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Unwirksame Befristung im öffentlichen Dienst:
- wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG [Vertetungsdeputat von 19 Stunden und 55 Minuten bei einer Stellenvakanz von nur 30 % einer Beamtentätigkeit]
- wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs im Sinne von BAG 19.07.2012 – 7 AZR 443/09 – (Nachfolgeentscheidung zu EuGH 26.01.2012 – C-586/10 – „Kücük“)
[Befristungskette über 9 Jahre und knapp einen Monat / 12 Verlängerungsverträge]
Das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 05.07.2012 – 2 Ca 1812/11 – wird auf die Berufung der Klägerin abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 30.11.2009 in Gestalt des Änderungsvertrags vom 29.07.2011 zum 30.09.2011 sein Ende gefunden hat.
Das beklagte Land wird verurteilt, die Klägerin über den 30.09.2011 hinaus für die Dauer des Rechtsstreits als Teilzeitbeschäftigte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 23 Stunden und 55 Minuten im Sozialdienst bei der JVA Münster zu im Übrigen unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten, ob das Arbeitsverhältnis durch die im Änderungsvertrag vom 29.07.2011 vereinbarte Befristung zum 30.09.2011 beendet worden ist.
3Die am 05.01.1970 geborene Klägerin ist Diplom-Sozialarbeiterin. Seit dem 02.09.2002 bis zum 30.09.2011 war sie auf der Grundlage zahlreicher befristeter Arbeitsverträge in der JVA Münster im Sozialdienst beschäftigt. Im Verlaufe der Beschäftigungszeit wurden 14 Verträge über eine befristete Tätigkeit abgeschlossen (Vertragskopien Anlagen K 1 – K 13 = Bl. 46-83 GA sowie Anlage zum Protokoll vom 14.02.2013 = Bl. 233-236GA):
4Vertrag vom 30.08.2002, Anlage K 1:
5Laufzeit 02.09.2002 „bis längstens 31. Juli 2003",
6insgesamt 22,00 Wochenstunden,
7Teilzeitbeschäftigung W3 8,5 Wochenstunden und Teilzeitbeschäftigung L1 13,50 Wochenstunden
8Vertrag vom 27.03.2003, Anlage K 2:
9Laufzeit ab 01.August 2003 „längstens bis zum 31. Juli 2004",
10insgesamt 22,00 Wochenstunden,
11Teilzeitbeschäftigung W3 und Teilzeitbeschäftigung L1
12Vertrag vom 30.04.2004, Anlage K 3:
13Laufzeit 01.August 2004 „längstens bis zum 31. Juli 2005",
14insgesamt 14,00 Wochenstunden,
15Teilzeitbeschäftigung L1 [laut Klägerin am selben Tag ersetzt durch Vertrag K 4, vgl. Protokollerklärung vom 14.02.2013, Bl. 230 GA]
16Vertrag vom 30.04.2004, Anlage K 4:
17Laufzeit 01.August 2004 „bis längstens 31. Juli 2005",
18insgesamt 14/41 Wochenstunden,
19Teilzeitbeschäftigung L1
20Vertrag 13.07.2004, Anlage zum Protokoll vom 14.02.2013 = Bl. 233-236 GA
21Laufzeit ab 01.August 2004
221. längstens bis zum 31. Juli 2005 mit 14/41 Wochenstunden Teilzeitbeschäftigung L1
232. darüber hinaus bis zum 31.12.2004 mit einem zusätzlichen Stellenanteil von 16,50 Stunden im Rahmen des Projektes „Intensivierung und Neukonzeptionierung der Arbeit mit Ehrenamtlichen in der JVA Münster"
243. somit vom 01.08. – 31.12.2004 mit insgesamt 30,5/41 Wochenstunden
25In der Zeit vom 01.01.2005 – 31.Juli 2005 wieder mit 14/41 Wochenstunden.
26Vertrag vom 16.12.2004, Anlage K 5:
27Laufzeit 01. Januar 2005 „ längstens bis zum 31. Juli 2005",
28insgesamt 14/41 Wochenstunden,
29Teilzeitbeschäftigung L1
30und mit einem zusätzlichen wöchentlichen Stundenanteil von 8/41 Stunden bis zum 30.06.2005 (Befristungsgrund: Planstelle des Sozialdienstes mit kw-Vermerk 30.06.2005)
31Vertrag vom 07.04.2005, Anlage K 6:
32Laufzeit 01. Juli 2005 „ längstens bis zum 31. Juli 2006",
33insgesamt 15/41 Wochenstunden,
34Teilzeitbeschäftigung L1
35und mit einem zusätzlichen wöchentlichen Stundenanteil von 13/41 Stunden bis zum 31.12.2005 (Befristungsgrund: Planstelle des Sozialdienstes mit kw-Vermerk 31.12.2005)
36Verlängerungsvertrag vom 16.12.2005, Anlage K 7:
37Laufzeit 01.Januar 2006 „ längstens bis zum 31. Juli 2007",
38insgesamt 15/41 Wochenstunden,
39Teilzeitbeschäftigung L1
40und mit einem zusätzlichen wöchentlichen Stundenanteil von 5,5,/41 Stunden (Befristungsgrund: Planstelle des Sozialdienstes mit kw-Vermerk: 30.06.2006)
41Verlängerungsvertrag vom 24.04.2006, Anlage K 8:
42Laufzeit 01. Juli 2006 „ längstens bis zum 31. Juli 2007",
43insgesamt 15/41 Wochenstunden,
44Teilzeitbeschäftigung L1
45Änderungsvertrag vom 20.03.2007, Anlage K 9
46Laufzeit ab 01. August 2007 längstens bis zum 31. Juli 2008
4715/39,83 Wochenstunden
48Teilzeitbeschäftigung L1
49Änderungsvertrag vom 11.07.2008, Anlage K 10
50Laufzeit ab 01. August 2008 längstens bis zum 31. Juli 2009
5115/39,83 Wochenstunden
52vorübergehend freie Haushaltsmittel (§ 6 Abs. 8 HHG) der befristet nutzbaren Stellenanteile infolge Teilzeitbeschäftigung K5 (6/41) und L1 (9/41)
53Änderungsvertrag vom 29.07.2009, Anlage K 11
54Laufzeit ab 01. August 2009 längstens bis zum 31. Januar 2010
5515/39,83 Wochenstunden
56vorübergehend freie Haushaltsmittel (§ 6 Abs. 8 HHG) der befristet nutzbaren Stellenanteile infolge Teilzeitbeschäftigung K5 (6/41) und L1 (9/41)
57Änderungsvertrag vom 30.11.2009, Anlage K 12
58Laufzeit ab 01. Dezember 2009
59a) längstens bis zum 30. September 2011 wöchentlich 19 Stunden und 55 Minuten aus Anlass und für die Dauer der projektbedingten Freistellung von Sozialoberinspektor W1
60b) längstens bis zum 31.Juli 2011 mit 4,00/39,83 Wochenstunden Teilzeitbeschäftigung L1 (37/41)
61Die hier streitige letzte Befristung bis zum 30.09.2011 wurde im Wege des Änderungsvertrages am 29.07.2011 vereinbart (Anlage K 13 = Bl. 81-83). Auszugsweise heißt es dort:
62§ 1 des Vertrages wird mit Wirkung vom 01. August 2011 wie folgt geändert:
63Frau Dipl.-Sozialarbeiterin H1 wird ab 01. Dezember 2009
64a) Bei der Justizvollzugsanstalt Münster auf einer halben Stelle für Arbeitnehmer/innen – vergleichbar der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes – mit wöchentlich 19 Stunden und 55 Minuten – aus Anlass und für die Dauer der projektbedingten Freistellung von Sozialoberinspektor W1 befristet beschäftigt (Erreichen des Zwecks, frühestens 2 Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG)
65- längstens jedoch bis zum 30. September 2011 –
66-
67sowie
68b) wegen Vorliegen des sachlichen Grundes „Vertretung"
69gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG infolge Teilzeitbeschäftigung der Planbeamtin Sozialamtfrau L1 nach § 30 TV-L
70- längstens bis zum 30. September 2011 –
71-
72als Teilzeitbeschäftigte weiterhin zusätzlich mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von
734.00 / 39,83 Wochenstunden
74im Sozialdienst bei der Justizvollzugsanstalt Münster weiterbeschäftigt.
75Wegen der weiteren Einzelheiten der jeweiligen Vertragsinhalte wird auf die zur Akte gereichten Kopien Bezug genommen (Anlagen K 1 – K 13, Bl. 46-83 GA, Anlage zum Protokoll vom 14.02.2013, Bl. 233-236 GA).
76Herr W1 war im Projekt INA eingesetzt. Dazu heißt es in dem von dem beklagten Land vorgelegten Flyer (Anlage B 1, Bl. 150, 151 GA):
77I N A
78Integrationsplanung - Netzwerkbildung – Arbeitsmarktintegration
79Für die Arbeitsmarktintegration von (ehemaligen) Gefangenen und der damit verbundenen Verringerung der Rückfallrisiken soll mit dem Modellprojekt INA ein erweitertes Übergangsmanagement für Inhaftierte und Haftentlassene erprobt werden.
80Dies geschieht im Sinne eines modernen „Case-Management", das als „kontinuierliche Fallsteuerung aus einer Hand" konzipiert ist. Sie beginnt bereits mit der Vollzugsplanerstellung in der JVA, begleitet die im Vollzug durchzuführenden Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Wiedereingliederung unter dem Gesichtspunkt der Anschlussfähigkeit und wir im Rahmen der Entlassungsvorbereitung sowie einer sechsmonatigen Nachbetreuung mit Vermittlungs- und Stabilisierungsbemühungen zur Arbeitsmarktintegration fortgesetzt.
81Mit dem vollzugsübergreifend wirkenden Case-Management sollen drei Ziele erreicht werden:
821. Entwicklung einer umfassenden Integrationsplanung, die die individuelle Vollzugsplanung um eine über den Entlassungszeitpunkt hinausweisende Wiedereingliederungsplanung erweitert.
832. Bildung (über-)regionaler Netzwerke, die eine nahtlose Verknüpfung vollzugsinterner Behandlungs- und vollzugsexterner Wiedereingliederungsmaßnahmen ermöglichen.
843. Umsetzung einer zielgruppenspezifischen Nachsorgesteuerung, die die Arbeitsmarktintegration von Haftentlassenen durch ergänzende Vermittlungs- und Stabilisierungsleistungen fördert.
85…
86Das Modellprojekt INA wird vom Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen getragen und vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert. Das Projekt läuft vom 1. Juli 2009 bis zum 30. September 2011.
87Für die Gesamtsteuerung des Projektes zeichnen der Westdeutsche Handwerkskammertag und der Kriminologische Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen verantwortlich, der auch für die begleitend durchgeführte Evaluation zuständig ist.
88Mit der praktischen Umsetzung der Aufgaben werden Übergangsmanagement-Teams der Gesellschaft für Qualifizierung im Handwerk mbH betraut, die in Kooperation mit den beteiligten Justizvollzugsanstalten Düsseldorf, Moers-Kapellen und Wuppertal sowie in enger Abstimmung mit den zuständigen Agenturen für Arbeit du ARGEn tätig werden.
89Im Protokoll über die Konferenz des Sozialdienstes vom 10.11.2009 heißt es im Zusammenhang zu INA (Anlage B 1 / Bl. 184 – 186 GA):
90Top 2
91Erörterung notwendiger Änderungen in der Geschäftsverteilung
92Herrn W1 übernimmt zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Aufgaben eines Projektkoordinators im Bereich Vollzug für die Maßnahme „INA" (Integration, Netzwerk, Bildung und Arbeitsintegration). Er wird für 2 Jahre bis zum 30.09.2011 mit dem Anteil von 30 % seiner Stelle in diese Arbeit eingebunden sein. Das Justizministerium NW beabsichtigt, für die ‚Dauer der Maßnahme, die Justizvollzugsanstalt Münster mit einer Stelle von 50 % auszustatten. Der Stellenanteil wird von Frau H1 übernommen. Nach Eingang der Abordnung und Stellenzuweisung wird Frau K5 deshalb ihre Arbeitsstunden zu 100 % wieder aufnehmen. Frau L1 erhöht ab Februar 2010 ihren Stellenanteil um weitere 5 Wochenarbeitsstunden. Es werden somit folgende Änderungen eintreten:
93Frau K5 – 41 Wochenarbeitsstunden
94Frau L1 – 37 Wochenarbeitsstunden
95Herr W1 – ca. 30 Wochenarbeitsstunden
96Frau H1 – ca. 24 Wochenarbeitsstunden
97Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung im D-Flügel (hanschriftlich eingefügt: Seit 01.11.2009 C-Flügel, Abteilung ist in größeres Hafthaus umgezogen) soll der hinzugewonnene Stellenanteil dort eingebracht werden. Die Kolleginnen Frau L1 oder Frau H1 können den Sozialdienst in den Bereichen Betreuung/Sozialarbeit entlasten. Wie viele Inhaftierte und von welcher Kollegin übernommen werden, ist noch nicht abschließend geklärt. Auch im A-Flügel wird der Wegfall der Arbeitsstunden des Herrn W1 durch die Übernahme von Betreuungs- und Sozialarbeitsbuchstaben wie o.g. erfolgen.
98Der Arbeitseinsatz in der Untersuchungshaft ändert sich dahingehend, dass Frau K5 einen größeren Anteil der Suchtarbeit übernimmt (hier noch Klärungsbedarf). Frau K2 wird durch Übernahme zusätzlicher Sozialarbeitszahlen Frau H1 entlasten, die nun mit 12 Wochenarbeitsstunden diesen Bereich betreut.
99Frau L1 bat mit Schreiben vom 25.01.2011 um Reduzierung der Arbeitszeit ab 01.08.2011 von 37 auf 33 Stunden. Diesem Wunsch entsprach das beklagte Land.
100Das Projekt INA und der darauf bezogene Einsatz des Sozialoberinspektors W1 wurden zum 30.11.2011 beendet.
101Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, für die Befristung liege gem. § 14 Abs. 1 TzBfG kein Sachgrund vor. Es sei ein ständiger Vertretungsbedarf gegeben. Insbesondere sei der von dem beklagten Land genannte Sachgrund der Projektbefristung bzw. Vertretung vorliegend nicht geeignet, das Arbeitsverhältnis wirksam zu befristen. Zudem sei Herr W1 mittlerweile zum Amtmann befördert worden. Sie - die Klägerin - werde nach der Entgeltgruppe 10 TV-L vergütet, wohingegen der in Bezug genommene Kollege W1 als Amtmann mittlerweile der Besoldungsgruppe A 11 BBesO zugehöre.
102Die Klägerin hat beantragt,
103festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 30.11.2009 in Gestalt des Änderungsvertrages vom 29.07.2011 zum 30.09.2011 sein Ende gefunden hat.
104Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) hat die Klägerin beantragt,
105das beklagten Land zu verurteilen, sie - Klägerin - über den 30.09.2011 hinaus für die Dauer des Rechtsstreits als Teilzeitbeschäftigte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 23 Stunden und 55 Minuten im Sozialdienst bei der JVA Münster zu im Übrigen unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.
106Das beklagte Land hat beantragt,
107die Klage abzuweisen.
108Das beklagte Land hat ausgeführt, die Befristung sei gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr.3 TzBfG berechtigt. Die Klägerin habe den abwesenden Mitarbeiter W1 während des Laufs des Projekts INA bis zum 30.09.2011 vertreten. Weiter habe sie die Kollegin L1 vertreten.
109Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 05.07.2012 abgewiesen. Zu überprüfen sei lediglich die letzte Befristung. Eine Prognose für eine Vertretungsbefristung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG sei begründet. Es seien keine Umstände im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (26.01.2012) festzustellen, die aufgrund der Dauer der Befristungen oder der Zeit dafür sprächen, dass ein Missbrauchsfall gegeben sei.
110Das Urteil ist der Klägerin am 25.07.2012 zugestellt worden. Die Klägerin hat am 21.08.2012 Berufung eingelegt und diese am 25.09.2012 begründet.
111Die Klägerin wendet ein, entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts sei die im Vertrag vom 29.07.2011 vereinbarte Befristung unwirksam, da es für die Befristung keinen sachlichen Grund gebe. Die projektbedingte Abwesenheit des Amtsmanns W1 könne die Befristung im Arbeitsvertrag vom 30.11.2009 in Gestalt des Änderungsvertrages vom 29.07.2011 sachlich nicht begründen. Herr W1 habe zwar die Aufgaben eines Projektkoordinators im Bereich Vollzug für die Maßnahme INA übernommen, sei allerdings hierbei nur mit einem Anteil von 30 % seiner Stelle in diese Projekttätigkeit eingebunden gewesen, wie aus dem Protokoll über die Konferenz des Sozialdienstes vom 10.11.2009 hervorgehe (Anlage B 1, Bl. 184 – 186 GA, s. o.). Die befristete Beschäftigung im Umfang von 50 % (19 Stunden 55 Minuten) lasse sich nicht auf die 30 %ige projektbedingte Abwesenheit des Amtmanns W1 zurückführen. Besonders deutlich werde dies im Übrigen daran, dass sie tatsächlich aus einer befristet zur Verfügung gestellten zusätzlichen halben Haushaltsstelle heraus beschäftigt worden sei. Mit dem diesbezüglichen Vortrag habe sich das Arbeitsgericht nicht auseinandergesetzt. Es handele sich faktisch um eine Befristung aus haushaltsrechtlichen Gründen, die sich unter Hinweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof vom 15.09.2011 in der Rechtssache C 313/10 als europarechtswidrig erweise. Zu beanstanden sei weiter, dass das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt habe, dass Herr W1 Anfang 2011 zum Amtmann befördert worden sei, also Beamter der Besoldungsgruppe A 11 BBesO gewesen sei, wohingegen sie nur Angestellte der Entgeltgruppe 10 TV-L sei. Eine fachliche Austauschbarkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei damit nicht mehr gegeben. Hinzu trete der Umstand, dass Herr W1 zum 01.10.2011 gar nicht an seinen Arbeitsplatz in der JVA Münster zurückgekehrt sei. Bereits zum 01.03.2011 sei Herr W1 nur noch mit 20 % einer Vollzeitstelle in der JVA Münster beschäftigt gewesen, mit 50 % sei er seit dem 01.03.2011 für (zunächst) drei Jahre an die Justizakademie NRW in Recklinghausen als Fortbildungsdezernent abgeordnet worden. Insoweit sei festzustellen, dass sie Herrn W1 spätestens ab dem 01.03.2011 nicht mehr wegen dessen INA-projektbedingten Abwesenheit habe vertreten können. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass Herr W1 unabhängig davon – wie schon seit mehreren Jahren auch während des gesamten Befristungszeitraums und auch weiterhin – mit 30 % seiner Arbeitszeit als Organisationsentwicklungsberater (OEB) in anderen JVA in NRW tätig sei, insgesamt also auch über den 30.09.2011 hinaus mit 80 % seiner Stelle der JVA Münster gar nicht zur Verfügung stehe, so dass von einer Wiederaufnahme der Tätigkeit des Herrn W1 zum 01.10.2011 keine Rede sein könne. Zu Unrecht verneine das Arbeitsgericht Münster einen Rechtsmissbrauch. Das Arbeitsgericht Münster lasse hierbei außer Acht, dass zum 03.01.2011 zusätzlich der Mitarbeiter K4 (befristet) eingestellt worden sei, was eindeutig für einen dauerhaften Bedarf an der Beschäftigung eines zusätzlichen Mitarbeiters im Sozialdienst der JVA Münster spreche. Diese Tatsache sei im Zusammenhang mit ihrer neunjährigen ununterbrochenen Wahrnehmung von Daueraufgaben sehr wohl ein eindeutiges Indiz dafür, dass durch die stets nur befristete Einstellung letztlich ein dauerhafter Beschäftigungsbedarf habe abgedeckt werden sollen. Genau zum Befristungsende ihres Vertrages, also zum 01.10.2011, sei Herr K4 auf eine (befristete) Vollzeittätigkeit im Umfang von 39 Stunden und 50 Minuten angehoben worden. Faktisch nehme Herr K4 die bis dahin ihr zugewiesenen Stellenanteile wahr. Vor diesem Hintergrund sei von einem Verstoß gegen die Zielsetzung des § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge auszugehen. Nach den europa-rechtlichen Vorgaben sei der unbefristete Arbeitsvertrag der sozialpolitisch gewünschte „Normalfall". Wenn wie hier letztlich über viele Jahre der Arbeitnehmer auf ein und demselben Arbeitsplatz zur Abdeckung eines dauerhaften Beschäftigungsbedarfes eingesetzt werde, erweise sich die Nutzung des Befristungsrechts als missbräuchlich und daher unwirksam.
112Die Klägerin beantragt,
1131. das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 05.07.2012 – 2 Ca 1812/11 - aufzuheben und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 30.11.2009 in Gestalt des Änderungsvertrages vom 29.07.2011 zum 30.09.2011 sein Ende gefunden hat.
1142. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin über den 30.09.2011 hinaus für die Dauer des Rechtsstreits als Teilzeitbeschäftigte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 23 Stunden und 55 Minuten im Sozialdienst bei der JVA Münster zu im Übrigen unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
115Das beklagte Land beantragt,
116die Berufung zurückzuweisen.
117Das beklagte Land verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Entgegen dem Einwand der Klägerin sei die Befristung des Arbeitsvertrages durch die projektbedingte Abwesenheit des Beamten W1 begründet. Mit der Beförderung des Herrn W1 zum Sozialamtmann zum 01.12.2010 sei eine Änderung der Tätigkeit des Herrn W1 im Sozialdienst der JVA Münster nicht verbunden gewesen. Diese Tätigkeit beinhalte die Betreuung der Gefangenen und die Sozialarbeit. Genau diese Tätigkeiten seien von der Klägerin im Zuge der befristeten Vertretung des Beamten W1 ausgeübt worden. Die Tätigkeit entspreche im Rahmen der Beamtenbesoldung einer Besoldungsstufe zwischen A 9 bis A 11 und sei vergleichbar mit der Entgeltgruppe 10 gemäß TV-L. Es habe in jeder Hinsicht eine fachliche Austauschbarkeit bestanden. Bis zum Beginn des Projekts INA sei der Beamte W1 mit 100 % seiner Beschäftigungszeit im Sozialdienst der JVA Münster tätig gewesen. Eine Tätigkeit als Organisationsentwicklungsberater habe Herr W1 nur mit einem Anteil von ca. 10 bis 15 % seiner Arbeitszeit ausgeübt. Eine Vertretung habe insoweit in der Vergangenheit nicht stattgefunden. Ab dem 04.11.2009 sei der Beamte W1 mit 30 % seiner Arbeitszeit für das Projekt INA abgeordnet worden. Hiermit seien vorwiegend die Tätigkeiten des Herrn W1 außerhalb der JVA Münster abgedeckt gewesen. Ab dem 01.03.2011 sei Herr W1 dann ergänzend zu der Abordnung wegen des Projektes INA für eine Tätigkeit an der Justizakademie in Anspruch genommen worden. Diese Tätigkeit umfasse 50 % der Beschäftigungszeit des Herrn W1 und dauere bis heute an. Für den Zeitraum vom 01.03.2011 bis zum 30.11.2011, dem Ende des Projekts INA, seien 30 % der Beschäftigungszeit des Herrn W1 auf das Projekt INA, 50 % der Beschäftigungszeit auf die Tätigkeit an der Justizakademie und restliche 20 % der Beschäftigungszeit auf die Tätigkeit in der JVA Münster entfallen. Seit dem 01.12.2011, nach dem Ende des Projekts INA, sei Herr W1 mit 50 % seiner Arbeitszeit in der JVA Münster tätig und mit 50 % seiner Arbeitszeit in der Justizakademie. Die geringe zeitliche Abweichung zwischen der projektbedingten Abwesenheit des Herrn W1 (30 % der Beschäftigungszeit) und dem Umfang der befristeten Beschäftigung der Klägerin zur Vertretung des Herrn W1 (50 % der Beschäftigungszeit von Herrn W1) berechtige nicht zu der Annahme, dass die befristete Beschäftigung der Klägerin tatsächlich anderen Zwecken gedient habe. Die Befristung zur Vertretung von abwesenden Mitarbeitern erfordere keine vollständige Kongruenz zwischen dem Umfang des Vertretungsbedarfs und dem Umfang der befristeten Beschäftigung. Es obliege der freien unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers, ob er die volle Arbeitszeit des zu vertretenden Arbeitnehmers durch eine befristete Beschäftigung ersetze oder sogar in angemessenem Umfang überschreite. Es wäre nicht möglich gewesen, für einen Beschäftigungsumfang von lediglich 30 % eines Vollzeit-Arbeitsplatzes eine adäquat ausgebildete und erfahrene Mitarbeiterin für den Sozialdienst zu finden. Zugleich hätte eine Beschäftigung eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin mit lediglich 30 % der Arbeitszeit zu organisatorischen Problemen geführt. Daher sei die Entscheidung getroffen worden, zum Zwecke der kurzfristigen Vertretung des Herrn W1 nicht lediglich eine Beschäftigung mit einem Umfang von 30 % eines Vollzeit-Arbeitsplatzes anzubieten, sondern sogleich eine Beschäftigung mit 50 %. Damit sei im Übrigen den Interessen der Klägerin entsprochen worden. Des Weiteren sei berücksichtigt worden, dass der mit 30 % der Arbeitszeit des Herrn W1 bezifferte Rahmen der Projekttätigkeit vermutlich nicht ausreichen werde. Vielmehr sei damit zu rechnen gewesen, dass ergänzend zu den eigentlichen Projektaufgaben außerhalb der JVA Münster weitere Koordinationsaufgaben hinzutreten würden, welche die Verfügbarkeit des Herrn W1 weiter einschränken würden. Auch zur Vermeidung hieraus resultierender Probleme sei die mit 30 % der Arbeitszeit prognostizierte projektbedingte Verhinderung des Herrn W1 zurückhaltend erhöht worden. Dies bedeute keine unangemessene Überschreitung des im Rahmen der Vertretung des Herrn W1 notwendigen Beschäftigungsbedarfs. Gegen die Wirksamkeit der Befristung spreche nicht der Umstand, dass seitens der JVA Münster mit Wirkung ab dem 03.01.2011 der Mitarbeiter K4 ebenfalls für den Sozialdienst (befristet) eingestellt worden sei. Zwischen der streitgegenständlichen Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin im Monat November 2009 und der Einstellung des Mitarbeiters K4 im Jahre 2011 lägen mehr als 12 Monate. Bei Abschluss des streitgegenständlichen befristeten Arbeitsvertrages habe es schlechterdings nicht bekannt sein können, dass im Januar 2011 ein weiterer Beschäftigungsbedarf im Sozialdienst der JVA Münster bestehen werde. Gleiches gelte für den Umstand, dass Herr K4 ab Ende 2011 im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung (befristet) tätig geworden sei. Hierbei sei allein auf den Umstand reagiert worden, dass zwischenzeitlich eine weitere Abordnung des Herrn W1 an die Justizakademie vorgenommen worden sei. Dieser Umstand sei bei Abschluss der hier streitgegenständlichen Befristung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin im Monat November 2009 keineswegs voraussehbar gewesen. Die Klägerin lasse unberücksichtigt, dass die Befristung hinsichtlich ihrer Dauer in jeder Hinsicht der Projekttätigkeit des Herrn W1 entsprochen habe. Vor diesem Hintergrunde sei überhaupt kein Raum für die Spekulation der Klägerin, es liege tatsächlich keine Vertretungsbefristung sondern eine Befristung aus haushaltsrechtlichen Gründen vor. Auch gehe der Einwand der Klägerin fehl, dass unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 26.01.2012 – C 586/10 (Kücük) – von einer rechtsmissbräuchlichen Befristung auszugehen sei. Die Klägerin verkenne, dass die vorliegend allein streitgegenständliche letzte Befristung eben nicht aus haushaltsrechtlichen Mitteln und daher gegebenenfalls ohne konkreten tatsächlichen Befristungsanlass erfolgt sei, sondern dass mit der projektbedingten Vertretung des Herrn W1 ein konkreter Befristungsanlass vorgelegen habe. Auch die Einstellung und Beschäftigung des Mitarbeiters K4 stehe - wie bereits dargelegt - nicht entgegen. Die Tatsache, dass während des Gesamtjahres 2010 keine zusätzliche Beschäftigung anderer befristeter Mitarbeiter stattgefunden habe, zeige, dass der Beschäftigungsbedarf unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Vertretung von Herrn W1 zutreffend prognostiziert worden sei.
118In der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 14.02.2013 hat das beklagte Land nach entsprechenden Ausführungen der Klägerin eine Kopie des Vertrages vom 13.07.2004 zur Akte gereicht (s.o.).
119Entscheidungsgründe
120Die Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 Abs. 2 c ArbGG. Die Klägerin hat ihre Berufung form- und fristgerecht entsprechend den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet. Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Befristung des Arbeitsvertrages auf den 30.09.2011 erweist sich als unwirksam (I). Angesicht der Unwirksamkeit der Befristung war das beklagte Land antragsgemäß zur Weiterbeschäftigung zu verurteilen (II).
121I. Entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts hat die Befristungskontrollklage Erfolg. Die Befristung des Arbeitsvertrages auf den 30.09.2011 erweist sich als unwirksam.
1221. Die Befristungskontrollklage ist rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 17 TzBfG erhoben worden.
1232. Die Befristung ist unwirksam, weil sie nicht den Anforderungen des § 14 TzBfG genügt.
124a) Eine nach § 14 Abs. 2 TzBfG zulässige sachgrundlose Befristung scheidet aus. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht (weit) länger als zwei Jahre und ist (weit) mehr als dreimalig verlängert worden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 a), Abs. 3 TzBfG liegen unstreitig nicht vor.
125b) Die Befristung ist nicht durch den von dem beklagten Land geltend gemachten Grund der Beschäftigung zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt.
126Nach § 14 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers – oder auch eines Beamten - beschäftigt wird. Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Teil des Sachgrundes ist daher eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Der Sachgrund der Vertretung setzt des Weiteren einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung des Vertreters voraus. Der Einsatz des befristet beschäftigten Arbeitnehmers muss wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgen, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Mitarbeiters entsteht. Es muss sich deshalb aus den Umständen bei Vertragsschluss ergeben, dass der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausgefallenen Arbeitnehmers zurückzuführen ist (BAG 10.10.2012 –7 AZR 462/1- ). Die Vertretungskraft muss gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden sein (Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, 2.Aufl. 2011 Rn. 315).
127Nach dem unterbreiteten Lebenssachverhalt kann die erforderliche Kausalität zwischen dem Vertretungsbedarf und der vereinbarten befristeten Beschäftigung nicht bejaht werden. Eine vorübergehende Stellenvakanz besteht nach der Darstellung der Parteien einerseits zu 30 % der Beschäftigungszeit des in Vollzeit tätigen Beamten W1 und andererseits daneben im Umfang von 4 Stunden in der Woche wegen der zeitlich begrenzten Reduzierung der Arbeitszeit der Sozialamtfrau L1 von 37 Stunden auf 33 Stunden. Demgegenüber umfasst die vereinbarte befristete Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von wöchentlich 19 Stunden 55 Minuten zuzüglich 4 Stunden ein umfangreicheres Stundenvolumen (50 % + 4 Stunden). Die Klägerin arbeitete mithin während des befristeten Vertrages bis zum 30.09.2011 mehr Stunden, als durch die aufgezeigten teilweisen Stellenvakanzen zu vertreten waren. Damit erweist sich der reklamierte Befristungsgrund der Vertretung als vorgeschoben und vermag die Befristung nicht zu rechtfertigen (vgl. BAG 04.06.2003 – 7 AZR 523/02 – AP BGB § 620 Nr. 252; Sievers, TzBfG, 3.Aufl. 2010, § 14 TzBfG Rn.107-109,190).
128Diesem Ergebnis steht nicht die Argumentation des beklagten Landes entgegen, dass es nicht möglich gewesen wäre, für einen Beschäftigungsumfang von 30 % eines Vollzeitarbeitsplatzes eine adäquat ausgebildete und erfahrene Mitarbeiterin für den Sozialdienst zu finden. Schwierigkeiten der Personalgewinnung rechtfertigen kein Abweichen von den Kausalitätsanforderungen des Befristungsgrundes gemäߠ § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG. Ebenso wenig vermag der Hinweis auf ein Interesse der Klägerin an einer möglichst hohen Stundenzahl eine Aufweichung der Kontrollanforderungen zu rechtfertigen; ein solcher Beschäftigungswunsch des Arbeitnehmers legitimiert nicht die befristete Übertragung von Stunden, die nicht aus einem nur befristeten Bedarf resultieren - zumal der Arbeitnehmer, nimmt man seinen Wunsch ernst, ohnehin eine unbefristete Beschäftigung wünscht -. Schließlich verfängt auch das Argument nicht, bei einer realistischen Betrachtung sei bei Vertragsschluss davon auszugehen gewesen, dass der Sozialinspektor W1 trotz einer Abordnung mit nur 30 % seiner Arbeitszeit mehr Stunden für das Projekt INA einsetzen werde. Folgte man dieser Argumentation, wäre der Beschäftigungsumfang zu einem großen Teil beliebig vereinbar; gerechtfertigt werden könnte so etwa ein befristetes Stundendeputat von 13 Stunden, von 26 Stunden oder vielleicht auch von 15, 19 oder 27,5 Stunden. Einer solchen Betrachtungsweise liegt keine hinreichend fundierte Prognose zum befristeten Beschäftigungsbedarf zugrunde. Eine solche Prognose ist aber stets Voraussetzung für eine zulässige Vertretungsbefristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG.
129c) Die Befristung ist nicht durch andere Befristungsgründe gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – Nr. 8 TzBfG gerechtfertigt.
130Stellt man darauf ab, dass mittelbar das befristete Projekt INA Grund Ausgangspunkt für die mit der Klägerin vereinbarte Befristung hinsichtlich des Stundendeputats von 19 Stunden und 55 Minuten ist, so ergibt sich auch bei einer solchen Betrachtungsweise das bereits oben behandelte Kausalitätsproblem. Die projektbedingte Abordnung des Sozialinspektors ist beschränkt auf 30 % seiner Arbeitszeit. Das insoweit befristet vereinbarte Stundendeputat geht mit 19 Stunden und 55 Minuten deutlich darüber hinaus. Eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ist deshalb ausgeschlossen.
131Die Befristung kann auch nicht als Haushaltsbefristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gerechtfertigt werden. Insoweit stellt das beklagte Land selbst klar, dass die Befristung auf diesen Grund nicht gestützt wird. Aber auch unabhängig davon scheidet eine Rechtfertigung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG aus. Ausweislich des vorgelegten Protokolls vom 10.11.2009 (Bl. 184 GA) beabsichtigte das Justizministerium, die JVA Münster für die Dauer der Maßnahme INA mit einer zusätzlichen Stelle von 50 % auszustatten. Eine als „kw" zugewiesene Stelle kann allenfalls dann einen Befristungsgrund gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG abgeben, wenn sich der Haushaltsgesetzgeber konkret mit der Stelle befasst hat und sich für deren Wegfall für die Zukunft entschieden hat (Dörner aaO Rn 197, 216; Arnod/Gräfl, TzBfG 3.Aufl. 2012, § 14 TzBfG Rn. 224 [Gräfl]; Annuß/Thüsing, TzBfG, 3. Aufl. 2012 Rn. 58a 59, 59a je mwN). Eine befristete Stellenzuweisung durch den Justizminister genügt diesen Anforderungen nicht. Die grundlegende Frage, ob die Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG als solche überhaupt mit den zwingenden europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist, kann aus diesem Grund hier dahinstehen (vgl. Vorlagebeschluss BAG 27.10.2010 NZA-RR 2011,272; verneinende Schlussanträge des Generalanwalts V.15.09.2011 BeckRS 2011,81466).
1323. Unabhängig von den Ausführungen zu 2) ist die Befristung aber auch deshalb unzulässig, weil hier – selbst bei Bejahung eines Befristungsgrundes für den Vertrag bis zum 30.09.2011 - ein Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs im Sinne des Urteils des BAG vom 18.07.2012 – 7 AZR 443/09 – gegeben ist (BAG 19.07.2012 – 7 AZR 443/09 – NZA 2012,1351-1359 = Nachfolgeentscheidung zu EuGH 26.01.2012 – C-586/10 – [Kücük] AP Richtlinie 99/70/EG Nr. 9). Im vorliegenden Streitfall sprechen Anzahl und Dauer der vorangegangenen befristeten Arbeitsverträge dafür, dass das beklagte Land die Möglichkeit der Vertretungsbefristung rechtsmissbräuchlich genutzt hat.
133a) Wie sich aus dem Urteil des EuGH vom 26. Januar 2012 (- C-586/10 - [Kücük] AP Richtlinie 99/70/EG Nr. 9) ergibt, dürfen sich die nationalen Gerichte bei der Befristungskontrolle nicht nur auf die Prüfung eines geltend gemachten Sachgrunds beschränken. Vielmehr obliegt es den Gerichten, „stets alle Umstände des Einzelfalls zu prüfen und dabei namentlich die Zahl der mit derselben Person oder zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zurückgreifen, mögen diese auch augenscheinlich zur Deckung eines Vertretungsbedarfs geschlossen worden sein". Zwar „schließt das Vorliegen eines sachlichen Grundes im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung über befristete Verträge einen Missbrauch" nach Auffassung des EuGH „grundsätzlich aus" (EuGH 26.01.2012 aaO). Dennoch ist es nach dem Urteil des EuGH „in Anbetracht des Ziels, das mit allen nach Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Verträge ergriffenen Maßnahmen verfolgt wird, notwendig, dass die zuständigen Stellen auch bei Vorliegen eines sachlichen Grundes, der grundsätzlich den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse rechtfertigt, erforderlichenfalls alle mit der Verlängerung dieser Arbeitsverträge oder -verhältnisse verbundenen Umstände berücksichtigen, da sie Hinweise auf einen Missbrauch geben können, den diese Bestimmung verhindern soll" (BAG aaO).
134b) Für die hiernach unionsrechtlich gebotene Missbrauchskontrolle eignet sich nach bundesdeutschem Recht der allgemeine Prüfungsmaßstab des institutionellen Rechtsmissbrauchs (BAG aaO). Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Gebot der Redlichkeit und allgemeine Schranke der Rechtsausübung beschränkt sowohl subjektive Rechte als auch Rechtsinstitute und Normen (Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl. 2013, § 242 Rn. 40). Rechtsmissbrauch setzt voraus, dass ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind. Beim institutionellen Missbrauch ergibt sich der Vorwurf bereits aus Sinn und Zweck des Rechtsinstituts, beim individuellen Rechtsmissbrauch dagegen folgt er erst aus dem Verhalten. Die institutionelle Rechtsmissbrauchskontrolle verlangt daher weder ein subjektives Element noch eine Umgehungsabsicht (BAG aaO). Einer Anwendung der Grundsätze des Rechtsmissbrauchs steht nicht entgegen, dass die Befristungsvorschriften im TzBfG abschließende Spezialregelungen darstellen und die auf „objektive Gesetzesumgehung" gestützte frühere Dogmatik abgelöst haben (BAG aaO). Dieser durch den Gesetzgeber vorgenommene Paradigmenwechsel schließt einen Schutz vor einer rechtsmissbräuchlichen Nutzung der durch das TzBfG eröffneten Befristungsmöglichkeit nicht aus. Die nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs vorzunehmende Prüfung verlangt eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (so auch EuGH 26.01.2012 aaO [Kücük] Rn. 40, 43, 51, 55). Kriterien, die bei einer Gesamtwürdigung auf einen Gestaltungsmissbrauch hindeuten können, müssen dem Schutzkonzept des § 14 TzBfG i.V.m. § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung Rechnung tragen. Es ist zu berücksichtigen, dass nach der genannten Entscheidung des EuGH selbst ein dauerhafter Vertretungsbedarf dem Abschluss von Vertretungsbefristungen nicht grundsätzlich entgegensteht (EuGH 26.01.2012 aaO Rn. 50, 54). Der Arbeitgeber muss einem ständigen Vertretungsbedarf nicht durch eine Personalreserve begegnen, die von vornherein den Raum für eine unternehmerische Personalplanung einengt. Auf der anderen Seite darf die Gestaltungsmöglichkeit der Vertretungsbefristung, die das Gesetz dem Arbeitgeber als Reaktion auf den zeitweiligen Ausfall der Arbeitskraft zubilligt, nicht zur dauerhaften Umgehung des auch durch das TzBfG gewährleisteten Bestandsschutzes einzelner Arbeitnehmer zweckentfremdet werden. Anderenfalls wäre für Arbeitnehmer, die dauerhaft einer tatsächlichen Personalreserve aus befristet Beschäftigten angehören, das befristete und nicht mehr das unbefristete Arbeitsverhältnis der Normalfall; für sie wäre eine Befristung nicht nur „vorübergehend" legitimiert. Dieses Ergebnis stünde nicht mit dem Leitbild des § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung im Einklang, nach dem das befristete Arbeitsverhältnis die Ausnahme des unbefristeten Arbeitsverhältnisses darstellt (allgemeiner Erwägungsgrund 6 der Rahmenvereinbarung; vgl. auch BT-Drucks. 14/4374 S. 12; BAG aaO).
135c) Das Erfordernis, bei der Beurteilung der missbräuchlichen Ausnutzung der an sich aufgrund eines Sachgrunds eröffneten Befristungsmöglichkeit sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, ermöglicht nach dem genannten Urteil des BAG weder eine abschließende Bezeichnung aller zu berücksichtigenden Umstände noch eine quantitative Angabe, wo die zeitlichen und/oder zahlenmäßigen Grenzen genau liegen, bei denen ein Missbrauch indiziert oder gar zwingend von einem solchen auszugehen ist. Das BAG hat in dem bereits zitierten Urteil vom 18.07.2012 (aaO) Umstände benannt, die bei der Missbrauchsprüfung eine Rolle spielen können und in quantitativer Hinsicht eine grobe Orientierung gegeben. Das BAG hat die Beurteilung vorgenommen, dass jedenfalls im seinerzeit zu entscheidenden Streitfall „Kücük" bei einer Gesamtdauer von mehr als elf Jahren und 13 Befristungen eine missbräuchliche Gestaltung indiziert ist, während in der am selben Tag entschiedenen Sache (BAG 18.07.2012 – 7 AZR 783/10 – NZA 2012,1359-1366) bei einer Gesamtdauer von sieben Jahren und neun Monaten und vier Befristungen Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch noch nicht vorlagen. Von besonderer Bedeutung für die Beurteilung eines möglichen Rechtsmissbrauchs sind die Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie die Anzahl der Vertragsverlängerungen. Das entspricht dem Ziel der Rahmenvereinbarung. Diese erfasst nicht bereits die erstmalige Befristung eines Arbeitsverhältnisses, sondern dient der Verhinderung des Missbrauchs von aufeinanderfolgenden befristeten Verträgen. Der wiederholte Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge, der als eine Quelle potenziellen Missbrauchs zu Lasten der Arbeitnehmer gesehen wird, soll eingegrenzt werden, um die „Prekarisierung der Lage der Beschäftigten" zu verhindern (vgl. EuGH 26.01.2012 aaO Rn. 25). Die Frage, ob eine hiernach grundsätzlich zu verhindernde „Befristungskette" vorliegt, wird maßgeblich bestimmt durch die Anzahl der befristeten Vertragsverlängerungen sowie deren Gesamtdauer. Das bedeutet zugleich, dass längere zeitliche Unterbrechungen gegen die Annahme von „aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen" oder „Befristungsketten" sprechen können. Von Bedeutung kann bei der Beurteilung ferner sein, ob der Arbeitnehmer stets auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt wird oder ob es sich um wechselnde, ganz unterschiedliche Aufgaben handelt. Auch wenn ein ständiger Vertretungsbedarf der Annahme des Sachgrunds der Vertretung nicht entgegensteht und daher geeignet ist, die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dem Vertreter zu rechtfertigen, ist er dennoch ein Umstand, der im Rahmen einer umfassenden Missbrauchskontrolle in die Gesamtwürdigung einbezogen werden kann. Bei zunehmender Anzahl und D2 der jeweils befristeten Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann es eine missbräuchliche Ausnutzung der dem Arbeitgeber an sich rechtlich eröffneten Befristungsmöglichkeit darstellen, wenn er gegenüber einem bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmer trotz der tatsächlich vorhandenen Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung immer wieder auf befristete Verträge zurückgreift (BAG 18.07.2012 – 7 AZR 443/09 - aaO). Zu berücksichtigen ist ferner die Laufzeit der einzelnen befristeten Verträge sowie die Frage, ob und in welchem Maße die vereinbarte Befristungsdauer zeitlich hinter dem zu erwartenden Vertretungsbedarf zurückbleibt. Wird trotz eines tatsächlich zu erwartenden langen Vertretungsbedarfs in rascher Folge mit demselben Arbeitnehmer eine Vielzahl kurzfristiger Arbeitsverhältnisse vereinbart, liegt die Gefahr des Gestaltungsmissbrauchs näher, als wenn die vereinbarte Befristungsdauer zeitlich nicht hinter dem prognostizierten Vertretungsbedarf zurückbleibt. Bei der Gesamtwürdigung können daneben zahlreiche weitere Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Zu denken ist dabei insbesondere an branchenspezifische Besonderheiten etwa bei Saisonbetrieben. Auch können bei der Gesamtbeurteilung grundrechtlich gewährleistete Freiheiten von beträchtlicher Bedeutung sein. Dies gilt insbesondere für die in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistete Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film, aber auch für die in Art. 5 Abs.3 GG garantierte Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre. Genaue quantitative Vorgaben hinsichtlich Gesamtdauer und/oder Anzahl der befristeten Verträge, nach denen ein Missbrauch anzunehmen ist, würden dem Gebot, im Einzelfall alle Umstände in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen, nicht gerecht. Nach Auffassung des BAG können für die gebotene Rechtsmissbrauchskontrolle aber derzeit in quantitativer Hinsicht grobe Orientierungshilfen gegeben werden, die im Laufe der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung aus Gründen der Rechtssicherheit ggf. noch weiter zu konkretisieren sind. Zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen kann zum einen an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG angeknüpft werden. Die Vorschrift macht eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sachgrundbefristung und erleichtert damit den Abschluss von befristeten Verträgen bis zu der festgelegten Höchstdauer von zwei Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit. Sie kennzeichnet den nach Auffassung des Gesetzgebers unter allen Umständen unproblematischen Bereich. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, lässt erst das erhebliche Überschreiten dieser Grenzwerte den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu (BAG aaO). Zumindest regelmäßig besteht hiernach bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrunds kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind. Werden diese Grenzen jedoch - sei es alternativ, sei es kumulativ - mehrfach überschritten, ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten, in deren Rahmen es Sache des Arbeitnehmers ist, noch weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen. Werden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ in besonders gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein (BAG aaO). In einem solchen Fall hat allerdings der Arbeitgeber regelmäßig die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften (BAG aaO).
136d) Hier umfasst die Gesamtdauer der durchgehenden Befristungskette einen Zeitraum von 9 Jahren und knapp einem Monat. Diese Dauer übersteigt das Vierfache des Zweijahreszeitraums des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG. Innerhalb der Befristungskette wurden 12 Verlängerungen vereinbart. Dies ist das Vierfache der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehene Anzahl von drei Verlängerungen. Die Grenzen des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG sind kumulativ – Gesamtdauer und Anzahl der Verlängerungen – in besonders gravierendem Ausmaß überschritten. Eine missbräuchliche Ausnutzung der Sachgrundbefristung ist indiziert. Die Klägerin hatte dabei in allen befristeten Vertragsverhältnissen Aufgaben im Sozialdienst der JVA Münster zu verrichten. Das beklagte Land hat dem Einwand des institutionellen Rechtsmissbrauchs keine konkreten Tatumstände entgegengesetzt, die den indizierten Missbrauch ausräumen. Die erkennende Kammer hat in ihrem Urteil vom 12.01.2012 einen institutionellen Rechtsmissbrauch trotz einer Gesamtbefristungsdauer vom Jahr 1997 bis zum 28.02.2011 verneint, weil die befristet beschäftigte Klägerin dort – anders als im Fall Kücük - in unmittelbarer Stellvertretung eine bestimmte Arbeitnehmerin auf einem nur singulär bestehenden Arbeitsplatz unmittelbar vertreten hat (Arbeitsplatz einer Diplom-Designerin im Medienlabor des Fachbereichs Architektur an einer Hochschule / LAG Hamm 12.01.2012 – 11 Sa 1269/11 – n.rkr. Az. BAG 7 AZR 260/12). So liegt der Fall hier nicht. Die Klägerin hat über die Gesamtdauer von 9 Jahren und knapp einem Monat wechselnde Personen mit unterschiedlichen Stundendeputaten – zum Teil zeitgleich nebeneinander – vertreten bzw. als Aushilfskraft nach § 6 Abs. 8 HHG NW vorübergehend freie Stellenanteile verschiedener Personen ausgefüllt (K 10, K 11) und daneben noch befristete Stundendeputate wegen einer nicht näher spezifizierten KW-Stellenbewirtschaftung zugewiesen erhalten (zweiter Befristungsgrund in den Verträgen K 5, K 6, K 7).
137II. Da die zu überprüfende Befristung sowohl nach den Ausführungen zu II.2. wie auch nach den Ausführungen zu II.3. unwirksam ist, kann die Klägerin beanspruchen, für die Dauer des Befristungskontrollrechtsstreits weiterbeschäftigt zu werden. Das Beschäftigungsinteresse überwiegt das gegenläufige Interesse des beklagten Landes (vgl BAG 26.06.1996 AP BGB § 620 Bedingung Nr. 23; BAG 13.06.1985 AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 19; ErfK-Müller-Glöge, 13. Aufl. 2013, § 17 TzBfG Rn. 12). Besondere Umstände, die der eingeforderten Weiterbeschäftigung entgegenstehen könnten, sind nicht aufgezeigt.
138III. Als unterlegene Partei hat das beklagte Land gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Gründe für eine Zulassung der Revision be-stehen nicht. Die Rechtssache hat keine über den entschiedenen Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Das Urteil der Kammer weicht nicht von einer Entscheidung der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte ab.