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Einzelfallentscheidung zur Nichtberücksichtigung von Beweisantritten zu Behauptungen, die aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurden und deshalb nicht zu berücksichtigen waren
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 18.05.2011 – 6 Ca 126/11 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des seit dem 17.10.1994 bestehenden Arbeitsverhältnisses, auf dessen Basis der 1958 geborene und unterhaltsverpflichtete Kläger für die Beklagte, die etwa 400 Mitarbeiter beschäftigt und u.a. Türbänder herstellt, als technischer Berater im Außendienst für die Bundesländer B1-W2 und B2 mit einem Schwerpunkt in B2 zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 3.829 € tätig ist.
3Der Kläger leidet unter Angstneurosen, deren Ursache er in mobbingartigen Handlungen sieht, denen er durch seinen Vorgesetzten ausgesetzt sei. Zwischen den Parteien schwebten bereits zwei arbeitsgerichtliche Streitverfahren, die die Rechtswirksamkeit einer Kündigung und einer Abmahnung der Beklagten zum Gegenstand hatten. Beide Verfahren gingen zugunsten des Klägers aus.
4Mit Schreiben vom 14.10.2010 leitete die Beklagte das Anhörungsverfahren bei ihrem Betriebsrat vor Ausspruch einer Kündigung ein. Dem Anhörungsschreiben, war eine fünfseitige Darstellung der Kündigungsgründe beigefügt, ebenso wie weitere 18 Anlagen. Wegen des Inhalts des Anhörungsschreibens nebst Anlagen wird auf Bl. 19 bis 71 Bezug genommen. Dem Inhalt des Anhörungsschreibens lässt sich entnehmen, dass die Beklagte ihre Kündigung im Wesentlichen darauf stützt, der Kläger füge sich auf für sie unabsehbare Zeit nicht in notwendiger Weise in die Arbeitsorganisation ein, wobei für sie offen sei, ob dies auf eine schlichte Weigerung oder aber auf krankheitsbedingte Ursachen zurückzuführen sei.
5Nach Erhalt des Anhörungsschreibens versuchte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Beklagten, den Kläger mehrfach telefonisch sowie durch Übersendung einer E-Mail vom 15.12.2010 zu erreichen. Der Kläger reagierte weder auf die Nachricht auf seinem Anrufbeantworter noch auf die elektronische Nachricht. Der Betriebsrat teilte sodann unter dem 17.12.2011 mit, es werde keine Stellungnahme abgegeben, weil eine Anhörung des Klägers nicht möglich gewesen sei.
6Am 13.12.2010 befand sich der Kläger im Urlaub. Ab dem 14.12.2010 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Er begab sich zu seinen Eltern, um sich auszukurieren. Ab dem 20.12.2010 hatte der Kläger erneut Urlaub.
7Mit einem auf den 20.12.2011 datierten Schreiben kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgemäß zum 30.06.2011. Streitig ist zwischen den Parteien, wann dem Kläger dieses Schreiben, das die Beklagte durch einen Kurierfahrer der Fa. P1 zustellen ließ, zugegangen ist. Die Fa. P1 stellte der Beklagten mit Schreiben vom 28.12.2010 unter Bezugnahme auf eine unter dem 21.12.2010 erfolgte Kurierfahrt vom Firmensitz der Beklagten zum Wohnort des Klägers über eine Wegstrecke von 1.050 km einen Betrag in Höhe von 430,50 € nebst Mehrwertsteuer in Rechnung.
8In seiner per Fax am 14.01.2011 erhobenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger behauptet, das Kündigungsschreiben sei ihm an diesem Tag zugegangen. Die Beklagte versuche nun, das Arbeitsverhältnis durch eine Rückdatierung der Kündigung zu beenden. Kündigungsgründe habe die Beklagte nur völlig unbestimmt vorgetragen. Die Kündigung sei derart unbegründet, dass ein vernünftiger Arbeitgeber nicht im Ansatz davon ausgehen könne, mit einer Kündigung Erfolg zu haben. Dies zeige sich auch daran, dass das Kündigungsschreiben trotz der seit Jahren bestehenden Korrespondenz über die Anwälte der Parteien unter gezielter Umgehung seines Anwalts unmittelbar ihm gegenüber zugestellt worden sei. Daraus sei zu schließen, dass es die Beklagte von vornherein nur darauf angelegt habe, eine Fristversäumnis zu konstruieren. So habe die Beklagte nicht vorgetragen, warum sie die Kündigung nicht von Anwalt zu Anwalt, per Gerichtsvollzieher oder durch einen Boten aus dem eigenen Hause habe zustellen lassen, sondern durch ein Fuhrunternehmen, das auch nur die Fahrtstrecke mit 41 ct/km abgerechnet habe, nicht aber die vom Fahrer aufgewandte Arbeitszeit.
9Er sei ab dem 14.12.2010 wegen eines grippalen Infekts arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Am 19.12.2010 habe er die Nachricht des Betriebsrats auf seinem Anrufbeantworter vorgefunden. Derart sensibilisiert habe er während seines Urlaubs, den er vom 20.12.2010 bis zum Erhalt der Kündigung am 14.01.2010 zu Hause verbracht habe, den Briefkasten zweimal täglich kontrolliert, nämlich morgens beim Holen der Zeitung und sodann mittags nach Erhalt der Post. Die Kündigungserklärung habe sich aber erst am 14.01.2011 im Briefkasten befunden. Es wäre ein Leichtes gewesen, ihm das Kündigungsschreiben am 21.12.2010 persönlich auszuhändigen. Letztlich sei beachtlich, dass das von der Beklagten vorgelegte Schreiben, das den Zustellvermerk trägt, nicht etwa eine Kopie des ihm zugegangenen Kündigungsschreibens sei, wie ein Vergleich mit den Unterschriften deutlich ergebe.
102007 sei bei ihm eine mittelschwere depressive Episode, Agoraphobie und Panik im Rahmen eines psychischen Erschöpfungszustands mit somatoformer Symptomatik aufgetreten, ein sog. Burn-Out-Syndrom. Nach ärztlichen Feststellungen beruhe dies auf dem Umstand, dass er seit Jahren einer Mobbingsituation ausgesetzt gewesen sei, die vom Mitarbeiter L2 der Beklagten ausgegangen sei.
11Der Kläger hat beantragt,
12festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 20.12.2010 nicht beendet worden ist.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat bestritten, dass sie für die psychischen Probleme des Klägers Verantwortung trage. Alle Versuche, die sie unternommen habe, um mit dem Kläger wieder in ein normales Arbeitsverhältnis einzutreten, seien gescheitert. Entweder sei es dem Kläger krankheitsbedingt nicht mehr möglich, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, oder er sei dazu nicht mehr bereit. Die ausgesprochene Kündigung sei deshalb entweder aus krankheits- oder aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.
16Das Kündigungsschreiben sei am 20.12.2010 ausgefertigt und am 21.12.2010 um 09.30 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen worden. Die Zustellung sei durch den Zeugen K1, einen Kurierfahrer des Unternehmens P1, bewirkt worden. Der Zeuge habe zugesehen, wie das Original-Kündigungsschreiben kuvertiert worden sei. Er habe es sodann zugestellt und über den Zustellzeitpunkt einen Vermerk angelegt.
17Hatte die Beklagte zunächst behauptet, dieser Vermerk sei auf eine Kopie des Kündigungsschreibens gesetzt worden, hat sie im Laufe des arbeitsgerichtlichen Verfahrens behauptet, es seien zwei gleichlautende Kündigungsschreiben ausgefertigt und unterschrieben worden, was ihrer Prozessbevollmächtigten zunächst nicht bekannt gewesen sei. Eines der Schreiben sei zugestellt worden, das zweite sei zum Zwecke der Dokumentation mit einem vorbereiteten Vermerk über den Zustellzeitpunkt ausgefertigt worden, den der Fahrer und Zeuge K1 sodann nach erfolgter Zustellung ausgefüllt habe. Das Doppel des Kündigungsschreibens nebst Zustellvermerk habe der Zeuge sodann ihrem Mitarbeiter L1 persönlich übergeben oder aber in den Briefkasten der Beklagten einwerfen sollen.
18Mit Urteil vom 18.05.2011 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, die Kündigung gelte gem. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, weil sie nicht rechtzeitig vom Kläger angegriffen worden sei. Das Gericht sei nach durchgeführter Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen K1 davon überzeugt, dass das Kündigungsschreiben am 21.12.2010 in den Briefkasten des Klägers vom Zeugen eingeworfen worden sei. Die Aussage des Zeugen sei in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Sie sei auch mit den sonstigen Geschehensabläufen in Einklang zu bringen. Glaubhaft sei die Aussage insbesondere deshalb, weil der Zeuge von sich aus und ohne Nachfrage Details habe wiedergeben können, die auch nicht Gegenstand vorbereitender Schriftsätze gewesen seien. Dies gelte im Hinblick auf das Aussehen des Briefkastens und die Darstellung zu seinen Bemühungen, den zutreffenden Briefkasten ausfindig zu machen. Der Glaubhaftigkeit der Aussage stehe nicht entgegen, dass der Zeuge im Hinblick auf die Fahrt selbst bekundet habe, er könne sich nicht an besondere Vorkommnisse, insbesondere an Verkehrsbehinderungen, erinnern. Zwar sei das Wetter in Deutschland vor Weihnachten 2010 von starken Schneefällen geprägt gewesen. Doch habe der Zeuge seinen Weg ganz überwiegend über Autobahnen zurücklegen müssen, die erfahrungsgemäß gut geräumt seien. Außerdem handele es sich beim Zeugen um einen erfahrenen Berufskraftfahrer, für den widrige Verkehrsverhältnisse nichts Besonderes seien.
19Gegen das dem Kläger am 06.06.2011 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 05.07.2011 eingegangene und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 06.09.2011 wie folgt begründete Berufung:
20Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts sei fehlerhaft. Das Arbeitsgericht habe sich nicht mit wesentlichen Aspekten seines Vortrags auseinandergesetzt. So habe das Arbeitsgericht die wesentlichen Indizien, die für eine Manipulation sprechen würden, nicht hinreichend berücksichtigt. Die Beklagte versuche seit der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung im Jahr 2008 über die Rechtswirksamkeit der Kündigung, den Druck auf ihn durch gezielte Mobbingattacken, ungerechtfertigte Abmahnungen und speziell auf ihn zugeschnittene Arbeitsanweisungen zu erhöhen, um ihn zur Aufgabe zu bewegen. Die Beklagte betreibe demgemäß seit 2007 fortgesetzt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
21Nachvollziehbare Kündigungsgründe stünden der Beklagten nicht zur Seite. Daraus lasse sich der Schluss ziehen, der Beklagten sei es von vornherein nicht darauf angekommen, eine Kündigung auch begründen zu müssen. Dafür spreche auch, dass trotzt der seit Jahren über die beteiligten Anwälte geführten Korrespondenz das Kündigungsschreiben nicht etwa von Anwalt zu Anwalt, per Gerichtsvollzieher oder durch einen Boten aus dem eigenen Fahrdienst der Beklagten zugestellt worden sei, sondern durch einen extern beauftragen Fahrdienst. Der Beklagten sei es darum gegangen, den Zustellzeitpunkt auf diese Weise zu verschleiern. Dass der Zeuge sich an Einzelheiten erinnern habe können, insbesondere an das Aussehen des Briefkastens, spreche nicht für die Glaubhaftigkeit der Aussage. Denn jedenfalls am 14.01.2011 sei die Kündigung zugegangen. Glaubhaft sei es auch nicht, dass der Zeuge das Schreiben am 21.12.2010 zugestellt haben will. So habe der Zeuge auf Nachfrage seines – des Klägers - Prozessbevollmächtigten angegeben, die Straßen- und Verkehrsverhältnisse seien an dem betreffenden Tag in keiner Weise auffällig gewesen. Auf Befragung des Gerichts habe der Zeuge bekundet, die Straßen seien frei und gut befahrbar gewesen. Tatsächlich könne aber der Berichterstattung der Deutschen Welle vom 20.12.2010 entnommen werden, dass an dem betreffenden Tag in gesamt Europa ein extremes Schneechaos geherrscht habe, wobei in Deutschland die Autobahnen für schwere Lkw sogar gesperrt gewesen seien.
22Im Anschluss an die erstinstanzliche Beweisaufnahme habe er mit den Bewohnern seines Hauses Rücksprache genommen. Die Zeugin T1, die 56 Jahre alt und Raucherin sei, habe sich an das Gespräch mit dem Zeugen K1 über die Wechselsprechanlage erinnern können. Auf seine Nachfrage habe sie allerdings mitgeteilt, das betreffende Gespräch sei nicht vor Weihnachten 2010 geführt worden, sondern Anfang des Jahres 2011.
23Der Kläger beantragt,
24das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 18.05.2011- Az.: 6 Ca 126/11- abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 20.12.2010 beendet worden ist.
25Die Beklagte beantragt,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und behauptet, am 20.12.2010 seien zwei gleichlautende Kündigungsschreiben ausgefertigt und sowohl von ihrem Geschäftsführer als auch von Ihrem Personalleiter unterzeichnet worden. Auf einem der beiden Exemplare sei zusätzlich mittels einer Schreibmaschine ein Einwurf vermerk angebracht worden. Noch am selben Tag habe sie die Fa. P1 damit beauftragt, das Kündigungsschreiben zuzustellen. Der Zeuge K1 habe beide Schreiben durchgelesen und miteinander verglichen. Sodann sei das Kündigungsschreiben kuvertiert worden. Das Kündigungsschreiben sowie das mit dem Einwurf vermerk ausgefertigte Doppel seien dem Zeugen mit der Bitte übergeben worden, nach Zustellung des Kündigungsschreibens das Doppel entweder dem Personalleiter persönlich zu übergeben oder aber in den Firmenbriefkasten einzuwerfen. Der Zeuge habe das Schreiben dann am 21.12.2010 um 09.30 Uhr durch Einwurf in den Briefkasten des Klägers zugestellt. Der Zeuge habe zunächst versucht, den Kläger persönlich zu erreichen. Nachdem dies keinen Erfolg gehabt habe, habe er bei einer Nachbarin geschellt und sich über die Gegensprechanlage danach erkundigt, welcher der dortigen Briefkästen der richtige sei. Ihm sei mitgeteilt worden, dies sei der mittlere Briefkasten. Dort habe er das Kündigungsschreiben eingeworfen. Nach der subjektiven Wahrnehmung des Zeugen K1 habe es sich bei seiner Gesprächspartnerin um eine ältere Frau gehandelt. Während der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht noch bestritten habe, dass in seinem Haus eine ältere Frau wohne, trage er nunmehr vor, es gebe eine etwa 56 Jahre alte Nachbarin, die Raucherin sei. Diese könne sich an das Gespräch mit dem Zeugen K1 erinnern. Allerdings habe das Gespräch nicht vor Weihnachten 2010, sondern Anfang des Jahres 2011 stattgefunden. Dies treffe indes nicht zu. Das Gespräch - sofern es denn mit dieser Zeugin geführt worden sein mag - habe am 21.12.2010 stattgefunden. Mit Nichtwissen sei zu bestreiten, dass die Zeugin T1 Anfang des Jahres 2012 überhaupt ein Gespräch über die Wechselsprechanlage geführt haben will. Letztlich sei der Sachvortrag des Klägers - so ihre Auffassung - auch unsubstantiiert. Es werde weder vorgetragen, wann genau das angebliche Gespräch über die Wechselsprechanlage geführt worden sein soll, noch warum sich die Zeugin an dieses für sie belanglose Gespräch auch nach Monaten danach noch erinnern können soll. Außerdem werde nicht substantiiert dazu vorgetragen, was Inhalt des Gesprächs gewesen sein soll. Selbst wenn die Zeugin Anfang Januar 2011 ein Gespräch über die Wechselsprechanlage geführt haben will, sei die Aussage des Zeugen K1 damit immer noch nicht widerlegt. So dürften wegen des anonym gehaltenen Briefkastens des Klägers Anfragen dieser Art nicht unüblich sein. Außerdem sei das Gespräch nur über die Wechselsprechanlage geführt worden, weshalb die Zeugin ohnehin nicht in der Lage sein könne zu bekunden, ob sie mit dem Zeugen K1 gesprochen habe. Der Beweisantritt des Klägers erfolge "ins Blaue" hinein. Ihm sei als bloßem Ausforschungsbeweis nicht nachzugehen.
28Das Arbeitsgericht habe eine überzeugende Beweisaufnahme durchgeführt. Insbesondere habe es sich auch mit der Behauptung des Klägers auseinandergesetzt, es seien Anhaltspunkte für eine Vordatierung des Kündigungsschreibens ersichtlich. Indizien für eine etwaige Manipulation seien entgegen der Angriffe des Klägers gegen die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts gerade nicht erkennbar. Einwenden ließe sich auch nicht, dass sich der Zeuge K1 nicht ohne vorherige Einsichtnahme in die Unterlagen seines Arbeitgebers darüber Gewissheit habe verschaffen können, dass die Zustellung am 21.12.2010 erfolgt sei. Eine derart präzise Angabe des Datums wäre andernfalls nicht glaubhaft. Auch der vom Kläger eingebrachte Hinweis auf die Straßen- und Verkehrsverhältnisse erschüttere die Glaubhaftigkeit der Aussage nicht. Der vom Kläger vorgelegte Bericht der Deutschen Welle über die Witterungsverhältnisse am 20.12.2010 ändere daran nichts. So betreffe dieser Bericht den 20.12.2010, also den Tag vor dem Zustelldatum. Außerdem lasse sich dem Bericht entnehmen, dass "weiter Richtung Süden aber auch Tauwetter möglich" gewesen wäre. Die Bekundung des Zeugen, auf dem Weg zum Kläger hätten es keine besonderen Vorkommnisse gegeben, werde durch das Vorbringen des Klägers nicht entkräftet.
29Ohne Belang sei es, meine der Kläger, die Zustellung des Kündigungsschreibens hätte anders bewirkt werden können. Wende der Kläger ein, sie hätte sich des eigenen Fahrdienstes bedienen können, um die Kündigung zuzustellen, hätte sie sich aller Voraussicht nach in diesem Fall mit dem Vorwurf des Klägers auseinandersetzen müssen, keine neutrale Person mit der Zustellung beauftragt zu haben.
30Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen, insbesondere auf den vom Kläger vorgelegten Bericht der Deutschen Welle (Bl. 218). Hinsichtlich des Ergebnisses der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls der öffentlichen Sitzung vom 18.05.2011 (Bl. 152 bis 155 d.A.) verwiesen. Wegen der vom Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung abgegebenen Erklärungen wird auf den Inhalt des Protokoll der öffentlichen Sitzung des Berufungsgerichts vom 16.01.2011 (Bl 265 - 270 d.A.) Bezug genommen.
31Entscheidungsgründe
32I. Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. c) ArbGG) und nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG am 05.07.2011 gegen das am 06.06.2011 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie wurde auch innerhalb der bis zum 06.09.2011 verlängerten Frist des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG ordnungsgemäß nach den §§ 520 Abs. 3 i.V.m. 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG begründet und ist damit insgesamt zulässig.
33II. Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht folgt der arbeitsgerichtlichen Entscheidung und nimmt auf sie Bezug, § 68 Abs. ArbGG. Die Berufung gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
341. Die Kündigungsschutzklage war als unbegründet abzuweisen. Die von der Beklagten mit Schreiben vom 20.12.2010 ausgesprochene Kündigung ist dem Kläger auch zur Überzeugung der Berufungskammer am 21.12.2010 zugegangen. Nach § 4 S. 1 KSchG muss ein Arbeitnehmer, der geltend machen will, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage erheben. Die vom Kläger am 14.01.2010 per Telefax erhobene Kündigungsschutzklage ist damit ausgehend vom 21.12.2010 außerhalb der am 11.01.2011 abgelaufenen Frist erhoben worden. Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt sie – wie hier - nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam.
352. Die vom Arbeitsgericht durchgeführte und insgesamt sehr überzeugende Beweiswürdigung wurde vom Kläger nicht erschüttert. Weder sprechen Gründen gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen K1, noch sind Ansätze erkennbar, die die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Zweifel ziehen könnten.
36a) Das Arbeitsgericht hat sich ausführlich und mit überzeugender Begründung mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme auseinandergesetzt. Es hat dabei auch den Umstand gewürdigt, dass der Zeuge auf Nachfrage des klägerischen Prozessbevollmächtigten zunächst angegeben hat, dass keine besonderen Vorkommnisse, insbesondere keine Verkehrsbehinderungen auf der Fahrt eingetreten seien. Zu Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, dies ziehe die Glaubhaftigkeit der Aussage trotz der allgemein bekannten winterlichen Witterungsverhältnisse vor Weihnachten 2010 nicht in Frage. Dabei hat das Arbeitsgericht berücksichtigt, dass der Zeuge einen Großteil der Fahrtstrecke zum Wohnsitz des Klägers auf Autobahnen zurückgelegt hat und ausgeführt, dass diese Fahrtstrecken erfahrungsgemäß gut geräumt seien und im Übrigen für den Zeugen als einem erfahrenen Berufskraftfahrer widrige Verkehrsverhältnisses nichts Besonderes seien.
37b) Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen wird auch nicht durch den Inhalt des Berichts der Deutschen Welle über ein Verkehrschaos durch Winterwetter erschüttert, den der Kläger vorgelegt hat. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass sich dieser Bericht nicht auf den 21.12.2010 bezieht, also den Tag, an dem das Schreiben nach den Bekundungen des Zeugen K1 zugestellt worden ist, sondern auf den Tag davor. Außerdem ist in diesem Bericht ausgeführt, dass es besonders im Norden eisig kalt bleiben würde, während weiter in Richtung Süden auch Tauwetter möglich sei. Der Zeuge K1 musste hingegen aus dem ostwestfälischen Teil Nordrhein-Westfalens nach Süddeutschland fahren, also genau in die Richtung, in der auch Tauwetter hätte möglich sein können. Die Glaubhaftigkeit seiner Bekundung wird durch die Vorlage des Berichts damit nicht geschwächt, sondern gestärkt.
38Tritt der Kläger im Laufe des Berufungsverfahrens für die Behauptung, dass zum Zeitpunkt der vorgeblichen Zustellung des Zeugen K1 in der Nacht vom 20. auf den 21.12.2010 in Deutschland, insbesondere auf dessen Weg, extreme Witterungsverhältnisse mit chaotischen Straßenverhältnissen herrschten, Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an, war dem nicht nachzugehen.
39Die Kammer geht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon aus, dass ein für eine beweiserhebliche Tatsache angetretener Beweis nur dann abgelehnt werden kann, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder zwar den Anschein einer bestimmt aufgestellten Behauptung erweckt wird, die Tatsache aber dafür aufs Geratewohl und damit gleichsam ins Blaue hinein aufgestellt worden ist. Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast dann, aber auch nur dann, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das vom ihr in Anspruch genommene Recht als entstanden erschienen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Voraussetzungen, so bedarf es keines Vortrags weiterer Einzelheiten oder Erklärungen (vgl. BAG 23.04.2009 - 6 AZR 190/08, NZA 2009, 974; 03.08.2005 - 10 AZR 585/04, NZA 2006, 175; BGH 21.07.2011 - IV ZR 216/09, VersR 2011, 1384; 25.07.2005 - II ZR 199/03, DB 2005, 2238; 25.02.1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967; BFH 28.07.2008 - VIII B 189/07, juris; 01.02.2007 - VI B 118/04, DB 2007,727). Dabei ist es unerheblich, wie wahrscheinlich die Darstellung ist, ob sie auf eigenem Wissen beruht oder das Ergebnis von Schlussfolgerungen aus Indizien ist. Der Pflicht ausreichender Substantiierung ist allerdings dann nicht genügt, wenn aufgrund der Darstellung nicht beurteilt werden kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen vorliegen (BGH 25.07.2005 – II ZR 199/03 – DB 2005, 2238).
40Dies trifft auf die vom Kläger nunmehr aufgestellte Behauptung zu, es hätten extreme Witterungsverhältnisse und chaotische Verkehrsverhältnisse geherrscht. Die Behauptung chaotischer Straßenverhältnisse ist unter Berücksichtigung des sonstigen Sachvortrags derart unsubstantiiert, dass ihr zur Entkräftung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen K1 nicht nachzugehen war. Es bleibt unklar, ob der Kläger behaupten will, es habe starker Schneefall auf der Strecke oder etwa Eisglätte geherrscht, es sei nicht geräumte gewesen, die Autobahnen seien nicht befahrbar gewesen oder es sei zu Verkehrsbehinderungen durch witterungsbedingte Staus oder eine sonstige Behinderungen der Wegstrecke gekommen. Der Kläger gleicht seinen Beweisantritt nicht mit der von ihm selbst vorgelegten Berichterstattung der Deutschen Welle ab und konkretisiert nicht, was er im Hinblick auf die Wegstrecke, die der Zeuge zurücklegen musste, nun genau behaupten will. Er setzt sich auch nicht damit auseinander, dass der Zeuge K1 bekundet hat, nach genauerem Nachdenken falle ihm ein, dass vor der Garage, die sich am Haus des Klägers befunden habe, der Schnee geräumt und die Straßen gut befahrbar und frei gewesen seien. Eine Auseinandersetzung mit diesen Bekundungen des Zeugen wäre dem Kläger unschwer möglich, sofern es richtig war, dass der Kläger – wie von ihm behauptet - ab dem 20.12.2010 zu Hause gewesen sei und die Post täglich zwei Mal kontrolliert haben wolle. Für das Berufungsgericht war damit nicht klar, mit welcher konkreten Tatsache im Hinblick auf die gegebenen Witterungs- und Verkehrsverhältnisses der Kläger die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen K1 hat erschüttern wollen.
41c) Die Berufung wendet zu Unrecht ein, das Arbeitsgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass Indizien für eine Manipulation des Zustelldatums vorhanden seien. So hat das Arbeitsgericht ausführt, die vom Beklagten vorgebrachten Einwendungen gegen die Plausibilität des Beklagten Vorbringens hätten die Überzeugung der Kammer nicht erschüttern können. Es hat sich ausdrücklich damit auseinandergesetzt, welcher Bedeutung es zukommen könne, dass das Kündigungsschreiben sowohl im Original als auch in der vom Zeugen K1 letztlich mit dem Zustellvermerk versehenen Fassung jeweils zwei Unterschriften trägt. Es hat dazu ausgeführt, es sei nicht erkennbar, welchen Vorteil die Beklagte aus diesem Umstand ziehen könne. Auch für das Berufungsgericht waren solche Vorteile nicht erkennbar. Insbesondere spricht dies nicht für eine vom Kläger angenommene Manipulation des Zugangsdatums.
42Für die Berufungskammer spricht für eine solche Manipulation auch nicht, dass für die Fahrt des Zeugen ein Betrag von 0,41 € pro Kilometer Fahrtstrecke aufzubringen war, ohne dass in der Rechnung über die Kurierfahrt die Arbeitszeit des Kurierfahrers noch gesondert in Ansatz gebracht worden war. Es legen weder Anhaltspunkte für eine besonders günstige, noch solche für eine besonders teure Kurierfahrt vor. Letztlich bleibt auch offen, wofür eine besonders günstige Kurierfahrt, sofern es denn eine solche gewesen sein sollte, hätte sprechen sollen. Will der Kläger andeuten, die Fa. P1 sowie der Zeuge K1 hätten sich an der Manipulation des Zustelldatums beteiligt, wäre eher eine zu hohe als eine zu niedrige Rechnung zu erwarten gewesen.
43d) Auch hat sich das Gericht damit auseinandergesetzt, wie es zu werten ist, dass das Kündigungsschreiben nicht persönlich ausgehändigt worden ist. Dazu hat es ausgeführt, es sei nicht verwunderlich, dass die Beklagte im Vorfeld des Zugangs des Kündigungsschreibens beide Möglichkeiten – die persönliche Zustellung des Kündigungsschreibens und den Einwurf in den Briefkasten - erwogen habe. Dem schließt sich die Kammer an, die es im Übrigen keineswegs als ungewöhnlich empfindet, dass die Beklagte weder die Zustellung an den Anwalt des Klägers gewählt, noch auf die Zustellung per Gerichtsvollzieher zurückgegriffen oder eine Zustellung durch den eigenen Fahrdienst versucht hat. Es wurde vom Kläger nicht behauptet, dass das Kündigungsschreiben von den Prozessbevollmächtigten der Beklagten formuliert und auf den Weg gebracht worden sein soll. Deshalb erschließt sich nicht, warum die Beklagte selbst das Schreiben an den Anwalt des Klägers hätte zustellen sollen. Aber selbst in einem solchen Fall wäre die Zustellung eines Kündigungsschreibens an den Prozessbevollmächtigten des Klägers problematisch und aus anwaltlicher Vorsorge nicht geboten. Denn nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber in dessen Abwesenheit abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm zugeht. Deshalb musste die Kündigungserklärung nicht dem Anwalt des Klägers zugehen, sondern dem Kläger selbst. Sie kann dem Anwalt zugestellt werden und gilt dann dem Kläger als zugegangen, wenn der Anwalt zustellbevollmächtigt ist. Es ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte sich auf einen Übermittlungsweg einlassen sollte, dessen rechtlicher Erfolg zweifelhaft ist. Auch aus der gewählten Zustellung per Kurierdienst ist nichts abzuleiten, was die These des Klägers, es sei der Beklagten darum gegangen, das Zustelldatum zu manipulieren, stützen könnte. Das gilt auch für den Einwand des Klägers, aus seiner Sicht seien keine Gründe erkennbar, die die Kündigung hätten rechtfertigen können, woraus zu schließen sei, die Beklagte habe keine andere Möglichkeit gehabt, der Kündigung zum Erfolg zu verhelfen, als das Zugangsdatum zu manipulieren. Das Berufungsgericht war nicht dazu angehalten, die Kündigungsgründe auf ihre Rechtswirksamkeit zu untersuchen. Angesichts der erheblichen Belastungen des Arbeitsverhältnisses, die auch der Kläger einräumt, kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die vorgetragenen Kündigungsgründe – wie wohl vom Kläger angenommen – nur vorgeschoben sind.
44e) Dem weiteren Beweisantrag des Klägers, die Zeugin T1 dazu zu vernehmen, sie könne sich "an das Gespräch mit dem Zeugen K1 über die Wechselsprechanlage erinnern" und habe "auf Nachfrage des Klägers mitgeteilt, dass das betreffende Gespräch nicht vor Weihnachten im Jahr 2010 stattgefunden habe, sondern Anfang des Jahres 2011", war ebenfalls nicht nachzugehen. Diese Behauptung des Klägers stellt sich unter Berücksichtigung der weiter oben wiedergegebenen höchstrichterlichen Rechtsprechung als eine lediglich dem Anschein nach bestimmt gehaltene Behauptung dar, die indes aufs Geratewohl und damit gleichsam ins Blaue hinein aufgestellt worden und damit als rechtsmissbräuchlich nicht zu beachten ist.
45aa) Bereits das Arbeitsgericht hat Zweifel an der erstinstanzlich mehrfach wiederholten Behauptung des Klägers geäußert, er sei ab dem 19.12.2010 wieder zu Hause gewesen, habe sich dort aufgehalten und sodann bis zum Zugang des Kündigungsschreibens am 14.01.2011 den Briefkasten zweimal täglich gelehrt. Diese Zweifel hat es aus der Bekundung des Zeugen K1 geschlossen, der Briefkasten des Klägers sei ziemlich voll gewesen. Für die Kammer, die nach § 286 Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden hat, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist, haben sich diese Zweifel unter Berücksichtigung der im Rahmen der persönlichen Anhörung des Klägers nach § 141 ZPO abgegebenen Erklärungen weiter erhärtet.
46So hat der Kläger erstinstanzlich wiederholt behauptet, das Kündigungsschreiben sei ihm am 14.01.2011 zugegangen. Er sei mit Beginn seines Urlaubs am 20.01.2010 zu Hause gewesen und habe bis zum 14.01.2011 den Briefkasten täglich zweimal gelehrt. Im Rahmen der persönlichen Anhörung im Kammertermin vor dem Berufungsgericht hat der Kläger sodann behauptet, er sei lediglich bis Silvester jeden Tag an seinen Briefkasten gegangen, um zu schauen, ob ein Kündigungsschreiben eingeworfen worden sei. Er sei sodann angesichts der erneut aufgetretenen Angstzustände mit Ablauf des Jahres 2010 zu seinen Eltern gefahren und habe sich dort bis zum 10.01.2011 aufgehalten. Der Kläger schildert, dass er in der Woche ab dem 10.01.2012 etwa jeden zweiten Tag in seiner Wohnung gewesen sei, um Bürotätigkeiten zu verrichten, und habe an den anderen Tagen von der Wohnung seiner Eltern ausgehend Kunden besuchen wollen. Den vollen Briefkasten, der die Post vom 01.01.2011 bis zum 14.01.2011 enthalten hatte, habe er erst am 14.01.2011 gelehrt, weil er sich mit vielen anderen Dingen habe beschäftigten müssen. Der vom Kläger in der Berufungsverhandlung im Rahmen der persönlichen Anhörung nach § 141 ZPO vorgetragene Sachverhalt weicht vom bisherigen ab und steht zu ihm in Widerspruch. Dieser Widerspruch betrifft einen Tatbestandskomplex, der für die vom Kläger angenommene Manipulation des Kündigungszugangsdatums von erheblicher Bedeutung ist. Denn es steht unter Berücksichtigung dieser Bekundungen fest, dass entgegen der ursprünglichen Behauptungen des Klägers das Kündigungsschreiben nicht erst am 14.01.2012, sondern auch durchaus früher hat zugestellt werden können, ohne dass der Kläger - der den Briefkasten entgegen seiner früheren Behauptungen nicht durchgängig bis zum 14.01.2011 gelehrt hatte - das hat bemerken können.
47Anders als bis zur Berufungsverhandlung vorgetragen, hat der Kläger ferner im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angegeben, er sei bis zum 16.12.2010 wegen seiner Angstzustände arbeitsunfähig krank gewesen und dies auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten dahingehend ergänzt, es könne durchaus sein, dass er neben den Angstzuständen auch eine Grippeerkrankung gehabt habe, wie er es bis dahin behauptet hatte. Will der Kläger sich sodann, wie er es in seiner persönlichen Anhörung erklärt hat, am 17.12.2010 in den Urlaub begeben haben, den er ab dem 20.12.2010 trotz der zuvor und auch danach aufgetretenen Angstzustände und des Anratens der ihn behandelnden Psychologin, Tage der Arbeitsunfähigkeit bei seinen Eltern zu verbringen, einschränkungslos zu Hause aufgehaltene haben, kann die Kammer dem keinen Glauben schenken. Dies umso mehr, weil der Kläger weder auf die Rückrufbitte des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, der mit ihm über die anstehende Kündigung hat sprechen wollen, reagiert, noch seinen Anwalt angerufen hat, mit dem er wegen der problembelasteten Arbeitsbeziehung der Parteien in ständigem Kontakt stand. Es ist bar jeder Lebenserfahrung, dass der Kläger in einer solchen Situation das Gesprächsangebot des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden nicht annimmt und sich auch nicht mit seinem Anwalt in Verbindung setzt, sondern lediglich darauf wartet, dass das Kündigungsschreiben nun zugeht. Dies gilt umso mehr, als er nach seinem eigenen Sachvortrag geradezu erwartet hat, dass ein etwaiges Kündigungsschreiben unmittelbar seinem Anwalt hätte zugestellt werden müssen.
48Es mag letztlich offen bleiben, ob dies sowie der Umstand, dass der Kläger sich nicht mit der Behauptung des Zeugen K1 auseinandersetzt hat, am 21.12.2010 sei der Schnee auf der Zufahrt der Garage des Klägers geräumt gewesen, sondern sich auf die unkonkrete Behauptung beschränkt hat, es habe ein Verkehrschaos geherrscht, alleine den Schluss zulässt, dass der Kläger entgegen seiner Behauptung nicht vor Ort war und deshalb auch Einzelheiten der örtlichen Verhältnisse am 21.12.2010 nicht schildern kann. Für die vom Kläger angenommene Rückdatierung des Kündigungsschreibens sowie für die Manipulation des Kündigungszugangs war die Behauptung des Klägers, er sei beginnend mit dem 20.12.2010 bis zum 14.01.2011 zu Hause und habe in Erwartung des Kündigungsschreibens den Briefkasten täglich zwei Mal gelehrt, von zentraler Bedeutung. Dieser Sachvortrag stellt sich nach der persönlichen Anhörung des Klägers als gänzlich anders dar und ist in den wesentlichen Teilen so widersprüchlich und lebensfremd, dass er von der Kammer insgesamt nicht mehr beachtet werden konnte.
49bb) Unter Berücksichtigung dieses Umstands ist die vom Kläger unter Beweis gestellte Behauptung, die Zeugin T1 könne bekunden, das Gespräch mit dem Zeugen K1 habe in jedem Fall nicht vor Weihnachten 2010 stattgefunden, sondern Anfang des Jahres 2011, eine lediglich dem Anschein nach bestimmt gehaltene Behauptung, die jedoch aufs Geratewohl und damit gleichsam ins Blaue hinein aufgestellt worden ist. Hier war zu erwarten, dass der Kläger seinen Tatsachenvortrag näher konkretisiert. Die wenigen, vom Kläger konkretisierten Elemente der Wahrnehmung der Zeugin T1 stellen sich als mindestens unpräzise, wenn nicht gar falsch heraus. So behauptet der Kläger, die Zeugin könne sich an das Gespräch mit dem Zeugen K1 erinnern. Es ist jedoch denklogisch ausgeschlossen, dass die Zeugin wissen kann, mit dem Zeugen K1 gesprochen zu haben. Das Gespräch hat über eine Wechselsprechanlage stattgefunden. Die Zeugin konnte damit nicht wissen, ob sie sich mit dem Zeugen K1 oder einer anderen Person ausgetauscht hat. Der Kläger hat auch schriftsätzlich nicht vorgetragen, aus welchen Gründen zu schließen war, dass das Gespräch der Zeugin über die Wechselsprechanlage dasjenige gewesen sein soll, das mit dem Zeugen K1 geführt worden sei. Auch zum näheren Inhalt des Gesprächs, an das sich die Zeugin T1 erinnern will, trägt der Kläger nichts weiter vor.
50cc) Der Kläger nimmt an, die Beklagte habe das Kündigungsschreiben rückdatiert und den Zustellvorgang manipuliert. Er erhebt damit den Vorwurf eines versuchten Prozessbetrugs, in den neben der Beklagten selbst noch der Kurierdienst P1 und der Zeuge K1 verstrickt sein sollen, wobei sich letzterer auch noch wegen eines Aussagedelikts strafbar gemacht haben würde. Angesichts der Erheblichkeit dieser Vorwürfe war zu erwarten, dass der Kläger weitere Umstände und Einzelheiten darstellt, die die konkrete Kenntnis der Zeugin T1 vom Zustellvorgang durch den Zeugen K1 belegen können. Dies alles geschieht nicht und bleibt auch im Rahmen der persönlichen Anhörung nur vage im Raum stehen. Der Kläger erklärt im Rahmen der persönlichen Anhörung lediglich, die Zeugin könne sich deshalb an den Zustellzeitpunkt erinnern, weil es Anfang des Jahres immer so ruhig gewesen sei. Dies gilt allerdings gleichermaßen für die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr.
51f) Im Ergebnis bleibt damit kein konkreter Sachverhalt übrig, der unter Berücksichtigung des ansonsten widersprüchlichen und lebensfremden Sachvortrags des Klägers geeignet wäre, hinreichend konkret zu sein, um ihm durch eine weitere Beweisaufnahme nachzugehen, ohne andernfalls einen unzulässigen Ausforschungsbeweis zu erheben.
52III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 97 ZPO. Dem Kläger fallen die Kosten der von ihm ohne Erfolg eingelegten Berufung zur Last. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde.