Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 28.11.2012 – 6 Ca 1177/11 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen
Verkündet am 15.05.2013:
2Sponda, RBe
3als Urkundsbeamtin
4der Geschäftsstelle
53 Sa 1792/12
66 Ca 1177/11
7ArbG Bielefeld
8Landesarbeitsgericht Hamm
9Im Namen des Volkes
10Urteil
11In Sachen
12hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
13auf die mündliche Verhandlung vom 15.05.2013
14durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schmidt
15sowie die ehrenamtlichen Richter Tüshaus und Wolf, A.
16für Recht erkannt:
17Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 28.11.2012 – 6 Ca 1177/11 – wird zurückgewiesen.
18Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
19Die Revision wird zugelassen.
20Tatbestand
21Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Arbeitsbedingungen nach dem equal pay-Gebot des § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG.
22Der Kläger war vom 10.02.2010 bis zum 12.04.2011 als Leiharbeitnehmer bei der Beklagten, einem Unternehmen der Zeitarbeitsbranche, beschäftigt.
23Grundlage der Beschäftigung war zunächst ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 09.02.2010, der in § 2 folgende Bezugnahmeklausel enthielt:
241. Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) geschlossenen Tarifverträge, derzeit bestehend aus einem Manteltarifvertrag (MTV), einem Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), einem Entgelttarifvertrag West/Ost sowie einem Beschäftigungssicherungstarifvertrag in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung.
252. Die Bestimmungen der in Abs. 1 genannten Tarifverträge gehen den Bestimmungen dieses Arbeitsvertrages vor. Dies gilt nicht, soweit die in Abs. 1 genannten Tarifverträge eine Abweichung durch Arbeitsvertrag ausdrücklich zulassen oder sich aus den Bestimmungen dieses Arbeitsvertrages eine für den Mitarbeiter günstigere Regelung ergibt. Insoweit gilt § 4 Abs. 3 TVG, insbesondere für die Durchführung des Günstigkeitsvergleichs gemäß Satz 2 entsprechend.
26Zur Geltendmachung und zum Ausschluss von Ansprüchen enthielt § 9 die nachfolgende Regelung:
271. Alle beiderseitigen Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder seiner Beendigung verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der jeweils anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.
282. Der Fristablauf beginnt, sobald der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsberechtigte von den, den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.
293. Lehnt die jeweils andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der schriftlichen Geltendmachung, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder nach dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
304. Abs. 1 und 2 gelten nicht für Ansprüche, die sich aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie aus vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen des Mitarbeiters oder Z1 bzw. eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen von Z1 ergeben.
315. Abs. 1 bis 3 gelten nicht, soweit die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge eine für den Mitarbeiter günstigere Regelung über den Ausschluss oder den Verfall von Ansprüchen enthalten."
32Ebenso schlossen die Parteien unter dem 09.02.2010 als Anlage 1 eine „Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 09.02.2010", wonach für den Fall, dass durch eine gerichtliche Entscheidung rechtskräftig festgestellt wird, dass die zwischen dem … AMP einerseits und der … CGZP geschlossenen Tarifverträge unwirksam sind, sich die Rechte und Pflichten ab dem Zeitpunkt der Unwirksamkeit nach den Tarifverträgen BZA/DGB in der jeweils gültigen Fassung richten sollen. Hinsichtlich des genauen Wortlauts wird auf die Zusatzvereinbarung (Bl 9 GA) Bezug genommen.
33Unter dem 22.06.2010 schließlich schlossen die Parteien eine Vereinbarung, nach der statt der bisherigen Regelung in § 2 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages künftig die zwischen dem AMP einerseits und der CGZP und den christlichen Einzelgewerkschaften andererseits abgeschlossenen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollen.
34In der Zeit vom 10.02.2010 war der Kläger an die Fa. N1 GmbH & Co. KG in B1, ab dem 14.12.2010 an die Fa. P1 GmbH in B1 entliehen.
35Die Beklagte rechnete die Arbeitsleistungen des Klägers ab Februar 2010 mit einem Stundenentgelt von 6,65 € brutto, ab einem Zeitpunkt im Monat Juni 2010 mit einem Stundenentgelt von 7,35 € brutto und ab Oktober 2010 mit einem Stundenentgelt in Höhe von 7,60 € brutto ab. Einige der vom Kläger beim Entleiher geleisteten Stunden wurden nicht in dem Monat der Arbeitsleistung ausgezahlt, sondern in ein Arbeitszeitkonto eingestellt, aus dem während des laufenden Arbeitsverhältnisses teilweise Stunden wieder ausgeglichen wurden.
36Mit der vorliegenden, unter dem 13.05.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage und nachfolgenden Klageerweiterungen macht der Kläger Differenzen zwischen dem Entgelt vergleichbarer Stammarbeitnehmer bei den entleihenden Unternehmen und der gewährten Vergütung sowie Urlaubsabgeltung und Ausgleich des Arbeitszeitkontos geltend.
37Er hat zum einen die arbeitsvertragliche Verweisung im Vertrag vom 09.02.2010 auf die darin genannten Tarifverträge angesichts der festgestellten Tarifunfähigkeit der Gewerkschaft CGZP für unwirksam erachtet. Die Feststellung der fehlenden Tariffähigkeit sei auch nicht nur gegenwartsbezogen getroffen worden.
38Die Bezugnahmeklausel im Vertrag vom 22.06.2010 sei unklar und daher unwirksam.
39Einen Verfall von Ansprüchen hat der Kläger für nicht gegeben erachtet.
40Zum einen beginne der Lauf einer Ausschlussfrist erst mit dem 14.12.2010 als dem Tag der Entscheidung über die fehlende Tariffähigkeit der CGZP.
41Zudem sei die Verfallregelung unklar, weil nicht erkennbar sei, welche Regelungen Anwendung finden sollten.
42Der Kläger hat zuletzt beantragt,
431. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.972,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 18.05.2011 zu zahlen;
442. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.321,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 15.04.2011 abzüglich am 27.08.2012 gezahlter 1.042,80 € zu zahlen;
453. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.396,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 15.04.2011 abzüglich am 27.08.2012 gezahlter 1.117,20 € zu zahlen.
46Die Beklagte hat beantragt,
47die Klage abzuweisen.
48Sie hat geltend gemacht, eventuelle Nachzahlungsansprüche seien jedenfalls für die Zeit bis einschließlich November 2010 nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen.
49Eine Fälligkeit von Ansprüchen setze dabei nicht erst mit Kenntnis der Entscheidung des BAG zur fehlenden Tariffähigkeit der CGZP am 14.12.2010 ein. Insbesondere habe der Kläger bereits mit der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag Kenntnis von der Problematik der Tariffähigkeit der CGZP gehabt; selbst wenn für die Fälligkeit auf den 14.12.2010 abzustellen sei, habe es einer Geltendmachung bis zum 14.03.2011 bedurft.
50Sie hat ferner die Auffassung vertreten, auch für nicht von einem Verfall betroffene Zeiträume seien Ansprüche nicht gegeben.
51Eine fehlende Tariffähigkeit der CGZP sei nicht für eine Zeit vor dem 14.112.2010 festgestellt worden. Hilfsweise hat sie insoweit beantragt, das Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG auszusetzen. Jedenfalls sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren bezüglich der Wirksamkeit tariflicher Regelungen.
52Ferner sei im Arbeitsvertrag vom 22.06.2010 auf einen „mehrgliedrigen Tarifvertrag im engeren Sinne" Bezug genommen worden, der ungeachtet einer möglichen Tarifunfähigkeit der Gewerkschaft CGZP weiterhin Anwendung finde. Dieser sei von der BAG-Entscheidung vom 14.12.2010 nicht betroffen.
53Hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Forderung hat die Beklagte insbesondere eingewandt, der Vortrag des Klägers zum Entgelt vergleichbarer Stammarbeitnehmer sei unsubstanziiert, die vom Kläger angesetzte Stundenzahl entspreche ferner nicht der Zahl der geleisteten Stunden. Zudem sei der Kläger unwidersprochen vor Beginn des Arbeitsverhältnisses arbeitslos gewesen, so dass ein den equal-pay-Lohn unterschreitender Lohn habe vereinbart werden können.
54Ein Anspruch bestehe zudem nur für Zeiten der Überlassung.
55Zur Feststellung der Höhe der Entgelte vergleichbarer Stammarbeitnehmer hat das Arbeitsgericht Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen T1, B2, R1, B3 und L1.
56Mit Urteil vom 28.11.2012 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4.541,01 € Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB auf 3.963,80 € ab 18.05.2011, auf 2.7237,21 € vom 22.05.2011 bis 27.08.2012 und auf 557,21 € seit dem 28.08.2012 € zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
57Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe Ansprüche aus § 10 Abs. 4 AÜG in Verbindung mit § 9 Nr. 2 AÜG.
58Die im ursprünglichen Vertrag vom 09.02.2010 vereinbarten Tarifverträge seien unwirksam, da die CGZP nicht tariffähig gewesen sei. Eine Einbeziehung von Tarifverträgen BZA/DGB sei wegen Intransparenz nicht wirksam erfolgt.
59Auch eine Einbeziehung eines mehrgliedrigen Tarifvertrages sei nicht wirksam erfolgt, die entsprechende Regelung sei intransparent.
60Auf Vertrauensschutz könne sich die Beklagte nicht berufen.
61Schließlich sei ein Verfall von Ansprüchen nicht gegeben, da § 9 im Hinblick auf Ziffer 5 insgesamt intransparent sei. Es sei unklar, mit welchem Tarifwerk ein Günstigkeitsvergleich stattfinden solle.
62Der Höhe nach ergäben sich die ausgeurteilten Beträge. Dabei bestehe ein Anspruch nicht nur für tatsächlich geleistete Stunden, sondern auch für Zeiten der Arbeitsverhinderung wegen Urlaubs, Krankheit oder eines Feiertages.
63Für den Zeitraum Februar bis Mai 2010 ergebe sich aufgrund Auskunft des Entleihers ein Stundenlohn von mindestens 9,73 € und ab dem 01.06.2012 ein solcher von 9,88 €. Für den Zeitraum ab 14.12.2010 sei von einem Stundenentgelt in Höhe von 8,67 € auszugehen. Es errechne sich ein Anspruch in Höhe von 18.606,24 €.
64Einzubeziehen zur Berechnung seien auch Stunden gewesen, die aus dem Arbeitszeitkonto ausgezahlt worden seien. Ein Anspruch auf Kontoausgleich bestehe in Höhe von 1.159,27 €.
65Ein Urlaubsabgeltungsanspruch bestehe in Höhe von 1.577,94 €.
66Insgesamt bestehe danach ein Anspruch in Höhe von 21.343,45 €; gezahlt habe die Beklagte insgesamt 16.802,44 €, so dass der ausgeurteilte Betrag verbleibe.
67Gegen das unter dem 30.11.2012 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 24.12.2012 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 01.03.2013 unter dem 28.02.2013 begründet.
68Sie ist der Ansicht, zum einen sei die bedingte Verweisung auf Tarifverträge BZA/DGB wirksam; die Bedingung sei eindeutig formuliert.
69Jedenfalls sei wirksam auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag mit der Vereinbarung vom 22.06.2010 verwiesen worden.
70Zumindest aber sei ein Verfall von möglichen Ansprüchen gegeben.
71Die Regelungen zu den Ausschlussfristen in § 9 des Vertrages genügten inhaltlich sämtlichen von der Rechtsprechung aufgestellten Ansprüchen. Insbesondere sei nicht die gesamte Regelung des § 9 intransparent. § 9 Ziffer 5 gebe lediglich das Günstigkeitsprinzip wieder, insoweit sei § 9 Ziffer 5 einer AGB-rechtlichen Kontrolle schon entzogen.
72Die Beklagte beantragt,
73das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 30.11.2012 teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
74Der Kläger beantragt,
75die Berufung zurückzuweisen.
76Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil.
77Zutreffend habe das Arbeitsgericht eine Intransparenz bezüglich der Bezugnahmeregelungen in der Zusatzvereinbarung vom 09.02.2010 und im Vertrag vom 22.06.2010 angenommen.
78Ebenso zutreffend habe das Arbeitsgericht einen Verfall von Ansprüchen verneint.
79§ 9 Ziffer 5 des Arbeitsvertrages verweise auf die Tarifverträge, die auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fänden. § 2 selbst sei aber schon intransparent durch die Zusatzvereinbarung.
80Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
81Entscheidungsgründe
82Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
83A.
84Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.
85Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b) ArbGG.
86Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.
87B.
88Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.
89I. Dem Kläger stehen grundsätzlich Ansprüche auf Zahlung aus dem Gesichtspunkt des equal-pay für die Zeit der Beschäftigung bei der Beklagten in der vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Höhe zu.
901. Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG kann der Leiharbeitnehmer im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 2 von diesem die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen verlangen.
91Nach § 9 Nr. 2 AÜG sind wiederum Vereinbarungen unwirksam, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen vorsehen; dies gilt allerdings u. a. dann nicht, wenn ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulässt, wobei im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren können.
922. Solche Tarifverträge liegen jedoch nicht vor.
93a) Auf das Arbeitsverhältnis anwendbare wirksame Tarifverträge liegen nicht vor, soweit mit dem Arbeitsvertrag vom 09.02.2010 die Tarifverträge AMP/CGZP in Bezug genommen worden sind, da die CGZP insoweit nicht als tariffähig anzusehen war.
94aa) Rechtsfolge des Abschlusses eines Tarifvertrages durch eine Vereinigung ohne Tariffähigkeit ist die Unwirksamkeit und damit Nichtigkeit des entsprechenden Tarifvertrages (BAG 15.11.2006, EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 131).
95Bei den von der CGZP abgeschlossenen Vereinbarungen handelt es sich nicht um Tarifverträge (BAG 20.09.2012, 1 AZB 44/12(F), n.v.). Eine Nichtigkeit der abgeschlossenen Tarifverträge hat das Bundesarbeitsgericht inzwischen unter dem 13.03.2013 ebenso angenommen.
96Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 Satz 2 AÜG waren daher insoweit zu keinem Zeitpunkt gegeben.
97bb) Von einer fehlenden Tariffähigkeit der CGZP war auch nunmehr zum Zeitpunkt des Abschlusses aller Tarifverträge mit dem AMP auszugehen.
98Mit Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2012 im Verfahren 24 TaBV 1285/11 u.a. steht rechtskräftig fest, dass die CGZP vom Zeitpunkt ihrer Gründung an nicht tariffähig war.
99Bei den hier in Rede stehenden Tarifverträgen handelt es sich um solche, die zu einem danach liegenden Zeitpunkt abgeschlossen worden sind.
100cc) Einer Aussetzung von Verfahren bedarf es daher zum nunmehrigen Zeitpunkt schon deswegen nicht mehr, weil die Frage der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP jedenfalls auch für die Zeiträume rechtskräftig geklärt ist, für die Tarifverträge maßgeblich sind, wie sie für den streitgegenständlichen Zeitraum zugrunde gelegt worden sind.
101dd) Dem Zahlungsbegehren des Klägers stehen auch nicht von vornherein Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes aufseiten der Beklagten entgegen.
102Ein sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ergebender Vertrauensschutz gegenüber rückwirkenden Belastungen führt nicht zum Entfall oder zu einer Einschränkung des Zahlungsanspruchs der klagenden Partei.
103Weder verbreitete Rechtsansichten noch eine Rechtsprechung verändern die objektive Rechtslage; selbst höchstrichterliche Entscheidungen erzeugen keine dem Gesetzesrecht vergleichbaren Rechtsbindungen, sondern stellen lediglich die Rechtslage klar (BAG 26.07.1996, EzA GG Art. 3 Nr. 50; BAG 23.03.2006, EzA KSchG § 17 Nr. 16).
104Allerdings darf auch Rechtsprechung nicht dazu führen, dass einer Partei nachträglich und rückwirkend Handlungspflichten auferlegt werden, die sie nachträglich nicht mehr erfüllen kann (BAG 21.01.1999. EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 79).
105Im Fall der Gewährung von Vertrauensschutz hat zudem eine Interessenabwägung zu erfolgen, die auch die Idee der materiellen Gerechtigkeit zu berücksichtigen hat (BAG 18.04.2007, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35).
106Selbst bei Änderung der Rechtsprechung sind daher Einschränkungen insoweit nur dann geboten, wenn die nachteilig betroffene Partei auf die Weitergeltung der Rechtsprechung vertrauen durfte und die Anwendung der geänderten Auffassung eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
107Unter Berücksichtigung dieser Kriterien stehen Grundsätze des Vertrauensschutzes Ansprüchen nicht entgegen.
108Auszugehen ist dabei von der Überlegung, dass es schon kein Vertrauen in die Tariffähigkeit einer Vereinigung grundsätzlich gibt (BAG 15.11.2006, aaO.). Richterliche Entscheidungen, die die Beklagte darin bestärken konnten und durften, von der CGZP abgeschlossene Tarifverträge seien wirksam, sind nicht gegeben. Allein der Umstand, dass durch bestimmte Institutionen auf die Möglichkeit hingewiesen wird, Tarifverträge im Bereich der Zeitarbeit arbeitsvertraglich zu vereinbaren, konnte ein solches Vertrauen ebenfalls nicht begründen, da solche Institutionen wie die Bundesagentur für Arbeit ersichtlich nicht darüber befinden konnten und wollten, ob abgeschlossene Tarifverträge wirksam sind oder nicht.
109Allein der Umstand, dass die Vertragspartner der in Rede stehenden Tarifverträge von der Wirksamkeit ausgegangen sind, schafft ein berechtigtes Vertrauen ebenfalls nicht.
110Ohnehin könnte eine Interessenabwägung nicht dazu führen, dass Ansprüche der klagenden Partei jedenfalls für die Zeit vor dem 14.12.2010 nicht gegeben sind.
111Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die das Interesse der Beklagten, nicht mit Nachzahlungen überzogen zu werden, höher ansiedeln kann als Nachforderungen der Arbeitnehmer.
112Der Beklagten werden damit keine Handlungspflichten auferlegt, die sie nicht nachträglich erfüllen kann.
113Wer einzelvertraglich Tarifverträge in Bezug nimmt, die von einer Tarifvertragspartei geschlossen werden, bei der von Anfang an Bedenken gegen eine Tariffähigkeit bestanden, muss das Risiko tragen, dass diese Vereinigung durch die Rechtsprechung als nicht tariffähig angesehen wird.
114Eine Verpflichtung zur Nachzahlung entspricht dabei insbesondere der Idee der materiellen Gerechtigkeit.
115Die Kammer geht im Übrigen davon aus, dass die Frage des Vertrauensschutzes schon im Beschluss des BAG vom 22.05.2012, 1 ABN 27/12 als geklärt anzusehen war, wenn dort ausgeführt ist, dass die Wirkung der Rechtssätze ohnehin nicht auf die Zukunft beschränkt war, sondern diese entsprechend dem Verfahrensgegenstand für die Beurteilung der Tariffähigkeit der CGZP herangezogen worden sind. Nach diesem Verständnis ist bereits durch den Senatsbeschluss vom 14.12.2012 (EzA TVG § 2 Nr. 31) die Frage der Tariffähigkeit auf einen vor der Verkündung des genannten Senatsbeschlusses liegenden Sachverhalt angewandt worden.
116Gewährung von Vertrauensschutz hat das Bundesarbeitsgericht zudem nunmehr unter dem 13.03.2013 abgelehnt.
117b) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden auch nicht die Tarifverträge BZA/DGB aufgrund der Zusatzvereinbarung vom 22.06.2012 Anwendung.
118Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mit Urteil vom 15.01.2009 im Verfahren 2 AZR 641/07 zu einem in den entscheidenden Passagen ähnlichen Wortlaut im Rahmen einer Änderungskündigung befunden, ein solches Angebot sei nicht hinreichend bestimmt, da für den Empfänger des Angebots nicht hinreichend klar sei, welche der möglichen tariflichen Regelungen unter welchen Voraussetzungen überhaupt gelten solle. In dem Änderungsvertrag würden zum einen unterschiedliche tarifliche Regelungen - nämlich die der Tarifverträge CGZP und die der BZA - gleichzeitig angeboten. Ferner solle die Anwendung der Tarifverträge BZA von der „Unwirksamkeit" der Tarifverträge CGZP abhängen. Es bleibe für den Kläger unklar, auf welcher dauerhaften tariflichen Grundlage sich zukünftig sein Arbeitsverhältnis gründen solle.
119Stellt sich ein Angebot im Rahmen einer Änderungskündigung als nicht hinreichend bestimmt dar, kann für eine vertragliche Regelung, die einem solchen Angebot entspricht, nichts anderes gelten.
120Wenn auch im Unterschied zum vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall eine arbeitgeberseitige Ersetzungsbefugnis bezüglich der Tarifverträge hier nicht gegeben ist und ein Teil der Unklarheit dadurch entfällt, verbleibt gleichwohl die Unklarheit, nach welchem Tarifwerk sich dauerhaft die Vertragsbedingungen des Klägers richten sollen.
121Zudem bleibt auch bei dem nunmehrigen Wortlaut zur rechtskräftigen Feststellung, dass Tarifverträge „unwirksam sind", auch unter Berücksichtigung des Vorspanns zur Zusatzvereinbarung noch offen, ob damit die Feststellung einer fehlenden Tariffähigkeit im Rahmen eines Verfahrens nach § 97 ArbGG gemeint ist, zumal arbeitgeberseits in den hier bekannten Verfahren immer eingewendet worden ist, mit der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 sei ohnehin eine Aussage über die Nichtigkeit von abgeschlossenen Tarifverträgen nicht getroffen.
122Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Abwälzung des Risikos, dass in Bezug genommene Tarifverträge mangels Tariffähigkeit der CGZP sich als unwirksam darstellen können, im Übrigen eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt.
123c) Schließlich fanden ab dem 22.06.2010 auch nicht die mit Vereinbarung vom 22.06.2012 in Bezug genommenen mehrgliedrigen Tarifverträge zwischen dem AMP einerseits und der CGZP und angeschlossenen Einzelgewerkschaften andererseits auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
124aa) Unter den Parteien besteht kein Streit darüber, dass es sich bei der Vereinbarung vom 22.06.2010 um eine solche Regelung handelt, die den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB unterfällt.
125Nach § 307 Abs.1 Satz 2 BGB kann sich eine zur Unwirksamkeit der Klausel führende unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Klausel nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt dabei das Bestimmtheitsgebot ein (BAG 31.08.2005, DB 2006 1273).
126Die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel muss daher, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen, im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Verwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie darf keine vermeidbaren Unklarheiten und Spielräume enthalten, allerdings den Verwender auch nicht überfordern, so dass die Verpflichtung, den Inhalt der Klausel klar und verständlich zu formulieren, nur im Rahmen des Möglichen besteht (BAG 31.08.2005, DB 2006, 1273; BAG 08.08.2007, DB 2008, 133; BAG 14.08.2007, DB 2008, 66).
127Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt allerdings nicht schon deshalb vor, weil der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB (BAG 18.05.2011, DB 2011,10).
128Abzustellen ist bei der Bewertung der Transparenz auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BAG 08.08.2007, DB 2008, 133).
129Dabei ist nicht auf den flüchtigen Betrachter, sondern auf den aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen (BAG 28.05.2009, EzA BGB 2002 § 307 Nr.45).
130Das Transparenzgebot des § 307 Abs.1 Satz 2 BGB gilt gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB auch für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die nicht von Rechtsvorschriften abweichende oder ergänzende Regelungen vereinbart werden.
131bb) Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen verstößt die geänderte Fassung der Bezugnahmeklausel aus dem davor maßgeblichen Arbeitsvertrag gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
132Bezug genommen wird auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag, weil jede der genannten Gewerkschaften aufseiten der Arbeitnehmer einen eigenen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Hierüber besteht unter den Parteien kein Streit.
133Die vertragliche Formulierung enthält jedoch keinerlei Klarstellung, unter welchen Voraussetzungen welcher der genannten Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden soll.
134Dabei kann es dahingestellt bleiben, dass sich möglicherweise aus den Satzungen der Einzelgewerkschaften ergeben kann, wer für welche Bereiche diese Tarifverträge anschließen kann und will; dies hätte dann aber in der Bezugnahmeklausel in ausreichender Form zum Ausdruck kommen müssen, um für den Gegner des Klauselverwenders keine unvermeidbaren Klarheiten zu lassen, welcher der genannten Tarifverträge denn nun zur Anwendung kommen soll. Es kann nicht offen bleiben, welcher Tarifvertrag wann auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden soll und wonach sich die Anwendbarkeit richten soll.
135Zwar führt eine dynamische Verweisung auf andere Regelwerke an sich noch nicht zu einer Intransparenz, wobei unerheblich ist, dass dann noch nicht absehbar ist, welchen Inhalt das andere Regelwerk haben soll; ausreichend ist insoweit, dass die in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sind.
136Eine solche Bestimmbarkeit ist aber nicht gegeben, da gerade unklar ist, wann unter welchen Voraussetzungen welcher der genannten Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden soll.
137Auch gerade im Hinblick auf die bestehende und bekannte Unsicherheit, ob aufseiten der Arbeitnehmervertretungen Tariffähigkeit für den Abschluss von Tarifverträgen für die Zeitarbeitsbranche, ggfs. in welchem Umfang gegeben ist, bedarf es der Klarstellung, welches der maßgebliche Tarifvertrag sein soll, der für das Arbeitsverhältnis Bedeutung hat und geeignet sein kann, eine Ausnahme vom equal-pay-Gebot zu begründen.
138Eine Intransparenz hat auch das Bundesarbeitsgericht nunmehr unter dem 13.03.2013 hierzu bejaht.
139II. Einwendungen hinsichtlich der Höhe hat die Beklagte gegen das arbeitsgerichtliche Urteil nicht erhoben.
140III. Auch ein Verfall von Ansprüchen ist nicht gegeben.
1411. Ausschlussfristen aus einem im Vertrag vom 09.02.2010 in Bezug genommenen Tarifvertrag waren nicht zu beachten, da die in § 2 Ziffer 1 in Bezug genommenen Tarifverträge nichtig sind und daher auch die darin geregelten Ausschlussfristen keine Wirkung entfalten konnten.
1422. Ausschlussfristen aus einem Tarifwerk BZA/DGB kommen nicht zur Anwendung, da eine wirksame Einbeziehung solcher Tarifwerke wegen Intransparenz nicht gegeben ist.
1433. Ausschlussfristen aus einem der mehrgliedrigen Tarifverträge, wie sie im Vertrag vom 22.06.2010 in Bezug genommen worden sind, kommen auch nicht zur Anwendung, da die Bezugnahmeklausel entsprechend obiger Ausführungen intransparent ist und daher eine wirksame Verweisung auf einen Tarifvertrag nicht gegeben ist.
1444. Schließlich ist ein Verfall von Ansprüchen nicht infolge Nichteinhaltung von Fristen aus § 9 Ziffern 1-3 des Vertrages vom 09.02.2010 gegeben.
145a) Die Klausel hält zwar hinsichtlich der in den Ziffern 1 bis 3 festgelegten Fristen einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand.
146Eine einzelvertragliche Ausschlussfrist stellt eine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung dar; denn gesetzlich gilt nur das Verjährungsrecht.
147Zwar kommt Ausschlussfristen und Verjährungsfristen nicht dieselbe Rechtswirkung zu. Während der Ablauf der Ausschlussfrist rechtsvernichtende Wirkung hat und von Amts wegen zu berücksichtigen ist, gibt die Verjährung dem Schuldner eine Einrede und hindert damit die Durchsetzung der rechtlich fortbestehenden Forderung. Damit besitzt die Ausschlussfrist zwar sogar eine stärkere, für den Betroffenen nachteiligere Wirkung, im Ergebnis geht es aber jeweils darum, dass der Anspruchsinhaber seinen Anspruch gegen den Willen des Anspruchsgegners nur innerhalb bestimmter Fristen verwirklichen kann. § 202 BGB lässt eine Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren dabei im Grundsatz zu (BAG 25.05.2005, aaO:).
148Einzelvertragliche zweistufige Ausschlussfristen mit einer jeweiligen Frist von 3 Monaten, die erste Stufe geknüpft an die Fälligkeit des Anspruchs, stellen danach keine unangemessene Benachteiligung des Gegners des Klauselverwenders dar.
149Lediglich eine Frist von weniger als drei Monaten im Rahmen einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist ist unangemessen kurz (insoweit zur Frist für die schriftliche Geltendmachung BAG 31.08.2005, EzA ArbZG § 6 Nr. 6; für die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung BAG 25.05.2005, aaO.).
150b) Die Klausel hält allerdings nicht dem Transparenzgebot entsprechend den oben unter I. 2. c) dargestellten Anforderungen stand.
151(a) Die Klausel selbst weist in ausreichender Weise darauf hin, dass ein Verfall der Ansprüche gegeben ist, wenn die festgelegten Fristen nicht gewahrt sind. Die Rechtsfolgen der Fristversäumung sind damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
152(b) Die Klausel ist auch nicht intransparent dadurch, dass in § 1 Ziffer 2 des Vertrages geregelt ist, dass die Bestimmungen der in Bezug genommenen Tarifwerke den Bestimmungen des Arbeitsvertrages grundsätzlich vorgehen, soweit nicht die Tarifverträge eine Abweichung durch Arbeitsvertrag zulassen oder die arbeitsvertragliche Regelung günstiger ist.
153Denn § 9 enthält für den Ausschluss von Ansprüchen eine Sonderregelung mit einer eigenständigen Kollisionsregelung für den Fall unterschiedlicher Regelungen im Arbeitsvertrag und im Tarifvertrag, der der allgemeinen Bestimmung zum Verhältnis von arbeitsvertraglicher Regelung und tarifvertraglicher Regelung vorgeht.
154(c) Die Regelung ist aber unbestimmt dadurch, dass § 9 Ziffer 5 die Geltung der zuvor in Ziffern 1 bis 3 getroffenen Fristen ausschließt, soweit ein anwendbarer Tarifvertrag eine andere für den Mitarbeiter günstigere Regelung enthält, weil nicht klar ist, welche tarifliche Regelung damit betroffen ist.
155§ 9 Ziffer 5 gibt zwar grundsätzlich das Günstigkeitsprinzip wieder, wie es auch gesetzlich in § 4 Abs. 3 TVG niedergelegt ist. Dabei kann vom Klauselverwender hinsichtlich der Verdeutlichung des Prinzips nicht mehr verlangt werden, als der Gesetzgeber selbst insoweit regelt. Die Schwierigkeit, im Einzelfall feststellen zu können, ob eine Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist oder nicht, ist ein allgemeines Problem der Anwendung des Günstigkeitsprinzips und kann daher auch in dieser allgemeinen Form dargestellt werden. Die Feststellung der Günstigkeit einer tariflichen Regelung gegenüber der vertraglichen ist daher kein Problem der ausreichenden Bestimmtheit, sondern der rechtlichen Feststellung der Günstigkeit.
156Mit welchem Tarifwerk ein solcher Günstigkeitsvergleich erfolgen soll, ergibt sich jedoch nicht in ausreichend bestimmter Weise.
157§ 9 Ziffer 5 legt fest, dass die vorgenannten individualvertraglich geregelten Fristen dann nicht gelten sollen, wenn „die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge" eine für den Mitarbeiter günstigere Regelung enthalten.
158Damit der Arbeitnehmer einen solchen Günstigkeitsvergleich anstellen kann, muss ihm jedoch klar sein, welches der maßgebliche Tarifvertrag ist. Ein Günstigkeitsvergleich lässt sich nicht einheitlich für mehrere denkbarerweise zur Anwendung kommenden Tarifverträge anstellen.
159Zwar werden in § 2 Ziffer 1 des Vertrages vom 09.02.2010 konkret bestimmte Tarifverträge genannt, die Zusatzvereinbarung vom gleichen Tage stellt jedoch alternativ für eine bestimmte Fallgestaltung die Anwendung eines anderen Tarifwerks mit anderen Tarifvertragsparteien dar.
160Damit wird für einen Arbeitnehmer nicht ausreichend erkennbar, welches Tarifwerk dann für sein Arbeitsverhältnis grundsätzlich maßgeblich sein soll.
161(d) Die Klausel über die individualvertraglichen Ausschlussfristen in den Ziffern 1 bis 3 kann auch nicht mit Hilfe des „blue-pencil"-Prinzips aufrecht erhalten werden.
162Die Teilbarkeit der Klausel ist mittels einer Streichung des unwirksamen Teils mit einem "blauen Stift" zu ermitteln (BAG 21.04.2005, EzA BGB 2002 § 309 Nr. 3). Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist, ob sie mehrere sachliche Regelungen enthält (BAG 11.04. 2006, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 14) und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene AGB-Bestimmungen (BAG 12.03.2008, EzA BGB 2002 § 307 Nr.33).
163Eine solche sprachliche Abtrennung scheidet vorliegend aus, da § 9 Ziffer 5 nicht eine eigenständige Regelung zum Verfall von Ansprüchen darstellt, die getrennt von den Regelungen in den Ziffern 1 bis 3 zu einem Verfall führen kann, sondern eine Verknüpfung mit den individualvertraglichen Ausschlussfristen erfolgt in der Weise, dass die tariflichen Regelungen bei bestimmter Fallgestaltung vorgehen sollen. Damit wird eine Abhängigkeit der Geltung der Fristen aus Ziffern 1 bis 3 von der tariflichen Regelung herbeigeführt, die gesamte Verfallfristenregelung stellt sich als eine einheitliche Gesamtregelung dar, die nicht auseinander gezogen werden kann.
164(e) Eine mögliche Intransparenz wird auch nicht dadurch beseitigt, dass im Vertrag vom 22.06.2010 die Bezugnahmeklausel abgeändert wird.
165Auch mit dieser bleibt bei Weitergeltung der Zusatzvereinbarung vom 09.02.2010 unklar, mit welchem Tarifwerk hinsichtlich der Verfallfristen ein Günstigkeitsvergleich erfolgen soll.
166Ist im Übrigen die in diesem Vertrag vorgesehene Bezugnahmeklausel schon in sich intransparent, bleibt erst recht unklar, welches Tarifwerk für einen Günstigkeitsvergleich herangezogen werden soll.
167C.
168Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels gemäß § 97 ZPO zu tragen.
169Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen insbesondere zur Wirksamkeit von Verfallfristen war die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.