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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 23.07.2013 – 1 Ca 351/13 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG.
3Der am 07.11.1973 geborene Kläger ist mit einem Grad der Behinderung von 50 % als Schwerbehinderter anerkannt.
4Er war seit dem 01.04.1994 bei dem Land Nordrhein-Westfalen als Regierungsangestellter im fernmeldetechnischen Dienst der F in M tätig. F ist der Landrat des H ebenfalls mit Sitz in M.
5Mit Schreiben vom 27.11.2012 kündigte der Landrat als F das zu dem Land Nordrhein-Westfalen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos. Dem Kläger wurde vorgeworfen, mehrfach illegal Downloads vorgenommen zu haben. Ein gegen den Kläger vor dem Amtsgericht M geführtes Strafverfahren wurde gemäß § 153 a StPO am 06.11.2012 gegen Zahlung eines Betrages von 500,00 € eingestellt.
6In dem von dem Kläger geführten Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien am 30.01.2013 durch Beschluss des Arbeitsgerichts Arnsberg nach § 278 Abs. 6 ZPO einen Vergleich, nach dem das Arbeitsverhältnis mit dem 30.06.2013 endete und das beklagte Land sich u.a. verpflichtete, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 56.300,00 € zu zahlen.
7Anfang Januar 2013 schrieb der Beklagte die Stelle eines IT-Systemelektro-nikers/einer IT-Systemelektronikerin mit Dienstort M aus. Die Stelle sollte zum 01.04.2013 besetzt werden. Wegen der Einzelheiten der Stellenausschreibung wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie (Bl. 6, 7 d.A.) verwiesen.
8Mit Schreiben vom 10.01.2013 (Bl. 8 d.A.) bewarb sich dieser auf die Stelle und wies auf seine Schwerbehinderung hin.
9Mit auf einem auf den 21.09.2012 datierten Schreiben, das den Poststempel 31.01.2013 trägt, teilte der Beklagte ihm mit, seine Bewerbung nach einer Vorauswahl nicht zu berücksichtigen.
10Der Beklagte hatte die Vorauswahl nach einem Bewerberspiegel (Bl. 29 bis 32 d.A.) vorgenommen. Unter dem Namen des Klägers findet sich die Eintragung (Bl. 31 d.A.).
11Interne Bemerkungen:
12Achtung ! GdB–Schein und Nachweis Ausbildung angefordert. K kürzlich bei der P gekündigt
13Aus dem Bewerberspiegel – Vorstellungsgespräch (Bl. 33 d.A.) ergibt sich unter Berufserfahrung der Hinweis:
14Achtung !! K wurde kürzlich fristlos gekündigt (s. beigefügten Zeitungsartikel).
15Handschriftlich wurde vermerkt, dass der Kläger keine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten werde.
16Mit Schreiben vom 05.03.2013, vorab per Telefax an den Beklagten gesandt, machte der Kläger geltend, der Beklagte habe ihn wegen seiner Schwerbehinderung rechtswidrig benachteiligt und schulde ihm deshalb eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsentgelten der für IT-Systemelektroniker einschlägigen Entgeltgruppe des TVöD. Wegen der Einzelheiten der Geltendmachung wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie (Bl. 21, 22 d.A.) Bezug genommen.
17Mit seiner am 20.03.2013 bei dem Arbeitsgericht Arnsberg eingegangenen Klage begehrt er eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung.
18Er hat die Auffassung vertreten:
19Die Tatsache einer Diskriminierung wegen seiner Behinderung ergebe sich zum einen daraus, dass der Beklagte seiner Anhörungspflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 8 SGB IX nicht nachgekommen sei, zum anderen daraus, dass er ihn entgegen seiner Verpflichtung aus § 82 Satz 1, 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe.
20Da es sich um einen schweren Fall von Diskriminierung wegen einer Behinderung handle, sei eine Entschädigung in einer Höhe angemessen, die sich drei Monatsgehältern annähern solle. Wegen des diesbezüglichen Vortrags des Klägers wird auf seinen Schriftsatz vom 06.05.2013 (Bl. 40, 41 d.A.) Bezug genommen.
21Er hat beantragt,
22den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.04.2013 zu zahlen.
23Der Beklagte hat beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Er hat behauptet:
26Der Kläger sei ausschließlich deshalb nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden, weil der Landrat durch Ausspruch der fristlosen Kündigung als F zum Ausdruck gebracht habe, dass es ihm als Dienstvorgesetzten nicht zuzumuten sei, in einem Arbeitsverhältnis zu dem Kläger zu stehen.
27Mit Urteil vom 23.07.2013 hat das Arbeitsgericht Arnsberg die Klage abgewiesen.
28Es hat ausgeführt:
29Der Kläger habe Indizien im Sinne des § 22 AGG vorgetragen, die für eine Benachteiligung im Bewerbungsverfahren im Hinblick auf seine Behinderung sprächen. Der Beklagte habe ihn entgegen § 82 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
30Der Kläger sei jedoch objektiv für die zu besetzende Stelle nicht in Betracht gekommen.
31Er besitze zwar die fachliche Eignung. Ihm fehle jedoch im Hinblick auf die Umstände der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Land Nordrhein-Westfalen die persönliche Eignung für die zu besetzende Stelle.
32Es seien die Besonderheiten des Einzelfalls zu betrachten. Zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den Landrat, und dem Beklagten, ebenfalls vertreten durch den Landrat, bestehe zwar keine vollständige Identität, allerdings eine besondere Nähebeziehung. Diese betreffe auch den Dienstsitz in M.
33Zwischen der Kündigung durch das Land Nordrhein-Westfalen und der Ausschreibung der Stelle durch den Beklagten bestehe ein enger zeitlicher Zusammenhang.
34Es sei desweiteren zu berücksichtigen, dass der Kläger in einem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Bewerbung mit dem Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den Landrat, einen Beendigungsvergleich geschlossen habe, der u.a. die Zahlung einer Abfindung von mindestens 56.300,00 € vorsehe. Spätestens nach Vergleichsschluss am 30.01.2013 sei er für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht mehr in Betracht gekommen.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 48 bis 54 der Akte Bezug genommen.
36Gegen das ihm am 31.07.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.08.2013 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 31.10.2013 am 29.10.2013 eingehend begründet.
37Er rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt aus:
38Bei dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Beklagten handle es sich um zwei völlig verschiedene Arbeitgeber. Es sei unerheblich, dass der Landrat in Personalunion Vertreter des Beklagten und Leiter der F sei.
39Es sei auch nicht dieselbe Arbeitsstelle ausgeschrieben worden.
40Im fehle nicht die persönliche Eignung für eine Beschäftigung bei dem Beklagten, wie sich aus dem Verlauf des Kündigungsschutzprozesses und den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergebe.
41Der Kläger beantragt,
42das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 23.07.2013, Az.: 1 Ca 351/13, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2013 zu zahlen.
43Der Beklagte beantragt,
44die Berufung zurückzuweisen.
45Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt aus:
46Der Kläger sei schon im Frühjahr 2010 in Verdacht geraten, über seinen dienstlichen Rechner illegal Daten heruntergeladen und damit strafbare Handlungen begangen zu haben. Das Land Nordrhein-Westfalen habe ihn mit Wirkung zum 17.06.2010 durch den Landrat von seinen dienstlichen Aufgaben freigestellt. Nach Abschluss des Strafverfahrens durch einen Beschluss nach § 153 a Abs. 2 StPO, der eine Schuld im strafrechtlichen Sinne voraussetze, habe das Land Nordrhein-Westfalen entschieden, das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos zu kündigen.
47Im Hinblick auf das Zusammenspiel zwischen der F und dem Beklagten, insbesondere im Hinblick auf die Doppelfunktion des Landrates, sei der Kläger für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet. Zur Eignung gehöre nicht nur die fachliche Eignung, sondern auch die charakterliche Eignung des Bewerbers.
48Zu berücksichtigen sei, dass nach der Ausschreibung der einzustellende Mitarbeiter im Wesentlichen die Netzwerkinfrastruktur zu betreuen und Probleme zu beheben habe. Eine vergleichbare Tätigkeit habe der Kläger in der F ausgeübt. Dort sei es zu dem dringenden Verdacht des illegalen Downloads von Dateien während der Arbeitszeit gekommen.
49Der Kläger könne von dem Landrat nicht verlangen, ihn in Kenntnis der Vorfälle bei der F erneut einzustellen. Er – der Beklagte – sei mit seiner Entscheidung dem Prinzip der Bestenauslese nach Artikel 33 Abs. 2 GG gerecht geworden, da gerade von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes eine besondere Integrität erwartet werde, die der Kläger durch sein strafrechtlich relevantes Verhalten in der Vergangenheit nicht gezeigt habe.
50Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
51Das Berufungsgericht hat die Akte des Arbeitsgerichts Arnsberg 1 Ca 1235/12 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
52Entscheidungsgründe
53A.
54Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 23.07.2013 ist unbegründet. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht die Klage abgewiesen.
55I.
56Die auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klage, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, ist zulässig.
57Der Antrag ist ausreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger war nicht gehalten, seinen Zahlungsantrag zu beziffern. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, wenn er diejenigen Tatsachen, die dem Gericht eine Schätzung nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO ermöglichen, dargelegt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angegeben hat (BAG 21.02.2013 – 8 AZR 68/12 – Rn. 16, NJW 2013, 2699).
58Der Kläger hat ausreichend dargelegt, warum die von ihm behauptete Diskriminierung besonders schwerwiegend ist, und hat angegeben, eine Entschädigung in einer Größenordnung zu verlangen, die sich drei Monatsgehältern annähert.
59II.
60Die Klage ist unbegründet.
61Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung aus §§ 15 Abs. 2, 7 Abs. 1 AGG, 68 Satz 1, 81 Abs. 2 SGB IX zu.
621. Er hat die zweimonatige Frist zur Geltendmachung seines Entschädigungsanspruchs, § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG, gewahrt. Eine abweichende tarifliche Regelung, die Geltung beanspruchen könnte, ist nicht ersichtlich.
63Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG beginnt die Frist im Falle der Bewerbung mit dem Zugang der Ablehnung, die dem Kläger hier nach dem Poststempel vom 31.01.2013 frühestens am 01.02.2013 zugegangen ist. Er hat mit Schreiben vom 05.03.2013, das dem Beklagten unstreitig vor dem 01.04.2013 zugegangen ist, eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern gefordert.
64Mit Eingang seiner Klage bei dem Arbeitsgericht Arnsberg am 20.03.2013 wurde auch die Klagefrist nach § 61 b Abs. 1 AGG gewahrt.
652. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG Beschäftigter im Sinne des Gesetzes. Der Beklagte ist Arbeitgeber im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG.
663. Voraussetzung für eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. § 15 Abs. 2 AGG enthält nur eine Rechtsfolgenregelung. Für die Voraussetzungen des Anspruchs ist auf § 15 Abs. 1 AGG zurückzugreifen (BAG 16.02.2012 – 8 AZR 697/10 – Rn. 30, NZA 2012, 667).
67Der Kläger hat keine Benachteiligung im Hinblick auf seine Behinderung erfahren.
68a. Er ist behindert im Sinne des § 1 AGG, da er als Schwerbehinderter im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt ist.
69b. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation
70Der Kläger erfuhr eine weniger günstige Behandlung als der/die eingestellte Bewerber/Bewerberin. Weniger günstig war seine Behandlung auch im Vergleich mit den zu Vorstellungsgesprächen eingeladenen Bewerbern und Bewerberinnen. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung und Beförderung, liegt bereits vor, wenn der Beschäftigte nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgenommen wird. Die Benachteiligung liegt in der Versagung einer Chance (BAG 16.02.2012 a.a.O. Rn. 33).
71Der Kläger und der/die eingestellte Bewerber/Bewerberin sowie die eingeladenen Bewerber/Bewerberinnen befanden sich in einer vergleichbaren Situation. Voraussetzung dafür ist, dass er objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (BAG 23.08.2012 – 8 AZR 285/11 Rn. 26, DB 2012, 2812; 16.02.2012 a.a.O. Rn. 35; 17.04.2011 – 8 AZR 679/9 – Rn. 37, NZA – RR 2011, 494).
72Grundsätzlich ist für die objektive Eignung nicht auf das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, abzustellen, sondern auf die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers frei entscheiden darf. Durch das Stellen von Anforderungen an den Bewerber, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind, darf er allerdings die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten, dadurch den Schutz des AGG beseitigen. Diese Grundsätze gelten jedoch bei der Besetzung von Stellen öffentlicher Arbeitgeber nur eingeschränkt. Während der private Arbeitgeber im Rahmen der oben dargelegten Grundsätze frei ist, welche Anforderungen er in seiner Stellenausschreibung an Bewerber stellt und ob er dann bei seiner Auswahlentscheidung von einzelnen dieser geforderten Qualifikationen abweicht, hat der öffentliche Arbeitgeber Artikel 33 Abs. 2 GG zu beachten. Hiernach besteht nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung Anspruch auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter in diesem Sinne sind auch Stellen, die mit Arbeitern und Angestellten besetzt werden. Artikel 33 Abs. 2 GG dient dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes, begründet auch ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung des Bewerbers in die Auswahl und auf deren Durchführung anhand der in der Regelung – hier der Stellenausschreibung – genannten Auswahlkriterien (BAG 16.02.2012 a.a.O. Rn. 36).
73Die in Artikel 33 Abs. 2 GG genannten Gesichtspunkte der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung sind die allein maßgeblichen Kriterien für die Bewerberauswahl. Der Bezugspunkt dieser Kriterien wird durch das Anforderungsprofil bestimmt, das der künftige Stelleninhaber erfüllen muss. Über die Einrichtung und nähere Ausge-staltung von Dienstposten entscheidet grundsätzlich der Dienstherr nach seinen organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten (BAG 16.02.2012 a.a.O. Rn. 37).
74Mit der Bestimmung eines Anforderungsprofils für die zu vergebende Stelle legt er die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest; an ihm werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber gemessen. Mit der Festlegung des Anforderungsprofils wird ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen. Zugleich bestimmt der öffentliche Arbeitgeber mit ihm den Umfang seiner der eigentlichen Auswahlentscheidung vorgelagerten verfahrensrechtlichen Verpflichtung nach § 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX (BAG 16.02.2012 a.a.O. Rn. 3). Für die Dauer des Auswahlverfahrens bleibt der Arbeitgeber an das in der veröffentlichten Stellenbeschreibung bekanntgegebene Anforderungsprofil gebunden (BAG 16.02.2012 a.a.O. Rn. 39).
75Unter Beachtung dieser Grundsätze bestehen nach Maßgabe des in der Stellenausschreibung des Beklagten niedergelegten Anforderungsprofils an der objektiven Eignung des Klägers keine Zweifel. Er ist Kommunikationselektroniker und verfügt über umfangreiche Kenntnisse und entsprechende praktische Erfahrungen. Dass ihm die geforderten persönlichen Eigenschaften fehlen, hat der Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Insbesondere konnte die Kammer nicht im Hinblick auf den gegen das Land Nordrhein-Westfalen geführten Kündigungsschutzprozess davon ausgehen, dass es dem Kläger an der persönlichen Eigenschaft der Eigenverantwortung und Integrität fehlt. Er hat sich in dem Kündigungsschutzverfahren mit dem Land Nordrhein-Westfalen vor Aufklärung des Kündigungssachverhalts am 30.01.2013 gütlich geeinigt. Auch der Strafprozess ist ohne abschließende Sachverhaltsaufklärung beendet worden.
76c. Der Beklagte hat den Kläger jedoch nicht wegen seiner Behinderung weniger günstig behandelt.
77aa. Der Kausalzusammenhang zwischen der Behinderung und der Benachteiligung ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch sie motiviert ist (BAG 16.02.2012 a.a.O. Rn. 42). Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund, d.h. dass die Behinderung das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass die Behinderung Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat. Auch auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 16.02.2012 a.a.O. Rn. 42).
78Nach § 22 AGG genügt der Beschäftigte seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Das ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist (BAG 16.02.2012 a.a.O. Rn. 43).
79Hier stellt sich die unterlassene Einladung zum einem Vorstellungsgespräch als Indiz für einen Kausalzusammenhang dar. Unterlässt es der öffentliche Arbeitgeber entgegen § 82 Satz 2 SGB IX, den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, so ist dies eine geeignete Hilfstatsache nach § 22 AGG (BAG 16.02.2012 a.a.O. Rn. 46).
80Dem Beklagten war die Schwerbehinderung des Klägers aufgrund der Angaben in seinem Bewerbungsschreiben vom 10.01.2013 bekannt. Gleichwohl hat er ihn nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, auch nicht – soweit ersichtlich – die Personal- und Schwerbehindertenvertretung nach § 81 Abs. 1 Satz 4, Satz 9 SGB IX unterrichtet.
81bb. Er hat die Indizwirkung dieser Tatsachen jedoch widerlegt.
82Die durch die im Rahmen des § 22 AGG dargelegten Hilfstatsachen ausgelöste Vermutung einer Diskriminierung kann vom Arbeitgeber widerlegt werden. Er trägt insoweit in Darlegungs- und Beweislast. Er muss das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung des Schwerbehinderten insbesondere durch Unterlassen einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nicht (auch) auf der Behinderung beruht. Es müssen ausschließlich andere Gründe als die Behinderung für die ungünstige Behandlung maßgeblich sein (BAG 24.01.2013 – 8 AZR 188/12 – Rn. 41, ZTR 2013, 451).
83Dabei können auf Seiten des Arbeitgebers nur Gründe herangezogen werden, die weder einen Bezug zu der Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung des Bewerbers berühren. Denn § 82 Satz 3 SGB IX enthält eine Sonderregelung, die dem Arbeitgeber nur dann erlaubt, von einer Einladung abzusehen, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Im Übrigen hat unabhängig von der (Vor-) Beurteilung der fachlichen Eignung eine Einladung zu erfolgen (BAG 24.01.2013 a.a.O. Rn. 42).
84Der Beklagte hat nach seinem Vortrag den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, weil er während des Arbeitsverhältnisses mit dem Land Nordrhein-Westfalen in den Verdacht geriet, in der F M über seinen dienstlichen Rechner illegal Daten heruntergeladen und sich damit strafbar gemacht zu haben. Das Land Nordrhein-Westfalen kündigte sein Arbeitsverhältnis im November 2012 außerordentliche fristlos, nachdem das Amtsgericht M das gegen ihn geführte Strafverfahren gemäß § 153 a Abs. 1 StPO eingestellt hatte.
85Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 POG NRW ist der Landrat des Beklagten als F im H tätig, ist mithin Organ des Landes Nordrhein-Westfalen und war Dienstvorgesetzter des Klägers. Gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW ist der Landrat aber auch Dienstvorgesetzter der Bediensteten des Kreises.
86Es bedarf angesichts der Doppelfunktion des Landrats keiner weiteren Erörterung, dass ihm die Probleme in dem Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem Land Nordrhein-Westfalen bekannt waren und er als F die Kündigung des vormaligen Arbeitsverhältnisses zu verantworten hatte, die in seinem Namen von dem Abteilungsleiter P P unterzeichnet wurde.
87Wenn der Beklagte sich nunmehr darauf beruht, dass es ihm nicht abgefordert werden könne, im Hinblick auf die seiner Auffassung nach gegebenen Charaktermängel den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, bringt er zum Ausdruck, dass das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Landrat als seinem Dienstvorgesetzten bei dem Beklagten von vornherein fehlt. Dass der Kläger charakterlich ungeeignet ist, vermag die Kammer nicht zu beurteilen. Weder ist eine schuldhafte Pflichtverletzung in dem arbeitsgerichtlichen Prozess noch ist eine schuldhafte Straftat in dem Verfahren vor dem Amtsgericht M festgestellt worden. Die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses ist jedoch unmittelbar nachvollziehbar.
88Entgegen der Auffassung des Klägers ist es im Hinblick auf die Doppelfunktion des Landrats unerheblich, dass der Beklagte ein anderer Arbeitgeber als das Land Nordrhein-Westfalen ist. Dem Landrat ist schwerlich abzufordern, sein Vertrauen in die persönliche Integrität des Klägers zu teilen, ihm als Organ des Landes Nordrhein-Westfalen zu misstrauen, ihm aber im Bewerbungsverfahren für eine Position bei dem Beklagten zunächst Vertrauen entgegenzubringen.
89Nach Auffassung der Kammer ist es auch nicht von Bedeutung, ob der Verdacht gegen den Kläger zu Recht oder Unrecht bestand, ob er die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zu seinem vormaligen Arbeitgeber schuldhaft verursacht hat. Die Kammer hatte nur festzustellen, ob die Motive des Beklagten, den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, in einem Zusammenhang mit seiner Behinderung stehen. Nach dem schlüssigen Vortrag des Beklagten, dem Kläger nicht erheblich entgegengetreten ist, ist das gerade nicht der Fall.
90B.
91Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO.
92Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.