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1. Für die Beiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO ist ein Antrag erforderlich. Der Antrag ist grundsätzlich ausdrücklich zu stellen. Jedoch ist ein stillschweigender (konkludenter) Antrag möglich.
2. Hat eine Partei selbst Prozesskostenhilfe beantragt und bewilligt erhalten, weil - neben der erforderlichen Erfolgsaussicht - sie aufgrund des Bezuges von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) offensichtlich bedürftig ist, und zeigt ihr Prozessbevollmächtigter rund zwei Wochen später erstmals die Vertretung der Partei an, kann diese Anzeige nur dahingehend ausgelegt werden, dass damit zugleich stillschweigend die Beiordnung seitens des Bevollmächtigten beantragt wird.
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 1. September 2014 (1 Ca 473/14) abgeändert.
Dem Kläger wird im Umfang der Prozesskostenhilfebewilligung durch den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 16. Mai 2014 (1 Ca 473/14) Rechtsanwalt X aus P mit Wirkung vom 4. Juni 2014 beigeordnet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
2I.
3Der Kläger machte mit seiner am 13. März 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage unter anderem eine tarifgerechte Vergütung und die Berichtigung eines Zeugnisses geltend. Er wurde zu diesem Zeitpunkt nicht von seinem späteren Prozessbevollmächtigten vertreten. Unter dem 23. April 2014 ging beim Arbeitsgericht eine vom Kläger ausgefüllte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst einem Beleg über den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ein. Durch einen dem Kläger zweimal (am 20. und 21. Mai 2014) zugestellten Beschluss vom 16. Mai 2014 bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung, soweit er „tarifgerechte Bezahlung“ (Klageantrag zu 1) und Zeugnisberichtigung (Klageantrag zu 3) begehrte; im Übrigen wies es den Antrag zurück.
4Mit dem am 4. Juni 2014 eingegangenen Schriftsatz vom 3. Juni 2014 zeigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter gleichzeitiger Überreichung einer auf ihn lautenden Vollmacht an, dass er die Vertretung des Klägers übernommen habe. Mit einem weiteren am 18. Juni 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 12. Juni 2014 bezifferte der Prozessbevollmächtigte den Zahlungsantrag des Klägers und stellte den Zeugnisberichtigungsantrag in Form eines vollständig ausformulierten Zeugnisses. Im Termin vom 1. Juli 2014 erkannte die Beklagte den Zeugnisberichtigungsantrag an. Der Zahlungsantrag ist durch das Anerkenntnisteil- und Schlussurteil des Arbeitsgerichts vom selben Tage rechtskräftig abgewiesen worden.
5Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2014 stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen „Kostenerstattungsantrag für Prozesskostenhilfe“. Auf den Hinweis des Arbeitsgerichts, dass eine Beiordnung nicht erfolgt sei, beantragte der Kläger, seinen Prozessbevollmächtigten rückwirkend beizuordnen. Dies lehnte das Arbeitsgericht durch die hier angefochtene Entscheidung ab.
6II.
7Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Dem Kläger war ein Rechtsanwalt gemäß § 121 Abs. 2 ZPO beizuordnen.
81. In Verfahren, in denen eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
9a) Für die Beiordnung ist demnach ein Antrag erforderlich. Der Antrag ist grundsätzlich ausdrücklich zu stellen. Jedoch ist ein stillschweigender (konkludenter) Antrag nicht unzulässig (vgl. LAG Schleswig-Holstein, 24. Januar 2011, 4 Ta 2/11, juris, Rn. 8; LAG Niedersachsen, 24. September 1998, 2 Ta 314/98, MDR 1999, 190, II. der Gründe; OVG Saarland, 9. September 2011, 2 D 384/11, juris, Rn. 4 f.; OVG Berlin-Brandenburg, 30. März 2010, 11 M 16/10, NJW 2010, 3795; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Auflage, 2014, Rn. 528; Musielak/Fischer, ZPO, 11. Auflage 2014, § 121 ZPO Rn. 5, Zöller/Geimer, ZPO, 30. Auflage, 2014, § 121 Rn. 14; a. A. - unzutreffend - LAG Schleswig-Holstein, 15. August 2003, 2 Ta 173/03, juris, Rn. 5). Die Anträge einer Partei sind sachgerecht auszulegen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O.). So wie der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe selbst (vgl. dazu LAG Hamm, 10. Februar 2014, 14 Ta 310/13, juris; 10. Februar 2014, 14 Ta 529/13, juris, jeweils m. w. N.) kann das Verhalten von Partei und Anwalt im Hinblick auf die Beantragung einer Anwaltsbeiordnung ausgelegt werden (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O.). Bestehen Zweifel, hat das Gericht von seinem ihm obliegenden Fragerecht gemäß § 139 ZPO Gebrauch zu machen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O.).
10b) Danach ist anerkannt, dass der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, den eine bedürftige Partei durch einen Prozessbevollmächtigten stellt, regelmäßig so zu verstehen ist, dass der Prozessbevollmächtigte im Rahmen der zu bewilligenden Prozesskostenhilfe beigeordnet werden will. Vor dem Hintergrund der Antragstellung durch einen Prozessbevollmächtigten liegt eine solche stillschweigende Beantragung der Beiordnung selbst dann vor, wenn kein Anwaltszwang besteht (vgl. LAG Schleswig-Holstein, 24. Januar 2011, 4 Ta 2/11, juris, Rn. 8; LAG Niedersachsen, 24. September 1998, 2 Ta 314/98, MDR 1999, 190; II. der Gründe; OVG Berlin-Brandenburg, 30. März 2010, 11 M 16/10, NJW 2010, 3795; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 528; Musielak/Fischer, a. a. O., § 121 Rn. 5, Zöller/Geimer, a. a. O., § 121 Rn. 14). Auch bei einer vorherigen Beiordnung im Hauptverfahren ist bei einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung anzunehmen, dass damit zugleich die Beiordnung des Anwalts beantragt wird (vgl. OLG Bamberg, 25. Juni 1986, 2 WF 174/86, JurBüro 1987, 139; OVG Saarland, 9. September 2011, 2 D 384/11, juris, Rn. 8; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O.).
11Ebenso liegt ein stillschweigender Beiordnungsantrag vor, wenn ein Anwalt nach Prozesskostenhilfebewilligung für die Partei tätig wird (Musielak/Fischer, a. a. O., § 121 ZPO Rn. 10). Dies ist unter anderem der Fall, wenn ein Prozessbevollmächtigter unter Bezugnahme auf eine bereits erfolgte Prozesskostenhilfebewilligung, welche die Partei ohne anwaltliche Vertretung beantragt und erhalten hat, Klage erhebt. Damit wird zugleich stillschweigend namens der Partei um die Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe nachgesucht (vgl. OVG Saarland, 9. September 2011, 2 D 384/11, juris, Rn. 2, 12). Für die Auslegung eines solchen Verhaltens dahin, der Prozessbevollmächtigte habe in Kenntnis der Bewilligung und der wirtschaftlichen Bedürftigkeit seiner Partei gleichwohl außerhalb einer Beiordnung tätig werden wollen, fehlt dann jeglicher Anhaltspunkt (vgl. OVG Saarland, a. a. O.). Es kann nicht ernstlich angenommen werden, dass eine Partei den Willen hat, sich von den Gerichtskosten befreien zu lassen, jedoch bei ihr die Bereitschaft besteht und sie auch nur in der Lage ist, die deutlich höheren Anwaltskosten zu zahlen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, 30. März 2010, 11 M 16/10, NJW 2010, 3795). Es ist daher fernliegend und lebensfremd anzunehmen, dass eine bereits anwaltlich vertretende Partei, die selbst einen Prozesskostenhilfeantrag stellt, nicht zugleich (konkludent) eine Beiordnung beantragt. Dies gilt selbst dann, wenn die Partei ausdrücklich erklärt, dass sie mit ihrem Anwalt eine Arbeitsteilung vereinbart habe, um die Kosten so gering wie möglich zu halten, und im Gütetermin des Rechtsstreits in Anwesenheit ihres Prozessbevollmächtigten Erklärungen für den Prozesskostenhilfeantrag in einem anderen Verfahren abgibt (unzutreffend daher LAG Nürnberg, 4. August 2008, 5 Ta 183/07, juris, Rn. 9). Einer Partei, die das Prozesskostenhilfeverfahren selbst betreibt, zu unterstellen, sie wolle nur für die Gerichtskosten Prozesskostenhilfe haben, die Kosten der Hinzuziehung eines Anwalts jedoch selber tragen, obwohl sie bedürftig ist, ist abwegig.
12c) Entsprechendes gilt im vorliegenden Fall. Der Kläger hatte Prozesskostenhilfe beantragt und bewilligt erhalten, weil – neben der erforderlichen Erfolgsaussicht für einige seiner Anträge – er aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) offensichtlich bedürftig war. Nachdem ihm der Bewilligungsbeschluss zugestellt worden war, zeigte sein Prozessbevollmächtigter gut zwei Wochen später erstmals die Vertretung des Klägers an. Diese Anzeige konnte nur dahingehend verstanden werden, dass damit zugleich stillschweigend die Beiordnung des Bevollmächtigten beantragt wurde. Es bestanden keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nunmehr trotz der bis einschließlich August 2014 erfolgten Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu Geld gekommen war und einen Rechtsanwalt selbst bezahlen konnte. Etwaige Zweifel hätte das Gericht im Rahmen der Ausübung seiner Hinweis- und Fragepflicht nach § 139 ZPO im Prozesskostenhilfeverfahren (vgl. dazu LAG Hamm, 17. Juni 2013, 14 Ta 77/13, juris m. w. N.) klären müssen. Es geht nicht zulasten des Klägers, dass dies im vorliegenden Fall unterblieb.
13d) Lag danach bereits mit Eingang des vorgenannten Schriftsatzes am 4. Juni 2014 ein Antrag auf Beiordnung vor, konnte ab diesem Zeitpunkt eine solche erfolgen. Angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten sowohl der Zahlungsklage als auch des Zeugnisberichtigungsanspruches war die Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Sinne des § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO erforderlich.
142. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht. Der Kläger wird durch die Entscheidung nicht beschwert; die Voraussetzungen für ein Beschwerderecht der Staatskasse nach § 127 Abs. 3 ZPO liegen nicht vor.