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Die Beschwerde des zu 3) beteiligten Wahlvorstandes gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 03.03.2015 – 2 BVGa 4/15 – wird zurückgewiesen.
Gründe
2A.
3Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Vergütung im Kern darum, ob in der gegebenen Situation des Bestehens zweier Wahlvorstände das von einem Wahlvorstand eingeleitete Verfahren zur erstmaligen Wahl eines Betriebsrates abzubrechen ist.
4Die Arbeitgeberin betreibt mit knapp 100 Arbeitnehmern im Dreischichtbetrieb eine Aluminiumgießerei. Im Unternehmen besteht bislang keine Arbeitnehmervertretung.
5Mit Schreiben vom 14.01.2015, am selben Tag ausgehängt, luden die drei wahlberechtigten Arbeitnehmer O, T und N sowie die im Betrieb vertretene IG Metall für den 21.01.2015 zu einer Betriebsversammlung zwecks Wahl eines Wahlvorstandes zur Durchführung einer Betriebsratswahl ein. In der Versammlung, in der 64 Beschäftigte anwesend waren, wurde ein dreiköpfiger Wahlvorstand mit dem Vorsitzenden O und den weiteren Mitgliedern T und N gewählt - zu 2) beteiligter Wahlvorstand.
6Zuvor hatten die drei wahlberechtigten Arbeitnehmer H, M und S durch Schreiben vom 14.01.2015, im Betrieb ausgehängt am 15.01.2015 um 17.00 Uhr, zur Wahl eines Wahlvorstandes für den folgenden Montag, den 19.01.2015, um 09.00 Uhr eingeladen. In dieser Versammlung, in der 15 Arbeitnehmer anwesend waren, wurde ebenfalls ein dreiköpfiger Wahlvorstand gewählt, bestehend aus dem Arbeitnehmer H als Vorsitzenden und den weiteren Mitgliedern M und S - zu 3) beteiligter Wahlvorstand. Dieser hing am 02.02.2015 ein Wahlausschreiben aus, wonach am 20.03.2015 eine Betriebsratswahl stattfinden soll.
7Der zu 2) beteiligte Wahlvorstand hat unter dem 02.03.2015 ein Wahlausschreiben erlassen; danach soll am 13.04.2015 die Wahl des Betriebsrates erfolgen.
8Mit einem beim Arbeitsgericht am 17.02.2015 eingegangenen Antrag verfolgen die IG Metall und der zu 2) beteiligte Wahlvorstand das Ziel, die durch den zu 3) beteiligten Wahlvorstand eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen und das ausgehängte Wahlausschreiben vom 02.02.2015 ersatzlos zu entfernen.
9Sie haben die Auffassung vertreten, die vom zu 3) beteiligten Wahlvorstand eingeleitete Wahl sei nichtig, in jedem Fall aber rechtswidrig, weil die erforderliche Einlassungsfrist für die Betriebsversammlung am 19.01.2015 nicht eingehalten worden sei. Davon abgesehen hätten die Arbeitnehmer, die zuerst zu einer Betriebsversammlung gemäß § 17 Abs. 3 BetrVG eingeladen hätten, Vorrang und könnten verlangen, in ihrem Unterfangen geschützt zu werden.
10Die IG Metall hat beantragt,
11dem Wahlvorstand aufzugeben,
121. das eingeleitete Verfahren zur Durchführung der Wahl eines Betriebsrates bei der Firma Gebr. M GmbH, U 1, 12345 X, abzubrechen und nicht fortzuführen und auch nicht neu einzuleiten,
2. die im Betrieb der Firma Gebr. M GmbH, U 1, 12345 X, ausgehängten Wahlausschreiben, ausgehängt am 02.02.2015, ersatzlos zu entfernen.
Der zu 3) beteiligte Wahlvorstand hat beantragt,
16die Anträge abzuweisen.
17Er hat den Standpunkt vertreten, die Ladung zur Betriebsversammlung am 19.01.2015 sei ordnungsgemäß, namentlich fristgerecht erfolgt. Davon abgesehen könne daraus keine absehbare Wahlnichtigkeit abgeleitet werden, die allein den Abbruch eines laufenden Wahlverfahrens rechtfertige. Die Gefahr der Wahl zweier Betriebsräte bestehe nicht, weil nach dem Prioritätsprinzip die zuerst wirksam gewordene Bestellung eines Wahlvorstandes ausschlaggebend sei und die spätere (zweite) Bestellung nichtig mache. Die „Sperrwirkung“ eines Einladungsschreibens gebe es nicht.
18Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 03.03.2015 den Anträgen stattgegeben.
19Dagegen richtet sich die vom zu 3) beteiligten Wahlvorstand erhobene Beschwerde. Unter Berufung auf sein erstinstanzliches Vorbringen beantragt er,
20den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 03.03.2015
21- 2 BVGa 4/15 - abzuändern und die Anträge abzuweisen.
22Ebenfalls unter Bezugnahme auf den Vortrag erster Instanz beantragen die IG Metall und der zu 2) beteiligte Wahlvorstand,
23die Beschwerde zurückzuweisen.
24Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
25B.
26Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
27Zu Recht ist das Arbeitsgericht nämlich zu dem Ergebnis gelangt, dass das Verfahren, das die drei Arbeitnehmer H, M und S mit ihrer am 15.01.2015 ausgehängten Einladung in Gang gesetzt haben, um im Betrieb der Arbeitgeberin erstmals einen Betriebsrat zu etablieren, durch den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung abzubrechen war, wozu u.a. auch die ersatzlose Entfernung des Wahlausschreibens vom 02.02.2015 gehört.
28Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (27.07.2011 – 7 ABR 61/10 – AP BetrVG 1972 § 16 Nr. 2) darf ein laufendes Betriebsratswahlverfahren nur bei einer zu erwartenden Nichtigkeit abgebrochen werden. Davon kann nur in ganz besonderen Ausnahmefällen ausgegangen werden. Voraussetzung dafür ist, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen wird, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften handeln.
29In dem Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht in einem Beschluss vom 11.04.1978 (6 ABR 22/77 – AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 8; zust. LAG Hamm, 17.08.2007 – 17 TaBV 37/07 – juris; 04.04.2014 – 13 TaBVGa 8/14 und 9/14 – juris; 16.05.2014 – 7 TaBVGa 17/14 – juris; LAG Niedersachsen, 02.12.2011 – 6 TaBV 29/11 – juris) zutreffend darauf hingewiesen, dass es die Existenz eines rechtmäßig gewählten Betriebsrates nicht zulasse, in derselben Organisationseinheit die Wahl eines weiteren Betriebsrates vorzunehmen. Letztere sei deshalb als nichtig einzustufen.
30Diese Grundsätze führen hier dazu, dass das zwischenzeitlich durch den zu 3) beteiligten Wahlvorstand eingeleitete Verfahren mit der angesetzten Wahl am 20.03.2015 als nichtig anzusehen ist, weil nach dem Prioritätsprinzip in einem bislang betriebsratslosen Betrieb – wie hier – jedenfalls dann, wenn (auch) drei wahlberechtigte Arbeitnehmer gemäß § 17 Abs. 3 BetrVG initiativ geworden sind, es maßgeblich darauf ankommt, wer zeitlich zuerst zu einer Betriebsversammlung zwecks Wahl eines Wahlvorstandes eingeladen hat. Denn dadurch ist ein erster maßgeblicher Schritt vorgenommen worden, um das Ziel der Wahl eines Betriebsrates zu erreichen. Deutlich hat dies der Gesetzgeber auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er in § 15 Abs. 3a Satz 1 KSchG vom Zeitpunkt einer solchen Einladung an den ersten drei darin aufgeführten Arbeitnehmern einen besonderen Kündigungsschutz gewährt.
31Hier erfolgte am 14.01.2015 eine erste Einladung – neben der antragstellenden IG Metall – durch die drei Arbeitnehmer O, T und N. Damit war dem gesetzgeberischen Zweck des § 17 Abs. 3 BetrVG, die Bildung von Betriebsräten zu ermöglichen, in vollem Umfang Rechnung getragen, nämlich über die Wahl eines Wahlvorstandes im Betrieb der Arbeitgeberin in angemessener Zeit am 13.04.2015 die Wahl eines Betriebsrates herbeizuführen.
32Deshalb bestand für die nur einen Tag später am 15.01.2015 vorgenommene zweite Einladung durch die Arbeitnehmer H, M und S zu einer Betriebsversammlung bereits am folgenden Montag, den 19.01.2015, keine rechtlich nachvollziehbare Notwendigkeit mehr, was zu deren Unzulässigkeit führt (vgl. LAG Köln, 06.10.1989 – 9 TaBV 49/89 – LAGE BetrVG 1972 § 2 Nr. 7; GK/Kreutz, 10. Aufl.,
33§ 17 Rn. 25; KR/Etzel, 10. Aufl., § 15 KSchG Rn. 140; Wlotzke in: Wlotzke/Preis/Kreft, 4. Aufl., § 17 Rn. 8). Durch diese Einladung konnte nicht mehr wirksam ein „zeitlich überholendes“ Verfahren zur Wahl eines Betriebsrates bereits am 20.03.2015 eingeleitet werden.
34Vor dem geschilderten Hintergrund mit aktuell jeweils zwei Wahlvorständen, zwei Wahlausschreiben und zwei Wahlterminen war im Wege des Erlasses einer einstweiligen Verfügung das vom zu 3) beteiligten Wahlvorstand eingeleitete Wahlverfahren abzubrechen, weil nur so eine „völlige Verwirrung“ (Nießen, Fehlerhafte Betriebsratswahlen, 2006, S. 127) der Wahlberechtigten verhindert werden kann und auch für die Arbeitgeberin ein untragbarer betriebsverfassungsrechtlicher Zustand beendet wird (vgl. Nießen, a.a.O.).