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Einzelfallentscheidung zur Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts nach den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 36 Abs. 1 Ziff. 6, Abs. 2 ZPO mit Ausführungen zur Ab-grenzung lediglich gerichtsintern gebliebener Erklärungen der am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gericht zu „rechtskräftigen Unzuständigkeitserklärungen“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO und zur verfahrensrechtlichen Bindungswirkung von gerichtlichen Verweisungsbeschlüssen.
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Düsseldorf bestimmt.
G r ü n d e:
2I. Der Kläger wendet sich in der Hauptsache mit seiner unter dem 19.09.2016 vor dem Arbeitsgericht Hagen erhobenen Klage gegen die Rechtswirksamkeit einer ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung. Das Landesarbeitsgericht wurde durch das Arbeitsgericht München um Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit ersucht.
3Der Kläger hat seinen allgemeinen Gerichtsstand in H, also im Bezirk des Arbeitsgerichts Hagen. Der Sitz der Beklagten liegt in M. Arbeitsvertraglich hielten die Parteien zunächst fest, dass D der Arbeitsort sei. Am 28.06.2012 vereinbarten die Parteien schriftlich, dass der Kläger seine Tätigkeit von zu Hause ausüben könne und damit der Arbeitsort H sei. Dies wiederum änderten die Parteien mit schriftlicher Zusatzvereinbarung vom 24.08.2016 kurz vor Zugang der streitgegenständlichen Kündigung vom 09.09.2016 und hielten fest, dass ab dem 01.09.2016 der Arbeitsort erneut D sei.
4Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.10.2016 vor dem Arbeitsgericht Hagen thematisierte das Gericht seine örtliche Zuständigkeit mit Blick auf die unter dem 24.08.2016 getroffene Vereinbarung der Parteien. Die Beklagte rügte angesichts dessen die örtliche Zuständigkeit und beantragte Verweisung an das aus ihrer Sicht örtlich zuständige Arbeitsgericht Düsseldorf. Der Kläger stellte sich im Nachgang auf den Standpunkt, er habe seine Arbeit zuletzt gewöhnlich in H verrichtet, weshalb das Arbeitsgericht Hagen nach § 48 Abs. 1 a ArbGG örtlich zuständig sei. Das Arbeitsgericht Hagen gab beiden Parteien Gelegenheit, zur Frage der örtlichen Zuständigkeit abschließend vorzutragen. Die Beklagte ließ nach einem Wechsel ihre Prozessbevollmächtigten erneut ausführen, das Arbeitsgericht Düsseldorf sei zuständig.
5Mit einem formularmäßig vorbereiteten Beschluss vom 20.12.2016 erklärte sich das Arbeitsgericht Hagen ausweislich des Tenors dieses Beschlusses für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Düsseldorf. Es führte aus, seine Zuständigkeit ergebe sich weder aufgrund des allgemeinen Gerichtsstandes der Beklagten noch aus besonderen Gerichtsstandsregelungen. Es setzte hinzu:
6„Nach alledem ist der Rechtsstreit von Amts wegen an das für den Sitz der Beklagten örtlich zuständige Arbeitsgericht zu weisen.“
7Nach erfolgtem Eingang der Akte bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf wurde das Verfahren dort ohne vorherige Anhörung der Parteien aufgrund richterlicher Verfügung vom 30.12.2016 zum Aktenzeichen 4 Ca 1636/16 ausgetragen. Die Akte wurde mit dem Vermerk an das Arbeitsgericht Hagen zurückgesandt, ausweislich der Begründung des Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 20.12.2016 sei der Rechtsstreit an das für den Sitz der Beklagte zuständige Arbeitsgericht verwiesen worden. Dies sei nicht das Arbeitsgericht Düsseldorf, sondern das Arbeitsgericht München.
8Das Arbeitsgericht Hagen leitete das Verfahren sodann mit Schreiben vom 11.01.2017 „zuständigkeitshalber“ an das Arbeitsgericht München weiter, das mit richterlichem Schreiben vom 18.01.2017 mitteilen ließ, ausweislich des Verweisungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Hagen vom 20.12.2016 sei das Verfahren an das Arbeitsgericht Düsseldorf verwiesen worden. Eine Auslegung dahingehend, dass eine Verweisung an das Arbeitsgericht München hätte erfolgen sollen, könne dem klaren Wortlaut des Beschlusses nicht entnommen werden. Dies wiederum veranlasste das Arbeitsgericht Hagen, unter dem 24.01.2017 einen weiteren Beschluss über seine örtliche Unzuständigkeit herbeizuführen und den Rechtsstreit nunmehr an das Arbeitsgericht München zu verweisen.
9Das Arbeitsgericht München führte mit Schreiben vom 23.02.2017 aus, der unanfechtbare Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 20.12.2016 an das Arbeitsgericht Düsseldorf bewirke, dass das Arbeitsgericht Hagen nicht erneut am 24.01.2017 über die Frage der örtlichen Zuständigkeit habe entscheiden und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht München verweisen können. Eine Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses vom 24.01.2017 sei nicht gegeben, weil gegen fundamentale Verfahrensnormen verstoßen worden sei.
10Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht Düsseldorf sei zuständig. Die Beklagte hält nun das Arbeitsgericht München für örtlich zuständig. Es sei anzunehmen, dass der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 24.01.2017 in Wirklichkeit eine Berichtigung nach § 319 ZPO darstelle.
11Am 09.03.2017 hat das Arbeitsgericht München beschlossen, den Rechtsstreit nicht zu übernehmen und ihn dem Landesarbeitsgericht Hamm zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorzulegen. Die Parteien erhielten Gelegenheit zu rechtlichen Gehör. Sie haben ihre zuletzt geäußerten Rechtsauffassungen wiederholt und vertieft.
12II. Als das örtlich zuständige Gericht war das Arbeitsgericht Düsseldorf zu bestimmen.
131. Nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 36 Abs. 1 Ziff. 6, Abs. 2 ZPO war das Landesarbeitsgericht aufgerufen, als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen. Das Landesarbeitsgericht Hamm ist als bestimmendes Gericht nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 36 Abs. 2 ZPO zuständig. Nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 36 Abs. 2 ZPO wird das zuständige Gericht durch das Landesarbeitsgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasst Gericht gehört, sofern das zunächst höhere gemeinsame Gericht das Bundesarbeitsgericht ist. Für die Landesarbeitsgerichtsbezirke der hier über die Frage der örtlichen Zuständigkeiten streitenden Arbeitsgerichte Hagen, Düsseldorf und München sind die Landesarbeitsgerichte München, Düsseldorf und Hamm zuständig, deren zunächst gemeinschaftlich höheres Gericht das Bundesarbeitsgericht ist. Das zuerst mit der Sache befasste Arbeitsgericht Hagen liegt im Bezirk des Landesarbeitsgerichts Hamm.
142. Das Landesarbeitsgericht bestimmt nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO das örtlich zuständige Gericht, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt hat.
15a) Das Arbeitsgericht Hagen hat sich sowohl mit Beschluss vom 20.12.2016 als auch mit weiterem Beschluss vom 24.01.2017 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Düsseldorf und an das Arbeitsgericht München verwiesen. Beschlüsse über die Zuständigkeit sind unanfechtbar, §§ 48 Abs. 1 Ziff. 1 ArbGG, 17a Abs. 2, 3 GVG. Zugleich hat das Arbeitsgericht München mit Beschluss vom 09.03.2017 beschlossen, „den Rechtsstreit nicht zu übernehmen“. Auch dies ist Beschluss im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, mit dem sich ein Gericht rechtskräftig für unzuständig erklärt hat. Denn ein solcher Beschluss ist jede förmliche, den Parteien gegenüber abgegebene Erklärung der Unzuständigkeit durch ein Gericht. Damit ist auch der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 09.03.2017, mit dem es die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt hat, eine Unzuständigkeitserklärung im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (vgl. Zöller-Vollkommer, 31. Aufl. 2016, § 36 Rn 24 m.w.N.), die ihrerseits entsprechend der Regelungen in den §§ 48 Abs. 1 Ziff. 1 ArbGG, 17a Abs. 2, 3 GVG unanfechtbar ist.
16b) Kein solcher Beschluss im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist indes die richterliche Verfügung vom 30.12.2016, mit der das Arbeitsgericht Düsseldorf die Akte dort austragen und an das Arbeitsgericht Hagen zurücksenden ließ. Gleiches gilt für das Schreiben des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.01.2017, mit dem es das Verfahren „zuständigkeitshalber“ an das Arbeitsgericht München weiterreichte, ebenso wie für das Antwortschreiben des Arbeitsgerichts München vom 18.01.2017 an das Arbeitsgericht Hagen, dem die Verfahrensakte beigefügt war. Keines der Gerichte hat vor Absetzung dieser Schreiben den Parteien Gelegenheit zu rechtlichem Gehör gegeben oder aber den Parteien diese Schreiben zur Kenntnis gebracht. Existent und erlassen sind richterliche Beschlüsse nur dann, wenn sie mit dem Willen des Gerichts aus dem inneren Geschäftsbetrieb herausgetreten sind und sich das Gericht damit des Beschlusses willentlich entäußert hat (BGH, Urteil vom 01.04.2004 - IX ZR 117/03 -NJW-RR 2004, 1575; Zöller-Geimer/Vollkommer, 31. Aufl, 2016, § 329 Rn. 6), wie sich nicht zuletzt der Bestimmung des § 329 Abs. 2 ZPO entnehmen lässt, die festhält, dass nicht verkündete Beschlüsse oder richterliche Verfügungen den Parteien mitzuteilen oder ihnen zuzustellen sind. Mangels einer nach außen tretenden richterlichen Willensbildung können diese Schreiben nicht als rechtskräftige Unzuständigkeitserklärungen i.S. von § 36 Nr. 6 ZPO angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 04.06.1997 - XII ARZ 13/97, NJW-RR 1997, 1161). Insoweit handelt es sich lediglich um interne Vorgänge der beteiligten Gerichte (Zöller-Vollkommer, 31. Aufl, 2016, § 36 Rn 24 m.w.N.; BayObLGZ; G-M-P Germelmann, ArbGG, 8. Aufl., § 48 Rn 103).
17c) Eines der beteiligten Gericht, die sich für unzuständig erklärte haben, muss nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO tatsächlich zuständig sein. Hier ist jenseits der Frage, ob das Arbeitsgericht Hagen oder das Arbeitsgericht Düsseldorf nach § 48 Abs. 1a ArbGG örtlich zuständig ist, das Arbeitsgericht München jedenfalls als Gericht des allgemeinen Gerichtsstands nach § 17 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig, weil die Beklagte als juristische Person in München ihren Sitz hat.
183. Das Landesarbeitsgericht hat das wirklich zuständige Arbeitsgericht zu bestimmen. Dies ist das Arbeitsgericht Düsseldorf.
19a) Das bestimmende Gericht hat im negativen Kompetenzkonflikt mehrerer Gerichte nicht nur allgemeine Zuständigkeitsvorschriften zu beachten, sondern auch verfahrensrechtliche Bindungswirkungen (Zöller-Vollkommer, 31. Aufl, 2016, § 36 Rn. 28). Damit wirkt die Bindungswirkung ergangenen Verweisungsbeschlüsse im Bestimmungsverfahren fort. Das gilt auch für die Bindungswirkung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hagen vom 20.12.2016, mit dem das Arbeitsgericht Düsseldorf als das örtlich zuständige Arbeitsgericht bestimmt worden ist, worauf das Arbeitsgericht München in seinem Ersuchen um Bestimmung des zuständigen Gerichts zu Recht hingewiesen hat.
20aa) Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat keine eigene Unzuständigkeitserklärung i.S.d. § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO abgegeben. Insbesondere kommt, wie bereits ausgeführt, der richterlichen Verfügung vom 30.12.2016 eine solche Qualität nicht zu. Das Arbeitsgericht Düsseldorf ist damit formal am negativen Kompetenzkonflikt nicht beteiligt. Das steht der Bestimmung des Arbeitsgerichts Düsseldorf als zuständig indes nicht entgegen. Im negativen Kompetenzkonflikt zweier Gerichte nach § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO kann auch ein drittes, an diesem Konflikt zumindest formal nicht beteiligtes Gerichts als das zuständige Gericht bestimmt werden (Zöller-Vollkommer, 31. Aufl, 2016, § 36 Rn. 5).
21bb) Der Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 20.12.2016 ist bindend. Die grundsätzliche Bindungswirkung arbeitsgerichtlicher Beschlüsse über die örtliche Zuständigkeit hat der Gesetzgeber in § 48 Abs. 1 Ziff. 1 ArbGG durch eine gesetzliche Bestimmung zur Unanfechtbarkeit solcher Beschlüsse im Sinne des arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatzes betont. Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit sind nach den §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG für das Arbeitsgericht, an das der Rechtstreit verwiesen worden ist, grundsätzlich bindend. Letztlich sollen damit im Interesse der rechtssuchenden Parteien unnötige und zu deren Lasten gehende Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Gerichten vermieden werden (vgl. bereits zu § 281 ZPO BAG, Beschluss vom 24.02.1983 - 5 AS 4/83 AP Nr 31 zu § 36 ZPO). Die verfahrensrechtliche Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses wirkt auch im Bestimmungsverfahren fort und ist dort zu beachten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage § 36 Rn 28; G-M-P-Germelmann, ArbGG, 8. Auflage § 48 Rn 101; vgl. zu § 281 ZPO BAG, Beschluss vom 24.02.1983 - 5 AS 4/83 AP Nr 31 zu § 36 ZPO; LAG Hamm, Beschlüsse vom 26.11.2015 - 1 SHa 22/15; 27.11.2013 – 1 SHa 17/13, juris, Rn 15; 15.08.2007 – 1 SHa 22/07, NRWE). Aus der Bindungswirkung folgt, dass die Fehlerhaftigkeit eines Verweisungsbeschlusses grundsätzlich hinzunehmen ist und eine Anfechtbarkeit ausscheidet, selbst dann, wenn der Verweisungsbeschluss offensichtlich fehlerhaft ist (G-M-P-Germelmann, ArbGG, 8. Auflage § 48 Rn 94, 101; LAG Hamm, Beschlüsse vom 12.08.2013 – 1 Ta 397/13, NRWE; 27.11.2013 – 1 SHa 17/13, juris Rn 15).
22Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss nicht nur offensichtlich fehlerhaft, sondern zugleich auch greifbar gesetzeswidrig ist und aus diesem Grund keine Bindungswirkung entfalten kann (G-M-P-Germelmann, ArbGG, 8. Auflage § 48 Rn 101; LAG Hamm, Beschluss vom 27.11.2013 – 1 SHa 17/13, juris Rn 16; LAG München, Beschluss vom 08.02.2011 – 1 SHa 4/10, juris). Eine greifbare Gesetzeswidrigkeit ist nur bei einer krassen Rechtsverletzung anzunehmen. Nur sie würde es zulassen, die gesetzliche Bindungswirkung ausnahmsweise zu durchbrechen. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn der Beschluss dazu führen würde, dass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise vom verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten beruhen könnte. In einem solchen Fall wäre der Beschluss unter Berücksichtigung elementarer rechtsstaatlicher Grundsätze nicht mehr verständlich, damit offensichtlich unhaltbar und nicht mehr akzeptabel (G-M-P-Germelmann, ArbGG, 8. Auflage § 48 Rn 101; BAG, Beschluss vom 19.03.2003 – 5 AS 1/03, NZA 2003, 683; LAG Hamm, Beschlüsse vom 12.08.2013 – 1 Ta 397/13, NRWE; 27.11.2013 – 1 SHa 17/13, juris RN 16; LAG München, Beschluss vom 08.02.2010 – 1 SHa 4/10, juris).
23bb) Eine solche Durchbrechung der Bindungswirkung ist hier nicht gegeben. Das Arbeitsgerichts Hagen hat sich mit Beschluss vom 20.12.2016 ausweislich des Beschlusstenors für örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Düsseldorf verwiesen. Zwar hat das Arbeitsgericht Düsseldorf in seinem Abgabeschreiben vom 30.12.2016 zutreffend darauf hingewiesen, das Arbeitsgericht Hagen habe seinen Beschluss mit Überlegungen begründet, die nicht zum Beschlusstenor passen. So hat das Arbeitsgericht Hagen ausgeführt, der „Rechtsstreit sei von Amts wegen an das für den Sitz der Beklagten örtlich zuständige Arbeitsgericht zu weisen“, was eben nicht zu einer Verweisung nach Düsseldorf, sondern zu einer solchen nach München hätte führen müssen.
24Doch kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschlusstenor offensichtlich unrichtig ist, sondern allenfalls, dass dies für die Beschlussbegründung gilt. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen geht auf die Verwendung eines Beschussformulars zurück, das das Arbeitsgericht für Entscheidungen über die örtliche Zuständigkeit angesichts häufig gleichgelagerter Fragestellungen verwendet. Eine individualisierte Begründung, der sich entnehmen lässt, dass sich das Gericht mit den zuvor zwischen den Parteien ausgetragenen Rechtsfragen befasst hat, lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen. Auch ein individualisierter Tatbestandsteilsteil fehlt. Bereits aus diesem Grund kommt vor allem dem Beschlusstenor, in dem die richterliche Willensbildung zum Ausdruck kommt, entscheidende Bedeutung zu. Darüber hinaus kann dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Hagen vom 13.10.2016 entnommen werden, dass die Vorsitzende Richterin eine Erörterung zur Frage der örtlichen Zuständigkeit angeregt hat. Kläger und Beklagte haben sich in diesem Zusammenhang inhaltlich ausschließlich damit auseinandergesetzt, ob der Ort üblicher Arbeitsverrichtung nun im Bezirk des Arbeitsgerichts Hagen liegt oder aber angesichts der mit Wirkung vom 01.09.2016 getroffenen ausdrücklichen Vereinbarung in Düsseldorf. Auch die im Nachgang eingegangenen Schriftsätze der Parteien haben nur dies thematisiert.
25Überlegungen dazu, den Rechtsstreit an das nach § 17 ZPO als das für den Sitz der Beklagten zuständige Arbeitsgericht München zu verweisen, wurden bis dahin weder von der Beklagten noch vom Kläger angestellt. Dem Kläger ging es mit seiner Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht Hagen vielmehr darum, nach § 35 ZPO unter mehreren örtlich zuständigen Gerichten eines auszuwählen, nämlich das für den Arbeits- oder Erfüllungsort zuständige. Dieser Wahl des Klägers wollte das Arbeitsgericht Hagen erkennbar mit seiner Entscheidung über die Verweisung an das aus seiner Sicht zuständige Arbeitsgericht Düsseldorf Beachtung schenken.
26Nach der zwischen den Parteien am 24.08.2016 getroffenen Vereinbarung soll der Arbeitsort ab dem 01.09.2016 nicht mehr H, sondern D sein. Angesichts dessen ist unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze nichts ersichtlich, was dem Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 20.12.2016, dem eine vorherige Anhörung der Parteien vorausging, die verfahrensrechtliche Bindungswirkung nehmen könnte. Die bindende Wirkung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses vom 20.12.2016 ist demgemäß auch für das Landesarbeitsgericht im Rahmen des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO zu beachten.
27b) Dem steht der zweite Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 24.01.2017, mit dem es erneut über die Frage der örtlichen Zuständigkeit entschieden hat und nun - passend zur Beschlussbegründung - den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht München als das für den Sitz der Beklagten nach § 17 ZPO zuständige Gericht verwiesen hat, nicht entgegen.
28aa) Dieser Beschluss, der wiederum auf ein Beschlussformular zurückgeht und eine nahezu identische Beschlussbegründung enthält wie derjenige vom 20.12.2016, ist in Anbetracht seines klaren Wortlauts kein Berichtigungsbeschluss im Sinne des § 319 ZPO, mit dem das Arbeitsgericht Hagen seine Entscheidung vom 20.12.2016 angesichts einer etwa fehlerhaft aufgenommenen Begründung hat berichtigen wollen.
29bb) Diesem zweiten Beschluss kommt keine Bindungswirkung zu. Für den Erlass eines weiteren Beschlusses über die örtliche Zuständigkeit war das Arbeitsgericht Hagen nach Erlass des Verweisungsbeschlusses vom 20.12.2016 nicht mehr zuständig. Nach § 17 b Abs. 1 GVG wurde der Rechtsstreit nach Eintritt der Rechtskraft des unanfechtbaren Verweisungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Hagen vom 20.12.2016 mit Eingang der Akten bei dem im Beschluss bezeichneten Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig. Das Arbeitsgericht Hagen war als das verweisende Gericht nicht mehr in der Lage, Entscheidungen zu treffen (vgl. G-M-P-Germelmann, ArbGG, 8. Aufl. 2013 § 48 Rn. 95). Der gleichwohl erlassene Beschluss verstößt daher gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters, Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen, der ohne Anhörung der Parteien ergangen ist, verletzt ferner den Grundsatz rechtlichen Gehörs, verstößt damit insgesamt gegen elementare rechtsstaatliche Grundsätze und bleibt daher ohne Bindungswirkung.
30III. Die Kosten dieses Beschlusses sind Kosten des Verfahrens (LAG Hamm, Beschlüsse vom 26.11.2015, 1 SHa 22/15; 25.11.2014 - 1 SHa 21/14; 15.08.2007 - 1 SHa 22/07, NRWE).