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Die Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a. F. (ab 01.01.2018: § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) ist nur dann unverzüg-lich und die Anhörung derselben, gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a. F. nur dann ordnungsgemäß, wenn beide zeitlich vor der Stellung des Zustimmungs-antrags nach den §§ 85 ff SGB IX a. F. (ab 01.01.2018; §§ 168 ff SGB IX) vorgenommen werden).
Auf die Berufung des Klägers wird das am 13.03.2018 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Münster – 1 Ca 1230/17 – abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 19.07.2017 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 05.09.2017 aufgelöst ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu ¾, der Kläger zu ¼.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Für den Kläger wird die Revision nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die rechtliche Wirksamkeit zweier arbeitgeberseitiger Kündigungen und die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte des Klägers.
3Der 1965 geborene, schwerbehinderte Kläger ist seit dem 1988 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Anlagenführer zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von 3.200,00 Euro. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung.
4Mit Schreiben vom 19.07.2017, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Das zuständige Integrationsamt hatte zuvor mit Bescheid vom 17.07.2017, der Beklagten am selben Tag zugegangen, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung erteilt.
5Dem Kündigungsschreiben vom 19.07.2017, unterzeichnet von dem Personalleiter der Beklagten, W, war eine Vollmachtsurkunde nicht beigefügt. Der Kläger ließ aus diesem Grund mit Schreiben vom 20.07.2017 die Zurückweisung der Kündigung erklären.
6Mit Schreiben vom 05.09.2017 sprach die Beklagte hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30.04.2018 aus, nachdem das Integrationsamt auch insoweit die Zustimmung erteilt hatte.
7Am 19.06.2017 ergab sich im Rahmen der Spätschicht im Bereich Emaillierung, in dem auch der Kläger eingesetzt war, ein Personalengpass. Der zuständige Teamleiter, der Zeuge S, bat daher den weiteren Teamleiter, den Zeugen Z, um personelle Unterstützung. Es wurde in der Folge ein Leiharbeitnehmer aus dem Team des Zeugen Z, nämlich der Zeuge L, im Team des Zeugen S eingesetzt. Dort war dieser gemeinsam mit dem Kläger und einem weiteren Mitarbeiter, dem Zeugen N, im Bereich der so genannten PC-Beschichtung tätig. Der Zeuge L ist türkischer Abstammung. Er und der Kläger kannten einander vor dem 19.06.2017 nicht. Am 19.06.2017 kam es zwischen dem Kläger und dem Zeugen L zu einem Wortwechsel, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Der Zeuge L hat insoweit gegenüber der Beklagten angegeben, der Kläger habe ihm das Gefühl geben wollen, er sei dumm.
8Am darauffolgenden Tag arbeitete der Zeuge L gemeinsam mit dem Kläger und dem Zeugen N wiederum im Bereich der so genannten PC-Beschichtung. An diesem Tag hatte der Kläger im Betrieb die abgebrochene, etwa 2,5 cm lange Klinge eines so genannten Cuttermessers gefunden. Der Kläger hielt die Klinge in der Hand und sprach dabei mit dem Zeugen L. Die Einzelheiten dieser Situation sind zwischen den Parteien streitig. Der Zeuge N stand in unmittelbarer Nähe, als es zu dem Gespräch zwischen dem Kläger und dem Zeugen L kam.
9Am 21.06.2017 berichtete der Zeuge L seinem Vorgesetzten, dem Zeugen Z, was sich am Vortag zwischen ihm und dem Kläger zugetragen hatte. Der Zeuge Z hielt sodann Rücksprache mit dem Zeugen S, dem Vorgesetzten des Klägers. Letzterer setzte den Zeugen L sodann in einem anderen Bereich ein, um einen direkten Kontakt zu dem Kläger zu vermeiden.
10Am 22.06.2017 befragten der Personalleiter W, der zuständige Meister M und der Vorgesetzte des Klägers, S, den Kläger zu dem Vorfall vom 20.06.2017. Der Kläger verhielt sich zunächst abwartend und sagte dann: „Ach das mit der Klinge oder was? Die lag auf dem Wagen, ich habe die da weggenommen.“ Sodann zeigte er an seinem Arm eine Bewegung, die ein Aufritzen des Armes bildlich darstellen sollte und gab an, er habe am 20.06.2017 gesagt: „Soll ich mir jetzt in den Arm schneiden? Warum liegt die Klinge hier?“ Zudem gab der Kläger an, am Ende hätten er und der Kollege N gelacht und seien wieder an die Arbeit gegangen.
11Am 22.06.2017 wurden auch die Zeugen L und N befragt, wobei die Einzelheiten der Befragung zwischen den Parteien streitig sind.
12Am 27.06.2017 ging bei der Beklagten eine schriftliche Stellungnahme (Bl. 49 d. A.) des Zeugen L zu dem Vorfall vom 20.06.2017 ein.
13Mit Schreiben vom 03.07.2017 (Bl. 50ff. d. A.), zugegangen am selben Tag, hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an. Ebenfalls mit Schreiben vom 03.07.2017 (Bl. 62ff. d. A.), zugegangen am selben Tag, unterrichtete die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung von der beabsichtigten Kündigung. In den Anhörungsschreiben heißt es, die Anzahl der Kinder des Klägers sei der Beklagten unbekannt, obwohl aus der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung ersichtlich war, dass der Kläger keine Kinder hat. Zudem enthalten die Schreiben die Angabe, der Kläger sei bereits einschlägig abgemahnt worden, und zwar unter dem 10.08.2016. Eine Kopie des Abmahnungsschreibens war den Anhörungsschreiben beigefügt. Der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung haben zu den beabsichtigten Kündigungen keine Stellungnahme abgegeben.
14Ebenfalls mit Schreiben vom 03.07.2017, zugegangen am selben Tag, beantragte die Beklagte bei dem zuständigen Integrationsamt die Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung.
15Unter dem 10.08.2016 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung (Bl. 59f. d. A.). Hintergrund dieser Abmahnung war unter anderem, dass der Kläger seinen türkischstämmigen Kollegen J gegenüber dem Teamleiter Vorfertigung, X, als Scheißtürken bezeichnet hatte.
16Der Kläger hat behauptet, im Werk P der Beklagten herrsche ein Umgangston, der als hart, aber herzlich zu bezeichnen sei. Er selbst habe einen eigenartigen Humor. Daher könne es auch mal zu Missverständnissen kommen. Daraus könne jedoch kein vorsätzliches, ausländerfeindliches, beleidigendes oder bedrohendes Verhalten konstruiert werden.
17Am 20.06.2017 habe er die abgebrochene Klinge des Cuttermessers in die Runde gezeigt und dabei gesagt: „Was ist das denn? Die Dinger sind doch längst verboten! Was soll ich damit? Soll ich mich selbst aufschlitzen?“ Daraufhin habe der Zeuge L nachgefragt: „Wie, mich aufschlitzen?“ Er - der Kläger - habe geantwortet: „Nein, mich natürlich! Die Rentenversicherung würde sich freuen, eine Bürde weniger!“ Zur Zeit des Vorfalles habe am Arbeitsort Lärm bei Werten von mindestens 70 bis 80 db geherrscht. Auch habe zusätzlich die Kettenölanlage ein intensives Zischen von sich gegeben, was die Verständigung zwischen untereinander noch erschwert habe.
18Der Kläger hat gemeint, es sei gut denkbar, dass der Zeuge L sich am 19.06.2017 durch ihn beleidigt gefühlt habe und daher den Vorfall vom 20.06.2017 zum Anlass genommen habe, sich zu revanchieren.
19Der Kläger hat die ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten. In den Anhörungsschreiben sei zu Unrecht die Angabe enthalten, dass er einschlägig abgemahnt worden sei. Die Unwirksamkeit der Kündigung ergebe sich auch aus dem Umstand, dass die Beklagte die Beteiligung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nicht vor Beantragung der Zustimmung durch das Integrationsamt eingeleitet und durchgeführt habe.
20Seine Äußerung über den Kollegen J bedeute zudem keine Ausländerfeindlichkeit, sondern sei lediglich der Hinweis darauf gewesen, dass dieser Kollege schlecht arbeite.
21Der Kläger hat beantragt,
221. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 19.07.2017 aufgelöst ist;
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 05.09.2017 aufgelöst ist;
3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 10.08.2016 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Beklagte hat beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Sie hat behauptet, der Kläger habe dem Zeugen L am 20.06.2017 die abgebrochene Klinge des Cuttermessers hingehalten und dabei zu dem Zeugen gesagt, er solle die Klinge nehmen und sich damit aufschlitzen. Daraufhin sei der Zeuge L sehr erschrocken gewesen und habe gefragt, weshalb er dies machen solle. Der Kläger habe geantwortet, dass es dann einen Türken weniger gebe.
31Der Zeuge L habe das Geschehen vom 20.06.2017 geschildert und geäußert, er habe sich von dem Kläger sehr bedroht gefühlt. Zudem habe er mitgeteilt, der Zeuge N habe alles mitbekommen und am Ende des Vorfalles nur eine abwertende Handbewegung in Richtung des Klägers gemacht, nach dem Motto: „Hör auf damit…“ Der Zeuge N habe sich im Rahmen seiner Befragung am 22.06.2017 abwartend verhalten. Erst nachdem der Zeuge W ihn nach und nach auf einen möglichen Vorfall angesprochen habe, habe er gesagt: „Ach Sie meinen die Sache mit der Klinge?“ Sodann habe der Zeuge N sinngemäß erklärt, er habe mitbekommen, wie der Kläger mit der Klinge „herumgefuchtelt“ habe. Auf Nachfrage des Zeugen W, was der Kläger zu dem Zeugen L gesagt habe, habe der Zeuge N geantwortet, das wisse er nicht; er sei dann wieder an die Arbeit gegangen.
32Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, das Verhalten des Klägers stelle eine grobe Störung des Betriebsfriedens dar. Es handele sich um einen Vertrauensbruch, dessen Billigung man nicht erwarten könne. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen. Es werde bei ihr entgegen den Behauptungen des Klägers sehr genau auf einen respektvollen und höflichen Umgangston geachtet.
33Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen L, N, M, S und Z. Für die Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Kammertermine vom 07.12.2017 und vom 27.02.2018 verwiesen.
34Mit am 13.03.2018 verkündetem Urteil hat das Arbeitsgericht Münster die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Es hat seine Entscheidung wesentlich wie folgt begründet:
35Das Arbeitsverhältnis habe mit Zugang der fristlosen Kündigung vom 19.07.2017 am selben Tag sein Ende gefunden, da ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen habe.
36Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe der Kläger dem Zeugen L am 20.06.2017 die abgebrochene Klinge des Cuttermessers hingehalten und dabei zu dem Zeugen gesagt, er solle die Klinge nehmen und sich damit aufschlitzen, dann gebe es einen Türken weniger. Die Abgabe ausländerfeindlicher Äußerungen durch einen Arbeitnehmer im Betrieb sei an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Das Verhalten des Klägers sei dem Zeugen L gegenüber grob respektlos und ausländerfeindlich gewesen. Der Zeuge L habe die Äußerung des Klägers nur so verstehen können, dass er sich mit der Klinge tödlich verletzen solle, damit es einen Türken weniger gebe. Die Äußerung des Klägers sei grob beleidigend; der Kläger habe sie in einen inhaltlichen Zusammenhang mit der ethnischen Herkunft des Zeugen gestellt. Das Verhalten des Klägers sei auch ohne vorherige Abmahnung an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen, da der Kläger hier von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen könne und sich bewusst sein müsse, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setze. Unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile sei es der Beklagten nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Vielmehr habe trotz der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers und seiner lebensalterbedingten Schwierigkeit, auf dem Arbeitsmarkt eine adäquate Folgebeschäftigung zu finden, das Interesse der Beklagten an einer unmittelbaren Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Fortbestandsinteresse des Klägers deutlich überwogen. Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger überhaupt fortzusetzen, hätte zu einer Situation geführt, in der die Beklagte sich dem Vorwurf ausgesetzt hätte, Mitarbeiter mit Migrationshintergrund nicht in angemessener Weise vor ausländerfeindlichen Äußerungen zu schützen. Die Beklagte habe auch den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört. Insbesondere sei es der Beklagten angesichts der Äußerung des Klägers gegenüber dem Zeugen L ersichtlich nicht darauf angekommen, ob der Kläger Kinder habe. Insoweit lasse sich auch kein inhaltlicher Bezug zu dem Kündigungsgrund herstellen.
37Die Kündigung sei nicht gemäß § 95 Abs. 2 S. 2 SGB IX (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung) unwirksam. Der wirksamen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte ebenfalls mit Schreiben vom 03.07.2017 die Zustimmung des Integrationsamts zu der beabsichtigten Kündigung beantragt habe. Nach Ansicht der Kammer gebiete der Schutzzweck des § 95 SGB IX nicht zwingend, das Anhörungsverfahren vor Einreichung des Zustimmungsantrags durchzuführen. Denn der Sinn und Zweck dieser Vorschrift, den besonderen kündigungsrechtlichen Schutz schwerbehinderter Menschen auszuweiten, indem man der Schwerbehindertenvertretung Gelegenheit gebe, schon in der Phase der Willensbildung auf Seiten des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen und die Missachtung der Vorschrift mit der neuen Sanktion der Unwirksamkeit der Kündigung belege, könne auch erreicht werden, wenn der Arbeitgeber gleichzeitig mit der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (ggf. vorsorglich) die Zustimmung des Integrationsamts beantrage. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamts beantragt habe, zwinge ihn nämlich nicht, eine Kündigung auszusprechen. Er könne die Zustimmung auch vorsorglich beantragen, insbesondere um nicht Gefahr zu laufen, die Frist des § 91 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verstreichen zu lassen. Es stehe dem Arbeitgeber frei, auch nach beantragter oder erteilter Zustimmung des Integrationsamts nach Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu dem Ergebnis zu kommen, dass keine Kündigung ausgesprochen werden solle. Die gemäß § 85 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamts habe bei Ausspruch der Kündigung vorgelegen. Die am 19.07.2017 erklärte und dem Kläger am selben Tag zugegangene Kündigung sei damit unverzüglich im Sinne des § 91 Abs. 5 SGB IX erklärt worden.
38Der weitere Bestandsschutzantrag des Klägers sei ebenfalls abzuweisen gewesen, da das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits durch Zugang der fristlosen Kündigung am 19.07.2017 sein Ende gefunden habe.
39Der Kläger habe keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 10.08.2016 aus seiner Personalakte, da objektive Anhaltspunkte dafür, die Abmahnung könne ihm auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden, nicht ersichtlich seien.
40Gegen das ihm am 16.03.2018 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 05.04.2018 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.06.2018 mit einem am 14.06.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
41Der Kläger meint, die Abmahnung müsse aus den Personalakten entfernt werden. Er habe den Mitarbeiter J nicht beleidigen, sondern ihn als „den Schlechtleister“ bezeichnen wollen. Die von ihm gewählte vereinfachende Bezeichnung „Scheiß Türke, der hat keine Ahnung“ dürfte in der Arbeitswelt, etwa „am Bau“, und bei der Beklagten üblich sein. Auch strafrechtlich liege eine Beleidigung nicht vor.
42Der Kläger rügt, dass seinem Beweisantrag auf ein Sachverständigengutachten bzw. einen Ortstermin zu einer gegebenen Lautstärke von mindestens 80 dB und zusätzlichen erheblichen Pfeiftönen durch das Gericht nicht nachgekommen sei. Auch habe das Gericht Zeichnungen des Orts der Auseinandersetzung, zu denen die Beklagte die Zeugen L und N aufgefordert habe, nicht beigezogen. Im Hinblick auf den tosenden Lärm und die praktische Unmöglichkeit, dass er auf den Zeugen L habe zugehen können, hätte das Arbeitsgericht die Aussage des Zeugen L in einem anderen Licht bewerten müssen. Er habe sich, erstmals mit den Vorwürfen konfrontiert, abwartend verhalten, als wisse er von nichts. Das heiße doch nur, dass die Vorwürfe für ihn ein Nichts bzw. einer seiner Sprüche gewesen seien. Das Arbeitsreicht bewerte auch nicht die Schilderungen des Zeugen N aus der Gesprächssituation vom 20.06.2017 über das „nichts Hören“ hinaus. Es hätte zudem die Skizze des Zeugen N zur Akte nehmen und sie sich von diesem erklären lassen müssen. Die Zeugenaussage N bleibe insbesondere im Hinblick auf diejenigen Gesprächsfetzen, die dieser nicht gehört haben will, nur dann unergiebig, wenn nicht die gesamte Aussage des Zeugen berücksichtigt werde. Für die Ausführungen des Klägers zu den weiteren Zeugenaussagen wird auf Bl. 287ff. d. A. verwiesen.
43Die Anhörung des Betriebsrats sei nicht ordnungsgemäß im Sinne des Gesetzes. Der Beklagten, bei der er etwa 30 Jahre arbeite, müsse die Anzahl seiner Kinder bekannt sein. Zudem habe die Beklagte dem Betriebsrat nicht nur vermeintliche Fakten mitgeteilt, sondern diese auch gewertet; das sei nicht Aufgabe einer Anhörung.
44Schließlich sei die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vom 03.07.2017 sei nicht ausreichend, da ihre Beteiligung, wie sich aus § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ergebe, mehr bedeute als die Anhörung des Betriebsrats. Zu der gesetzlichen Handlungspflicht, der Schwerbehindertenvertretung die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen, habe die Beklagte nichts vorgetragen.
45Der Kläger beantragt:
46Das Urteil des Arbeitsgerichts Münster – AZ: 1 Ca 1230/17 – vom 13.03.2018 wird abgeändert und
47a) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten und Berufungsbeklagten vom 19.07.2017 aufgelöst worden ist;
48b) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten und Berufungsbeklagten vom 05.09.2017 aufgelöst worden ist;
49c) die Beklagte und Berufungsbeklagte verurteilt, die Abmahnung vom 10.08.2016 aus der Personalakte des Klägers und Berufungsklägers zu entfernen.
50Die Beklagte beantragt,
51die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 13.03.2018, Az.: 1 Ca 1230/17, zurückzuweisen.
52Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und hält zunächst die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Im Bereich des streitgegenständlichen Vorfalls, so führt sie weiter aus, habe zu dem Zeitpunkt lediglich ein etwa 75 cm hoher Roll-Arbeitswagen gestanden, der – selbst, wenn er zwischen dem Kläger und dem Zeugen KL gestanden hätte – eine Kommunikation zwischen beiden nicht beeinträchtigt hätte. Die Aussage des Zeugen N sei unergiebig gewesen, weil er trotz seines Standorts von etwa einem Meter neben dem Kläger sich an wesentliche Teile des Vorfalls, die den Kläger belasten würden, nicht erinnern könne. Hingegen sei die Aussage des Zeugen S insoweit ergiebig gewesen, da dieser angegeben habe, man könne sich am Arbeitsplatz des Klägers gut verstehen, wenn man ein bis drei Meter voneinander entfernt stehe.
53Das Gericht sei auch zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass die Kündigung nicht gemäß § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX unwirksam sei. Der wirksamen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung stehe nicht entgegen, dass sie - die Beklagte - ebenfalls mit Schreiben vom 03.07.2017 die Zustimmung des Integrationsamts beantragt habe. Die von ihr durchgeführte Unterrichtung und Anhörung erfülle die Anforderungen an die Mitteilungspflicht aus § 95 SGB IX. Aus den von ihr gebrauchten Formulierungen sei deutlich erkennbar, dass die Entscheidung für eine Kündigung nur noch von einer Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung abhängig gewesen sei. Sie selbst habe die Entscheidung getroffen, das Arbeitsverhältnis zu beenden, was sich aus der Formulierung „beabsichtigen“ in dem Schreiben an die Schwerbehindertenvertretung vom 03.07.2017 ergebe. Der Vollzug dieser Entscheidung habe nur noch unter der Bedingung einer Stellungnahme durch die Schwerbehindertenvertretung gestanden, welche nicht erfolgt sei. Jedenfalls bleibe eine eventuelle Verletzung der Pflicht zur Mitteilung der getroffenen Entscheidung kündigungsrechtlich sanktionslos.
54Wegen des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird verwiesen auf deren wechselseitige Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der öffentlichen Sitzungen erster und zweiter Instanz, die insgesamt Gegenstand der letzten mündlichen Verhandlung waren.
55Entscheidungsgründe
56Die Berufung ist begründet.
57I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 13. März 2018 ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), als Rechtsstreitigkeit über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (§ 64 Abs. 2 lit. c ArbGG) zulässig sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) und innerhalb der verlängerten Frist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 5 ArbGG) ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG) begründet worden; sie ist damit zulässig.
58II. Auch in der Sache erweist sich das Rechtsmittel als begründet.
591. Die Kündigung ist allerdings nicht deshalb rechtsunwirksam, weil für sie kein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gegeben war. Das Arbeitsgericht hat vielmehr zutreffend angenommen, dass für die fristlose Kündigung ein wichtiger Grund im Sinne des Gesetzes vorgelegen hat. Nach dem Ergebnis der mit der Vernehmung der Zeugen L, N, M, S und Z umfangreich durchgeführten Beweisaufnahme hat der Kläger dem Zeugen L am 20.06.2017 im Betrieb der Beklagten die abgebrochene Klinge eines Cuttermessers hingehalten und diesem bedeutet, er solle die Klinge nehmen und sich damit aufschlitzen, dann gebe es einen Türken weniger.
60Das Berufungsgericht folgt der sorgfältigen und umfassenden Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts bezogen auf den Kündigungssachverhalt ebenso wie der Bewertung des erstinstanzlichen Gerichts zur An-sich-Geeignetheit ausländerfeindlicher Äußerungen für die Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, der Entbehrlichkeit einer vorherigen Abmahnung und der angestellten Interessenabwägung und sieht insoweit von einer lediglich wiederholenden Darstellung eigener Entscheidungsgründe ab, § 69 Abs. 2 ArbGG.
61Die Berufungsbegründung des Klägers gibt allein Anlass zu den nachstehenden Anmerkungen:
62a) Die Rüge des Klägers, es sei seinem Beweisantrag auf ein Sachverständigengutachten bzw. einen Ortstermin zu einer gegebenen Lautstärke von mindestens 80 dB und zusätzlichen erheblichen Pfeiftönen durch das Gericht nicht nachgekommen, geht fehl. Zunächst erschließt sich schon nicht, aufgrund welcher Umstände der Kläger von einer Lautstärke von mindestens 80 db (erstinstanzlich: mindestens 70 bis 80 db) für den Zeitraum der streitigen Auseinandersetzung im Betrieb ausgehen möchte. Die Behauptung zu der allgemein und in der Wissenschaft als laut bezeichneten Lärmschwelle von („mindestens“) 80 db ist daher als eine „ins Blaue“ erhobene zu werten und eines Beweises nicht zugänglich. Dass zum anderen von einem tosenden Lärm, was immer das sein mag, für den Zeitraum und den Ort der Auseinandersetzung am Morgen des 20.06.2017 bzw. am Arbeitsplatz des Klägers an sich keine Rede sein kann, haben die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen L und S beweisen können. Die Aussage des Zeugen L hatte das Arbeitsgericht daher im Ergebnis nicht in einem anderen, von dem Kläger gewünschten Licht zu bewerten; die Beweiswürdigung geht in Ordnung. Hinzu kommt, dass die Beklagte in der Berufungserwiderung unwidersprochen vortragen konnte, dass im Bereich des streitgegenständlichen Vorfalls zu dem Zeitpunkt lediglich ein etwa 75 cm hoher Roll-Arbeitswagen gestanden habe, der - selbst, wenn zwischen dem Kläger und dem Zeugen L gestanden - eine Kommunikation beider Personen nicht beeinträchtigt hätte.
63Dass das Gericht die Aussage des Zeugen N als unergiebig angesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Der Zeuge selbst hat angegeben, in der Gesprächssituation etwa einen Meter neben dem Kläger gestanden, aber nichts gehört zu haben. Er hat dieses „nichts gehört“ insbesondere nicht mit einem intensiven Geräuschpegel an dem Gesprächsort erklärt.
64b) Die Rüge, das Arbeitsgericht habe angebliche Zeichnungen der Zeugen L und N zu den Gegebenheiten am Ort des streitigen Geschehens nicht beigezogen, bleibt inhaltlich unbestimmt. Der Kläger vermochte bereits nicht darzutun, wer die genannten Zeugen aufgefordert haben soll, Zeichnungen des Orts der Auseinandersetzung anzufertigen. Ebensowenig konnte er etwas dazu vortragen, dass es tatsächlich zur Anfertigung zu entsprechender Zeichnungen gekommen ist. Hingegen hat das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung die Standortzeichnung des Klägers (vom 20.12.2017), die dieser als Anlage zu seinem Schriftsatz vom 25.01.2018 zur Gerichtsakte gereicht hat, berücksichtigt.
65c) Es erschließt sich der Berufungskammer nicht, dass das abwartende, „von nichts wissende“ Verhalten des Klägers, erstmals mit den Vorwürfen konfrontiert, doch nur heiße - so der Kläger -, die Vorwürfe seien ein Nichts bzw. einer seiner Sprüche gewesen. Das abwartende Verhalten des Klägers kann sehr verschiedene Gründe gehabt haben, so etwa auch die Überlegung, von sich aus zunächst nichts einzuräumen.
662. Die streitgegenständlichen Kündigungen vom 19.07. und 05.09.2017 sind rechts-unwirksam wegen der nicht gesetzmäßigen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (§ 95 Abs. 2 SGB IX a.F.; ab 1. Januar 2018: § 178 Abs. 2 SGB IX – nachfolgend wird die bis zum 31. Dezember 2017 geltende Fassung des SGB IX zitiert). Die Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung durch die Beklagte zeitgleich mit der Stellung des Zustimmungsantrags beim Integrationsamt ist nicht ordnungsgemäß und führt zur Rechtsunwirksamkeit beider Kündigungen.
67a) Nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen.
68aa) Mit der in § 95 Abs. 2 Satz 3 SBG IX neu aufgenommenen individualrechtlichen Sanktionsregelung, geltend bereits seit dem 30. Dezember 2016, ist die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung auch kündigungsrechtlich relevant geworden: Eine ohne Beteiligung (nach Satz1 des § 95 Abs. 2 SGB IX) der Schwerbehindertenvertretung erklärte Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist unwirksam. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit tritt auch bei einer fehlerhaft durchgeführten Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ein, wenn zwar eine Beteiligung erfolgt ist, diese allerdings falsch, unvollständig oder verspätet durchgeführt wurde (Sächsisches LAG 8. Juni 2018 – 5 Sa 458/17, Rn. 49, zitiert nach juris; Revision anhängig: BAG 2 AZR 378/18; Pahlen in: Neumann/Pahlen/Winkler/Jabben, Sozialgesetzbuch IX, 13. Aufl., § 178 Rn.11f.; Bayreuther, NJW 2017, 87; Kleinebrink, DB 2017, 126), weil in diesem Fall ebenfalls keine Beteiligung nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX anzunehmen ist (Klein, NJW 2017, 852).
69§ 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sieht ein abgestuftes Verfahren der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten vor, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren (vgl. Düwell in: Düwell/Beyer, Das neue Recht für behinderte Beschäftigte, 2017, Rn. 120; Mühlmann, NZA 2017, 884; Boecken, VSSR 2017, 69). Die Bestimmung verlangt, dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung unverzüglich und umfassend unterrichtet, vor der Entscheidung anhört und ihr abschließend die getroffene Entscheidung unverzüglich mitteilt. Diese sogenannte Trias von Unterrichtung, Anhörung und Entscheidungsmitteilung umfasst auch die Absicht des Arbeitgebers zur Kündigungserklärung gegenüber einem schwerbehinderten Beschäftigten.
70bb) Der Wortlaut des Gesetzes ist hinsichtlich des Zeitpunkts der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung durch den Arbeitgeber nicht eindeutig (vgl. auch Sächsisches LAG 8. Juni 2018, a.a.O., Rn. 53). Die Unterrichtung hat unverzüglich und umfassend zu erfolgen, zur Anhörung fehlt jede zeitliche Vorgabe, die Mitteilung der getroffenen Entscheidung muss unverzüglich vorgenommen werden. Die Frage, ob, in welcher Art und Weise und innerhalb welcher Fristen die Schwerbehindertenvertretung reagieren muss, hat keine Regelung erfahren. Hinsichtlich der Fristen wird allgemein angenommen, dass in Anlehnung an § 102 Abs. 2 BetrVG bei einer ordentlichen Kündigung eine Stellungnahme spätestens innerhalb von einer Woche nach Zugang und bei einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung innerhalb von drei Tagen mitzuteilen ist (etwa ErfK/Rolfs, 18. Aufl., § 178 SGB IX Rn. 10). Auch die zeitliche Abfolge der Anhörungen der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats sowie der Antragstellung beim Integrationsamt zur Kündigungszustimmung nach den §§ 85 ff. SGB IX ist gesetzlich unklar (geblieben). Den Gesetzesmaterialien, die sich dazu ausschweigen, lassen sich Erkenntnisse nicht entnehmen.
71b) Nach Sinn und Zweck der gesetzlich normierten Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist in den Vordergrund zu rücken, dass die gesetzliche Verschärfung die Zielrichtung verfolgt, die Rechte der Schwerbehindertenvertretung deutlich zu stärken. Satz 3 in § 95 Abs. 2 SGB IX war ursprünglich weder im Referenten- noch im Regierungsentwurf enthalten und fand erst aufgrund eines Abänderungsantrags der Koalitionsfraktionen vom 29. November 2016 in der Sitzung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales am 30. November 2016 Eingang in den Gesetzestext (BT-Drs. 18/10523; Pahlen in: Neumann/Pahlen/Winkler/Jabben, a.a.O., § 178 Rn. 11b; Düwell in: Düwell/Beyer, Rn. 117; Bayreuther, NZA 2017, 87). Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat insoweit gemeint, dass die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gerade im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses besonders wichtig ist, weil für schwerbehinderte Menschen die Aufrechterhaltung ihres Arbeitsverhältnisses von herausragender Bedeutung ist (BT-Drs. 18/10523, 64).
72aa) Die gesetzliche Unterrichtungs- und Anhörungspflicht des Arbeitgebers gegenüber der Schwerbehindertenvertretung besteht bei allen Kündigungen schwerbehinderter oder gleichgestellter Arbeitnehmer (ErfK/Rolfs, 18. Aufl., § 178 SGB IX Rn. 6, 8). Sie besteht unabhängig davon, dass das Integrationsamt gemäß § 87 Abs. 2 SGB IX eine Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung einzuholen hat. Diese Stellungnahme im behördlichen Zustimmungsverfahren ersetzt die Anhörung nicht (Lingemann/Steinhauser, NJW 2017, 1369).
73bb) § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verlangt, dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung unverzüglich und umfassend unterrichtet und vor der Entscheidung anhört. Diese gesetzlichen Anforderungen sollen die Schwerbehindertenvertretung in die Lage versetzen, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern, um zu erreichen, dass eine möglichst große Zahl der arbeitslosen schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen in Arbeit und Beruf eingegliedert werden (vgl. § 93 SGB IX; Pahlen in: Neumann/Pahlen/Winkler/Jabben, a.a.O., § 178 Rn. 2). Hinsichtlich des Zeitpunkts der Unterrichtung und Anhörung ist es zunächst unproblematisch und ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, dass diese bereits vor einer endgültigen Entscheidung des Arbeitgebers erfolgen muss. Dem entsprechen auch Sinn und Zweck der Vorschrift sowie das gesetzgeberische Ziel der Regelungen in §§ 99 Abs. 1 und 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX: § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist Teil des in § 99 Abs. 1 SGB IX verankerten Grundsatzes der engen Zusammenarbeit von Arbeitgeber, Schwerbehindertenvertretung und Betriebs- oder Personalrat, um die Teilhabechancen schwerbehinderter Menschen sicherzustellen. Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung ist es nach § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle zu fördern. Das Gremium hat die Interessen der schwerbehinderten Menschen zu vertreten und ihnen beratend und helfend zur Seite zu stehen (BAG 17. August 2010 – 9 ABR 83/08, NZA 2010, 1431). Sinn der Unterrichtungs- und Anhörungspflicht aus § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist es zu vermeiden, dass eine Entscheidung des Arbeitgebers die Belange einzelner schwerbehinderter Menschen oder das gemeinsame Gruppeninteresse beeinträchtigt. Die Schwerbehindertenvertretung soll als Sondervertretung für die Eingliederung schwerbehinderter Menschen an der Willensbildung des Arbeitgebers mitwirken. Sie soll insbesondere Gelegenheit haben, den Arbeitgeber aus ihrer fachlichen Sicht auf mögliche, eventuell nicht bedachte Auswirkungen seiner Entscheidung hinzuweisen (vgl. Düwell in: LPK-SGB IX § 95 Rn. 30). Ziel der gesetzlichen Regelungen in § 95 Abs. 2 Satz 1 und § 99 Abs. 1 SGB IX ist es, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen und gleiche Teilhabechancen zu eröffnen (BAG 17. August 2010 – 9 ABR 83/08, a.a.O.).
74c) Zwar folgt aus der zeitlichen Bestimmung „unverzüglich“ in § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX keine Garantie eines Informationsvorsprungs der Schwerbehindertenvertretung vor dem Betriebsrat, da der Arbeitgeber nicht gehindert ist, den Betriebsrat früher als gesetzlich geboten (§ 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG: „vor jeder Kündigung“) von seiner Kündigungsabsicht zu informieren. Er ist indes nicht verpflichtet, den Betriebsrat „unverzüglich“ nach Fassung des Kündigungsentschlusses zu unterrichten. Jedoch verlangt § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX vom Arbeitgeber eine „unverzügliche“ Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung, somit ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), sobald der Arbeitgeber den Kündigungsentschluss gefasst hat. Das Gesetz stellt somit auf einen früheren Unterrichtungszeitpunkt ab als dies in § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorgesehen ist (Düwell in: Düwell/Beyer, a.a.O., Rn. 123; Klein, NJW 2017, 852). Die Information der Schwerbehindertenvertretung durch den Arbeitgeber hat aber spätestens zeitgleich mit der Anhörung des Betriebsrats zu erfolgen, um so auf jeden Fall zu verhindern, dass die Schwerbehindertenvertretung erst über Dritte (z.B. den Betriebsrat) von beabsichtigten Maßnahmen erfährt. Auf diese Weise ist zudem sichergestellt, dass beide Gremien, Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat, argumentativ auf den Arbeitgeber einwirken können, die in Aussicht genommene Kündigung doch nicht zu erklären. Gleichzeitig hat das Verhältnis der Beteiligung von Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat Auswirkungen auf das Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt gemäß §§ 85 ff. SGB IX. Das Beteiligungsverfahren nach § 95 Abs. 2 SGB IX ist im Sinne einer effektiven Mitwirkung der Schwerbehindertenvertretung an der Willensbildung des Arbeitgebers vor Einleitung des Zustimmungsverfahrens nach den §§ 85 ff. SBG IX durchzuführen. Hätte der Arbeitgeber nämlich den Antrag auf Zustimmung bereits gestellt und damit seine Willensbildung abgeschlossen, bliebe der Schwerbehindertenvertretung eine Mitwirkung jedenfalls an der Willensbildung verwehrt; ihre Mitwirkung bestände allein noch darin, darauf hinzuwirken, dass der Arbeitgeber seine bereits getroffene Entscheidung abändert (Klein, NJW 2017, 852). Zudem hat sich auch das Integrationsamt im Rahmen seines eingeschränkten Ermessens vom gesetzgeberischen Zweck des SGB IX leiten zu lassen, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen und somit den vom Arbeitgeber zu beachtenden vertretungsrechtlichen Schutz zu berücksichtigen, den das Gesetz schwerbehinderten Menschen zuerkennt (Bayreuther, NZA 2017, 87). Auch spricht für eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zeitlich vor der Antragstellung bei der Integrationsbehörde, dass die Besonderheiten des Schwerbehindertenrechts den Arbeitgeber zwingen, die Schwerbehindertenvertretung nicht nur zeitlich vor der Antragstellung beim Integrationsamt zu beteiligen, sondern auch nach dessen Zustimmung vor Erklärung der Kündigung (Düwell in: Düwell/Beyer, a.a.O., Rn. 130f.). Wartet hingegen der Arbeitgeber erst den Ausgang des Zustimmungsverfahrens ab, handelt er nicht unverzüglich im Sinne von § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Der Arbeitgeber ist gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet zur Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen schwerbehinderten Beschäftigten betreffen. Eine derartige Angelegenheit ist auch ein Sachverhalt, von dem der Arbeitgeber annimmt, dass er ihn berechtige, den Zustimmungsantrag beim Integrationsamt zu stellen. Auch hieraus folgt, dass die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, und zwar die Beteiligung in Form der Unterrichtung und der Anhörung, vor Einreichung des Zustimmungsantrags nach den §§ 85 ff. SGB IX durchzuführen ist (Düwell in: Düwell/Beyer, a.a.O., Rn. 131; Klein NJW 2017, 852; Bayreuther, NZA 2017, 87). Dieses Ergebnis wird zudem dadurch gestützt, dass das Integrationsamt bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen hat, ob und inwieweit der Arbeitgeber auch den vertretungsrechtlichen Schutz, den das SGB IX den schwerbehinderten Menschen zuerkennt, beachtet hat. Wurde der Zustimmungsantrag jedoch ohne zuvor erfolgte Anhörung der Schwerbehindertenvertretung - und damit ordnungsgemäße Beteiligung der Vertretung - gestellt, hat das Integrationsamt ihn zurückzuweisen (so auch Bayreuther, NZA 2017, 87). Nicht zuletzt streitet auch der Wortlaut des § 95 Abs. 2 Satz 1 Hlbs. 1 SGB IX, nach dem der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung vor einer Entscheidung anzuhören hat, für die von der Berufungskammer vertretene Lösung. „Entscheidung“ im Sinne der gesetzlichen Bestimmung meint nämlich die Stellung des Antrags auf Zustimmungserteilung zur beabsichtigten Kündigung bei der Integrationsbehörde, da in diesem Zeitpunkt die Willensbildung des Arbeitgebers feststeht, d.h. der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss gefasst hat (Pahlen in: Neumann/Pahlen/Winkler/Jabben, a.a.O., § 178 Rn. 11d; a. A. LAG Hamm 27. Juni 2018 – 4 Sa 1521/17, wonach Entscheidung iSv. § 95 Abs. 2 Satz 1 Hlbs. 1 SGB IX die Erklärung der Kündigung selbst sei).
75d) Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses der gesetzlichen Mitwirkungsbestimmung des § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung hat die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt.
76aa) Die Beklagte hat jeweils mit Schreiben vom 03.07.2017 den Betriebsrat zu der beabsichtigten fristlosen, hilfsweisen fristgerechten Kündigung angehört, die Schwerbehindertenvertretung von der beabsichtigten Kündigung unterrichtet und angehört und beim Integrationsamt die Zustimmung zu der Kündigung beantragt. Sämtliche Schreiben gingen den Adressaten am selben Tag, somit am 03.07.0217, zu. Mit dieser Vorgehensweise hat die Beklagte § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung missachtet. Die Unterrichtung ist nicht „unverzüglich und umfassend“ erfolgt. Unverzüglichkeit fordert vom Arbeitgeber, die Schwerbehindertenvertretung ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) zu unterrichten, nämlich in dem Zeitpunkt, in dem er seinen Kündigungswillen gebildet hat. Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung hat am Beginn der vom Arbeitgeber zu treffenden Maßnahmen zu stehen. Die Zustimmung des Integrationsamts darf erst nach der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung beantragt werden (so auch ErfK/Rolfs, 18. Aufl, § 178 SGB IX, Rn. 9 mit weiteren Nachweisen). Somit ist die Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung nur dann unverzüglich und die Anhörung derselben nur dann ordnungsgemäß, wenn beide zeitlich vor Stellung des Zustimmungsantrags zur Kündigung nach den §§ 85 ff. SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung (jetzt: §§ 168 ff. SGB IX) vorgenommen werden. Diese Rechtsansicht wird unterstrichen durch den Gesetzeszweck, der Schwerbehindertenvertretung eine effektive Mitwirkung an der Willensbildung des Arbeitgebers zu ermöglichen. Auch die miteinander korrespondierenden Normzwecke der §§ 85 und 95 Abs. 2 SGB IX lassen es zwingend erscheinen, die Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung vor der Antragstellung beim Integrationsamt einzuholen (vgl. Schmitt, BB 2017, 2293). Stellt der Arbeitgeber – wie im zu entscheidenden Fall – zeitgleich mit der Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 SGB IX den Zustimmungsantrag beim Integrationsamt, führt diese Vorgehensweise im Ergebnis zur Unwirksamkeit des gesetzlichen Beteiligungsverfahrens und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung, § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX.
77bb) Würde die zeitgleiche Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung durch Schreiben der Beklagten vom 03.07.2017 als ordnungsgemäß berücksichtigt, bliebe die gesetzliche Neuregelung weitestgehend folgenlos. Anliegen des Gesetzgebers war es indes, die Rechte der Schwerbehindertenvertretung zu stärken und deren Beteiligung zu sichern (Klein, NJW 2017, 852, 855 mit weiteren Nachweisen). Vor diesem Hintergrund ist die Anhörung nicht nachholbar, da Satz 3 des § 95 Abs. 2 SGB IX nur auf Satz 1 Bezug nimmt (ErfK/Rolfs, 18. Aufl., § 178 SGB IX, Rn. 9; Klein NJW 2017, 852). Wurde – wie im vorliegenden Fall – die Kündigungsentscheidung ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung getroffen und der Zustimmungsantrag gestellt, bleibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, den Antrag zurückzunehmen und nach ordnungsgemäßer Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung einen erneuten Antrag zu stellen (ebenso Klein, NJW 2017, 852).
78e) Offen bleiben kann, inwieweit die streitgegenständlichen Kündigungen auch deshalb gemäß § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX rechtsunwirksam sind, weil die Beklagte der Schwerbehindertenvertretung vor Abgabe der Kündigungserklärung die getroffene Entscheidung nicht unverzüglich mitgeteilt hat (§ 95 Abs. 2 Satz 1 Hlbs. 2 SGB IX). Die unverzügliche Mitteilung der getroffenen Entscheidung ist nach Unterrichtung und Anhörung der dritte notwendige Beteiligungsschritt vor Erklärung der Kündigung (Düwell in: Düwell/Beyer, a.a.O., Rn. 142). Die Mitteilung stellt sich nach der gesetzlichen Konzeption als Schlusspunkt des Beteiligungsverfahrens dar (Boecken, VSSR 2017, 69). Inwieweit die in § 95 Abs. 2 Satz 1 Hlbs. 2 SGB IX geregelte Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung der getroffenen Entscheidung noch Bestandteil der Beteiligung im Sinne des Unwirksamkeitstatbestandes ist, ist streitig (dafür etwa Düwell in: Düwell/Beyer, a.a.O., Rn. 142; Kleinebrink, DB 2017, 126; dagegen etwa Boecken, VRRS 2017, 69).
79f) Die Unwirksamkeitsfolge des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX erfasst auch die nach der Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts vom 23.08.2017 unter dem 05.09.2017 von der Beklagten erklärte vorsorgliche ordentliche Kündigung, die das Arbeitsverhältnis fristgerecht unter Einhaltung der tariflichen Kündigungsfrist zum 30.04.2018, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin, auflösen soll. Das klägerische Vorbringen kann nur so verstanden werden, dass es sich gegen die ordnungsgemässe Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung in Bezug auf beide Kündigungen bezieht, zumal eine erneute, über die vom 03.07.2017 hinausgehende Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ersichtlich nicht vorgenommen wurde. Auch die Beklagte äußert hierzu keine andere Sichtweise.
803. Der Kläger hat gegen die Beklagte, wie das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, keinen Anspruch auf Entfernung der schriftlichen Abmahnung vom 10.08.2016 aus seiner Personalakte. Die Beklagte erteilte die Abmahnung zu Recht.
81Der Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte besteht gemäß § 242 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag bzw. analog §§ 12, 862, 1004 BGB. Ein Arbeitnehmer kann die Beseitigung dieser Beeinträchtigung u.a. dann verlangen, wenn die Abmahnung unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält (BAG 20.01.2015 – 9 AZR 860/13, NZA 2015, 805) oder auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht (BAG 09.09.2015 – 7 ABR 69/13, NZA 2016, 57).
82Vorliegend hat der Kläger (auch) in der Berufung eingeräumt, den Arbeitskollegen J am 01.07.2017 frühmorgens gegenüber dem Teamleiter Vorfertigung, X, als „Scheißtürken“, der „keine Ahnung“ hat, bezeichnet zu haben. Die von dem Kläger geschilderten Umstände vermögen seine beleidigende, ausländerfeindliche Äußerung in keiner Weise zu rechtfertigen oder zu relativieren. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass er mit dieser Äußerung den Kollegen nicht beleidigen, sondern als „Schlechtleister“ bezeichnen wollte. Auch erschließt es sich nicht, dass derartige „vereinfachende Bezeichnungen“, wie der Kläger allerdings nur pauschal meint, in der Arbeitswelt, etwa „ am Bau“ oder bei der Beklagten, üblich seien. Die Äußerung „Scheißtürke“ als „vereinfachende Bezeichnung“ abzutun, zeigt bereits in aller Deutlichkeit, dass dem Kläger zu Recht mit der Vertragsrüge zu verstehen gegeben wurde, seine den Arbeitskollegen erheblich in dessen Persönlichkeitsrechten verletzende Äußerungen einzustellen. Ob die ausländerfeindliche Bezeichnung „Scheißtürke“ von strafrechtlicher Relevanz ist kann dahinstehen. Jedenfalls kann es der Beklagten nicht zugemutet werden, in ihrem Betrieb ausländerfeindliche Äußerungen von Beschäftigten gegenüber deren Kollegen hinzunehmen, ohne ein solches schwer arbeitsvertragswidriges Verhalten zumindest durch eine Abmahnung zu rügen.
83III.
841. Die Kosten des Rechtsstreits waren zwischen den Parteien im Verhältnis des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens zu quoteln, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
852. Die Revision war zuzulassen gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG, da die Rechtsfrage der ordnungsgemäßen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX a.F. (jetzt: § 178 Abs. 2 SGB IX) grundsätzliche Bedeutung hat, und zudem eine Abweichung im Sinne des § 72 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG in Bezug auf das Berufungsverfahren 4 Sa 1521/17, LAG Hamm, vorliegt.