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1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 13.07.2016 – 3 Ca 313/16 – abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger auf dem individuellen Arbeitszeitkonto für in der Zeit vom 05.11.2015 bis 28.01.2016 außerhalb seiner Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit insgesamt 60,00 Stunden gutzuschreiben.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten in der Hauptsache um einen Anspruch des Klägers auf Zeitgutschriften auf seinem Arbeitszeitkonto für durchgeführte Betriebsratstätigkeit.
3Der 1968 geborene Kläger ist seit dem 26.02.1990 als Anlagenbediener bei der Beklagten beschäftigt. Sein Stundenlohn beträgt 20,88 € brutto; auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die nordrhein-westfälische Metall- und Elektroindustrie Anwendung. Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten gewählten Betriebsrates. Er arbeitet im Dreischichtsystem, wobei die Spätschicht von 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr und die Nachtschicht von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr geleistet wird. Wegen der Schichtpläne der Beklagten wird beispielhaft auf die Kopien Bl. 231 und 232 d.A. Bezug genommen. Durch Rahmenbetriebsvereinbarung vom 11.03.2011 „über flexible Arbeitszeiten“ (im Folgenden: Rahmen-BV) ist für die Arbeitnehmer der Beklagten jeweils ein individuelles Arbeitszeitkonto eingerichtet worden, auf das die verfahrene Arbeitszeit gebucht und sodann mit der tariflichen Sollarbeitszeit von 35 Stunden je Woche saldiert wird. Wegen der Einzelheiten der Rahmen-BV wird auf die Kopie Bl. 211 ff. d.A. Bezug genommen.
4Der Kläger hat an folgenden Tagen Betriebsratstätigkeit außerhalb der für ihn im Schichtsystem hinterlegten Arbeitszeit verrichtet:
505.11.2015: 6:00 – 15:00 Uhr = 9 Stunden
618.11.2015: 8:00 – 17:00 Uhr = 8 Stunden
719.11.2015: 8:00 – 17:00 Uhr = 8 Stunden
820.11.2015: 8:00 – 16:15 Uhr = 8 Stunden
926.11.2015: 6:00 – 15:00 Uhr = 9 Stunden
1007.01.2016: 6:00 – 14:00 Uhr = 8 Stunden
1125.01.2016: 9:00 – 15:00 Uhr = 6 Stunden
1228.01.2016: 6:00 – 14:00 Uhr = 8 Stunden
13Wegen der vom Kläger an diesen Tagen dargelegten konkreten Betriebsratstätigkeit wird auf die Ausführungen des klägerischen Schriftsatzes vom 08.07.2016, Bl. 78 und 79 d.A., Bezug genommen.
14Aufgrund der Betriebsratstätigkeit am 05., 18., 19. und 26.11.2015 stellte die Beklagte den Kläger für die nachfolgenden Spätschichten (05. und 26.11.) bzw. die nachfolgenden Nachtschichten (18. und 19.11.2015) bezahlt frei. Für den 20.11.2015, den 25. und 28.01.2016 vergütete die Beklagte die Betriebsratstätigkeit (vgl. die Aufstellung der Beklagten Bl. 36 d.A.). Darüber hinaus buchte sie für den gesamten vom Kläger geltend gemachten Zeitraum insgesamt vier Arbeitsstunden in das persönliche Arbeitszeitkonto des Klägers ein.
15Unter Abzug dieser vier Stunden meint der Kläger, ihm seien insgesamt 60 Stunden auf seinem individuellen Arbeitszeitkonto gutzuschreiben, hilfsweise Arbeitsbefreiung in entsprechendem Umfang zu gewähren. Er beruft sich darauf, dass die Freistellung in den jeweils nachfolgenden Schichten den Anspruch auf Arbeitsbefreiung wegen Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit nicht zu erfüllen vermag, weil diese Freistellung der Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung wegen der Gewährung erforderlicher Ruhezeiten geschuldet gewesen sei. Eine Verrechnung von Freistellungen, die entsprechend § 5 Abs. 1 ArbZG i.V.m. § 37 Abs. 2 BetrVG geboten seien, mit Arbeitsbefreiungsansprüchen aus § 37 Abs. 3 BetrVG sei schon deswegen nicht möglich, weil es sich bei der Ruhezeit um eine persönliche Freizeit aus Gründen des Arbeitsschutzes handele, die nicht zur Disposition der Beklagten stehe. Aus diesem Grunde sei auch durch die von der Beklagten geleistete Vergütung für die ausgefallenen Arbeitsschichten keine Erfüllung des Freizeitausgleichsanspruchs eingetreten.
16Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht Hagen am 17.02.2016 eingegangenen Klage hat der Kläger beantragt,
17die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf dem individuellen Arbeitszeitkonto für in der Zeit vom 05.11.2015 bis 28.01.2016 außerhalb seiner Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit insgesamt 60,00 Stunden gutzuschreiben,
18hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Betriebsratstätigkeit in der Zeit vom 05.11.2015 bis 28.01.2016 60 Stunden Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes zu gewähren.
19Die Beklagte hat beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch des Klägers aus § 37 Abs. 3 BetrVG setze voraus, dass die außerhalb der Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds geleistete Betriebsratstätigkeit eine zusätzliche, über die geschuldete Arbeitszeit hinausgehende Leistung darstelle. Dies sei nicht der Fall, da durch die von der Beklagten gewährten Freistellungen die vertraglich geschuldete Arbeitszeit jedenfalls nicht überschritten worden sei.
22Durch Urteil vom 13.07.2016, dem Vertreter des Klägers am 27.07.2016 zugestellt, hat das Arbeitsgericht Hagen die Klage abgewiesen und sich im Wesentlichen der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen. Wegen der Einzelheiten der angegriffenen Entscheidung wird auf Bl. 88 ff. d.A. Bezug genommen.
23Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden, beim Landesarbeitsgericht vorab per Telefax am 19.08.2016 eingegangenen und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.10.2016 mit Schriftsatz vom 25.10.2016, beim Landesarbeitsgericht am selben Tage vorab per Fax eingegangen, begründeten Berufung.
24Der Kläger trägt vor:
25Er verbleibe bei der von ihm erstinstanzlich vertretenen Rechtsansicht, die er auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20.02.2015, 13 Sa 1386/14, stütze, wonach eine Verrechnung des dem Betriebsratsmitglied zustehenden Freizeitausgleichs nach § 37 Abs. 3 BetrVG mit solchen Freistellungen, die allein der Erfüllung der Ruhezeiten des § 5 Abs. 1 ArbZG geschuldet seien, ausgeschlossen sei. Die gesetzliche Ruhezeit sei der Disposition der Beklagten schon vom Sinn und Zweck der Norm – nämlich aus gesundheits- und arbeitsschutzrechtlichen Gründen – entzogen. Freizeitausgleichsansprüche könnten außerdem nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen abgegolten werden. Hier hätten diese Zeiten ohne weiteres in das Arbeitszeitkonto eingestellt werden können.
26Der Kläger beantragt,
27das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 13.07.2016, 3 Ca 313/16, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf dem individuellen Arbeitszeitkonto für in der Zeit vom 05.11.2015 bis 28.01.2016 außerhalb seiner Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit insgesamt 60,00 Stunden gutzuschreiben,
28hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Betriebsratstätigkeit in der Zeit vom 05.11.2015 bis 28.01.2016 60 Stunden Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes zu gewähren.
29Die Beklagte beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen.
31Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung als zutreffend.
32Nachdem das Verfahren einvernehmlich bis zur Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.01.2017, 7 AZR 224/15, ausgesetzt war, meint die Beklagte weiterhin, dass auch in der jüngst ergangenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts keine Aussage dazu getroffen sei, ob zur Begründung des Anspruchs aus § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht wenigstens durch Betriebsratstätigkeit und Arbeitszeit zusammen eine „Leistung“ erbracht werden müsse, die über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinausgehe. Darüber hinaus meint die Beklagte, dass die der Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit nachfolgenden Freistellungen durchaus auf die entstandenen Freizeitausgleichsansprüche anzurechnen seien. Außerdem sehe sie das Problem des Verbots der Begünstigung von Betriebsräten, würde man sowohl die Freistellung wegen Gewährung einer „Erholungszeit“ nach § 37 Abs. 2 BetrVG als auch den Freistellungsanspruch wegen Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit quasi doppelt berücksichtigen.
33Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.
34Entscheidungsgründe
35Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet, da dem Kläger ein Anspruch auf Gutschrift von 60,00 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG i.V.m. Ziffer 3 der Rahmen-BV zusteht, der nicht durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist.
36I. Der Antrag des Klägers ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Denn der durch den klägerischen Hauptantrag umschriebene Streitgegenstand bezieht sich auf eine Gutschrift in genau angegebenem Umfang auf das für den Kläger aufgrund der Rahmen-BV geführte Arbeitszeitkonto. Damit ist das Leistungsbegehren hinreichend konkretisiert (BAG, Urteil vom 18.01.2017, 7 AZR 224/15 Rdnr. 16 und 17).
37II. Der Kläger kann grundsätzlich eine gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG geschuldete Arbeitsbefreiung durch Gutschrift auf seinem individuellen Arbeitszeitkonto verlangen. Wenn sich dieser Anspruch auch nach dem Wortlaut der Vorschrift unmittelbar auf Arbeitsbefreiung richtet, so kann er in den Fällen einer – wie hier durch die Rahmen-BV vereinbarten – Regelung zu einem Arbeitszeitkonto durch Zeitgutschrift erfüllt werden (BAG aaO., Rdnr. 20 m.w.N.).
38III. Der Anspruch auf Zeitgutschrift von 60,00 Stunden ist gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG durch erforderliche Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit entstanden.
391. Der Kläger hat in dem von ihm angegebenen Zeitraum Betriebsratstätigkeit geleistet, die auch erforderlich war (vgl. zum Kriterium der Erforderlichkeit auch bei § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG Fitting u.a., BetrVG 28. Aufl., § 37 Rdnr. 76). Nachdem der Kläger nämlich bereits erstinstanzlich die wahrgenommenen Aufgaben beschrieben hat, sind diese Umstände nicht länger im Streit gewesen. Die Parteien haben das im Termin zur Berufungsverhandlung übereinstimmend ausdrücklich klargestellt.
402. Die Betriebsratstätigkeit lag auch außerhalb der individuellen (Fitting aaO., Rdnr. 92) Arbeitszeit des Klägers, wie die von der Beklagten zur Akte gereichte Aufstellung (Bl. 36 d.A.) und die Schichtpläne (Bl. 231, 232 d.A.) dokumentieren.
413. Weitere Anspruchsvoraussetzungen für die Qualifizierung der Betriebsratstätigkeit als solche außerhalb der Arbeitszeit im Sinne des § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG über den Wortlaut des Gesetzes hinaus können jedenfalls im Streitfall nicht angenommen werden.
42a) Insbesondere kann nicht verlangt werden, dass die Betriebsratstätigkeit gegebenenfalls zusammen mit erbrachter Arbeitsleistung über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinausgeht (BAG vom 15.02.1989, 7 AZR 193/88), wenn diese „zusätzliche Leistung“ wie im Streitfall nur deswegen nicht erreicht wird, weil die Beklagte vor und nach der Betriebsratstätigkeit (vgl. auch BAG vom 07.06.1989, 7 AZR 500/88 zu 3. der Gründe) ihrer gesetzlichen Pflicht zur Gewährung von Ruhezeiten in entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 1 ArbZG nachkommt. Das ist aus Rechtsgründen ausgeschlossen, genau wie das von der Beklagten reklamierte Recht auf Verrechnung/Anrechnung des klägerischen Anspruchs aus § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG mit der von ihr gewährten bezahlten Freistellung in den benannten Schichten, die zur Gewährung der entsprechend § 5 Abs. 1 ArbZG gebotenen Ruhezeit verpflichtend war. Denn die Schutzvorschriften der §§ 37 Abs. 2 BetrVG und 37 Abs. 3 Satz 1BetrVG unterscheiden sich grundlegend voneinander.
43aa) Der auf § 37 Abs. 2 BetrVG gestützte Arbeitsbefreiungsanspruch, der im zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit entstanden ist, weil wegen der gebotenen Ruhezeit entsprechend § 5 Abs. 1 ArbZG die Aufnahme der Arbeitsleistung für die Dauer von 11 Stunden nach Beendigung der Betriebsratstätigkeit unmöglich oder unzumutbar war (vgl. auch BAG vom 07.06.1989 aaO.), ist allein arbeitsschutzrechtlichen Aspekten geschuldet (ausführlich BAG vom 18.01.2017 aaO., Rdnr. 27 und 28 m.w.N.).
44bb) Der Arbeitsbefreiungsanspruch aus § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wegen erforderlicher Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit hingegen dient dem Ausgleich des Aufwandes zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben in der Freizeit des Betriebsratsmitgliedes, was nach allgemeiner Auffassung ansonsten eine unzumutbare Belastung darstellen würde (statt aller Richardi, BetrVG 15. Aufl./Thüsing, § 37 Rdnr. 41 m.w.N.).
45cc) Hierfür spricht im Übrigen auch die Gesetzesbegründung zum BetrVG-Reformgesetz des Jahres 2001, die die zu diesem Zeitpunkt bereits bekannte Rechtsprechung (BAG vom 15.02.1989 aaO.) zu § 37 Abs. 3 BetrVG gerade nicht aufgegriffen hat, sondern zur Neufassung des § 37 Abs. 3 BetrVG durch Schaffung des neuen Satzes 2 ausführt, dass damit „… klargestellt [wird], dass erforderliche Betriebsratsarbeit, die wegen unterschiedlicher Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit des einzelnen Betriebsratsmitglieds durchgeführt werden kann, die Ausgleichsansprüche des Abs. 3 auslöst“ (Bundesdrucksache 14/5741 S. 40), also weitere Anspruchsvoraussetzungen nicht normiert wurden.
46b) Abschließend kann im Streitfall offenbleiben, ob nicht weitere (Mindest-)Voraussetzung für den Anspruch aus § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist, dass die Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit zusammen mit der während der Arbeitszeit erbrachten Arbeitsleistungen nicht wenigstens die vertraglich geschuldete Arbeitszeit in Anspruch genommen hat (Fitting aaO., § 37 Rdnr. 100 m.w.N.). Denn die Schichtzeiten bei der Beklagten betragen ausweislich des vorgelegten Schichtplanes (Bl. 231 d.A.) acht Stunden, die der Kläger durch Betriebsratstätigkeit – bis auf den 25.01.2016 – dort dann allerdings mit einer anschließenden dreistündigen Arbeitszeit – immer erreicht oder überschritten hat.
47IV. Aus den genannten Gründen verbietet sich auch eine Verrechnung/Anrechnung der auf den unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhenden Freistellungsansprüche.
48V. Die Arbeitsbefreiungsansprüche des Klägers aus § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG sind auch nicht durch Freistellung über den von ihm dargelegten Umfang hinaus erfüllt worden, § 362 Abs. 1 BGB. Denn die Freistellung bedarf einer empfangsbedürftigen, gestaltenden Erklärung der Beklagten (ausführlich BAG vom 18.01.2017 aaO. Rdnr. 39 m.w.N.), die ihrem Vortrag – auch nach Hinweis auf die Darlegungs- und Beweislast – nicht zu entnehmen ist.
49VI. Der Arbeitsbefreiungsanspruch des Klägers für die Betriebsratstätigkeit am 25. und 28.01.2016, für die die Beklagte nach eigenem Vortrag Vergütung geleistet hat (siehe Tabelle Bl. 36 d.A.), ist schließlich durch die Zahlung nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllt worden. Denn die geschuldete Leistung ist primär ein Anspruch aufArbeitsbefreiung, kein Abgeltungsanspruch (ausdrücklich BAG vom 18.01.2017 aaO., Rdnr. 40). Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Beklagten die Gewährung der Arbeitsbefreiung aus betriebsbedingten Gründen unmöglich war.
50VII. Dem Anspruch des Klägers steht auch nicht das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG entgegen.
511. Eine verbotene Begünstigung im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG setzt schon begriffsnotwendig eine Besserstellung des Klägers als Betriebsratsmitglied gegenüber einem Arbeitnehmer voraus. Die (verbotene) Begünstigung in einem solchen Vergleich muss ursächlich auf die Betriebsratstätigkeit zurückgehen (Fitting aaO., § 78 Rdnr. 22 m.w.N.). Eine Begünstigung ist hingegen ausgeschlossen, wenn die gegenüber dem Betriebsrat zu erbringenden Leistungen unmittelbare Folge der gesetzlichen Regelung sind, die dem Schutz der Betriebsratsarbeit dient.
522. So liegt der Fall hier: Wie unter III.3 a)bb) dargestellt, dient der Anspruch auf Arbeitsbefreiung aus § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dem Ausgleich aufgewandter Freizeit für die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben, die wiederum den betrieblichen Interessen zuzuordnen sind (BAG vom 18.01.2017 aaO., Rdnr. 29 m.w.N.). Muss also die Arbeitsbefreiung schon vom Wortlaut des Gesetzes her den gleichen Umfang haben, wie Freizeit aufgewendet wurde, um die Betriebsratsaufgaben außerhalb der Arbeitszeit erledigen zu können (Richardi, aaO., § 37 Rdnr. 55), ist eine Begünstigung im Sinne des § 78 Satz 1 BetrVG durch Gewährung eben dieser Arbeitsbefreiung ausgeschlossen.
53VIII. Der Hilfsantrag des Klägers ist nicht zur Entscheidung angefallen.
54Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, wonach die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
55Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen zuzulassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.