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1. Das Gebot der Rechtsschutzgleichheit von bemittelten und unbemittelten Parteien erfordert es bei der Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags, dass hinsichtlich der richterlichen Hinweispflichten ein ebenso strenger Maßstab anzulegen ist, wie in einem Hauptsacheverfahren. Entsprechendes gilt, wenn im laufenden Verfahren nach Einholung einer Auskunft zu Beweiszwecken ohne nähere Hinweise zur Sach- und Rechtslage über das Prozesskostenhilfegesuch abschlägig entschieden wird.
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO ist der Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtstaatsprinzip wird es nicht gerecht, wenn nicht bezogen auf diesen Zeitpunkt über das Prozesskostenhilfegesuch entschieden wird.
3. Eine Klage ist mutwillig im Sinne des § 114 S. 1 ZPO, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde.
Es ist grundsätzlich als mutwillig in diesem Sinne anzusehen, wenn vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abhängige Zahlungsansprüche noch vor der Entscheidung über die Kündigungsschutzklage im Wege der Klageerweiterung geltend gemacht werden. Etwas anderes gilt dann, wenn tarifliche oder einzelvertragliche Ausschlussfristen oder Verjährungsfristen einzuhalten sind und die Gegenpartei sich weigert, eine Erklärung abzugeben, sie werde sich auf den Ablauf einer Ausschluss- oder Verjährungsfrist nicht berufen.
4. Unabhängig von den teilweise unterschiedlichen Voraussetzungen ist jedenfalls in den Fällen, in denen die Gegenseite anwaltlich vertreten ist, in dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe auch ein Antrag auf Beiordnung nach § 11 a Abs. 1 ArbGG zu sehen, soweit Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden kann.
5. Offensichtliche Mutwilligkeit im Sinne des § 11 a Abs. 2 ArbGG ist nicht gleichzusetzen mit der Mutwilligkeit im Sinne des § 114 S. 1 ZPO; diese reicht nicht aus, um eine Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 11 a Abs. 1 ArbGG zu verweigern. Dementsprechend kann eine solche Beiordnung für vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abhängige Zahlungsansprüche erfolgen.
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird unter ihrer Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 11. Mai 2012 (1 Ca 1291/11) teilweise abgeändert.
Dem Kläger wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe für den Antrag zu 1) aus der Klageschrift vom 26. Oktober 2011 mit Wirkung vom 17. Februar 2012 bewilligt.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Dem Kläger wird für den Antrag zu 1) aus der Klageschrift vom 26. Oktober 2011 sowie für den Antrags zu 2) aus dem Schriftsatz vom 22. Juni 2012, soweit er auf Zahlung von Karenzentschädigung bis zum 30. Juni 2012 gerichtet ist, Rechtsanwalt B1 aus V1 beigeordnet mit der Maßgabe, dass Mehrkosten für die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts nur bis zur Höhe der Kosten für die Beiordnung eines Verkehrsanwalts zu erstatten sind.
Im Übrigen wird eine Beiordnung zurückgewiesen
Die Bewilligung und die Beiordnung erfolgen mit der Maßgabe, dass der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.
Eine Beschwerdegebühr ist nicht zu erheben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
2I. Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen zwei zum 31. Oktober 2011 ausgesprochene Kündigungen, davon eine als ordentliche ausgesprochene Kündigung vom 6. Oktober 2011 sowie eine als außerordentliche mit Auslauffrist erklärte Kündigung vom 19. Oktober 2011, sowie eine Klage auf Zahlung bzw. Feststellung einer entsprechenden Pflicht gerichteten Klage auf Karenzentschädigung.
3Der Kläger war bei der Beklagten als Vertriebsleiter seit spätestens 5. Juli 2011 beschäftigt. Der schriftliche Arbeitsvertrag sah eine Probezeit von drei Monaten mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen zum 15. oder Monatsende vor, danach beträgt die Kündigungsfrist drei Monate zum Quartalsende. Des Weiteren war nach Ablauf der Probezeit ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für insgesamt ein Jahr vereinbart.
4Am 6. Oktober 2010 erschien die Laborleiterin und Lebensgefährtin des Geschäftsführers der Beklagten im Büro des Klägers, in dem auch die ihm untergebenen Vertriebsmitarbeiter anwesend waren. Sie hielt ihm empört ein geöffnetes Paket mit Erotikartikeln vor, das ausweislich eines - angeblich - beigefügten Lieferscheins von ihm bestellt worden sei. Sie las die bestellten Artikel vor und gab ihrer Empörung Ausdruck. Danach wurde der Kläger vom Geschäftsführer freigestellt und erstmals mit Schreiben vom 6. Oktober 2011 zum 31. Oktober 2011 gekündigt. In diesem Kündigungsschreiben (Anlage K2 zur Klageschrift) erklärte die Beklagte ihren „gleichzeitigen Verzicht auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot".
5Der Kläger hat tatsächlich am 29. September 2011 über den Firmenrechner die besagten Artikel unter seiner Mailadresse bei der Beklagten über die Fa. A1 bestellt, jedoch als Lieferadresse seine Wohnanschrift angegeben. Hier wurde das Paket ausweislich einer Auskunft der Fa. A1 am 1. Oktober 2011 ausgeliefert und vom Vermieter des Klägers in Empfang genommen.
6In seinem außergerichtlichen Schreiben vom 12. Oktober 2012 setzte sich der Kläger gegen die Kündigung zu Wehr und äußerte den Vorwurf, die Beklagte habe von langer Hand geplant, ihn vor der Mitarbeiterschaft zu kompromittieren, um ihn dann auf billige Weise los zu werden. Der von ihr beauftragte IT-Consultant habe sein E-Mail-Konto geöffnet, die vorangegangene Bestellung habe sie auf seinen Namen wiederholt, allerdings mit ihrer Anschrift als Lieferanschrift, und sodann den Eingang des Päckchens abgewartet. Wegen dieses Vorwurfs und anderer (Versand wichtiger Firmendaten an private E-Mail-Adresse), welche die Beklagte im Prozess dahingehend erweitert hat, dass der Kläger einen Konkurrenzbetrieb gefördert und einen Großteil der Arbeitszeit privat im Internet gesurft habe, unter anderem auch zu Seiten mit pornographischen Inhalten, kündigte die Beklagte unter dem 19. Oktober 2011 mit sozialer Auslauffrist erneut zum 31. Oktober 2011.
7Der Kläger hat am 27. Oktober 2011 Klage auf Unwirksamkeit der beiden Kündigung und Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. März 2012 erhoben sowie die Feststellung verlangt, dass das Wettbewerbsverbot nicht durch die Erklärung der Beklagten vom 6. Oktober 2011 aufgehoben worden und die Beklagte zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet ist. Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2012 hat er die Zahlung von Karenzentschädigung bis 30 Juni 2012 und für die weitere Zeit bis 31. März 2013 die Feststellung einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung verlangt. Mit Schriftsatz vom 29. November 2011 beantragte der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe, dem Antrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, jedoch ohne Belege beigefügt. Am 17. Februar 2012 reichte er diverse Belege nach. Unter dem 20. Februar 2012 verfügte die Rechtspflegerin nach Prüfung:
8Vorlage Hr. Dez.:
9… . Es kann PKH ohne Raten gewährt werden.
10Die Akte wurde mehrfach auf Frist gelegt, zuletzt vom Vorsitzenden unter dem 23. März 2012 zum 12. April 2012. Zuvor hatte er unter dem 19. März 2012 die Anfrage wegen der einzuholenden Auskunft bei der Fa. A1 verfügt. Diese wurde am 10. April 2012 erteilt. Die Parteien nahmen hierzu bis zum 5. Mai 2012 Stellung.
11Mit der hier angefochtenen Entscheidung vom 11. Mai 2012 lehnte das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ab. Die vom Kläger aufgestellte Behauptung in seinem außergerichtlichen Schreiben vom 12. Oktober 2012 sei in hohem Maße ehrenrührig und nicht mehr von der Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt. Dafür sei der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Aus der Auskunft der Fa. A1 ergebe sich keine erneute Bestellung der Artikel an die Anschrift der Beklagten. Es bestehe ein wichtiger Grund für die Kündigung, nach Interessenabwägung sei der Beklagten die Fortsetzung auch nicht mehr zumutbar.
12Der Beschluss wurde dem Kläger am 15. Mai 2012 zugestellt, hiergegen richtet sich die am 15. Juni 2012 eingelegte und mit dem Schriftsatz vom 22. Juni 2012 begründete Beschwerde. Dieser half das Arbeitsgericht mit der den Parteien mitgeteilten Begründung, der Kläger habe seine Behauptung nicht unter Beweis gestellt, zumindest nicht substanziiert dargelegt, nicht ab.
13II. Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist überwiegend begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Antrag zu 1) aus der Klageschrift, gerichtet auf Feststellung der Unwirksamkeit zweier Kündigungen und Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. März 2012, mangels Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO zurückgewiesen. Im Übrigen war die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu versagen.
141. Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das Prozesskostenhilfegesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt. Der Rechtsstandpunkt des Antragsstellers muss aus der Sicht des Gerichts zumindest vertretbar und ein Prozesserfolg unter Berücksichtigung des gegnerischen Prozessvorbringens wahrscheinlich sein (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 6. Auflage, 2012, Rn. 408 f. m. w. N.). Verweigert werden darf die Prozesskostenhilfe nur dann, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, 13. März 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413; 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05, NJW 2005, 3489). § 114 ZPO sieht die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vor, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (vgl. BVerfG, 10. August 2001, 2 BvR 569/01, AP GG Art. 19 Nr. 10). Der Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei muss vom Gericht aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar gehalten werden (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 29. Auflage, 2012, § 114 Rn. 19 m. w. N.). Es darf keine vorweggenommene Entscheidung der Hauptsache im Rahmen der Prozesskostenhilfeprüfung erfolgen. Die Prüfung der Erfolgsaussichten dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (vgl. BVerfG, 13. März 1990, a. a. O.; 13. Juli 2005, a. a. O.).
152. Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall war dem Kläger Prozesskostenhilfe für seine Klage gegen die Kündigungen vom 6. Oktober 2011 und 19. Oktober 2011 zum 31. Oktober 2011 sowie auf Feststellung des Fortbestandes bis zum 31. März 2012 zu bewilligen. Insbesondere besitzt die Klage gegen die außerordentliche Kündigung vom 19. Oktober 2011 hinreichende Aussicht auf Erfolg.
16a) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann nicht bereits im Prozesskostenhilfeverfahren davon ausgegangen werden, dass diese Kündigung der Beklagten wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes wirksam ist. Die Erwägungen des Arbeitsgerichts sind typischerweise solche, wie sie dem Hauptsacheverfahren bei einem derart komplexen Sachverhalt vorbehalten bleiben. Das Arbeitsgericht verlagert mit seiner Vorgehensweise den Rechtsschutz, den Prozesskostenhilfe ermöglichen soll, in das Prozesskostenhilfeverfahren selbst. Dies ist unzulässig.
17b) Dies gilt erst recht im Hinblick darauf, dass entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts der Kläger nicht die Beweislast dafür trägt, dass seine Behauptung in seinem außergerichtlichen Schreiben vom 12. Oktober 2011 zutrifft. Insoweit hat die Beklagte weiterhin zu widerlegen, dass die zweite Bestellung tatsächlich nicht durch sie veranlasst wurde. Aus der vom Arbeitsgericht zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 24. November 1983, 2 AZR 327/82, AP BGB § 626 Nr. 76) folgt nichts anderes. Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung dem Arbeitgeber weiterhin die Beweislast für die Tatsachen auferlegt, die einen Rechtfertigungsgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers ausschließen. Der Arbeitnehmer ist jedoch nach § 138 Abs. 2 ZPO zu einer substantiierten Einlassung hinsichtlich des von ihm behaupteten Rechtfertigungsgrundes verpflichtet.
18c) Soweit das Arbeitsgericht die Ablehnung der Bewilligung darauf stützt, nach Erteilung der Auskunft durch die Fa. A1 vom 7. April 2012, welche eine zweite Bestellung nicht belege, sei der Kläger zu einer Substantiierung seines Vorbringens verpflichtet, die nicht vorliege, fehlt es schon an einem entsprechenden vorherigen Hinweis des Arbeitsgerichts. Das Gebot der Rechtsschutzgleichheit von bemittelten und unbemittelten Parteien erfordert es bei der Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags, dass hinsichtlich der richterlichen Hinweispflichten ein ebenso strenger Maßstab anzulegen ist, wie in einem Hauptsacheverfahren (vgl. BVerfG, 12. November 2007, 1 BVR 48/05, FamRZ 2008, 131). Verbleibende Ungewissheiten bezüglich des Vortrags eines Antragstellers können und müssen im Prozesskostenhilfeverfahren durch diesbezügliche Hinweise ausgeräumt werden, wenn dies für die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung ausschlaggebend ist. Denn einer bemittelten Partei steht im Hauptsacheverfahren die Möglichkeit offen, auf einen entsprechenden Hinweis Substantiierungsmängel zu beheben und in der mündlichen Verhandlung etwaige Missverständnisse aufzuklären (vgl. BVerfG, 12. November 2007, a. a. O.; LAG Hamm, 21. Juni 2011, 5 Ta 334/11, LAGE, § 114 ZPO 2002 Nr. 16). Entsprechendes gilt, wenn wie hier noch im laufenden Verfahren ohne abschließende Entscheidung nach Einholung einer Auskunft zu Beweiszwecken ohne nähere Hinweise zur Sach- und Rechtslage, wie sie sich nunmehr darstellt, über das Prozesskostenhilfegesuch abschlägig entschieden wird.
19Im Übrigen führt der Mangel an genügenden Erkenntnissen für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung im Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht dazu, die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag auf einen Zeitpunkt nach Erlass des Urteils hinauszuschieben, sondern dazu, dass Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist (vgl. VGH München, 7. Februar 2005, 10 C 05.83, NJW 2005, 1677). Entsprechendes gilt, wenn wie hier nach einer erteilten Auskunft noch Substantiierungsmängel (nunmehr) bestehen (sollen). Das Arbeitsgericht wertet zudem die Auskunft der Fa. A1 nur unvollständig aus, wenn es darauf abstellt, dass nur eine Lieferung mit den vom Kläger bestellten Erotik-Artikeln ausgeliefert worden ist. Die Bestellung vom 29. September 2011 wurde am 1. Oktober 2011, und zwar wie vom Kläger in der Bestellung angegeben, an seine Wohnanschrift ausgeliefert und von seinem Vermieter in Empfang genommen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger das Paket in den Betrieb mitgenommen hat. Die Beklagte selbst hat in ihrer Stellungnahme zur Auskunft angegeben, dass der Vermieter auf ihre Nachfrage hin verneint habe, das Paket in den Betrieb gebracht zu haben. Es stellt sich damit erst recht die Frage, wie die Lebensgefährtin des Geschäftsführers der Beklagten am 6. Oktober 2011 an ein angeblich an den Kläger adressiertes Paket mit gleichem Inhalt kommt. Das gilt insbesondere unter Berücksichtigung seines vor Erlass der hier angefochtenen Entscheidung bereits im Hauptsacheverfahren erfolgten Vortrags, dass
20- die Post grundsätzlich nicht von der Lebensgefährtin des Geschäftsführers, welche im Labor arbeite, in Empfang genommen werde, sondern von der Mitarbeiterin L1, die ein Paket am 6. Oktober 2011 nicht erhalten habe und ansonsten bei Eingang von Privatpost den Kläger gerufen hätte;
21- der Lieferschein in dem von der Lebensgefährtin des Geschäftsführers geöffneten und dem Kläger übergebenen Päckchen gefehlt habe;
22- die Lebensgefährtin des Geschäftsführers der Beklagten einen Ausdruck der Bestellung in der Hand gehalten habe, obwohl der Kläger die Bestellung im Büro nicht ausgedruckt habe;
23die dazu vom Kläger vorgelegte Anlage K7 ergibt, dass dieser Ausdruck unter dem 5. Oktober 2011 für „Hauptidentität" erfolgte, so dass auf den ersten Blick es zutreffen könnte, dass der Ausdruck dieser an den Kläger gerichteten E-Mail am Tag vor der angeblichen Lieferung nicht vom Rechner und/oder dem E-Mail-Konto des Klägers stammt, weil andernfalls der Name des Klägers statt „Hauptidentität" als Überschrift des Ausdrucks vorhanden wäre wie z. B. auf der von der Beklagten vorgelegten Anlage B1;
24- der Geschäftsführer nach der Lebensgefährtin im Büro erschienen sei und erklärt habe, so etwas gehe auf keinen Fall; man habe den Rechner des Klägers überprüft, dabei sei die Bestellung des Klägers bei einem Erotik-Versand an die Firmenanschrift festgestellt worden;
25- eine versehentliche Doppellieferung ausgeschlossen sei;
26- im fraglichen Zeitraum keine weitere gleichlautende Bestellung vom Kreditkartenkonto des Klägers gemäß der von ihm vorgelegten Anlage K8 abgebucht wurde.
27Vor diesem Hintergrund ist die Annahme des Arbeitsgerichts nicht haltbar, es bestehe keine Erfolgsaussicht für die Klage, weil der Kläger seine ehrenrührige Behauptung, die Beklagte habe eine zweite Bestellung veranlasst, um ihn zu kompromittieren und billig los zu werden, nicht substanziiert habe. Zwar ist es zutreffend, dass die Auskunft nicht belegt, dass über sein von ihm angelegtes Konto bei der Fa. A1 auf seinen Namen und mit der Büroanschrift der Beklagten als Lieferadresse eine weitere Bestellung erfolgt ist. Der Ausdruck vom 5. Oktober 2011 (Anlage K7) legt aber derzeit die Vermutung nahe, dass die Lebensgefährtin des Geschäftsführers der Beklagten, der Geschäftsführer selbst und/oder ihr Systemadministrator schon vor dem fraglichen Vorfall am 6. Oktober 2011 Zugriff auf das E-Mail-Konto des Klägers genommen haben. Dies hat der Geschäftsführer zudem am 6. Oktober 2011 im Büro des Klägers erklärt. Dann bestand die Möglichkeit für ihn und seine Lebensgefährtin, in der vom Kläger behaupteten Weise, wenn auch nicht über sein Kundenkonto bei A1, sondern über ein von ihnen unter seinem Namen angelegtes weiteres Kundenkonto oder anderweitig die Artikel erneut zu beschaffen. Selbst wenn also über die Fa. A1 keine erneute Bestellung vorgenommen worden sein sollte, könnte der Kern des klägerischen Vorwurfs gegenüber der Beklagten, den Vorgang am 6. Oktober 2011 nur inszeniert zu haben, um ihn zu kompromittieren, durchaus zutreffen.
28d) Die vom Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung vorgenommene Interessenabwägung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist außerdem unvollständig. Das Arbeitsgericht setzt sich lediglich pauschal und schlagwortartig damit auseinander, dass die vom Kläger aufgestellte Behauptung das zulässige Maß an Wahrnehmung berechtigter Interessen während eines Rechtsstreits angeblich übersteigen und nach Abwägung der Interessen beider Parteien eine Weiterbeschäftigung über den 31. Oktober 2011 hinaus der Beklagten angeblich nicht zumutbar sein soll. Es würdigt mit keinem Wort das – vorsichtig ausgedrückt – sachlich nicht nachvollziehbare Verhalten der Lebensgefährtin des Geschäftsführers der Beklagten, die den Kläger mit dem „delikaten" Inhalt des Pakets öffentlich konfrontiert und vor den ihm untergebenen Mitarbeitern bloßgestellt hat. Dass angesichts eines solch grob rechtswidrigen Eingriffs in sein Persönlichkeitsrechts, von dem sich der Geschäftsführer der Beklagten offensichtlich nicht distanziert, sondern es sich als Grund für den Ausspruch der ersten Kündigung zu eigen gemacht hat, der Kläger sodann mit starken Worten seine eigenen Interessen gerichtlich und außergerichtlich wahrnimmt, könnte die Beklagte angesichts des Vorverhaltens der für sie handelnden Personen hinzunehmen haben.
29e) Zudem lag ein vollständiges und bewilligungsfähiges Prozesskostenhilfegesuch bereits am 17. Februar 2012 vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger die noch fehlenden Unterlagen für sein Prozesskostenhilfegesuch nachgereicht. Ausweislich des Akteninhalts wurde die Akte am 20. Februar 2012 mit dem Vermerk: „Es kann PKH ohne Raten gewährt werden." dem Vorsitzenden vorgelegt. Selbst wenn man akzeptiert, dass aufgrund einer Abwesenheit des zuständigen Kammervorsitzenden über das Gesuch nicht sofort entschieden wurde, bleibt es nicht nachvollziehbar, warum am 23. März 2012 der Vorsitzende lediglich eine Wiedervorlage am 12. April 2012 verfügte, statt über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden. Dies war offensichtlich verfahrenswidrig. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum im Zusammenhang mit der Abfassung des Auskunftsersuchens gegenüber der Fa. A1, was ausweislich des Akteninhalts der Hauptakte (Bl. 144 d. A.) am 19. März 2012 erfolgte, nicht über das Prozesskostenhilfegesuch entschieden wurde. Zu diesem Zeitpunkt bestand offensichtlich eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Bestandsschutzklage des Klägers. Dem stand nicht entgegen, dass die Parteien sich zuvor bis zur Einholung der Auskunft damit einverstanden erklärt hatten, dass das Verfahren „ruhend gestellt" wird und daraufhin das Arbeitsgericht unter dem 24. Februar 2012 mitteilte, das ein neuer Termin erst auf Antrag der Parteien anberaumt werde. Ein „Ruhen des Verfahrens" im Sinne des § 251 ZPO lag nicht vor, weil das Verfahren durch Einholung der Auskunft weiter betrieben werden sollte.
30Die Verfahrensweise des Arbeitsgerichts, über das Prozesskostenhilfegesuch erst nach Erteilung der Auskunft zu entscheiden, stellt eine unzulässige Betrachtung im Nachhinein dar und verkennt damit die Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtstaatsprinzip (vgl. BVerfG, 13. Juli 2005, 1 BVR 175/05, NJW 2005, 3489; 19. Dezember 2007, 1 BVR 2036/07, FamRZ 2008, 581). Auch wenn grundsätzlich der Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgeblich für die Prüfung der Erfolgsaussichten ist, geht es nicht zu Lasten einer Partei, wenn wie hier das Gericht die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch ohne nachvollziehbaren Grund verzögert (unzutreffend daher Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs/Dürbeck, a. a. O., Rn. 423, 427). Den verfassungsrechtlichen Anforderungen wird es nicht gerecht, wenn nicht zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife über das Prozesskostenhilfegesuch entschieden wird. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO ist demnach der Zeitpunkt der Bewilligungsreife oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs (vgl. LAG Düsseldorf, 29. November 1999, 15 Ta 553/99, LAGE, § 114 ZPO Nr. 36; LAG Rheinland-Pfalz, 1. April 2008, 9 Ta 53/08, NZA-RR 2008, 604; Zöller/Geimer, a. a. O., § 119 Rn. 46). Eine Verschlechterung der Erfolgsaussichten durch ein zwischenzeitlich erstelltes Gutachten oder wie hier durch eine Auskunft, kann nur dann zu Lasten der Partei gehen, wenn die Bewilligungsreife erst nach Eingang des Gutachtens bzw. der Auskunft eintritt (vgl. dazu LAG Hamm, 12. Mai 2003, 18 Ta 240/03, juris).
31f) Soweit die Beklagte die außerordentliche Kündigung auf weitere Gründe stützt (Versendung von Betriebsinterna an Dritte, private Internetnutzung des dienstlich zur Verfügung gestellten Laptops), sind diese in ihren Einzelheiten streitig. Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Bestandsschutzklage gegen die Kündigungen ist auch hier gegeben.
323. Dagegen war die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den nunmehr angekündigten Antrag zu 2) wegen Mutwilligkeit im Sinne des § 114 ZPO zu verweigern.
33a) Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (vgl. BAG, 28. April 2003, 2 AZB 78/02, ZIP 2003, 1947; Zöller/Geimer, a. a. O., § 114 ZPO Rn. 30; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs/Dürbeck, a. a. O., Rn. 447). Eine Partei darf in ihrem prozessualen Verhalten nicht von demjenigen abweichen, was eine verständige und ausreichend bemittelte Partei in der gleichen prozessualen Lage zeigen würde (vgl. LAG Hamburg, 1. Dezember 2003, 6 Ta 23/03, juris). Sie darf nicht durch kostenträchtiges Prozessieren von dem abweichen, was eine bemittelte Partei in gleicher Situation tun würde. Vielmehr muss sie das Kostenrisiko vernünftig abwägen. Es ist nicht Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe, auf Kosten der Allgemeinheit bedürftigen Parteien Prozesse zu ermöglichen, die eine vermögende Partei bei vernünftiger und sachgerechter Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht führen würde (vgl. LAG Berlin, 29. November 2005, 17 Ta 1981/05, NZA-RR 2006, 214; LAG Hessen, 16. Februar 2005, 16 Ta 13/05, juris; 21. Oktober 2005, 2 Ta 253/05, RVGreport 2006, 79). Dabei kann nicht auf eine rechtschutzversicherte Partei abgestellt werden, Maßstab ist vielmehr eine nicht hilfsbedürftige selbstzahlende Partei ohne Rechtschutzversicherung (vgl. LAG Hamm, 16. Dezember 2004, 4 Ta 355/04, juris; 28. Juni 2005, 4 Ta 415/05, juris).
34Danach ist es grundsätzlich als mutwillig anzusehen, wenn die vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abhängigen Zahlungsansprüche noch vor der Entscheidung über die Kündigungsschutzklage selbständig oder im Wege der Klageerweiterung geltend gemacht werden (vgl. LAG Hamm, 12. Juni 2009, 14 Ta 834/08, juris). Etwas anderes gilt dann, wenn tarifliche oder einzelvertragliche Ausschlussfristen oder Verjährungsfristen einzuhalten sind und die Gegenpartei sich weigert, eine Erklärung abzugeben, sie werde sich auf den Ablauf einer Ausschluss- oder Verjährungsfrist nicht berufen. Solange weder Verjährungs- noch Verfallfristen greifen oder eine Erklärung des Arbeitgebers vorliegt, dass auf die Geltendmachung dieser Fristen verzichtet wird, ist die klageweise Geltendmachung von Zahlungsansprüchen aus Annahmeverzug nicht erforderlich. Die Partei kann den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses in der Regel abwarten. Im Hinblick auf den Ausschluss der Erstattung außergerichtlicher Kosten in dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht (vgl. § 12 a ArbGG) verzichtet eine Partei, die diese Kosten selbst tragen muss, vor einer Klärung der vorgreiflichen Frage des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses auf die gerichtliche Geltendmachung etwaiger daraus resultierender Zahlungsansprüche, wenn ein Verlust dieser Ansprüche aus anderen Gründen nicht droht. Hätte sie die Kosten des Rechtsstreits aus eigener Tasche zu bezahlen, stünde nicht zu erwarten, dass sie eine permanente Verteuerung des Prozesses für ständige Klageerweiterungen auf Gehaltszahlungen bedenkenlos durchführen würde. Allein die Tatsache, dass die Staatskasse die Kosten der Prozessführung vorläufig übernimmt, kann zu keiner anderen Sichtweise führen (vgl. LAG Hamm, 12. Juni 2009, 14 Ta 834/08, juris, LAG Rheinland-Pfalz, 22. März 2004, 2 Ta 51/04, juris).
35b) Im vorliegenden Fall ist die gerichtliche Geltendmachung der Karenzentschädigung ab 1. April 2012 im Hinblick auf die zwischen den Parteien strittige Frage der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 19. Oktober 2012 mit Auslauffrist bis zum 31. Oktober 2011 nicht erforderlich. Dies gilt auch im Hinblick auf die zwischen den Parteien vereinbarte Ausschlussfrist in Nr. 17a Arbeitsvertrag. Danach erlöschen Ansprüche des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie gegenüber der anderen Vertragspartei nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Zwar werden auch Ansprüche auf Zahlung einer Karenzentschädigung von einer solchen Ausschlussfrist grundsätzlich erfasst (vgl. BAG, 17. Juni 1997, 9 AZR 801/95, NZA 1998, 258; 22. Juni 2005, 10 AZR 459/04, AP TVG § 4 Nr. 183). Eine schriftliche Geltendmachung erfordert jedoch keine gerichtliche Geltendmachung. Eine Klageerhebung ist zur Sicherung der Ansprüche deswegen nicht erforderlich. Sie ist im Übrigen durch Erhebung der Klage gegen die Kündigungen auch gewahrt, soweit von dieser der Anspruch abhängig ist (std. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts seit BAG, 10. April 1963, 4 AZR 95/62, BAGE 14, 156)
364. Die Beiordnung des Rechtsanwalts des Klägers hatte sowohl für den Antrag zu 1) aus der Klageschrift vom 26. Oktober 2011 als auch teilweise für den Antrag zu 2) aus dem Schriftsatz vom 22. Juni 2012 zu erfolgen.
37a) Soweit dem Kläger Prozesskostenhilfe für den Antrag zu 1) bewilligt wurde, ist ihm aufgrund der anwaltlichen Vertretung der Gegenseite gemäß § 121 Abs. 2 Alt. 2 ZPO eine Rechtsanwalt beizuordnen.
38b) Für den Antrag zu 2) war dem Kläger gemäß § 11a Abs. 1 ArbGG ein Rechtsanwalt beizuordnen, soweit er Zahlung von Karenzentschädigung für die Zeit vom 1. April 2012 bis zum 30. Juni 2012, hilfsweise vom 1. November 2011 bis 30. Juni 2012 geltend macht; hinsichtlich des weitergehenden Antrages auf Feststellung einer entsprechenden Zahlungspflicht ab 31. März 2013, hilfsweise 31. Oktober 2012 hatte die Beiordnung wegen offensichtlicher Mutwilligkeit zu unterbleiben.
39aa) Die Verfahren der Beiordnung nach § 11a Abs. 1 ArbGG sowie der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Beiordnung eines Rechtsanwalts nach §§ 114 ff. ZPO stehen nebeneinander (vgl. LAG Hamm, 10. November 2008, 14 Ta 123/08, juris; 30. Dezember 2008, 14 Ta 118/08, juris; 30 Dezember 2008, 14 Ta 596/08, juris; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge/Schlewing, ArbGG, 7. Auflage, § 11 a Rn. 1; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs/Dürbeck, a. a. O., Rn. 25 f.; Schwab, NZA 1995, 115). Dieses Nebeneinander von Prozesskostenhilfe und Beiordnung nach § 11a ArbGG bedeutet jedoch nicht, dass ein Antrag auf Prozesskostenhilfe die Beiordnung nach § 11a Abs. 1 ArbGG ausschließt. Es genügt, wenn der Antragsteller eindeutig zum Ausdruck bringt, worauf sein Hauptbegehren gerichtet ist. Daraus folgt, dass unabhängig von den teilweise unterschiedlichen Voraussetzungen jedenfalls in den Fällen, in denen die Gegenseite anwaltlich vertreten ist, in dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe auch ein Antrag auf Beiordnung nach § 11a Abs. 1 ArbGG zu sehen ist, soweit Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden kann. Es kann dabei offen bleiben, ob die Beiordnung nach § 11a Abs. 1 ArbGG als ein Minus gegenüber dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe anzusehen ist (vgl. LAG Bremen, 26. Februar 1986 4 Ta 65/85, MDR 1986, 525; LAG Düsseldorf, 29. Oktober 1986, 14 Ta 445/86, LAGE ArbGG 1979 § 11 a Nr. 4; LAG Sachsen-Anhalt, 11. Juni 1997, 2 Ta 42/97; MDR 1997, 1131; Dänzer-Vanotti, NZA 1985, 619) oder es sich um einen hilfsweise gestellten Antrag auf Beiordnung handelt (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge/Schlewing, a. a. O.). In beiden Fällen ist, wenn das Arbeitsgericht die Beiordnung eines Rechtsanwalts ablehnt, in der Beschwerdeinstanz umfassend zu überprüfen, ob eine Beiordnung auch nach § 11a Abs. 1 ArbGG ausgeschlossen ist.
40Im vorliegenden Fall war die Gegenseite anwaltlich vertreten. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Beiordnung sind nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts, denen sich das Beschwerdegericht anschließt, erfüllt. Einer hinreichenden Erfolgsaussicht für die Klage auf Zahlung von Karenzentschädigung bzw. Feststellung einer entsprechenden Verpflichtung bedarf es nicht. Für die Beiordnung ist ausreichend, dass der Beklagte anwaltlich vertreten ist.
41bb) Eine Beiordnung hatte hinsichtlich der mit dem Haupt- und Hilfsantragantrag zu 2) bis zum 30. Juni 2012 geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht gemäß § 11a Abs. 2 ArbGG zu unterbleiben, wohl aber hinsichtlich des Antrages auf Feststellung einer darüber hinaus reichenden Zahlungsverpflichtung. Ein Unterbleiben der Beiordnung trotz anwaltlicher Vertretung der Gegenseite ist möglich, wenn sie aus besonderen Gründen nicht erforderlich oder wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich mutwillig ist.
42(1) Besondere Gründe im Sinne von § 11a Abs. 2 ArbGG können vorliegen, wenn ein Rechtsstreit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht sehr einfach gelagert ist. Die den Antrag stellende Partei darf offensichtlich keine Schwierigkeiten haben, ihre Interessen im Prozess ohne die Mitwirkung eines Rechtsanwalts sinnvoll wahr zu nehmen (vgl. LAG Köln, 11. Juli 2008, 11 Ta 185/08, AE 2009, 146). Entscheidend ist, ob die Partei aufgrund ihrer persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens in der Lage ist, den Prozess auch ohne Beiordnung eines Anwalts sachgerecht zu führen (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge/Schlewing, a. a. O, § 11a Rn. 67). Im vorliegenden Fall hängt die Zahlung der Karenzentschädigung von einer wirksamen Lossagung der Beklagten vom Wettbewerbsverbot ab, was wiederum von der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung abhängig ist. Es handelt sich evident nicht um einen sehr einfach gelagerten Fall.
43(2) Offensichtliche Mutwilligkeit im Sinne des § 11a Abs. 2 ArbGG ist nicht gleichzusetzen mit der Mutwilligkeit im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO, diese reicht nicht aus (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge/Schlewing, a. a. O., Rn. 69). Offensichtlich mutwillig ist eine Rechtsverfolgung, wenn auf den ersten Blick ohne nähere Prüfung erkennbar ist, dass sie erfolglos sein wird (vgl. LAG Hamm, 14. Januar 1971, 8 Ta 65/70, MDR 1971, 336; 7. Februar 2011, 14 Ta 510/10, juris; LAG Düsseldorf, 29. Oktober 1986, 14 Ta 245/86, LAGE ArbGG 1979 § 11 a Nr. 4). Nur in besonders klar liegenden Fällen aussichtsloser Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung kann der Beiordnungsantrag zurückgewiesen werden. Zu berücksichtigen ist, dass die gerade gegenüber einer rechtsunkundigen Partei das Gericht auch von seiner Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO Gebrauch machen muss. Von einer offensichtlichen Mutwilligkeit kann daher nur dann gesprochen werden, wenn trotz eines möglichen Hinweises des Gerichts eine Korrektur des Rechtsschutzbegehrens nicht mehr möglich ist (vgl. LAG Hamm, 7. Februar 2011, a. a. O.; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge/Schlewing, a. a. O., Rn. 69 f.).
44(a) Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt keine offensichtliche Mutwilligkeit vor, soweit es den Anspruch auf Zahlung von Karenzentschädigung bis zum 30. Juni 2012 betrifft. Das gilt für Haupt- und Hilfsantrag. Beide sind nicht erkennbar aussichtslos, sondern hängen von der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung zum 31. Oktober 2011 ab. Der im Kündigungsschreiben vom 6. Oktober 2011 erklärte Verzicht der Beklagten lässt gemäß § 75 a HGB den Anspruch auf Zahlung von Karenzentschädigung erst ein Jahr nach Zugang der Verzichtserklärung, d. h. (voraussichtlich) frühestens ab 7. Oktober 2012 entfallen. Eine wegen der Verfassungswidrigkeit des § 75 Abs. 3 HGB für den Arbeitgeber nur analog § 75
45Abs. 1 HGB mögliche Lösung vom Wettbewerbsverbot binnen eines Monats nach der Kündigung vom 19. Oktober 2011 hat die Beklagte nicht erklärt.
46(b) Hinsichtlich der mit Haupt- und Hilfsantrag zu 2) geltend gemachten Feststellungsanträge besteht evident kein Interesse an alsbaldiger Feststellung im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Es war zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht erkennbar, dass für den gesamten Karenzzeitraum bereits festgestellt werden kann, in welchem Umfang Karenzentschädigung zu leisten ist. Das gilt insbesondere im Hinblick auf mögliche Zwischenverdienste des Klägers durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Zudem ist nicht ersichtlich, dass allein aufgrund einer entsprechenden Feststellung die Beklagte freiwillig zahlen wird. Die Feststellungsanträge sind demnach nicht geeignet, den Streit der Parteien endgültig beizulegen. Eine solche Rechtsverfolgung ist bereits auf den ersten Blick ohne nähere Prüfung erkennbar aussichtslos.
47c) Die Beschränkung der Beiordnung hinsichtlich der Mehrkosten für die Beiordnung eines auswärtigen, nicht im Bezirk des Arbeitsgerichts ansässigen Rechtsanwalts folgt aus § 121 Abs. 3 und 4 ZPO (vgl. näher LAG Hamm, 18. August 2008, 7 Ta 519/08, AE 2009, 81; 15. August 2006, 5 Ta 445/06, AGS 2007, 142). Angesichts des aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgten Wohnsitzwechsels nach N1 zu seinen Eltern wäre die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes erforderlich, so dass die Mehrkosten für die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers bis zu dieser Grenze zu erstatten sind.
485. Im Hinblick auf den überwiegenden Erfolg des Klägers war es angemessen, ihm die Gebühr gemäß Nr. 8614 KV-GKG zu erlassen.
49Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.