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Vereinbarung zur Kürzung einer Anwesenheitsprämie; Berechnung des für die zulässige Kürzung maßgeblichen Arbeitsentgelts.
Bei der Berechnung der nach § 4 a Satz 2 EFZG zulässigen Kürzung einer Anwesenheitsprämie nach Maßgabe des durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelts ist eine im zurückliegenden Bezugszeitraum gezahlte Prämie jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn die Kürzungsregelung nicht auf das individuell erzielte Arbeitsentgelt abstellt, sondern bestimmten Einkommensstufen feste Kürzungsbeträge zuordnet mit der Folge, dass der ausgewiesene Kürzungsbetrag bei einem Arbeitnehmer, der wegen hoher Fehlzeiten im Bezugszeitraum keine Prämie erhalten hat, die zulässige Kürzungsgrenze von ¼ des durchschnittlichen Tagesverdienstes überschreitet.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 04.10.2012 - 6 Ca 2299/12 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Mit seiner Klage nimmt der Kläger, welcher seit dem Jahre 1988 im Groß- und Außenhandelsbetrieb der Beklagten als Kraftfahrer gegen ein monatliches Bruttoentgelt von ca. 2935 € beschäftigt ist, die Beklagte auf Nachzahlung eines Teils der betrieblich gewährten „Jahreserfolgsprämie" mit der Begründung in Anspruch, zum einen entspreche die vorgesehene Prämienkürzung für Fehltage nicht der gesetzlichen Regelung des § 4 a EFZG, zum anderen erweise sich die Prämienkürzung jedenfalls insoweit als unwirksam, als diese das gesteigerten Risiko eines Arbeitsunfalls unberücksichtigt lasse.
3Die Modalitäten der Prämienzahlung für das Jahr 2011 ergeben sich aus der Anlage zum Rundschreiben der Beklagten aus Dezember 2010 (Bl. 9 - 11 d. A.), welches auszugsweise wie folgt lautet:
4"Modalitäten zur Jahreserfolgsprämie 2011
5(Weihnachtsgeld)
6Die Jahreserfolgsprämie beträgt 100 % des individuellen Monatsgehaltes bzw. -lohnes und kommt mit der November-Abrechnung zur Auszahlung. Gleichzeitig wird die Jahreserfolgsprämie auch wieder – wie in den vergangenen Jahren – um Euro–Beträge pro Fehltag gekürzt. Die Abzugsmodalitäten und die Staffelung in 250,00 Euro-Sprüngen sind der Anlage zur Jahreserfolgsprämie zu entnehmen.
7Mitarbeiter ohne Fehltage erhalten zusätzlich eine Prämie in Höhe des 0,15 fachen eines Monatsgehaltes bzw. –lohnes.
8[...]
9Die Jahreserfolgsprämie ist – soweit sie den tariflichen Anspruch übersteigt – eine Leistung, auf die weder dem Grunde noch der Höhe nach ein Rechtsanspruch steht. Sie ist nach unserem Ermessen festgesetzt und stellt eine finanzielle Anerkennung des Unternehmens für geleistete Arbeit dar.
10[...]"
11Höhe und Abzugsbeträge wegen Abwesenheit sind in der "Anlage zur Jahreserfolgsprämie" (Bl. 12 f. d. A.) wie folgt geregelt:
121. Die Jahreserfolgsprämie für das Jahr 2011 beträgt ein /-en Monatslohn bzw. Gehalt. Als Monatsentgelt wird das Entgelt zugrundegelegt, das im Zahlungsmonat – also November 2011 – gilt.
13….
14Mitarbeiter, die im Erfassungszeitraum keinen Fehltag hatten, erhalten zusätzlich in Höhe des 0,15 fachen eines Monatslohnes bzw. –gehalts.
15[...]
163. Abwesenheitsbedingte Kürzung der Jahreserfolgsprämie
17Die Jahreserfolgsprämie, unabhängig von ihrer Höhe, wird um folgende Euro–Beträge pro Fehltag gekürzt. die Kürzung ist nach dem Bruttogehalt/-lohn gestaffelt:
18monatlicher Bruttolohn/-gehalt bis Kürzungsbetrag pro Tag in Euro
19750,00 € 8,50 €
201.000,00 € 11,50 €
211.250,00 € 14,00 €
221.500,00 € 17,00 €
231.750,00 € 20,00 €
242.000,00 € 23,00 €
252.250,00 € 25,50 €
262.500,00 € 28,50 €
272.750,00 € 31,50 €
283.000,00 € 34,50 €
293.250,00 € 37,50 €
303.500,00 € 40,00 €
31ab 3.501,00 € 40,40 €
32Für die Ermittlung der Fehltage wird der Zeitraum 01.11. des Vorjahres bis zum 31.10. des laufenden Jahres herangezogen.
33Nicht zu den Fehltagen zählen Urlaube und Feiertage. Feiertage zählen jedoch als Fehltage, wenn Mitarbeiter/innen vor und/oder nach den Feiertagen unentschuldigt der Arbeit fern geblieben sind.
34Mitarbeiter/innen, die in den gekühlten Bereichen der Fleischerei, des Frischdienstes und im Tiefkühlbereich arbeiten, erhalten bei der Ermittlung des Kürzungsbetrages einen Bonus von zwei Tagen."
35Bei der Berechnung der vom Kläger für das Jahr 2011 zu beanspruchenden Jahreserfolgsprämie brachte die Beklagte 34 Fehltage in Abzug, wovon 22 Tage auf einen Arbeitsunfall zurückgingen. Den auf diese 22 Tage entfallenden Abzug hält der Kläger für unberechtigt und fordert mit seiner Klage den hierauf entfallenden Betrag von 22 x 34.50 = 759 € brutto.
36Durch Urteil vom 04.10.2012 (Bl. 130 ff. d. A.), auf welches der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Fassung der Anträge Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung eines Betrages von 759,-- € brutto nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die zugrunde liegende Prämienkürzung in Höhe von 759,-- € brutto für 22 Krankheitstage sei wegen Verstoßes gegen § 4 a Satz 2 EFZG unwirksam, da sie die dort zugelassene Kürzungsgrenze von einem Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfalle, überschreite. Wie sich aus der Regelung der Modalitäten der Jahreserfolgsprämie 2011 und der dort unter Ziffer 3 genannten Vergütungsstaffel ergebe, werde bei einer Vergütung von mehr als 2.750,-- € bis zu 3.000,-- € pro Fehltag eine Kürzung in Höhe von 34,50 € vorgenommen. Ausgehend vom hier maßgeblichen Schwellenbetrag einer Vergütung von 2.750,01 €/Monat ergebe sich ein Jahresarbeitsverdienst von 33.000,12 € (2.750,01 x 12 Monate). Hinzuzurechnen sei das den Arbeitnehmern gezahlte Urlaubsgeld in Höhe von 746,-- €, so dass von einem Gesamtjahresverdienst von 33.746,12 € brutto auszugehen sei. Unter Berücksichtigung möglicher 260 Arbeitstage pro Jahr entfalle damit auf einen Arbeitstag im Jahresdurchschnitt ein Betrag von 129,79 €. Ein Viertel hiervon entspreche einem Betrag von 32,45 €, weswegen der pauschalierte Abzug von 34,50 € die gesetzlich zulässige Kürzungsgrenze überschreite. Zu Unrecht mache die Beklagte geltend, der ermittelte Jahresarbeitsverdienst sei auf 230 Arbeitstage zu verteilen, da von 260 Arbeitstagen die Urlaubs- und Feiertage abzuziehen seien. Im berücksichtigten Jahresarbeitsverdienst sei die Entgeltzahlung für Urlaubs- und Feiertage enthalten, folgerichtig seien dementsprechend auch Urlaubs- und Feiertage als „Arbeitstage" zu berücksichtigen. Wolle man demgegenüber Urlaubs- und Feiertage unberücksichtigt lassen und nur 230 Arbeitstage in Ansatz bringen, müsse folgerichtig aus dem ermittelten Jahresgesamtbruttoverdienst die Feiertagsvergütung und das Urlaubsentgelt herausgerechnet werden, was letztlich an der Höhe des im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfallenden Arbeitsverdienstes und damit am dargestellten Ergebnis nichts ändere. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne bei der Berechnung der Jahresarbeitsvergütung die fragliche Jahreserfolgsprämie selbst nicht in die Berechnung einbezogen werden. Da noch gar nicht feststehe, ob und in welcher Höhe der Arbeitnehmer eine Jahreserfolgsprämie erhalten werde, laufe der Standpunkt der Beklagten auf einen Zirkelschluss hinaus. Wegen Unwirksamkeit der Kürzungsregelung sei die Beklagte damit zur Nachzahlung des begehrten Betrages verpflichtet.
37Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung hält die Beklagte an ihrem Standpunkt fest, die in der Prämienregelung enthaltene Kürzungsvorschrift halte der rechtlichen Überprüfung stand.
38Zum einen sei das Arbeitsgericht zu Unrecht bei der Berechnung des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfalle, von 260 Arbeitstagen ausgegangen. Da während des Urlaubs und an Feiertagen nicht gearbeitet werde, handele es sich schon begrifflich nicht um Arbeitstage. Soweit das Arbeitsgericht des Weiteren davon ausgehe, bei Nichtberücksichtigung von Urlaubs- und Feiertagen als „Arbeitstage" müsse folgerichtig auch die hierauf entfallende Vergütung aus der Berechnung der Jahresarbeitsvergütung herausgerechnet werden, werde verkannt, dass letztlich alle vom Arbeitgeber geleisteten Zahlungen aus dem Zeitraum resultierten, in welchem die Hauptleistungspflichten erfüllt würden. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber nicht allein geleistete Arbeit, sondern auch Urlaubs- und Feiertage vergüte, hindere den Gesetzgeber nicht daran, bei der Berechnung der Kürzungsgrenze gemäß § 4 a Satz 2 EFZG die gesamte Vergütung in Form der Entgelt- und Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen. Bei Berücksichtigung von 230 Arbeitstagen ergebe sich danach selbst ohne Berücksichtigung des Urlaubsgeldes ein zulässiger Abzugsbetrag von 35,86 € brutto, weswegen die in Ansatz gebrachten 34,50 € nicht zu beanstanden seien.
39Zum anderen treffe - unabhängig von der Frage der Anzahl der zu berücksichtigenden Arbeitstage - auch der Standpunkt des Arbeitsgerichts nicht zu, in die Berechnung des im Jahresdurchschnitt erzielten Verdienstes könne die Jahreserfolgsprämie nicht einbezogen werden, da deren Höhe noch gar nicht feststehe. Da bei der Berechnung des maßgeblichen Jahresarbeitsverdienstes auf den zurückliegenden Bezugszeitraum vom 01.11. des Vorjahres bis zum 31.10. des laufenden Jahres zurückgegriffen werde, gehe es nicht um die Berücksichtigung einer fiktiven, sondern einer tatsächlich gewährten Leistung. Bei einem monatlichen Verdienst von 2.750,01 € brutto belaufe sich die Höhe der Jahreserfolgsprämie ohne Fehlzeiten auf 3.162,51 € (2750 x 1,15). Unter Einbeziehung des Urlaubsgeldes von 746,-- € sei damit auszugehen von einem Jahresarbeitsentgelt von 36.908,63 € brutto. Gleich ob von 260 oder 230 Arbeitstagen/Jahr ausgegangen werde, halte sich der Kürzungsbetrag von 34,50 € im Rahmen des Zulässigen.
40Widerklagend nimmt die Beklagte den Kläger auf Rückzahlung des zur Abwendung der Zwangsvollstreckung nebst Zinsen gezahlten Betrages in Anspruch.
41Die Beklage beantragt,
42das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 04.10.2012 - 6 Ca 2299/12 – wie folgt abzuändern:
431. die Klage abzuweisen,
442. den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 794,84 € zu zahlen.
45Der Kläger beantragt,
46die Berufung zurückzuweisen.
47Entscheidungsgründe
48Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
49I.
50In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil steht dem Kläger der verfolgte Zahlungsanspruch zu.
511. Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch des Klägers ist die im Betrieb der Beklagten angewandte Regelung über die Zahlung einer Jahreserfolgsprämie, welche auf der jedem Belegschaftsmitglied übergebenen Mitteilung beruht und durch dessen Kenntnisnahme Gegenstand der vertraglichen Arbeitsbedingungen geworden ist.
522. Die in der Anlage zur Jahreserfolgsprämie geregelte und nach der Vergütungshöhe gestaffelte Kürzungsregelung entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 4 a EFZG und ist aus diesem Grunde unwirksam.
53a) Nach § 4 a Satz 1 EFZG ist zwar eine Vereinbarung über die Kürzung von Sondervergütungen für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig, die vereinbarte Kürzung darf jedoch die in § 4 a Satz 2 EFZG genannten Grenzen nicht überschreiten.
54b) Die von der Beklagten aufgestellten Regeln zur Kürzung der Prämie knüpfen nicht an den konkret ermittelten, individuellen Arbeitsverdienst an, sondern sehen – aus Gründen der Vereinfachung – eine Staffelung nach bestimmten Einkommensstufen und diesen zugeordneten Abzugsbeträgen vor. Dementsprechend kommt es für die Wirksamkeit der Kürzungsregeln darauf an, ob diese sich im Rahmen der in § 4 a Satz 2 EFZG genannten Grenzen halten. Danach ist bei der Ermittlung des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht vom individuellen Arbeitsentgelt des Klägers (2.935,-- € brutto), sondern vom Eingangsbetrag der maßgeblichen Vergütungsstufe, d.h. von einem Betrag von 2.750,01 € auszugehen, da der vorgesehene pauschale Kürzungsbetrag von 34,50 € für sämtliche Arbeitnehmer der Vergütungsstufe eingehalten sein muss.
55c) Auf der Grundlage des danach maßgeblichen Betrages von 2750,01 € ergibt sich danach eine Jahresarbeitsvergütung von 33.000,12 €. Hinzuzurechnen ist das jährliche Urlaubsgeld mit dem Betrag von 746,-- €, so dass sich insgesamt ein Betrag von 33.746,12 € ergibt.
56d) Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt demgegenüber eine Einbeziehung der zu zahlenden oder gezahlten Sondervergütung in den maßgeblichen Jahresarbeitsverdienst nicht in Betracht. Stellt man mit dem Arbeitsgericht darauf ab, dass vor Ablauf des Jahres bzw. des laufenden Bezugszeitraums gar nicht feststeht, ob der Arbeitnehmer eine entsprechende Sonderzahlung beanspruchen kann, scheidet die Berücksichtigung einer fiktiven Prämie ohnehin aus. Aber auch wenn man nicht allein bei der Ermittlung der Anzahl der Fehltage – wie in Ziff. 3 der Anlage zur Jahreserfolgsprämie vorgesehen -, sondern auch bei der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes auf den zurückliegenden Bezugszeitraum (01.11. des Vorjahres bis zum 31.10. des laufenden Jahres) abstellt, ergibt sich nichts anderes.
57Im Gegensatz zu einer Regelung, welche bei der Berechnung der Kürzungsgrenze des § 4 a Satz 2 EFZG auf den individuellen Arbeitsverdienst des Arbeitnehmers abstellt und eine Einbeziehung der in der Vergangenheit empfangenen Prämie durchaus naheliegt, weil es sich auch insoweit um verdientes Arbeitsentgelt handelt, ist bei der hier vorliegenden, vom individuellen Arbeitseinkommen abgekoppelten Kürzungsregelung für die Berücksichtigung einer gezahlten Sonderleistung kein Raum. Hat etwa ein Arbeitnehmer wegen hoher Fehlzeiten im Bezugszeitraum keine Jahreserfolgsprämie für das Vorjahr erhalten, so gehen in die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes allein das laufend gezahlte Arbeitsentgelt und das Urlaubsgeld ein. Für eine Orientierung an irgendwelchen Durchschnittswerten – z.B. nach Maßgabe des jährlichen Krankenstandes der Belegschaft – bietet die Regelung keine Grundlage. Auch bei einer - aus Vereinfachungsgründen durchaus zweckmäßigen – Aufstellung von Kürzungsregeln mit einer Staffelung nach Vergütungsstufen muss gewährleistet sein, dass jeder Arbeitnehmer, also auch derjenige, der im Vorjahr keine Jahreserfolgsprämie verdient hat, bei der Ermittlung der Prämie für das laufende Jahr den nicht kürzbaren Anteil der Prämie in Höhe von drei Vierteln des durchschnittlichen täglichen Arbeitsverdienstes erhält. Das ist bei einem Arbeitnehmer, der auf der Grundlage eines Monatsverdienstes von 2750,01 € und unter Berücksichtigung des Urlaubsgeldes von 746 € im Bezugszeitraum einen Jahresverdienst von 33746,12 € erzielt hat, jedenfalls dann nicht der Fall, wenn – wie nachfolgend auszuführen ist – der maßgebliche Tagesverdienst unter Berücksichtigung von 260 möglichen Arbeitstagen im Jahr errechnet wird.
58Dem lässt sich auch nicht – wie die Beklagte meint - entgegenhalten, bei der rechtlichen Überprüfung einer Kürzungsvereinbarung seien völlig atypische Fallgestaltungen auszuklammern. Dieser Einwand greift schon deshalb nicht durch, weil in Bezug auf eine Kürzungsregelung wegen Fehlzeiten insbesondere krankheitsbedingte Ausfallzeiten Bedeutung erlangen; einer Häufung von Fehltagen wegen unentschuldigten Fehlens wird der Arbeitgeber in der Regel auf andere Weise begegnen. Dass einzelne Arbeitnehmer eine hohe Anzahl von Krankheitstagen aufweisen und deshalb keine Prämie zu beanspruchen haben, kann danach nicht als vollkommen atypische Fallgestaltung angesehen werden.
59e) Bei der Umrechnung des nach den vorstehenden Grundsätzen ermittelten Jahresverdienstes in dasjenige Arbeitsentgelt, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, ist in Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil von möglichen 260 Arbeitstagen auszugehen. Richtig ist zwar, dass der Arbeitnehmer bei Berücksichtigung von Urlaub und Feiertagen ein Arbeitsentgelt im Sinne der durch Arbeit unmittelbar verdienten Gegenleistung nur für 230 Tage erhält und der Arbeitgeber für weitere 30 Tage Vergütung ohne Arbeitsleistung zahlt. Wie indessen der Umstand belegt, dass auch der langzeiterkrankte Arbeitnehmer einen Anspruch auf bezahlten Urlaub erwirbt, handelt es sich beim Urlaubsentgelt nicht um einen Teil der erarbeiteten Vergütung, vielmehr trifft den Arbeitgeber die auf soziale Erwägungen gestützte Verpflichtung, neben dem durch Arbeit verdienten Entgelt auch Arbeitsvergütung ohne Arbeitsleistung, insbesondere für Urlaub und Feiertage zu zahlen. Ausgehend hiervon kann es, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, keinen Unterschied machen, ob die im Jahresdurchschnitt erzielte Arbeitsvergütung unter Einbeziehung von Urlaubs- und Feiertagsvergütung durch den Teiler 260 oder stattdessen allein die an 230 Arbeitstagen erzielte Vergütung durch den Teiler 230 dividiert wird.
60Demgegenüber ist es für die Auslegung der Vorschrift des § 4 a EFZG nicht von Belang, dass Urlaubsentgelt und Feiertagsvergütung in anderem Zusammenhang als Arbeitsentgelt bezeichnet werden. Mit der Anwesenheitsprämie wird die tatsächliche Arbeitsleistung prämiert. Für Tage, an denen die zu prämierende Arbeitsleistung ausfällt, soll der Prämienanspruch gekürzt werden. Dieser innere Zusammenhang spricht dafür, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfallende Arbeitsentgelt ohne Berücksichtigung von Urlaubs- und Feiertagen zu ermitteln oder – einfacher – das einschließlich Urlaubs- und Feiertagsvergütung ermittelte jährliche Arbeitsentgelt durch Anwendung des Teilers 260 in den nach § 4 a EFZG maßgelblichen durchschnittlichen täglichen Arbeitsverdienst umzurechnen.
61f) Ausgehend von dieser Berechnung ergibt sich damit, dass der vorgesehene Kürzungsbetrag von 34,50 € den nach § 4 a Satz 2 EFZG zulässigen Anteil von einem Viertel des Tagesverdienstes überschreitet (33.746,12 : 260 : 4 = 32,45 €). Dies hat die Unwirksamkeit der Kürzungsregelung zur Folge.
623. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich die festgestellte Unwirksamkeit der Kürzungsregelung nicht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung überwinden. Anders als bei einer Vertragsklausel, bei deren Abfassung spätere Änderungen der Gesetzeslage nicht absehbar waren, wie dies etwa auf die Vereinbarung einer Widerrufsklausel zutrifft (vgl. BAG 20.04.2011, 5 AZ’R 191/10, NZA 2011, 796), kann die Beklagte für sich nicht beanspruchen, bei der Aufstellung der Berechnungsgrundsätze für die Jahreserfolgsprämie sei die Reglung des § 4 a Satz 2 EFZG nicht vorhersehbar gewesen. Ebenso wenig kann eine ergänzende Vertragsauslegung auf den Gesichtspunkt gestützt werden, bei der Aufstellung der Kürzungsregelung sei die Fallgestaltung, dass ein Arbeitnehmer im Bezugszeitraum wegen hoher Fehlzeiten keine oder nur eine geringe Prämie erhalten, übersehen worden, weswegen die Kürzungsregelung lückenhaft und ergänzungsbedürftig sei. Hiergegen spricht schon - wie bereits ausgeführt – der Umstand, dass der Fall der Langzeiterkrankung und der hiermit verbundene Wegfall der Prämie keine völlig atypische und nicht vorhersehbare Gestaltung darstellt.
634. Aus der Überschreitung der zulässigen Kürzungsgrenze ergibt sich die Unwirksamkeit der Kürzungsregelung insgesamt, nicht hingegen ist die Kürzungsregelung auf das zulässige Maß zurückzuführen. Ebenso wenig tritt an die Stelle der unwirksamen Kürzungsregelung eine unmittelbar aus § 4 a EFZG abzuleitende Kürzung. Die Vorschrift des § 4 a EFZG enthält keine eigenständige Kürzungsregelung, vielmehr ist nach § 4 a Satz 1 EFZG allein die Zulässigkeit einer entsprechenden Kürzungsvereinbarung geregelt. Hält die getroffene Vereinbarung der rechtlichen Überprüfung nicht stand, ist für eine Kürzung kein Raum.
645. Aus der Unwirksamkeit der Kürzungsregelung folgt nicht die Unwirksamkeit der Regelung der Jahreserfolgsprämie insgesamt (§ 139 BGB). Im Zweifel kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Kürzungsregelung von der Prämienregelung insgesamt Abstand genommen hätte. Hiergegen spricht schon der Umstand, dass die Beklagte im Anschluss an die arbeitsgerichtliche Entscheidung die Prämienregelung für das Folgejahr angepasst und so die aufgeworfenen Bedenken mit Wirkung für die Zukunft ausgeräumt hat.
65II.
66Aus den vorstehenden Gründen erweist sich zugleich der mit dem Berufungsantrag zu 2) verfolgte Anspruch auf Rückzahlung des zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleisteten Betrages als unbegründet.
67III.
68Die Kosten der erfolglosen Berufung hat die Beklagte zu tragen.
69IV.
70Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.