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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 06.06.2012 – AZ. 3 Ca 811/11 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Nach übereinstimmender Erledigungserklärung hinsichtlich der ursprünglich gegen die Beklagten zu 2. und zu 3. gerichteten Klageanträge auf Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen vergleichbarer Stammarbeitnehmer streiten die Klägerin und die Beklagte zu 1. zuletzt noch über Vergütungsansprüche der Klägerin betreffend das Jahr 2008, überwiegend gestützt auf das equal-pay-Gebot gemäߠ § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG, aber auch über Ansprüche gestützt auf § 612 Abs. 2 BGB sowie auf § 616 BGB.
3Die Beklagte zu 1. betreibt ein Unternehmen im Bereich der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung mit einer Niederlassung in H1.
4Die Klägerin war in der Zeit vom 20.03.2007 bis 15.11.2008 als Leiharbeitnehmerin als Helferin für Produktion und Lager bei der Beklagten zu 1. beschäftigt.
5Grundlage der Beschäftigung war ein schriftlicher Mitarbeitervertrag vom 19.03.2007.
6Dieser sieht unter § 1 Ziff. 3 u. a. folgende Regelung vor:
7„3.Die von dem Mitarbeiter im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu leistenden Arbeitsleistungen und –pflichten werden durch nachfolgende Regelungen, die jeweils gültigen Tarifverträge zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (=CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (=AMP) … bestimmt.
8…"
9In § 6 ist die Vergütung der Klägerin geregelt.
10Weiter heißt es unter § 7 des Mitarbeitervertrages unter der Überschrift: „Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen":
11„Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, gleich welcher Art, sind ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von einer Ausschlussfrist von zwei Monaten ab ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden."
12Die Klägerin wurde von der Beklagten zu 1. in der Zeit vom 06.03.2008 bis 31.03.2008 in dem Kundenbetrieb der Firma A1, B1 & Co. Verbindungstechnik in E1 als Staplerfahrerin eingesetzt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob diese Firma mit der Beklagten zu 2. des vorliegenden Rechtsstreits identisch ist.
13In der Zeit vom 01.04.2008 bis 09.09.2008, nach bestrittenem Klägervortrag bis 30.09.2008, wurde die Klägerin von der Beklagten zu 1. in dem Kundenbetrieb der Beklagten zu 3. als Produktionshelferin und Staplerfahrerin eingesetzt.
14In der Zeit vom 01.01.2008 bis 29.02.2008 nahm die Klägerin an von der Beklagten zu 1. organisierten Fortbildungsmaßnahmen teil. Sie war in dieser Zeit nicht in Entleihbetrieben beschäftigt.
15In den Monaten Oktober und November 2008 (bis 15.11.2008) wurde die Klägerin von der Beklagten zu 1. nicht mehr in Entleihbetrieben eingesetzt, erhielt jedoch Vergütung für Urlaubsstunden, Krankheitsstunden, Wartestunden und die Abgeltung des Arbeitszeitkontos.
16Das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten zu 1. endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung der Beklagten zu 1. mit Schreiben vom 10.10.2008 mit Ablauf des 15.11.2008.
17Die Beklagte zu 1. rechnete das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Jahr 2008 (bis 15.11.2008) auf Basis des Mitarbeitervertrages vom 19.03.2007 und der dort genannten Tarifverträge der CGZP ab. Die Klägerin erhielt Zulagen für die Einsätze bei der Firma A1, B1 & Co. Verbindungstechnik und der Beklagten zu 3. gemäß Zusatzvereinbarungen, die als Anlagenkonvolut 3 zur Klageschrift zur Gerichtsakte gereicht sind (Blatt 24-33 GA), gewährt. Ab Juli 2008 erhöhte sich der seitens der Beklagten zu 1. an die Klägerin gezahlte Stundenlohn auf 7,21 €.
18Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausscheiden der Klägerin bei der Beklagten zu 1. unterzeichneten beide Arbeitsvertragsparteien eine Ausgleichsquittung, bestehend aus einer Seite (Blatt 38 GA), in deren ersten Abschnitt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.11.2008, der Erhalt der Arbeitspapiere und eines gesamten Lohns von 213,83 € durch Unterschrift beider Arbeitsvertragsparteien bestätigt wird. In einem weiteren, gesondert von den Arbeitsvertragsparteien unterzeichneten Abschnitt heißt es:
19„Beide Parteien erklären, dass damit keine weiteren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung mehr bestehen".
20Ob die Ausgleichsquittung durch die Klägerin nach Vorlage in einem Büro der Beklagten oder nach postalischer Übersendung erfolgte, ist unter den Parteien streitig.
21Mit der unter dem 14.04.2011 bei Gericht eingegangenen Klage hat die Klägerin zunächst neben der von den Beklagten zu 2. und zu 3. begehrten Auskunft gleichzeitig Feststellung gegenüber der Beklagten zu 1. begehrt, dass diese verpflichtet ist, an sie die Differenzlohnbeträge für die Zeiten der Einsätze bei der Beklagten zu 2. und zu 3. zwischen dem Lohn zu zahlen, den die Beklagten zu 2. und zu 3. an ihre unmittelbar angestellten Staplerfahrer bzw. Produktionshelfer (Stammarbeiter) während der Einsatzzeiten der Klägerin gezahlt haben, und dem Lohn, den die Klägerin während dieser Zeit bei der Beklagten zu 1. bezogen hat (equal-pay-Anspruch).
22Nach Erklärung der Beklagten zu 2 mit Schriftsatz vom 20.04.2011, dass die Klägerin, so wörtlich, „in unseren Unternehmen" eingesetzt wurde, und dass für „unsere Unternehmen" der Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie maßgeblich sei, folglich ihre Mitarbeiter/innen dort unter Beachtung der tarifvertraglichen Regelungen entlohnt werden würden und Mitarbeiter, die Tätigkeiten ausübten, wie sie die Klägerin ausgeübt habe, nach der Entgeltgruppe 2 vergütet würden, hat die Klägerin bezifferte Zahlungsanträge für die Monate Januar 2008 bis November 2008 gegen die Beklagte zu 1. angekündigt, dabei für die Monate März 2008 bis September 2008 überwiegend gestützt auf Ansprüche nach dem equal-pay-Gebot, aber auch, insbesondere für die übrigen Monate, zu einem Großteil gestützt auf § 612 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Entgelttarifvertrag Zeitarbeit BZA-DGB-Tarifgemeinschaft sowie gestützt auf § 616 BGB für entschuldigte Fehlzeiten.
23Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass aufgrund fehlender Tariffähigkeit der CGZP keine wirksame tarifvertragliche Grundlage bestanden habe, wie diese in dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 19.03.2007 vorgesehen gewesen sei. Mithin müsse die Beklagte zu 1. sie so vergüten, wie vergleichbare Stammarbeitnehmer in den Kundenbetrieben der Beklagten zu 2. und zu 3. für die Zeiten ihres Einsatzes im Jahr 2008 vergütet worden seien.
24Für Zeiten, in denen sie im Jahr 2008 nicht bei Kunden eingesetzt worden sei, insbesondere nicht bei den Beklagten zu 2. und zu 3., stehe ihr ein höherer Stundenlohn gemäß § 612 Abs. 2 BGB i. V. m. dem Entgelttarifvertrag BZA-DGB-Tarifgemeinschaft zu, da aufgrund der Unwirksamkeit der unter Beteiligung der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge keine wirksame Vergütungsabrede zwischen den Parteien vorgelegen habe, ihr folglich die übliche Vergütung, hier der entsprechende Tariflohn, zu zahlen sei.
25Eine Ausgleichsquittung stehe, so hat die Klägerin des Weiteren die Auffassung vertreten, einem Anspruch nicht entgegen.
26Aus deren Formulierung ergebe sich kein Verzicht im Sinne eines negativen, konstitutiven Schuldanerkenntnisses. Zudem könne durch individualvertragliche Vereinbarung nicht wirksam auf Ansprüche nach dem equal-pay-Gebot verzichtet werden. Zudem handele es sich bei dem hier relevanten Inhalt der Ausgleichsquittung um eine allgemeine Geschäftsbedingung, die gegen § 305 c Abs. 1 BGB verstoße, da die Vorlage des mit „Ausgleichsquittung" betitelten Schreibens seinerzeit überraschend seitens der Beklagten erfolgt sei, als sie, so hat sie hierzu behauptet, ca. Ende November 2008 die Niederlassung der Beklagten in H1 aufgesucht und dort verschiedene Unterschriften geleistet habe. An den genauen Zeitpunkt und die Tatsache der Unterzeichnung der Ausgleichsquittung könne sie sich dabei nicht mehr erinnern. Zudem verstoße die am Ende der Ausgleichsquittung enthaltene Erklärung gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und sei wegen unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, da die Bestimmungen nicht klar und verständlich seien.
27Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
281. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr 900,35 € brutto als Lohn für den Monat März 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2008 zu zahlen,
292. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr 622,37 € brutto als Lohn für den Monat April 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.05.2008 zu zahlen,
303. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr 764,40 € brutto als Lohn für den Monat Mai 2008 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.06.2008 zu zahlen,
314. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr 923,72 € brutto als Lohn für den Monat Juni 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.07.2008 zu zahlen,
325. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr 847,51 € brutto als Lohn für den Monat Juli 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2008 zu zahlen,
336. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr 781,62 € brutto als Lohn für den Monat August 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2008 zu zahlen,
347. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr 996,17 € brutto als Lohn für den Monat September 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2008 zu zahlen,
358. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr als Lohn für den Monat Januar 2008 40,04 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2008 zu zahlen,
369. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr als Lohn für den Monat Februar 2008 55,86 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2008 zu zahlen,
3710. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr als Lohn für den Monat Oktober 2008 116,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2008 zu zahlen,
3811. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr als Lohn für den Monat November 2008 (bis 15.11.2008) 244,42 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2008 zu zahlen,
39Die Beklagte zu 1) hat beantragt,
40die Klage hinsichtlich der zuletzt gestellten Zahlungsanträge abzuweisen.
41Die Beklagte zu 1) hat zum einen die Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG bis zur Erledigung eines Beschlussverfahrens angeregt, in welchem über die Tariffähigkeit der CGZP zum Zeitpunkt des Abschlusses der hier relevanten Tarifverträge vom 29.11.2004, 19.06.2006 und 09.07.2008 zu entscheiden sei.
42Sie hat darüber hinaus die Auffassung vertreten, etwaige Ansprüche seien gemäß der arbeitsvertraglich unter § 7 vereinbarten Ausschlussfristen verfallen, jedenfalls aber aufgrund der arbeitsvertraglichen in Bezug genommenen Ausschlussfristenregelungen nach dem Manteltarifvertrag AMP/CGZP.
43Klageerweiternd geltend gemachte Ansprüche seien zudem teilweise verjährt.
44Zudem hat die Beklagte zu 1. die Auffassung vertreten, mögliche Ansprüche seien aufgrund der Ausgleichsquittung erloschen. Nach der dort gesondert getroffenen und gesondert unterschriebenen Absprache, wonach damit keine weiteren Ansprüche mehr bestehen, seien sämtliche Ansprüche aus dem am 15.11.2008 beendeten Arbeitsverhältnis ausgeschlossen, auch solche aus dem Gesichtspunkt des equal pay, da eine vertragliche Unabdingbarkeit solcher Ansprüche nicht gegeben sei.
45Die Erklärung sei auch wirksam, da die Klägerin nicht einseitig auf mögliche Ansprüche verzichte.
46Die Umstände der Unterzeichnung der Ausgleichsquittung seien für die Klägerin auch nicht überraschend gewesen, da ihr die Ausgleichsquittung mit Schreiben vom 05.01.2009 an die neue Anschrift in H2 per Post übersandt worden sei. Die Klägerin habe die Ausgleichsquittung gegengezeichnet an sie zurückgesandt. Dabei habe keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin stattgefunden, da sie die Zahlung der Beklagten zu 1. auch ohne, sogar zweifache Unterzeichnung der Ausgleichsquittung habe entgegennehmen können.
47Im Übrigen beruft sich die Beklagte zu 1. gegenüber den geltend gemachten Lohnforderungen nach dem equal-pay-Gebot auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.
48Auch seien die Forderungen im Einzelnen nicht substanziiert genug, insbesondere der Höhe nach, dargelegt. Beispielsweise sei nicht erkennbar, was die Klägerin für „entschuldigte Fehlzeiten" geltend machen wolle.
49Mit Urteil vom 06.06.2012 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.
50Zur Begründung hat es ausgeführt, Vergütungsansprüche aus dem am 15.11.2008 beendeten Arbeitsverhältnis, so sie denn bestanden hätten, seien aufgrund der Erledigungsvereinbarung in der Ausgleichsquittung, die unstreitig im zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von beiden Arbeitsvertragsparteien unterzeichnet worden sei, erloschen. Einer weitergehenden Auseinandersetzung mit den weiteren, zahlreichen Rechtsfragen, ob die begehrten Vergütungsbeträge ihr grundsätzlich nach Rechtsgrund und Höhe zustehen, ob die Beklagte zu 1. sich zu Recht auf vertragliche/tarifvertragliche Ausschlussfristen, Verjährung, Vertrauensschutz und Wegfall der Geschäftsgrundlage berufe, habe es daher nicht bedurft.
51Bei der unten gesondert unterzeichneten Vereinbarung auf der Ausgleichsquittung handele es sich in der Regel, wie auch hier, um ein sogenanntes beiderseitiges konstitutives negatives Schuldanerkenntnis i.S.d. § 397 Abs. 2 BGB, da der Inhalt der Vereinbarung darauf gerichtet ist, alle bekannten oder unbekannten Ansprüche der Parteien aus dem beendeten Arbeitsverhältnis durch Erledigung zum Erlöschen zu bringen.
52Die Formulierung, dass „damit keine weiteren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung mehr bestehen", erfasse von ihrem Wortlaut her alle Ansprüche, auch solche aus § 10 Abs. 4 AÜG, §§ 612 Abs. 2, 616 BGB, da es sich hierbei ohne weiteres um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis handele.
53Auch auf Forderungen nach dem equal-pay-Gebot gemäß § 10 Abs. 4 AÜG könne wirksam einzelvertraglich verzichtet werden. Ansprüche aus § 10 Abs. 4 AÜG seien dispositiv. Dies folge auch bereits daraus, dass abweichende Regelungen vom Gebot der gleichen Bezahlung von Stamm- und Leiharbeitnehmern nicht nur bei originärer Tarifanwendung gemäß § 3 TVG möglich seien, sondern auch in den Fällen, in denen Tarifverträge i.S.d. § 10 Abs. 4 AÜG durch Vereinbarung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zur Anwendung kommen. Jedenfalls habe nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Klägerin wirksam auf Vergütungsansprüche nach dem equal-pay-Gebot verzichten können.
54Die Erledigungsvereinbarung halte auch einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB stand. Dabei gehe das Gericht davon aus, dass es sich hier um eine allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB handele. Zugunsten der Klägerin werde auch davon ausgegangen, dass der untere, gesondert unterzeichnete Teil der Ausgleichsquittung hinsichtlich nicht mehr bestehender Ansprüche der Parteien nicht als vertragliche Hauptleistungspflicht anzusehen sei.
55Es handele sich nicht um eine überraschende Klausel i.S.d. § 305 c Abs. 1 BGB.
56Die Vereinbarung eines Nichtbestehens wechselseitiger Ansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis in der vorliegend streitigen Ausgleichsquittung stelle auch keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB dar. Eine solche unangemessene Benachteiligung ergebe sich insbesondere nicht daraus, dass die Klausel nicht transparent sei.
57Da die Parteien hier wechselseitig auf alle weiteren Ansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis verzichtet haben, sei auch keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin wegen eines nur einseitigen Anspruchverzichts erkennbar.
58Gegen das unter dem 22.06.2012 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Klägerin unter dem 19.07.2012 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.09.2012 unter dem 24.09.2012 begründet.
59Die Klägerin verbleibt bei ihrer Auffassung, Ansprüche seien nicht durch eine Ausgleichsquittung zum Erlöschen gebracht worden.
60Bei der Ausgleichsquittung handele es sich um eine überraschende Klausel. Eine besondere, drucktechnische Hervorhebung liege nicht vor. Die Erledigungserklärung sei bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild überraschend. Auch handele es sich um eine ungewöhnliche Klausel, da kein Streit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden habe. Die Klägerin verbleibt insoweit bei ihrer Behauptung, die Ausgleichsquittung nicht per Post zugesandt erhalten zu haben. Sie könne sich nur daran erinnern, anlässlich eines Gesprächs in der Niederlassung Verschiedenes unterschrieben zu haben; ob sie auch die Ausgleichsquittung unterschrieben habe, wisse sie nicht. Jedenfalls sei ein Verzicht nicht erörtert worden. Sie gehe allerdings davon aus, die Ausgleichsquittung anlässlich eines Gesprächs mit dem Prokuristen K1 der Beklagte zu 1. unterzeichnet zu haben.
61Zudem stelle ihrer Meinung nach die Erklärung eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB dar. Es werde vorgespiegelt, dass keinerlei weitere Ansprüche mehr gegeben seien; tatsächlich gebe es aber auch unverzichtbare Ansprüche, bei den zumindest zweifelhaft sei, ob sie von einer Ausgleichsklausel erfasst würden.
62Die Höhe des Anspruchs ergebe sich aus den nunmehrigen Berechnungen für die Monate Januar bis November 2008.
63Die Klägerin beantragt,
64das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen aufzuheben und die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an sie
651. 34,09 € brutto als restlichen Lohn für den Monat Januar 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2008 zu zahlen,
662. 55,86 € brutto als restlichen Lohn für den Monat Februar 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2008 zu zahlen,
673. 762,07 € brutto als Lohn für den Monat März 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2008 zu zahlen,
684. 620,87 € brutto als Lohn für den Monat April 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.05.2008 zu zahlen
695. 640,14 € brutto als Lohn für den Monat Mai 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.06.2008 zu zahlen
706. 1.124,34 € brutto als Lohn für den Monat Juni 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.07.2008 zu zahlen,
717. 847,51 € brutto als Lohn für den Monat Juli 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2008 zu zahlen,
728. 781,62 € brutto als Lohn für den Monat August 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2008 zu zahlen,
739. 73,71 € brutto als Lohn für den Monat September 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2008 zu zahlen,
7410. 116,90 € brutto als restlichen Lohn für den Monat Oktober 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2008 zu zahlen,
7511. 264,71 € brutto als restlichen Lohn für den Monat November 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2008 zu zahlen,
76Die Beklagte zu 1. beantragt,
77die Berufung zurückzuweisen.
78Sie verbleibt bei ihrer Ansicht, möglichen Ansprüchen stehe jedenfalls die Ausgleichsquittung entgegen.
79Diese sei, so behauptet sie ihrerseits weiterhin, nach Übersendung unterzeichnet worden; ohnehin sei es aber nicht von Bedeutung, wie es zur Unterzeichnung gekommen sei.
80Auch halte die Klausel einer Überprüfung nach den §§ 305 ff. BGB stand.
81Es handele sich nicht um eine ungewöhnliche Klausel, zumal solche Klauseln im Rechtsverkehr üblich seien.
82Eine Inhaltskontrolle könne nicht stattfinden, da es sich nicht um eine kontrollfähige Nebenabrede handele.
83Auch eine Intransparenz sei nicht gegeben.
84Soweit mit der Berufung eine Klageerweiterung verbunden ist, erhebt sie Beklagte zu 1. die Einrede der Verjährung.
85Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
86Entscheidungsgründe
87Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
88A.
89I. Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.
90Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b) ArbGG.
91Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.
92II. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen auch nicht teilweise, soweit die Klägerin mit der Berufung die Klage für die Monate Juni 2008 und November 2008 erweitert.
93Insoweit stellt sich die Klageerweiterung als zulässig nach § 533 ZPO dar, da eine Sachdienlichkeit zu bejahen ist und die Erweiterung auf Tatsachen gestützt werden kann, die erstinstanzlich bereits vorgetragen waren und der Berufung daher ohnehin zugrunde zu legen waren.
94III. Einer Wiedereröffnung der Verhandlung aufgrund der nach Schluss der mündlichen Verhandlung gewechselten Schriftsätze bedurfte es nach § 156 ZPO nicht.
95Ein Tatbestand nach § 156 Abs. 2 ZPO lag nicht vor, nachdem die Frage der Wirksamkeit und Bedeutung der Ausgleichsquittung in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2013 bereits erörtert worden ist, insbesondere unter dem Aspekt der unterschiedlichen Darstellung der Parteien, wann es auf welche Weise zur Unterzeichnung gekommen ist.
96Aus diesem Grund war es auch im Rahmen des § 156 Abs. 1 ZPO nicht geboten, die Verhandlung wieder zu eröffnen, da zur maßgeblichen Frage, ob die Ausgleichsquittung mögliche Ansprüche der Klägerin zum Erlöschen gebracht hat, keine Tatsachen neu vorgebracht worden sind, die nicht schon Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2013 waren.
97Diese Entscheidung ist Gegenstand eines Kammerbeschlusses vom 06.02.2013.
98B.
99Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.
100Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht wegen des Vorliegens einer Ausgleichsquittung abgewiesen.
101Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
102Es konnte daher dahingestellt bleiben, ob Ansprüche aus §§ 10 Abs. 4 Satz 1, 9 Nr. 2 AÜG für Zeiten der Entleihe gegeben sind, mögliche Ansprüche ausreichend substanziiert dargelegt sind im Hinblick auf die Entgelte vergleichbarer Stammarbeitnehmer in den Entleiherbetrieben, Ansprüche aus § 612 Abs.1, 2 BGB für verleihfreie Zeiten gegeben sind und Ansprüche aus § 616 BGB gegeben sind.
103III. Unter den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die Klägerin die Erklärung über das Nichtbestehen von Ansprüchen im unteren Absatz der Ausgleichsquittung unterzeichnet hat.
104Eine vertragliche Regelung nach den Erfordernissen der §§ 145 ff. BGB ist dabei sowohl dann zustande gekommen, wenn die Beklagte zu 1. ein Angebot in Form der Vorlegung einer solchen, von ihr bereits unterzeichneten Erklärung anlässlich eines Gesprächs abgegeben und die Klägerin eine Annahme durch Unterzeichnung der Erklärung dabei vorgenommen hat, oder ein Angebot seitens der Beklagten zu 1. durch postalische Übersendung abgegeben worden ist, das die Klägerin durch Rücksendung der auch von ihr unterzeichneten Erklärung angenommen hat; in beiden Varianten liegt eine vertragliche Vereinbarung vor, so dass es dahingestellt bleiben kann, in welcher Weise es zur Unterzeichnung gekommen ist.
105Die Erklärung im Rahmen der Ausgleichsquittung hält auch einer Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB stand.
1061. Unter den Parteien besteht kein Streit darüber, dass es sich bei der Vereinbarung um eine solche Regelung handelt, die den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB unterfällt.
1072. Bei der Regelung des § 2 Ziffer 4 handelt es sich nicht um eine überraschende Klausel im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB.
108a) Nach § 305 c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihnen zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil.
109Ungewöhnlich in diesem Sinne sind Klauseln, denen ein "Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt" innewohnt, weil sie eine Regelung enthalten, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen (BAG 29.11.1995, EzA BGB § 611 Inhaltskontrolle Nr. 4; BAG 09.05.2007, DB 2008, 874; BAG 25.09.2008, DB 2009, 569).
110Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere auch das äußere Erscheinungsbild des Vertrags (BAG 29.11.1995, EzA BGB § 611 Inhaltskontrolle Nr. 4; BAG 25.09.2008, DB 2009, 569).
111Es ist daher auch möglich, dass eine Klausel als Überraschungsklausel zu bewerten ist, weil sie an einer unerwarteten Stelle im Text eingefügt worden ist. Dabei ist das Überraschungsmoment umso eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist (BAG 09.05.2007, DB 2008, 874; BAG 25.09.2008, DB 2009, 569).
112Hier kann für den Verwender die Pflicht bestehen, auf die Bestimmung besonders hinzuweisen oder die Klausel drucktechnisch hervorzuheben (BAG 09.05.2007, DB 2008, 874; BAG 25.09.2008, DB 2009, 569).
113Auch das Unterbringen einer Klausel an einer unerwarteten Stelle im Text kann sie als Überraschungsklausel erscheinen lassen (BAG 29.11.1995, EzA BGB § 611 Inhaltskontrolle Nr. 4; BAG 31.08.2005, EzA ArbZG § 6 Nr. 6).
114Eine vertragliche Ausschlussfrist wird daher beispielsweise nicht Vertragsinhalt, wenn sie der Verwender ohne besonderen Hinweis und ohne drucktechnische Hervorhebung unter falscher oder missverständlicher Überschrift einordnet (BAG 29.11.1995, EzA BGB § 611 Inhaltskontrolle Nr. 4).
115b) Hiernach ist die Annahme einer überraschenden Klausel nicht gerechtfertigt.
116Die Erledigungsklausel ist Teil einer Erklärung, die als „Ausgleichsquittung" überschrieben ist. Bereits dieser Wortlaut legt die Annahme nahe, dass eine Bestätigung des Ausgleichs von möglichen Ansprüchen mit ihr verbunden ist.
117Die Ziffern 1. bis 3. enthalten Regelungen, die auf Erklärungen im Zusammenhang mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses hindeuten und der Abwicklung dienen. Gerade in diesem Zusammenhang ist damit zu rechnen, dass Erklärungen abgegeben werden, die der Gesamtbereinigung des beendeten Arbeitsverhältnisses dienen sollen.
118Die Überschrift ist zudem drucktechnisch hervorgehoben.
119Die Erledigungsklausel befindet sich zudem in einem gesonderten Absatz und bedarf einer gesonderten Unterschrift, womit besonderes Augenmerk gerade auf die darüber befindliche Erklärung gelenkt wird.
120Hinzu kommt, dass Ausgleichsklauseln im Arbeitsleben in unterschiedlichen Formen üblich sind (zuletzt BAG 21.06.2011, NZA 2011, 1338).
1213. Die Klausel hält auch dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB stand.
122a) Nach § 307 Abs.1 Satz 2 BGB kann sich eine zur Unwirksamkeit der Klausel führende unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Klausel nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt dabei das Bestimmtheitsgebot ein (BAG 31.08.2005, DB 2006 1273).
123Die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel muss daher, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen, im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Verwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie darf keine vermeidbaren Unklarheiten und Spielräume enthalten, allerdings den Verwender auch nicht überfordern, so dass die Verpflichtung, den Inhalt der Klausel klar und verständlich zu formulieren, nur im Rahmen des Möglichen besteht (BAG 31.08.2005, DB 2006, 1273; BAG 08.08.2007, DB 2008, 133; BAG 14.08. 2007, DB 2008, 66).
124Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt allerdings nicht schon deshalb vor, weil der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB (BAG 18.05.2011, DB 2011,10).
125Abzustellen ist bei der Bewertung der Transparenz auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BAG 08.08.2007, DB 2008, 133).
126Dabei ist nicht auf den flüchtigen Betrachter, sondern auf den aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen (BAG 28.05.2009, EzA BGB 2002 § 307 Nr.45).
127Das Transparenzgebot des § 307 Abs.1 Satz 2 BGB gilt gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB auch für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die nicht von Rechtsvorschriften abweichende oder ergänzende Regelungen vereinbart werden.
128b) Unter Berücksichtigung dieser Kriterien entspricht die Klausel den Anforderungen.
129Die Erklärung macht deutlich, dass von beiden Seiten der Vertragsparteien Ansprüche nicht mehr gegeben sein sollen, soweit die unter den vorstehenden Ziffern genannten Ansprüche erfüllt sind. Für jeden Vertragspartner wird damit deutlich, dass ein Ausschluss von Ansprüchen im Übrigen eintreten soll und das Arbeitsverhältnis endgültig bereinigt und abgeschlossen sein soll.
130Eine Intransparenz ergibt sich auch nicht daraus, dass nicht zwischen verzichtbaren und unverzichtbaren Ansprüchen unterschieden wird. Dieses Problem betrifft die mögliche rechtliche Reichweite der Klausel, aber nicht deren Klarheit und Unmissverständlichkeit, wenn eben erklärt wird, dass keine weiteren Ansprüche mehr bestehen sollen.
1314. Die Klausel stellt auch keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.
132a) Eine Ausgleichsklausel der vorliegenden Art ist nicht nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen; sie stellt eine kontrollfähige Nebenbestimmung dar, da sie keine Hauptleistungspflichten oder einen Teil davon regelt (BAG 21.06.2011, NZA 2011, 1338).
133b) Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird (BAG 08.08.2007, DB 2008, 471).
134Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus (BAG 09.09.2009, DB 2009, 2439).
135Dabei ist ein genereller typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen (BAG 28.05.2009, AP BGB § 306 Nr.6).
136Es kommt nicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auf die typische Sachlage an (BGH 29.05.1991, NJW 1991, 2763).
137Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner unter Berücksichtigung der Art, des Gegenstandes, des Zwecks und der besonderen Eigenart des jeweiligen Geschäfts (BAG, 02.09.2009, aaO; zusammenfassend insoweit: BAG 19.01.2011, DB 2011, 1338).
138c) Gemessen daran stellt sich die allgemeine und umfassende Erledigungsklausel nicht als unangemessene Benachteiligung der Klägerin dar:
139Eine solche ergibt sich nicht bereits allein dadurch, dass einseitig die Klägerin belastet wird, da beide Vertragsparteien erklären, keine weiteren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu haben.
140Andererseits folgt ihre Wirksamkeit auch nicht bereits daraus, dass für Ausgleichsklauseln in unterschiedlicher Form eine gewisse Üblichkeit im Arbeitsleben besteht; allein damit lässt sich aber eine Angemessenheit nicht begründen, da ansonsten eine Üblichkeit rechtfertigend berücksichtigt würde (BAG, 21.06.2011, aaO).
141Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein grundsätzlich berechtigtes Interesse daran besteht, eine endgültige Abwicklung des Arbeitsverhältnisses vorzunehmen und nicht noch möglichen Ansprüchen ausgesetzt zu sein. Das allgemeine Interesse, Klarheit für beide Vertragsparteien zu schaffen, ist jedenfalls solange als nicht unangemessen zu beurteilen, solange nicht lediglich mögliche Ansprüche einer Vertragspartei im Raum stehen, nicht jedoch solche auch der anderen Vertragspartei. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der vorliegenden Erklärung gab es noch keine hinreichende gerichtliche Klärung zur Frage der Tariffähigkeit der CGZP, aus der für die Arbeitgeberseite zu entnehmen war, dass Ansprüche aus §§ 10 Abs. 4 Satz 1, 9 Nr. 2 AÜG drohen.
142Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall zu der Entscheidung der Kammer im Verfahren 3 Sa 936/12. Dort ging es zudem um eine Erledigungsklausel nicht im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern im Zusammenhang mit einer Vertragsänderung.
143III. Die Erledigungsklausel erfasst auch die gegenständlichen möglichen Ansprüche der Klägerin.
1441. Rechtsqualität und Umfang einer Ausgleichsklausel sind durch Auslegung nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (BAG 19.11.2003, EzA BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 2; BAG 08.03.2006, EzA HGB § 74 Nr. 6; BAG 22.10.2008, DB 2009, 182).
145Als rechtstechnische Mittel kommen dabei ein Erlassvertrag, ein konstitutives oder ein deklaratorisches positives oder negatives Schuldanerkenntnis in Betracht.
146Ein Erlassvertrag ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllend betrachten (BAG 22.10.2008, aaO).
147Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist anzunehmen, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen (BAG08.03.2006, aaO).
148Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis liegt demgegenüber dann vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder bestimmte Gruppen von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen bringen zu wollen (BAG22.10.2008, aaO).
149Unter Berücksichtigung dieser Kriterien stellt die Erledigungsklausel ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis dar, da die Parteien alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis als erfüllt und erledigt betrachten wollten und damit sämtliche Ansprüche zum Erlöschen bringen wollten.
1502. Auch hinsichtlich des Umfangs einer solchen Ausgleichsklausel ist der in der auszulegenden Erklärung verkörperte maßgebliche Wille der Parteien zu ermitteln. Nach den Grundsätzen der Auslegung von Verträgen sind dabei die jeweiligen Erklärungen der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstanden werden durften und mussten, soweit ein übereinstimmender Wille der Parteien nicht festzustellen ist. Auszugehen hat die Auslegung vom Wortlaut; ferner sind alle den Parteien erkennbaren Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können, zu berücksichtigen, wozu vornehmlich die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss, der Zweck des Vertrages und die bei Vertragsschluss vorliegende Interessenlage zu berücksichtigen sind (BAG 31.07.2002, EzA HGB § 74 Nr. 64; BAG 19.11.2003, aaO).
151Ausgleichsklauseln in gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen und Aufhebungsverträgen sind im Interesse der Rechtssicherheit und klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Denn in einem Aufhebungsvertrag wollen die Parteien das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, egal ob sie an sie solche dachten oder nicht (BAG19.11.2003, aaO; BAG 28.07.2004, EzA BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 4; BAG 08.03.2006, aaO).
152Eine allgemeine Ausgleichsklausel erfasst daher in der Regel auch Ansprüche, an welche die Parteien aktuell nicht gedacht haben, da Sinn und Zweck die endgültige Abwicklung des beendeten Arbeitsverhältnisses ist (BAG 17.10.2000, EzA BetrAVG § 1 Nr. 71).
153Nichts anderes gilt für Erklärungen im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Arbeitsverhältnisses, das bereits durch einen anderweitigen Tatbestand aufgelöst worden ist.
1543. Die Erklärung der Parteien in der Ausgleichsquittung erfasst auch die in diesem Verfahren von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche.
155a. Mit der Erklärung, dass „keine weiteren Ansprüche mehr bestehen" haben die Parteien deutlich gemacht, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Erhalt der Arbeitspapiere und des restlichen Entgelts durch die Klägerin abgewickelt sein soll. Alle Ansprüche, die insbesondere als Zahlungsansprüche gegen die andere Vertragspartei gerichtet sein sollen, sollen nicht mehr gegeben sein.
156Erfasst werden daher Ansprüche, die sich unabhängig vom Erfordernis der Gewährung gleicher wesentlicher Arbeitsbedingungen wie an Stammarbeitnehmer eines Entleiherbetriebes, als Zahlungsansprüche gegen die Beklagte zu 1. richten sollen, aber auch solche, die sich aus §§ 10 Abs. 4 Satz 1, 9 Nr. 2 AÜG ergeben können, weil das Bestehen solcher Ansprüche bei fehlender tariflicher Regelung ersichtlich ist und bedacht werden kann.
157b. Dem Erlöschen von Ansprüchen steht schließlich eine Unverzichtbarkeit von Ansprüchen aus §§ 10 Abs. 4 Satz 1, 9 Nr. 2 AÜG nicht entgegen.
158Eine Unverzichtbarkeit ergibt sich nicht allein daraus, dass der Gesetzgeber einem Leiharbeitnehmer bei Fehlen einer tariflichen Regelung einen Anspruch auf Gewährung gleicher wesentlicher Arbeitsbedingungen wie einem Stammarbeitnehmer des Entleihers verschaffen will. Allein aus dem Charakter einer Schutzregelung ergibt sich nicht automatisch deren Unverzichtbarkeit.
159Zutreffend hat das Arbeitsgericht hierzu darauf hingewiesen, dass das AÜG Regelungen zur Unverzichtbarkeit von Ansprüchen wie das EntgeltfortzahlungsG oder das BUrlG nicht kennt. Hätte ein unverzichtbarer Anspruch normiert werden sollen, hätte es im Gesetzestext oder zumindest aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Regelung eines solchen artikulierten gesetzgeberischen Willens bedurft.
160C.
161Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren nach § 97 Abs. 1 ZPO der Klägerin aufzuerlegen.
162Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen insbesondere zur Wirksamkeit einer Erledigungsklausel war die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für die Klägerin zuzulassen.