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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 09.07.2014 – 1 Ca 196/14 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
2Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche, betriebsbedingte Kündigung der Beklagten beendet ist.
3Diese ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
4Der am 28.05.1953 geborene Kläger war bei ihr seit dem 01.09.2008 als Meister/Ausbilder im Bereich Hauswirtschaft tätig. Er hatte die Aufgabe, Maßnahmeteilnehmer im Bereich der beruflichen Eingliederung im Bereich Küche/Hauswirtschaft anzuleiten und auszubilden. Daneben war er für den Betrieb der hauseigenen Kantine und des hauseigenen Kiosks zuständig. Gelegentlich übernahm er das Catering für Lehrgänge und Veranstaltungen im Haus der Beklagten.
5Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 22.07.2011 (Bl. 10 d.A.) zugrunde. Gemäß § 2 des Vertrages findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
6Am 16.08.2013 beschloss die Mitgliederversammlung der Beklagten, verschiedene Auftrags- und Sondermaßnahmen einzustellen. Wegen der Einzelheiten der beschlossenen Maßnahmen wird auf das von ihr mit Schriftsatz vom 17.03.2013 in Kopie vorgelegte Sitzungsprotokoll (Bl. 29, 30 d.A.) Bezug genommen.
7Mit Schreiben vom 07.01.2014 (Bl. 37 bis 39 d.A.) teilte sie dem bei ihr bestehenden Personalrat ihre Absicht mit, das Arbeitsverhältnis des Klägers fristgerecht zum 30.06.2014, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin zu kündigen. Sie bat darum, etwaige Bedenken gemäß § 74 LPVG NW binnen der Frist nach § 66 Abs. 2 LPVG NW schriftlich darzulegen. Zur Begründung der Kündigung führte sie aus, durch das Schließen verschiedener Maßnahmen entfielen Stellenanteile. Sie sei deshalb gezwungen, zum 30.06.2014 an allen Standorten die Stellenanteile der Ausbilder in der beruflichen Eingliederung zu reduzieren. Die Sozialauswahl habe sie innerhalb der Gruppe Ausbilder/Meister an allen vier Standorten durchgeführt; der Kläger sei der drittstärkste betroffene Mitarbeiter. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehe nicht.
8Am 06.01.2014 erklärte der Personalratsvorsitzende, der Personalrat enthalte sich und gebe keine Stellungnahme ab. Die Kündigungsinformation (Bl. 37 d.A.) enthielt neben dieser Antwortalternative die weiteren Antworten „Der Personalrat stimmt zu“ bzw. „Der Personalrat stimmt nicht zu“.
9Mit seiner am 04.02.2014 bei dem Arbeitsgericht Rheine eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung.
10Er hat ausgeführt:
11Die Beklagte habe den Personalrat nicht ordnungsgemäß informiert. Ihm sei nicht dargestellt worden, welche Stellenanteile entfallen seien. Es sei nicht verdeutlicht worden, warum seine Tätigkeiten nicht mehr anfielen. Seine Aufgaben seien unvollständig dargestellt worden. Das Ergebnis der Sozialauswahl sei nicht näher begründet worden. Der Personalrat habe jedenfalls der Kündigung vor Ausspruch nicht zugestimmt.
12Die Beklagte habe keine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG gestellt.
13Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass zukünftig bei Rückgang der Teilnehmerzahl im Bereich Hauswirtschaft nur noch 1,23 Ausbilderstellen benötigt würden. Bei einem Verhältnis von 6,5 Ausbildern zu 54 Teilnehmern würden bei 15 Teilnehmern 1,8 Ausbilder benötigt.
14Im Übrigen finde nach § 2 Arbeitsvertrags vom 22.07.2011 der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 09.01.1987 Anwendung. Entgegen der tariflichen Regelung sei ihm kein anderer Arbeitsplatz angeboten worden.
15Der Kläger hat beantragt
16festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 16.01.2014 nicht aufgelöst worden ist.
17Die Beklagte hat beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie hat die Auffassung vertreten:
20Der Personalrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Seiner Entscheidung, keine Stellungnahme abzugeben, liege ein ordnungsgemäßer Beschluss zugrunde. In diesem Beschluss sei ein Verzicht auf die Äußerungsfrist zu sehen.
21Jedenfalls sei zu berücksichtigen, dass sich der Personalrat einer Stellungnahme enthalten habe, demgemäß mit einer weiteren Äußerung innerhalb der Äußerungsfrist von zwei Wochen nicht zu rechnen gewesen sei. Es handle sich um eine endgültige Beschlussfassung, die nicht veränderbar gewesen sei. Im Hinblick auf die Endgültigkeit des Beschlusses habe sie die Äußerungsfrist nicht abwarten müssen, sondern habe sofort kündigen können.
22Dem Personalrat seien die Gründe der Sozialauswahl aus mehreren Gesprächen bekannt gewesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten zur Information des Personalrats wird auf ihren Schriftsatz vom 02.06.2014 (Bl. 76 bis 78 d.A.) verwiesen.
23In der Mitgliederversammlung vom 18.06.2013 sei ein unternehmerischer Entschluss gefasst worden, mit dessen Umsetzung ihr Geschäftsführer beauftragt gewesen sei. Aufgrund finanzieller Verluste in größeren Maßnahmen sei entschieden worden, sich um diese Maßnahmen in den Folgejahren nicht mehr zu bewerben.
24Durch die unternehmerische Entscheidung sei das Bedürfnis für eine Beschäftigung des Klägers entfallen. Im Dezember 2013 habe sie im Bereich Hauswirtschaft noch eine Teilnehmerzahl von 54 verzeichnet. Zum 30.06.2014 rechne sie mit einer Teilnehmerzahl von 15, so dass nur noch 1,23 Ausbilder erforderlich seien. Tatsachlich habe sie 6,5 Ausbilder beschäftigt. Am Standort Ibbenbüren entfalle zum 30.06.2014 eine Stelle, am Standort Rheine entfielen zwei Stellen und am Standort Warendorf 1,6 Stellen.
25Sie habe die Sozialauswahl anhand des Punkteschemas des Bundesarbeitsgerichts vom 23.11.2000 durchgeführt.
26Wegen der Einzelheiten der Sozialauswahl wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 17.03.2014 (Bl. 27, 28 d.A.) und auf die dem Schriftsatz beigefügte Anlage (Bl. 36 d.A.) sowie auf ihren Schriftsatz vom 02.06.2014 (Bl. 75, 76 d.A.) Bezug genommen.
27Eine Massenentlassungsanzeige sei nicht geboten gewesen.
28Der Rationalisierungsschutztarifvertrag sei nicht anwendbar.
29Mit Urteil vom 09.07.2014 hat das Arbeitsgericht Rheine festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 16.01.2014 nicht aufgelöst ist.
30Es hat ausgeführt:
31Die Kündigung sei gemäß § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam, da der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei.
32Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW stimme der Personalrat bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit. Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW könne eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme nur mit Zustimmung des Personalrats getroffen werden.
33Der Personalrat habe seine Zustimmung nicht erteilt.
34Die Zustimmung gelte auch nicht gemäß § 66 Abs. 2 Satz 5 LPVG NW als erteilt. Nach dieser Vorschrift gelte eine Kündigung als gebilligt, wenn der Personalrat nicht innerhalb von zwei Wochen die Zustimmung unter Angabe von Gründen schriftlich verweigert habe.
35Die dem Personalrat zur Verfügung stehende Äußerungsfrist habe bei Zugang des Informationsschreibens vom 07.01.2014 am 21.01.2014 geendet. Die Beklagte habe die Kündigung jedoch vor Fristablauf ausgesprochen.
36Nichts anderes folge aus der Tatsache, dass der Personalrat am 08.01.2014 mitgeteilt habe, er werde sich enthalten und keine Stellungnahme abgeben. Auch in diesem Fall trete die Zustimmungsfiktion erst mit Ablauf der Zweiwochenfrist ein. Das Verfahren sei in § 66 LPVG NW eindeutig normiert worden. Die Arbeitsgerichte seien nicht befugt, aufgrund von Zweckmäßigkeitserwägungen vom Gesetzeswortlaut abzuweichen.
37Es gelte nicht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 102 Abs. 2 BetrVG.
38Die Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 28.01.2010 zu § 68 NdPersVG (2 AZR 50/09) seien auf § 66 LPVG NW zu übertragen. Die landesrechtlichen Vorschriften entsprächen sich im Kern. Zu dem niedersächsischen Personalvertretungsrecht habe das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass vor Kündigungsausspruch auf jeden Fall die Zustimmung zumindest fingiert sein müsse.
39Die Kammer schließe sich auch den Erwägungen des LAG Berlin-Brandenburg (20.11.2008 – 14 Sa 1452/08) an. Auch dann, wenn der Personalrat vor Ablauf der Frist des § 79 Abs. 2 Satz 3 LPVG Berlin beschließe, keine Erklärung abzugeben, komme es zum Eintritt der Zustimmungsfiktion erst nach Fristablauf. Die Grundsätze seien auf das nordrhein-westfälische Personalvertretungsrecht übertragbar.
40Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 113 bis 122 d.A. Bezug genommen.
41Gegen das ihr am 14.07.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.08.2014 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
42Sie rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt unter Verweisung auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 01.04.1976 (2 AZR 179/75) und des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13.01.2000 (17 Sa 1712/99) aus:
43Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts sei das Mitbestimmungsverfahren mit der Stellungnahme des Personalrats vom 08.01.2014 abgeschlossen gewesen. Eine andere Sichtweise sei reine Förmelei. Der Personalrat habe eine endgültige Stellungnahme abgegeben.
44Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.01.2010 (2 AZR 50/09) sei im Hinblick auf § 66 Abs. 3 LPVG NW nicht anwendbar. Die Fristen in §§ 66 Abs. 2 und 66 Abs. 3 LPVG NW liefen gleich. Wenn der Personalrat tatsächlich beabsichtigt gehabt hätte, nicht zuzustimmen, hätte eine Verständigung stattgefunden. Der Personalrat habe sich aber durch seine Äußerung ex ante von der Möglichkeit einer Verständigung gelöst und darüber hinaus bei ihr dergestalt für Vertrauen gesorgt, dass sie die Kündigung habe aussprechen können, da das Mitbestimmungsverfahren abgeschlossen gewesen sei. Insoweit sei eine Zustimmung des Personalrats zum Ausspruch der Kündigung als impliziert anzusehen. So habe es zumindest der Personalrat verstanden.
45Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass der RatSchTV keine Anwendung finde, da sie keine Rationalisierungsmaßnahme durchgeführt habe.
46Die Beklagte beantragt,
47das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 09.07.2014, Az.: 1 Ca 146/14, zugestellt am 14.07.2014, im Kostenpunkt aufzuheben und im Übrigen dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.
48Der Kläger beantragt,
49die Berufung zurückzuweisen.
50Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Wegen seiner Ausführungen wird auf seinen Schriftsatz vom 25.08.2014 (Bl. 148, 149 d.A.) Bezug genommen.
51Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.
52Entscheidungsgründe
53A.
54Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 09.07.2014 ist unbegründet. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht der zulässigen Klage stattgegeben.
55I.
56Der Kläger hat die ihm frühestens am 16.01.2014 zugegangene Kündigung innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG am 04.02.2014 bei dem erstinstanzlichen Gericht eingehend angegriffen.
57II.
58Die Kündigung ist gemäß § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam, da sie ohne ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats ausgesprochen wurde. Wie das erstinstanzliche Gericht bereits ausgeführt hat, gilt § 108 Abs. 2 BPersVG für das Land unmittelbar. Die Durchführung des jeweiligen von dem Landesgesetzgeber vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren ist Wirksamkeitsvoraussetzung jeder Kündigung (BAG 26.09.2013 – 2 AZR 843/12 - Rdnr. 21, NZA-RR 2014, 236; 28.01.2010 – 2 AZR 50/09 - Rdnr. 11, ZTR 2010, 388).
59§ 108 Abs. 2 BPersVG gilt nicht nur, wenn der Personalrat überhaupt nicht beteiligt wurde, sondern auch, wenn die Beteiligung fehlerhaft ist.
60Die Beklagte hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gekündigt, bevor das Mitbestimmungsverfahren abgeschlossen war.
611. Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW bestimmt der Personalrat bei ordentlichen Kündigungen durch den Arbeitgeber mit. Die Ausnahme der §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 1 Satz 2 LPVG NW ist hier nicht gegeben.
62Nach § 74 Abs. 3 LPVG NW ist eine ohne die Beteiligung des Personalrats ausgesprochene Kündigung unwirksam.
63Ist eine Maßnahme mitbestimmungspflichtig, kann sie gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW nur mit Zustimmung des Personalrats getroffen werden. Stimmt er der Maßnahme nicht zu, findet gemäß § 74 Abs. 5 Satz 1 § 66 Abs. 2, Abs. 3 LPVG NW Anwendung. Nach § 66 Abs. 2 Satz 1 LPVG NW unterrichtet die Dienststelle den Personalrat von der beabsichtigten Maßnahme und beantragt seine Zustimmung. Gemäß § 66 Abs. 2 Satz 3 LPVG NW ist der Dienststelle der Beschluss des Personalrats über die beantragte Zustimmung innerhalb von zwei Wochen mitzuteilen. In dringenden Fällen kann die Dienststelle die Frist auf eine Woche verkürzen. Nach § 66 Abs. 2 Satz 5 LPVG NW gilt die Maßnahme als gebilligt, wenn der Personalrat die Zustimmung nicht innerhalb der Frist des § 66 Abs. 2 Satz 3 LPVG NW unter Angabe von Gründen schriftlich verweigert.
642. Im Streitfall ist die Kündigung ohne ausdrückliche Zustimmung des Personalrats und vor Eintritt der Zustimmungsfiktion erklärt worden.
65a. Die Beklagte hat den Personalrat mit Schreiben vom 07.01.2014 unter Angabe der persönlichen Daten des Klägers und ihrer Kündigungsgründe ihre Absicht mitgeteilt, das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.2014, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin kündigen zu wollen, und hat ihn gebeten, Bedenken binnen der Frist des § 66 Abs. 2 LPVG NW mitzuteilen. Es kann dahinstehen, ob die Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens ordnungsgemäß erfolgt ist. Der Personalrat ist nicht ausdrücklich um seine Zustimmung gebeten worden. Die Zustimmungsmöglichkeit ergibt sich lediglich aus der Verweisung auf § 66 LPVG NW sowie aus einer Antwortalternative für den Personalrat am Ende des Informationsschreibens. Es kann auch offen bleiben, ob die Beklagte ihn ausreichend über die betrieblichen Gründe, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, und über ihre Gründe zur Sozialauswahl informiert hat.
66b. Die Kündigung ist nämlich nicht mit Zustimmung des Personalrats erklärt worden.
67aa. Der Personalratsvorsitzende hat die Kündigungsinformation am 08.01.2014 mit der Stellungnahme „Der Personalrat enthält sich und gibt keine Stellungnahme ab“ an die Beklagte zurückgereicht. Damit hat der Personalrat der Kündigung weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt.
68bb. Die Zustimmung ist auch nicht gemäß § 66 Abs. 2 LPVG NW fingiert.
69(1) Wie das erstinstanzliche Gericht zutreffend ausgeführt hat, war die zweiwöchige Äußerungsfrist des § 66 Abs. 2 Satz 3 LPVG NW bei Kündigungsausspruch nicht abgelaufen. Das Unterrichtungsschreiben der Beklagten ist dem Personalrat frühestens am 07.01.2014 zugegangen. Die Äußerungsfrist lief am 21.01.2014 ab.
70(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Erklärung des Personalratsvorsitzenden vom 08.01.2014 keinen vorzeitigen Eintritt der Fiktion bewirkt.
71Nach dem Wortlaut des § 66 Abs. 2 Satz 5 LPVG NW gilt die Maßnahme nicht schon dann als gebilligt, wenn dem Arbeitgeber die Erklärung des Personalrats zugeht, er enthalte sich einer Stellungnahme, er stimme weder zu noch widerspreche er (BAG 28.01.2010 a.a.O. Rdnr. 19). Eine vorzeitige, irgendwie geartete Stellungnahme ist unzureichend. Das gilt auch, wenn sie abschließend ist.
72Die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung, wonach das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG abgeschlossen ist, wenn der Betriebsrat abschließend Stellung genommen hat, und der Arbeitgeber deshalb vor Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wirksam kündigen kann (BAG 16.09.2004 – 2 AZR 511/03 - Rdnr. 25, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 142) kann auf das Mitbestimmungsverfahren nach §§ 74 Abs. 1, 66 LPVG NW nicht übertragen werden. Gemäß § 66 Abs. 1 LPVG NW gilt das positive Konsensprinzip. Danach kann die Maßnahme eben nur mit Zustimmung, nicht nach bloßer Anhörung des Personalrats ausgesprochen werden. Für § 102 Abs. 2 BetrVG gilt dagegen lediglich das negative Konsensprinzip (BAG 16.09.2004 a.a.O. Rdnr. 14).
73Auf die Frage, ob innerhalb der noch laufenden Äußerungsfrist mit einer weiteren beachtlichen Stellungnahme des Personalrats gerechnet werden kann, kommt es nicht an. Das Landespersonalvertretungsgesetz NW enthält eine formelle Verfahrensregelung. Eine ordentliche Kündigung bedarf nach §§ 74 Abs. 1, 66 Abs. 1 LPVG NW der Zustimmung des Personalrats.
74Es bestehen deshalb nach der gesetzlichen Regelung drei Möglichkeiten:
75Der Personalrat stimmt der Kündigung innerhalb von zwei Wochen zu oder er verweigert seine Zustimmung form- und fristgerecht nach § 66 Abs. 3 Satz 1 LPVG NW und sie wird äußerstenfalls gemäß § 68 Nr. 2 LPVG NW durch das verfassungsgemäß zuständige Organ des Arbeitgebers ersetzt oder sie ist nach Ablauf von zwei Wochen fingiert. Einen vierten Weg im Sinne einer Zustimmungsfiktion vor Ablauf von zwei Wochen gibt es nach dem Wortsinn des Gesetzes nicht.
76Das Gericht verkennt nicht, dass das Bundesarbeitsgericht diese Grundsätze in seiner Entscheidung vom 28.01.2010 (2 AZR 50/09) zu § 68 Abs. 2 NdPersVG i.d.F. vom 22.01.2007 entwickelt hat. Sie gelten jedoch auch im Anwendungsbereich der §§ 74 Abs. 1, 66 Abs. 1, Abs. 2 LPVG NW.
77Nach § 65 Abs. 2 Nr. 9 NdPersVG stimmt der Personalrat wie nach § 74 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW bei ordentlichen Kündigungen mit. Das niedersächsische Personalvertretungsrecht fordert wie § 66 Abs. 1 LPVG NW bei mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen die Zustimmung des Personalrats und enthält in § 68 Abs. 2 Satz 1 bis 4 NdPersVG nahezu wortgleich mit § 66 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LPVG NW Verfahrensregeln. § 68 Abs. 2 Satz 6 NdPersVG regelt wie § 66 Abs. 2 Satz 5 LPVG NW den Eintritt der Zustimmungsfiktion, in § 68 Abs. 2 Satz 6 NdPersVG lediglich erweitert um die Fiktionswirkung eines die Zustimmung verweigernden Beschlusses, wenn die vom Personalrat angeführten Gründe offensichtlich außerhalb der Mitbestimmung nach den §§ 64 bis 67 NdPersVG liegen.
78Die dargestellten Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (20.11.2008 – 14 Sa 1452/08) auf § 79 Abs. 2 PersV BE übertragen. Die Norm ist ebenfalls im Wesentlichen inhaltsgleich mit § 66 Abs. 2 LPVG NW.
79Eine Besonderheit bildet dagegen § 66 Abs. 3 LPVG NW gegenüber den dargestellten Regelungen des niedersächsischen und berliner Personalvertretungsrechts. Die Norm regelt ein besonderes Verfahren, wenn der Personalrat beabsichtigt, der Maßnahme nicht zuzustimmen.
80Hier hat der Personalrat sich jeder inhaltlichen Stellungnahme enthalten. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat er sich nicht ex ante von der Möglichkeit einer Verständigung mit der Folge eines schützenswerten Vertrauens gelöst, sie könne bereits vor Ablauf der Äußerungsfrist die Kündigung aussprechen. Der Personalrat hat lediglich den Weg eröffnet, dass seine Zustimmung nach Ablauf der Äußerungsfrist fingiert wird.
81Soweit die Beklagte auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm (31.01.2000 – 17 Sa 1712/99 – ) zur Begründung ihrer Rechtsauffassung verweist, so ist darauf hinzuweisen, dass sich das Landesarbeitsgericht Hamm mit der Frage auseinanderzusetzen hatte, ob der Personalrat vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist nach den personalvertretungsrechtlichen Regeln der Mitbestimmung bei einer ordentlichen Kündigung zu beteiligen ist. Das von der Beklagten aus dem Zusammenhang gerissene Zitat aus den Entscheidungsgründen des Urteils ist nicht zielführend. Für die Kammer stellte sich nicht die Frage, ob der Personalrat vor Ablauf der Zweiwochenfrist abschließend Stellung genommen hat, sondern die Frage, ob die abschließende Stellungnahme vor Ablauf der zweiwöchigen Äußerungsfrist zu einer Zustimmungsfiktion führt. Mit dieser Frage hat sich das Landesarbeitsgericht Hamm nicht auseinandergesetzt.
82Die gleichfalls von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (01.04.1976 – 2 AZR 179/75, BAGE 28, 81) ist zu § 102 BetrVG ergangen, der – wie ausgeführt – kein positives Konsensprinzip enthält.
83B.
84Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO.
85Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1, 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
86Die entscheidungserhebliche Frage, ob die Zustimmung bei abschließender Stellungnahme des Personalrats, die weder eine Zustimmung noch einen Widerspruch enthält, bereits vor Ablauf der Äußerungsfrist des § 66 Abs. 2 Satz 3 LPVG NW fingiert ist, ist höchstrichterlich geklärt. Das Gericht hat die zu dem niedersächsischen Personalvertretungsgesetz entwickelten Grundsätze lediglich auf den nach dem nordrhein-westfälischen Landespersonalvertretungsgesetz überprüften Sachverhalt angewendet.