewesen, welche Ansprüche mit dem Schreiben vom 13. Dezember 2016 für den Monat September 2016 geltend gemacht wurden. Sich darauf zu berufen, man habe nicht erkennen können, welche Ansprüche geltend gemacht werden sollten, sei rechtsmissbräuchlich.
24Der Kläger beantragt,
25die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegen vom 24. August 2016 zu verurteilen, an ihn für den Monat September 2016 1.575,43 Euro brutto abzüglich gezahlter 657,48 Euro netto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01. Oktober 2016 zu zahlen.
26Die Beklagte beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Die Beklagte ist der Ansicht, die Ansprüche des Klägers seien aufgrund der in § 9 des Arbeitsvertrages vereinbarten Ausschlussfrist verfallen. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall würde von der Ausschlussfrist erfasst. Eine konkrete Geltendmachung des Anspruchs hätte bis spätestens zum 15. Januar 2017 erfolgen müssen. Eine hinreichende Geltendmachung sei dagegen erst mit Schreiben vom 02. März 2017 erfolgt. Die Entgeltabrechnung für den Monat September 2016 sei dem Kläger unmittelbar nach deren Erstellung am 10. Oktober 2016 übersandt worden. Die nochmalige Übersendung an die Bevollmächtigten des Klägers am 22. Dezember 2016 sei nur informatorisch erfolgt.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die in mündlicher Verhandlung zu Protokoll abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
31Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht nach § 331 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO durch unechtes Versäumnisurteil abgewiesen.
32A) Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Parteien ausschließlich darüber streiten, ob dem Kläger für den Monat September 2016 ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für 112 Stunden anstatt der lediglich abgerechneten 23,49 Stunden zusteht. Unstreitig ist, dass die Beklagte die vom Kläger im Monat September 2016 tatsächlich geleisteten Stunden ordnungsgemäß mit 8,50 Euro pro Arbeitsstunde vergütet hat.
33B) Der vom Kläger geltend gemachte Entgeltfortzahlungsanspruch ist aufgrund der in § 9 des Arbeitsvertrages vereinbarten Ausschlussfrist verfallen.
34I. Die Regelung in § 9 des Arbeitsvertrags ist rechtswirksamer Vertragsbestandteil geworden.
351. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild des Vertrages eine tatsächliche Vermutung der keine der Parteien entgegengetreten ist (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 2014 – 5 AZR 299/13 (F) –).
362. Eine einzelvertragliche Ausschlussfrist stellt eine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung im Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Gesetzlich bleiben Ansprüche abgesehen von einer Verwirkung (§ 242 BGB) erhalten und unterliegen nur den Verjährungsvorschriften. Die vorliegende Klausel entspricht auch nicht einer tariflichen Bestimmung oder anderen Norm im Sinne des § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB, die auf das Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar Anwendung findet, so dass eine AGB-Kontrolle nicht ausgeschlossen wird (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.09.2005 - 5 AZR 52/05 -; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.03.2008 - 10 AZR 152/07 -).
373. Die Klausel ist nicht überraschend i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB und damit Vertragsbestandteil geworden. Die Vereinbarung von Ausschlussfristen entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. Januar 2016 - 5 AZR 277/14 -; vgl. auch Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 -). Die Regelung befindet sich auch nicht an einer irgendwo im Arbeitsvertrag versteckten Stelle, sondern in einem eigenen, mit „Ausschlussklausel“ überschriebenen Paragrafen.
384. § 307 Abs. 1 BGB steht der Klausel ebenfalls nicht entgegen.
39a) Die Klausel verstößt nicht gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine einzelvertragliche Verfallfrist, die wie § 9 des Arbeitsvertrags eine Geltendmachung innerhalb eines Zeitraums von mindestens drei Monaten verlangt, begegnet in AGB-rechtlicher Hinsicht keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 -; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 -).
40b) Die Klausel ist auch nicht intransparent i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ordnet eindeutig den Verfall der Ansprüche an, wenn diese nicht innerhalb der Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber dem anderen Vertragspartner geltend gemacht werden.
415. Die Ausschlussklausel in § 9 des Arbeitsvertrages ist auch nicht im Hinblick auf § 309 Nr. 7 BGB unwirksam.
42a) Nach § 9 Abs. 2 des Arbeitsvertrages sind u. a. Ansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ausgenommen. Diese fallen nicht unter die Ausschlussfrist in § 9 Abs. 1 des Arbeitsvertrags. Dadurch ist § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB gewahrt, wonach ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen, unwirksam ist.
43b) Die Klausel ist auch nicht im Hinblick auf § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB unwirksam. Danach ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam. Nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB sind allerdings bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Danach ist es unschädlich, dass in § 9 des Arbeitsvertrags der Parteien das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB insofern nicht beachtet wird (vgl. zuletzt ausführlich Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. September 2017 – 8 AZR 67/15 –).
446. Die Wirksamkeit der Klausel scheitert auch nicht an § 309 Nr. 13 Buchst. b BGB, wonach für Anzeigen und Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, keine strengere Form als die Textform vereinbart werden darf. Nach Art. 229 § 37 EGBGB gilt § 309 Nr. 13 BGB in der seit dem 01. Oktober 2016 geltenden Fassung erst für Schuldverhältnisse, die nach dem 30. September 2016 entstanden sind. Das Arbeitsverhältnis der Parteien entstand bereits im Juli 2016 und endete am 29. September 2016. Es wird damit von § 309 Nr. 13 n.F. nicht erfasst.
457. Schließlich verstößt die in § 9 des Arbeitsvertrages vereinbarte Ausschlussklausel nicht gegen § 3 Satz 1 MiLoG, wonach Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam sind. Nach § 9 Abs. 2 des Arbeitsvertrages sind Ansprüche des Klägers auf Zahlung seiner Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes ausgenommen. Diese unterliegen damit ausdrücklich nicht der Ausschlussfrist.
46II. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung ist auf den geltend gemachten Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall anzuwenden.
471. § 9 des Arbeitsvertrags erfasst „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“. Unter den Begriff der „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” fallen alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Dezember 2014 - 9 AZR 295/13 -; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 -). Zu diesen gehört auch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
482. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gehört auch nicht zu den in § 9 Abs. 2 des Arbeitsvertrages von der Ausschlussklausel ausgenommenen Ansprüchen. Insbesondere geht es vorliegend nicht um Ansprüche des Klägers auf Zahlung seiner Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes.
49a) Die nach § 9 Abs. 2 des Arbeitsvertrages von der Ausschlussfrist ausgenommen Ansprüche des Klägers auf Zahlung seiner Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes hat die Beklagte vorliegend dadurch erfüllt, dass sie sämtliche vom Kläger im Monat September 2016 tatsächlich geleisteten Stunden mit 8,50 Euro vergütet hat. Weitergehende Ansprüche des Klägers ergeben sich zumindest nicht unmittelbar aus dem Mindestlohngesetz. Das Mindestlohngesetz begründet für Zeiten ohne Arbeitsleistung keine unmittelbaren Ansprüche (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 -; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. September 2017 – 10 AZR 171/16 -). Sowohl die Voraussetzungen als auch die Höhe des vom Kläger geltend gemachten Entgeltfortzahlungsanspruchs im Krankheitsfall ergeben sich vielmehr aus §§ 3, 4 EFZG. Danach hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, für den in § 3 bezeichneten Zeitraum das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Hiervon darf gemäß § 12 EFZG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Das hiernach maßgebliche Entgeltausfallprinzip führt zwar dazu, dass der Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG als Geldfaktor bei der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs gem. § 4 EFZG zu berücksichtigen ist und daher mittelbar Einfluss auf die Höhe des Anspruchs hat. Gleichwohl handelt es sich nicht um einen Anspruch nach dem MiLoG, sondern um einen Anspruch, dessen Voraussetzungen und dessen Höhe sich nach dem EFZG richten.
50b) Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. Dabei entsteht der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 i. V. m. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG. Für Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung begründet das MiLoG keine Ansprüche. Dementsprechend hat der Arbeitgeber den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 -).
51c) Bei dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall handelt es sich damit nicht um einen Anspruch auf den Mindestlohn. Es handelt sich vielmehr um einen Anspruch, dessen Voraussetzungen und dessen Höhe sich nach dem EFZG richten und damit um einen Anspruch, der nach der Klausel in § 9 des Arbeitsvertrages nicht von der Ausschlussfrist ausgenommen ist.
52III. Der Kläger hat den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist geltend gemacht.
531. Nach § 4 Abs. 4 des Arbeitsvertrages war die Vergütung am 15. des Folgemonats fällig. Fällt der Fälligkeitstag, wie vorliegend, auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, verschiebt sich der Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten Werktag (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Mai 2001 - 1 AZR 672/00 -). Die Vergütung für den Monat September 2016 war danach am 17. Oktober 2016 fällig. Die Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit endete damit am 17. Januar 2017. Diese Frist ist durch das Geltendmachungsschreiben vom 02. März 2017 nicht gewahrt worden.
542. In dem Schreiben vom 13. Dezember 2016 liegt keine ordnungsgemäße Geltendmachung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
55a) Ausschlussfristen haben den Sinn, möglichst zeitnah das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen beider Parteien des Arbeitsvertrages festzustellen. Sie sollen Beweisschwierigkeiten verhindern und Klarheit schaffen. Die Geltendmachung soll den Schuldner zur Prüfung veranlassen, ob er der Forderung entsprechen will. Die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Geltendmachung zu stellen sind, ergeben sich aus diesem Zweck. Geht es um einen Zahlungsanspruch, muss der Anspruch grundsätzlich nach Grund und Höhe hinreichend deutlich bezeichnet werden. Außerdem muss der Gläubiger Erfüllung verlangen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. April 2002 - 5 AZR 644/00 -; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Dezember 2005 – 10 AZR 70/05 –).
56b) Diesen Anforderungen genügt das Schreiben vom 13. Dezember 2016 nicht. Mit diesem Schreiben hat der Kläger die Beklagte zunächst zur Erfüllung des im Vorverfahren geschlossenen Vergleichs aufgefordert. Daneben hat er die Beklagte aufgefordert, den Monat September 2016 abzurechnen, „auch insbesondere hinsichtlich der offenen Urlaubsabgeltung“. Der nunmehr geltend gemachte Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wird in dem Schreiben weder dem Grunde noch der Höhe nach erwähnt. Diesem Schreiben konnte die Beklagte allenfalls entnehmen, dass der Kläger einen Urlaubsabgeltungsanspruch geltend macht, den die Beklagte nach Erhalt des Schreibens auch ordnungsgemäß erfüllt hat. Demgegenüber konnte sich die Beklagte nicht darauf einstellen, dass und in welcher Höhe der Kläger weitergehende Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchte. Diese werden in dem Schreiben mit keinem Wort erwähnt. Der Einwand des Klägers, für die Beklagte sei aufgrund des Vorverfahrens erkennbar gewesen, dass es erneut um seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geht, greift nicht. Für die Beklagte war ohne nähere Angaben des Klägers nicht ohne weiteres erkennbar, ob und ggf. in welcher Höhe ein Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht und ob sie den Anspruch mit den abgerechneten Stunden bereits ordnungsgemäß erfüllt hatte. Zum einen war zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits in der Zeit vom 20. Juli 2016 bis Ende August 2016 arbeitsunfähig erkrankt war, so dass sich die Frage einer Fortsetzungserkrankung stellte. Zum anderen war zu berücksichtigen, dass der Kläger für diesen Krankheitszeitraum zum Teil die Wartezeit nach § 3 Abs. 3 EFZG noch nicht erfüllt hatte, so dass sich die weitere Frage stellte, ob und wie sich dies auf die Dauer des Anspruchs auswirkt. Bei dieser Sachlage hätte der Kläger den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zur ordnungsgemäßen Geltendmachung nach Grund und Höhe hinreichend deutlich bezeichnen müssen.
573. Die Frage, ob dem Kläger die Abrechnung für den Monat September 2016 unmittelbar nach deren Erstellung im Oktober 2016 zugegangen ist, hat vorliegend keinen Einfluss auf den Beginn der Ausschlussfrist.
58Die Erteilung einer Lohnabrechnung hat nur dann Einfluss auf den Beginn einer Ausschlussfrist, wenn der Anspruchsberechtigte die Höhe seiner Ansprüche nicht ohne die Abrechnung der Gegenseite erkennen kann (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Dezember 2005 - 10 AZR 70/05 -; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. November 2014 – 5 AZR 121/13 –). Dies kann vorliegend nicht angenommen werden. Dem Kläger waren die von ihm im Monat September 2016 geleisteten Arbeitsstunden, der Zeitraum seiner Erkrankung sowie der maßgebliche Stundenlohn bekannt. Anhand dieser Parameter konnte er seinen Vergütungsanspruch für den Monat September 2016 ohne größere Schwierigkeiten berechnen.
594. Die Berufung der Beklagten auf den Verfall der Ansprüche ist nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Ein missbilligtes Verhalten, das mit der Rechtsposition in sachlichem Zusammenhang steht, kann nach § 242 BGB zum Verlust eines Rechts führen. Eine unzulässige Rechtsausübung liegt etwa vor, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein Verhalten der Gegenpartei veranlasst worden ist oder wenn der Schuldner es pflichtwidrig unterlassen hat, dem Gläubiger die Umstände mitzuteilen, die diesen zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. November 2014 – 5 AZR 121/13 –). Die Beklagte hat den Kläger weder von der Geltendmachung seiner Ansprüche abgehalten noch objektiv den Eindruck erweckt, der Kläger könne darauf vertrauen, die Ansprüche würden auch ohne Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist erfüllt werden.
60C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
61D) Die Kammer hat im Hinblick auf die entscheidungserhebliche Frage, ob der Entgeltfortzahlungsanspruch aus den §§ 3, 4 EFZG unmittelbar vom MiLoG erfasst wird und damit nicht verfallbar (§ 3 Satz 1 MiLoG) ist, die Revision zugelassen.