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Ein Tarifvertrag, der die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen bis zu einer Gesamtdauer von sieben Jahren bei siebenmaliger Verlängerungsmöglichkeit zulässt, hält sich nicht im Rahmen des verfassungs- und unionsrechtlich zulässigen Gestaltungsrahmens nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG.
Die auf der Grundlage des Tarifvertrages über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau vom 01.08.2010 vereinbarte sachgrundlose Befristung mit einer Gesamtdauer von sieben Jahren ist unwirksam.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 16.12.2015 – 5 Ca 1279/15 – abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund vereinbarter Befristung mit Ablauf des 31.08.2015 geendet hat.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 25.08.2008 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses auf den 31.08.2015. Daneben begehrt der Kläger seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits.
3Der 1983 geborene Kläger absolvierte von Februar 2004 bis zum März 2008 eine Berufsausbildung als KfZ-Mechatroniker bei der S Aktiengesellschaft und war anschließend als Arbeitnehmer dort tätig, die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis erfolgte befristet bis zum 30.11.2008 (Bl. 259 – 261 GA). Am 19./30.08.2008 schlossen der Kläger und die S Aktiengesellschaft einen Aufhebungsvertrag zum 31.08.2008 (Bl. 35, 36 GA = Bl. 262, 263 GA). Anschließend war der Kläger sieben Jahre lang vom 01.09.2008 bis zum 31.08.2015 auf der Grundlage mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten beschäftigt:
4Vertragsdatum Laufzeit
525.08./28.08.2008 01.09.2008 bis 30.11.2012 (Bl. 37 GA)
601.06./10.08.2012 verlängert bis zum 30.11.2013 (Bl. 38 GA)
708.11./29.11.2012 verlängert bis zum 30.11.2014 (Bl. 39 GA)
801.08./29.10.2013 verlängert bis zum 31.08.2015 (Bl. 40 GA).
9Der Kläger ist Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Die Beklagte ist Mitglied im Unternehmerverband Steinkohlenbergbau. Die Beklagte ist eine 100%ige Tochter der S AG. Mit dem Steinkohlefinanzierungsgesetz vom 20.12.2007 hat der Gesetzgeber die Beendigung der subventionierten Steinkohlenförderung in Deutschland zum Ende des Jahres 2018 bestimmt.
10Im Arbeitsvertrag vom 25./28.08.2008 wird auf die tariflichen Bestimmungen für den Ibbenbürener Steinkohlenbergbau Bezug genommen. Die drei nachfolgenden Verträge verweisen jeweils auf den „Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau vom 29.06.2007, mit Änderung vom 01.08.2010“. Der „Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau vom 29.06.2007 in der Fassung vom 1. August 2010“ lautet auszugsweise (fortan: TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 / Kopie Bl. 44 GA):
11§ 1
12In Abweichung zu § 14 Abs. 2 TzBfG können im deutschen Steinkohlenbergbau nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen befristete Arbeitsverträge geschlossen werden.
13§ 2
14(1) Der Arbeitsvertrag kann abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG bis zur Gesamtdauer von sieben Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristet werden, soweit nicht gesetzlich eine längere sachgrundlose Befristung zulässig wird.
15(2) Innerhalb dieser Zeitspanne kann der Arbeitsvertrag bis zu siebenmal verlängert werden.
16§ 3
17Der Abschluss und die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages erfolgen schriftlich.
18§ 4
19Soweit befristete Arbeitsverhältnisse eine Laufzeit von mehr als 12 Monaten haben, unterliegen sie den tarifvertraglichen Kündigungsfristen.
20§ 5
21Der Tarifvertrag tritt am 1. Juli 2007 in Kraft. …
22Wegen des vorausgegangenen TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007 wird auf die zur Akte gereichte Kopie verwiesen. Dort war eine Befristung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Gesamtdauer von fünf Jahren mit bis zu fünfmaliger Verlängerung für zulässig erklärt (§ 2 TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007 / Bl. 275 GA). Kopien der beiden Tarifverträge mit den für die Tarifvertragsparteien geleisteten Unterschriften finden sich auf Bl. 131, 132 GA.
23Der Kläger wurde auf einer Schachtanlage der Beklagten „als Metallfacharbeiter 1 in der Lohngruppe 08“ eingesetzt (Bl. 264 GA). Das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen des Klägers belief sich auf 3.481,71 €.
24Die Befristungskontrollklage ist am 09.07.2015 bei dem Arbeitsgericht Rheine eingegangen.
25Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die sachgrundlose Befristung seines Arbeitsverhältnisses sei unwirksam. Zum einen bestehe eine Vorbeschäftigung im Konzernunternehmen, denn es liege ein Gemeinschaftsbetrieb mit der S AG vor, weil nur letztere personelle und unternehmerische Entscheidungen für beide Firmen treffe. Zum anderen rechtfertige der von der Beklagten herangezogene TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010, welcher eine Befristung bis zur Gesamtdauer von sieben Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes und eine maximal siebenmalige Verlängerung erlaube, die Befristung nicht. Den Abschluss eines solchen Tarifvertrages hat der Kläger mit Nichtwissen bestritten. Sollte ein solcher Tarifvertrag tatsächlich existieren, so wäre dieser wegen des Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie gegen die verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben für die Befristung von Arbeitsverhältnissen unwirksam. Die Befristung auf eine Dauer von sieben Jahren verbunden mit der Möglichkeit siebenmaliger Verlängerung innerhalb dieses Zeitraums benachteilige ihn unverhältnismäßig und greife in sein Recht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG ein. Schließlich liege ein Fall von echter und damit unzulässiger Rückwirkung vor, weil - die Existenz eines solchen Tarifvertrages unterstellt - der Tarifvertrag von 2010 rückwirkend auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung finden solle.
26Der Kläger hat beantragt,
271) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund der Befristung nicht zum 31.08.2015 endet, sondern dass das Arbeitsverhältnis über den 31.08.2015 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
282) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 25.08.2015 über den Ablauf des 31.08.2015 hinaus weiter zu beschäftigen.
29Die Beklagte hat beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Die Beklagte hat behauptet, der TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007 und der TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 seien wirksam abgeschlossen worden. Hierzu legt sie eine Kopien dieses Tarifverträge vor mit entsprechenden Unterschriften der Tarifvertragsparteien (Bl. 132, 131 GA). Im TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007 sei vereinbart worden, dass der Arbeitsvertrag bis zur Gesamtdauer von fünf Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristet werden und innerhalb dieser Zeitspanne bis zu fünfmal verlängert werden könne. Im TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 sei die Gesamtbefristungsdauer auf sieben Jahre erweitert und eine siebenmalige Verlängerungsmöglichkeit eröffnet worden. Es seien keine Gründe gegeben, welche zur Unwirksamkeit der vereinbarten Befristung führen könnten. Bei der S AG und der Beklagten handle es sich ersichtlich um selbstständige Vertragsarbeitgeber. Der TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 sei nicht unverhältnismäßig und verstoße nicht gegen gesetzliche Vorgaben. Vor dem Hintergrund der Beendigung der subventionierten Steinkohlenförderung zum Ende des Jahres 2018 sei es nachvollziehbar, dass sie sich als Arbeitgeberin eine gewisse Flexibilität und Handlungsfähigkeit ihres Unternehmens sichern wolle. Eine Befristungshöchstdauer von sieben Jahren sei keinesfalls ungewöhnlich. Es gebe sogar gesetzliche Regelungen, welche Befristungen bis zu sechs bzw. neun Jahren erlauben würden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung erachte bei Kettenbefristungen mit Sachgrund eine Gesamtbeschäftigungsdauer von mehr als sieben Jahren noch als zulässig.
32Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.12.2015 abgewiesen. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses sei wirksam. Ein Verstoß gegen das Vorbeschäftigungsverbot liege nicht vor. Es liege keine Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber vor. Die Beklagte handle insoweit auch nicht rechtsmissbräuchlich. Ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 TzBfG liege nicht vor. Der TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007 und der TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 enthielten davon abweichende Regelungen. Der Kläger habe die Existenz der Tarifverträge unzulässig mit Nichtwissen bestritten. Die Tarifverträge überschritten die Grenze des Zulässigen nicht. So überschritten etwa auch die Regelungen zur Befristung nach dem WissZeitVG die Grenzen des § 14 Abs. 2 TzBfG um ein Vielfaches. Den Tarifvertragsparteien sei durch Art. 9 Abs. 3 GG ein weiter Spielraum für die tarifrechtliche Normsetzung eingeräumt. Die Regelung des TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden. Da das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2015 sein Ende gefunden habe, sei der Kläger nicht über den 31.08.2015 weiterzubeschäftigen.
33Das Urteil ist dem Kläger am 22.12.2016 zugestellt worden. Der Kläger hat am 15.01.2016 Berufung eingelegt und die Berufung nach Verlängerung der Frist bis zum 22.03.2016 am 21.03.2016 begründet.
34Der Kläger wendet ein, rechtsirrig habe das Arbeitsgericht im Hinblick auf seine frühere Beschäftigung bei der S1 AG einen Verstoß gegen das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG verneint. Es liege hier ein Gemeinschaftsbetrieb der Beklagten mit der S1 AG vor (weitere Einzelheiten Berufungsbegründung S. 2 – 6 = Bl. 191 – 195 GA). Rechtsirrig habe das Arbeitsgericht einen Verstoß gegen § 14 Abs. 2 TzBfG verneint. Das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass er bestritten habe, dass ein Tarifvertrag wie von der Beklagten reklamiert existiere. Zulässig habe er mit Nichtwissen bestritten, dass die unterzeichnenden Personen überhaupt berechtigt seien, tarifvertragliche Regelungen zu vereinbaren. Auf seine Nachfragen an die Gewerkschaft seien ihm keine Antworten erteilt worden. Rechtsirrig habe das Arbeitsgericht die Existenz der Tarifverträge angenommen. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass durch den TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 eine unzulässige Rückwirkung gegeben sei. Die Vereinbarungen in den Tarifverträgen überschritten die Grenze des Zulässigen. Regelungen für wissenschaftliche und künstlerische Einrichtungen des Bildungswesens seien mit der hiesigen Materie nicht vergleichbar. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass es überhaupt keinen sachlichen Grund für eine solch lange Befristungsdauer gebe. Die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG bestünden nicht unbegrenzt. Die Regelung im Tarifvertrag sei unionsrechtswidrig und grob willkürlich.
35Der Kläger beantragt,
36unter Abänderung des am 16.12.2015 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Rheine – 5 Ca 1279/15 – wie folgt zu erkennen:
371. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund der Befristung nicht zum 31.08.2015 endet, sondern dass das Arbeitsverhältnis über den 31.08.2015 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
382. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 25.08.2015 über den Ablauf des 31.08.2015 hinaus weiter zu beschäftigen.
39Die Beklagte beantragt,
40die Berufung zurückzuweisen.
41Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Ohne Darlegung eines konkreten Sachverhalts behaupte der Kläger „ins Blaue hinein“ einen Gemeinschaftsbetrieb. Dies sei nicht zutreffend (Einzelheiten Berufungsbeantwortung S. 3 – 5, 12 ff = Bl. 239 – 241, 248 ff GA). Die Tarifverträge seien wirksam abgeschlossen worden (Einzelheiten Berufungsbeantwortung S. 5 – 7 = Bl. 241 – 243 GA). Die Beklagte verweist auf ihre einzigartige Situation, dass der gesamte Industriezweig zum Ende des Jahres 2018 abgewickelt werden müsse (Einzelheiten Berufungsbeantwortung S. 8, 9 = Bl. 244, 245 GA). Der Arbeitsvertrag sei wirksam zum 31.08.2015 befristet worden. Es liege kein Verstoß gegen das Vorbeschäftigungsverbot vor, eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung sei nicht gegeben. Auch die Befristung (selbst) sei nicht rechtsmissbräuchlich. Der Tarifvertrag sei wirksam. Es sei kein Fall einer unzulässigen echten Rückwirkung gegeben. Der Kläger genieße keinen Vertrauensschutz für die ursprüngliche tarifvertragliche Regelung. Bei aufeinanderfolgenden Tarifverträgen gelte das Ablösungsprinzip. Die tarifvertragliche Regelung über die Befristungsdauer und die Anzahl der Verlängerungen sei wirksam. Die Tarifvertragsparteien hätten ihre Regelungsbefugnis nicht überschritten. Es sei die Tarifautonomie zu beachten. Die von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG abweichende Regelung berücksichtige die spezifische Situation des deutschen Steinkohlenbergbaus und deren spezielle Herausforderungen. Ein ganzer Industriezweig müsse zu Ende 2018 beendet und abgewickelt werden. Es müsse eine geordnete Stilllegung vollzogen werden. Die durch rechtliche Flankierungen auf viele Jahre angelegte Abwicklung führe dazu, dass in gewissen Bereichen auch über einen längeren Zeitraum Beschäftigungsbedarf entstehen könne, um einerseits die Produktion gewährleisten zu können und andererseits den notwendigen Personalabbauprozess gestalten zu können (weitere Einzelheiten Bl. 253, 254 GA). Ein Verstoß gegen die Gesetzessystematik des § 14 Abs. 2 TzBfG liege nicht vor. Zum Vergleich heranzuziehen seien die gesetzlichen Regelungen in § 14 Abs. 2 a, Abs. 3 TzBfG und die Regelungen im WissZeitVG (weitere Einzelheiten Bl. 254 – 256 GA). Auch ein Verstoß gegen Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 TzBfG oder gegen Unionsrecht sei nicht gegeben. Wegen Wirksamkeit der Befristung bestehe kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.10.2016 stehe der Wirksamkeit der maßgeblichen Tarifverträge nicht entgegen. Hinsichtlich einer Höchstgrenze im Kontext des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG sei dem Urteil lediglich eine – vorläufige – Rechtsmeinung des 7. Senats zu entnehmen (obiter dictum). Gerade hier seien branchenspezifische Regelungen für die tarifvertragliche Regelung der Befristung gegeben, am 01.08.2010 habe die Beendigung des Steinkohlengbergbaus zu Ende 2018 bereits festgestanden (weitere Einzelheiten der Argumentation zum Urteil vom 26.10.2016: Bl. 397 – 400 GA).
42Der Kläger repliziert, das Bundesarbeitsgericht habe im Urteil vom 26.10.2016 die Grenzen der tariflichen Regelungsmacht klar bestimmt. Nach den Antworten der Gewerkschaftsvertreter O und C auf die gerichtliche Anfrage zum Abschluss der Tarifverträge sei eine wirksame Vertretung nicht festzustellen. Der Unterzeichnung des Tarifvertrages nach den überreichten Unterlagen ein Beschluss der zuständigen Tarifkommission vorauszugehen. Einen solchen Beschluss gebe es nicht. Es fehle die erforderliche Unterzeichnung „im Auftrag“ des Hauptvorstands. Die Vertretungsvoraussetzungen seien nicht gegeben.
43Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachvortrag und zur rechtlichen Argumentation der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die gerichtlichen Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
44Die Berufungskammer hat schriftliche Auskünfte zum Abschluss des TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 und zum Abschluss des TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007 bei den Unterzeichnern der Tarifverträge eingeholt (Beschluss vom 26.08.2012, Bl. 283, 283R GA). Wegen der Antworten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen:
45U (TV 2007 und TV 2010), Bl. 363 ff GA,
46X (TV 2007 und TV 2010), Bl. 340 ff GA,
47C (nur TV 2007), Bl. 298 ff GA
48O (TV 2007 und TV 2010), Bl. 295 ff GA,
49I (nur TV 2010), Bl. 311 ff GA.
50Entscheidungsgründe
51Die Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 c) ArbGG / §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO)
52Die Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung war der fristgerecht erhobenen Befristungskontrollklage stattzugeben. Die Befristung auf den 31.08.2015 ist weder nach § 14 Abs. 1 TzBfG noch nach § 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 TzBfG zulässig (I., II.). Entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts ergibt sich die Zulässigkeit auch nicht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG i. V. m. dem TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010. Die Befristungsregelung in § 2 des Tarifvertrags mit der Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung über eine Dauer von sieben Jahren (mit siebenmaliger Verlängerungsmöglichkeit) ist nicht mehr von der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gedeckt (III.). Da die Befristung unwirksam ist, ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger bis zum Abschluss des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen (V.).
53I. Die Befristung des Arbeitsvertrags auf den 31.08.2015 ist nicht nach § 14 Abs. 1 TzBfG zulässig. Dort ist bestimmt, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages zulässig ist, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn einer der in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 8 aufgelisteten Gründe vorliegt. Einen solchen Grund macht die Beklagte nicht geltend. Insbesondere behauptet sie nicht, dass der betriebliche Bedarf an der Arbeitskraft des Klägers nur vorübergehend für einen absehbaren begrenzten Zeitraum bestanden hätte (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG) oder dass die Befristung wegen einer Beschäftigung des Klägers zur vorübergehenden Vertretung eines anderen Arbeitnehmers vereinbart worden wäre (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG). Auch das Vorliegen eines anderen Sachgrundes gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Nr. 4 – Nr. 8 TzBfG oder eines anderweitigen im Gesetz nicht ausdrücklich benannten Sachgrundes („unbenannter Sachgrund“) behauptet die Beklagte nicht.
54II. Die Befristung ist nicht als sachgrundlose Befristung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 TzBfG zulässig. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 1. HS TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu der Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsverhältnisses zulässig, § 14 Abs. 2 Satz 1 2. HS TzBfG. Die Zweijahresgrenze für die gesetzlich zugelassene sachgrundlose Befristung ist überschritten. Das Arbeitsverhältnis besteht seit dem 01.09.2008 und damit seit weit mehr als zwei Jahren.
55III. Die Befristung ist nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 3, Satz 4 TzBfG zulässig.
561. Nach dieser Bestimmung kann durch Tarifvertrag die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren, § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG. Bei der Anwendung dieser Bestimmung besteht Übereinstimmung, dass durch Tarifvertrag nicht nur entweder die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend vom Gesetz geregelt werden können sondern dass auch kumulativ die Anzahl der Verlängerungen und zugleich die Höchstdauer der Befristung abweichend bestimmt werden können (BAG 20.01.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 139 mwN; BAG 15.08.2012 AP TzBfG § 14 Nr. 101; ErfK-Müller-Glöge, 17. Aufl. 2017, § 14 TzBfG Rn. 101 a mwN).
572. Hier sieht der TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 in seinem § 2 Abs. 1 zwar eine sachgrundlose Befristung bis zur Gesamtdauer von sieben Jahren vor, innerhalb derer der Arbeitsvertrag nach § 2 Abs. 2 TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 bis zu siebenmal verlängert werden kann. Diese tarifliche Regelung ist jedoch entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts unwirksam. Sie wird nicht von der gesetzlichen Tariföffnungsklausel in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gedeckt.
58a) Allerdings ist nach dem Gesetzeswortlaut die den Tarifvertragsparteien durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffnete Möglichkeit, die Höchstdauer der Befristung und/oder die Anzahl der Vertragsverlängerungen abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festzulegen, nicht eingeschränkt. Dennoch gilt sie nicht völlig unbegrenzt. Vielmehr gebieten der systematische Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck des TzBfG, aber auch verfassungs- und unionsrechtliche Gründe eine immanente Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147; BAG 18. 3. 2015 AP TzBfG § 14 Nr. 129; 15. 8. 2012 AP TzBfG § 14 Nr. 101; ErfK-Müller-Glöge, 17. Aufl., § 14 TzBfG Rn. 101 b).
59aa) Zur Begründung verweist das Bundesarbeitsgericht darauf, dass sich anderenfalls ein Wertungswiderspruch insbesondere zu § 14 Abs. 1 TzBfG ergibt. Von dieser Bestimmung, nach der eine Befristungsabrede grundsätzlich nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig ist, kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG auch durch Tarifvertrag nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Daher muss auch ein tariflich geregelter Sachgrund den Wertungsmaßstäben des § 14 Abs. 1 TzBfG genügen (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147; BAG 18. 3. 2015 AP TzBfG § 14 Nr. 129; 15. 8. 2012 AP TzBfG § 14 Nr. 101; BAG 9. 12. 2009 AP TzBfG § 14 Nr. 67). Dieses gesetzgeberische Konzept würde konterkariert, wenn die Tarifvertragsparteien völlig unbeschränkt sachgrundlose Befristungen gestatten könnten (BAG aaO).
60bb) Für eine Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis sprechen weiter, so das Bundesarbeitsgericht, auch verfassungsrechtliche Erwägungen. Art. 12 Abs. 1 GG garantiert für Arbeitsverhältnisse einen staatlichen Mindestbestandsschutz. Diesen hat der Gesetzgeber für die Befristung von Arbeitsverträgen durch das TzBfG näher ausgestaltet. Ausgehend von dem Grundsatz, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis der Normalfall und das befristete Arbeitsverhältnis die Ausnahme ist, sollen das Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Befristung in § 14 Abs. 1 TzBfG sowie das Festlegen bestimmter Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung den Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust des Arbeitsplatzes bewahren (BAG aaO). Bei der Verwirklichung der ihm obliegenden Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG hat der Gesetzgeber wie auch sonst bei der Verfolgung berufs-, arbeits- und sozialpolitischer Ziele einen weiten Gestaltungsspielraum. Diesem Gestaltungsspielraum entspricht es, zumal in Ansehung der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifautonomie, wenn es der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien ermöglicht, die Voraussetzungen zur Zulässigkeit sachgrundloser Befristungen in Abweichung seiner Festlegungen zur Höchstdauer und zur Anzahl der Verlängerungen zu regeln. Die mittels der Tarifautonomie herzustellende sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens ist Grundlage der Praxis des Gesetzgebers, in vielen Bereichen den Tarifvertragsparteien Regelungsbefugnisse zuzuweisen, die er aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes den Arbeitsvertragsparteien versagt. Diese gesetzliche Konzeption beruht auf der Annahme, dass Tarifverträge ein größeres „Richtigkeitsvertrauen” genießen als der Arbeitsvertrag des Einzelnen. Tarifverträge bieten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine materielle Richtigkeitsgewähr. Aufgrund des Verhandlungsgleichgewichts der Tarifvertragsparteien ist davon auszugehen, dass die vereinbarten tariflichen Regelungen den Interessen beider Seiten gerecht werden und keiner Seite ein unzumutbares Übergewicht vermitteln. Das gilt grundsätzlich auch für Tarifverträge, die aufgrund der Tariföffnungsklausel des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG geschlossen werden (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147). Gleichwohl, so das Bundesarbeitsgericht weiter, sind Fallgestaltungen denkbar, in denen die tarifvertragliche Regelung sachgrundloser Befristungen trotz der Vermutung der materiellen Richtigkeit nicht mehr der mit den Regelungen des TzBfG verfolgten Verwirklichung der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden staatlichen Schutzpflicht entspräche. Das bei Anwendung und Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG zu beachtende Untermaßverbot führt daher ebenfalls zu einer Beschränkung der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147; BAG 18. 3. 2015 AP TzBfG § 14 Nr. 129; BAG 15. 8. 2012 AP TzBfG § 14 Nr. 101).
61cc) Eine Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis entspricht schließlich auch den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. 6. 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (Rahmenvereinbarung), deren Umsetzung der befristungsrechtliche Teil des TzBfG dient (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147; BAG 18. 3. 2015 AP TzBfG § 14 Nr. 129; BAG 15. 8. 2012 AP TzBfG § 14 Nr. 101). Auch von den Tarifvertragsparteien ist bei der Wahrnehmung ihrer Regelungsbefugnis nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG das Ziel der Richtlinie, den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern, zu beachten. Die gesetzliche Tariföffnungsklausel erlaubt daher keine Tarifverträge, die diesem Ziel erkennbar zuwiderliefen (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147).
62b) Nachdem das Bundesarbeitsgericht in seinen früheren Entscheidungen zur § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG keine Grenze für die Regelungsbefugnis nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG genannt hatte, hat es in dem Urteil vom 26.10.2016 eine tarifvertragliche Erweiterung bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren bei fünfmaliger Verlängerungsmöglichkeit für zulässig erachtet und zugleich Ausführungen zu einer Grenze für die tarifvertraglichen Abweichungsmöglichkeiten nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gemacht. Das Bundesarbeitsgericht sieht danach die Grenze der tariflichen Regelungsbefugnis - unter Berücksichtigung der Gesamtkonzeption von § 14 TzBfG und der unionsrechtlichen Vorgaben in der Richtlinie 1999/70/EG sowie zur Gewährleistung eines Mindestbestandsschutzes für die betroffenen Arbeitnehmer und unter Beachtung der den Tarifvertragsparteien zustehenden Tarifautonomie - als erreicht an bei der Festlegung der Dauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags auf maximal sechs Jahre und der höchstens neunmaligen Verlängerung bis zu dieser Gesamtdauer (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147 Rn. 31 - 35).
63Davon abweichend finden sich in der Literatur die Auffassungen, dass für die Regelungsbefugnis gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG ein Zeitraum von vier Jahren als Höchstgrenze zu gelten habe (Schaub-Koch, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl. 2015, § 39 Rn. 17 = S. 378; HaKo-KSchR-Mestwerdt, 5. Aufl. 2015, § 14 TzBfG Rn. 210; Francken NZA 2013, 122 ff, 124, 125) oder dass die Grenze bei fünf Jahren zu ziehen sei (KR-Lipke, 10. Aufl. 2013, § 14 TzBfG Rn. 435).
64Im Anschluss an die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts erachtet die Kammer die hier zu prüfende Regelung in § 2 Abs. 1 TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 als zu weitgehend und deshalb unwirksam, weil mit der eröffneten Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung über einen Zeitraum von sieben Jahren das Dreifache des Zweijahreszeitraums des § 14 Abs. 2 TzBfG überschritten ist. An der Unwirksamkeit ändert der Umstand nichts, dass die Anzahl der Verlängerungen unter dem dreifachen Wert der Verlängerungsmöglichkeiten nach § 14 Abs. 2 TzBfG liegt (sieben gegenüber neun).
65Soweit die Beklagte branchen- und situationsbedingte Besonderheiten des deutschen Steinkohlenbergbaus im Zeitpunkt des Abschlusses des TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 anführt, reichen diese nicht aus, um ein Zurücktreten des durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutzinteresses des Arbeitnehmers gegen zu lang währende sachgrundlose Befristungen zu rechtfertigen. Zwar beruft sich die Beklagte auf eine branchenspezifische Sondersituation, indem sie darauf verweist, dass der Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau gesetzlich auf das Jahr 2018 festgelegt ist. Dies ist sicherlich eine Besonderheit. Allerdings erschließt sich nicht, weshalb aus dieser Besonderheit ein gesteigertes Bedürfnis der Branche resultiert, mit Arbeitnehmern langjährig sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse abschließen zu können. Dem Arbeitgeber stehen in einer Stilllegungssituation andere Möglichkeiten zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung. Die Betriebsstilllegung stellt einen Grund dar, der eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum Zeitpunkt der beabsichtigten Stilllegung sozial rechtfertigt (ErfK-Oetker, 17. Aufl. 2017, § 1 KSchG Rn. 277, 280 mwN). Die unternehmerische Entscheidung über das Ob und Wann der Stilllegung ist dabei regelmäßig der gerichtlichen Kontrolle entzogen; es findet lediglich eine Missbrauchskontrolle statt (ErfK-Oetker, 17. Aufl. 2017, § 1 KSchG Rn. 239 – 241, 277 mwN). Auch kann bei zuverlässig absehbarer Stilllegung eine Sachgrundbefristung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG bis zum Abschluss der Abwicklungsarbeiten vereinbart werden (Sachgrund des nur vorübergehend bestehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung / ErfK-Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rn. 28 unter Hinweis auf BAG 30.10.2008 NZA 2009, 723; BAG 03.12.1997 AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 196). Die durch den TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 für zulässig erklärte Befristungsdauer ist auch nicht kongruent zum absehbaren Stilllegungsgeschehen ausgestaltet. Die Stilllegung stand aus Sicht des Jahres 2010 nicht in sieben sondern erst in acht Jahren an, nicht für 2017 sondern für 2018. Auch ermöglicht der TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 nicht nur sachgrundlose siebenjährige Befristungen bis nah an den Stilllegungstermin heran sondern auch – wie der vorliegende Fall illustriert – die Verlängerung bereits früher begonnener Befristungsketten auf eine Gesamtdauer von sieben Jahren mit Endterminen bereits in den Jahren 2016, 2015, 2014 und auch schon in 2012 oder 2013.
66Auch ein Vergleich mit anderweitigen gesetzlichen Regelungen führt zu keinem anderen Ergebnis. Die in § 14 TzBfG für verschiedene Fallgestaltungen vorgesehenen Grenzen für sachgrundlose Befristungen liegen jeweils deutlich unterhalb der Grenze von sieben Jahren: zwei Jahre bei der allgemeinen sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 u. 2 TzBfG, vier Jahre bei der sachgrundlosen Befristung nach der Gründung eines Unternehmens gemäß § 14 Abs. 2 a TzBfG, fünf Jahre bei der sachgrundlosen Befristung bei älteren Arbeitnehmern nach vorangegangener Beschäftigungslosigkeit gemäß § 14 Abs. 3 TzBfG. Richtig ist, dass das WissZeitVG deutlich längere Befristungszeiten für befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal vorsieht (§ 2 WissZeitVG: im Grundmodell sechs Jahre vor der Promotion und sechs Jahre nach der Promotion und im Bereich der Medizin neun Jahre, jeweils mit Verlängerungen bei Zeiten der Kinderbetreuung). Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass diesen Regelungen der Sachgrund immanent ist, dass den Angestellten Gelegenheit zur wissenschaftlichen Qualifikation geboten werden soll und so die Funktionsfähigkeit der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Forschung und Lehre gesichert werden soll, weshalb das Sonderbefristungsrecht auf die kleine Gruppe der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hochschulbereich beschränkt ist (Preis/Ulber, WissZeitVG 2. Aufl. 2017, Einleitung Rn. 56 = S. 24, § 1 WissZeitVG Rn. 19 = S. 43, 44). Wegen der verfassungsrechtlichen Sondersituation des Hochschulbereichs lassen sich die Befristungszeiträume des WissZeitVG nicht zur Ausfüllung des Rahmens nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG heranziehen.
67IV. Der zwischen den Parteien strittigen Frage, ob der TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 wirksam abgeschlossen worden ist, musste die Kammer nicht weiter nachgehen. Auch konnte dahingestellt bleiben, inwieweit die von den Gewerkschaftsvertretern mit ihrer schriftlichen Antwort vorgelegte „Richtlinie Tarifpolitik gemäß § 10 der Satzung“, beschlossen vom Hauptvorstand am 25.09.2012, für den wirksamen Abschluss des Tarifvertrages im Jahr 2010 bedeutsam sein kann.
68V. Da sich die Befristung als unwirksam erweist, ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Befristungskontrollverfahrens weiterzubeschäftigen (vgl. BAG 13.06.1985 AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 19). Gesichtspunkte für ein ausnahmsweise überwiegendes Interesse, den Kläger nicht weiterbeschäftigen zu müssen, hat die Beklagte nicht geltend gemacht. Wegen offenbarer Unrichtigkeit war der verkündete Tenor der Weiterbeschäftigungsverurteilung nach § 319 Abs. 1 ZPO dahin zu berichtigen, dass die Beschäftigung entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 25.08.2008 (Bl. 37 GA) zu erfolgen hat.
69VI. Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssachte gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.