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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29.11.2011 – 2 Ca 3282/11 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Der Streit der Parteien geht um verschiedene Urlaubs- und Weihnachtsgeldansprüche des Klägers.
3Der Kläger war zwischen 2003 und 2011 bei der Beklagten, die ein Autohaus betreibt, auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung vom 26.11.2002 (Bl. 37 d.A.) beschäftigt. Die Vereinbarung der Parteien sah u.a. vor, dass dem Arbeitsvertrag die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für das Kraftfahrzeuggewerbe im Land Nordrhein-Westfalen vom 01.07.2001 zugrunde liegen sollten, auch insoweit diese zukünftig Änderungen unterworfen werden.
4Bis einschließlich 2006 zahlte die Beklagte das tariflich geschuldete jährliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld an den Kläger. Ab 2007 erfolgten entsprechende Zahlungen nicht mehr.
5Außergerichtlich verlangte der Kläger von der Beklagten das tarifliche Weihnachtsgeld 2008 (Schreiben vom 12.01.2009, Bl. 3 d.A.), das Urlaubs- und Weihnachtsgeld 2009 (Schreiben vom 08.03.2010, Bl. 4 f. d.A.) und das Urlaubsgeld 2010 (undatiertes Schreiben, Bl. 6 d.A.). Mit Schreiben vom 09.05.2011 (Bl. 7.d.A.) bat er um Auszahlung der Ansprüche auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld der Jahre 2008 – 2010; mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 26.07.2011 bezifferte er diese Ansprüche auf 8.714,46 EUR brutto.
6Die Beklagte zahlte mit der Juli-Abrechnung 2011 das Weihnachtsgeld 2008 sowie Urlaubsgeld für 2008 und 2010.
7Mit beim Arbeitsgericht am 03.08.2011 eingereichter Zahlungsklage hat der Kläger seine außergerichtlich bezifferte Forderung abzüglich geleisteter 2.559,71 EUR weiterverfolgt.
8Nachdem sich die Beklagte auf den tariflichen Verfall der noch geltend gemachten Ansprüche berufen hatte, hat sich der Kläger für seinen Anspruch auf eine betriebliche Übung bezogen und gemeint, Tarifverträge fänden auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Auch sei in den Jahren 2007 – 2010 zwischen dem Arbeitgeberverband und der IG Metall keine einvernehmliche Regelung getroffen worden. Der Arbeitgeberverband habe daraufhin mit der nicht tariffähigen Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) einen letztlich unwirksamen Tarifvertrag geschlossen; die dortige Verfallklausel könne somit nicht greifen.
9Der Geschäftsführer der Beklagten, so hat der Kläger weiter behauptet, habe zugesagt, die nur ausgesetzten Zahlungen würden nachgezahlt, sobald es der Firma wieder besser ginge. Das sei nun der Fall, da sich das Betriebsergebnis deutlich verbessert habe.
10Der Kläger hat beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.714,46 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2011 abzüglich gezahlter 2559,71 EUR netto zu zahlen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat sich auf den tariflichen Verfall der noch offenen Ansprüche berufen.
15Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2011 abgewiesen und seine Entscheidung zusammengefasst wie folgt begründet:
16Die Ansprüche des Klägers auf das Weihnachtsgeld 2009 und 2010 sowie das Urlaubsgeld 2009 seien verfallen. Es könne offenbleiben, ob die tarifliche Verfallfrist des Manteltarifvertrages für das Kfz-Gewerbe im Land NRW in der ab 01.06.2004 geltenden Fassung oder die des Manteltarifvertrages CGM anzuwenden sei. Der Tarifvertrag gelte aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme. Der Kläger habe seine Ansprüche unstreitig nicht innerhalb der tariflichen Verfallfrist von 3 Monaten ab Fälligkeit geltend gemacht.
17Ein weiterer Anspruch auf das Urlaubsgeld für das Jahr 2008 bestehe nicht, da der Kläger schon nicht dargelegt habe, wie sich der verlangte Betrag konkret zusammensetze.
18Eine Zusage des Geschäftsführers sei ebenso wenig Anspruchsgrundlage. Was mit einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage habe gemeint sein sollen, sei unklar geblieben. Der Vortrag des Klägers ziele allenfalls auf eine lose Absichtserklärung der Beklagten.
19Der Kläger hat gegen das ihm am 23.12.2011 zugestellte Urteil am 27.12.2011 beim Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese am 19.01.2012 eingehend begründet.
20Der Kläger meint, die Beklagte könne sich nicht auf den Verfall berufen; es stehe ihr insoweit der Einwand des unredlichen Verhaltens entgegen. Sie habe für 2007 und 2008 jeweils seine Geltendmachung entgegengenommen und damit signalisiert, sie werde sich zu keinem Zeitpunkt auf den Einwand des Verfalls berufen. Auch aus der Mitgliederinfo der IG Metall Dortmund vom 24.02.2011 (Bl. 60 f.d.A.) habe er schließen können, dass der Einwand des Verfalls nicht erhoben werden würde.
21Den Betrag von 1.755,82 EUR habe er zu Recht geltend gemacht, wie sich aus dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 09.08.2011 (Bl. 62 d.A.) ergebe.
22Die Zusage des Geschäftsführers der Beklagten, gegeben auf der Betriebsversammlung im Juni 2008, habe zur Voraussetzung gehabt, dass die Beklagte zumindest eine schwarze Null schreibe. In den streitgegenständlichen Zeiträumen habe die Beklagte jedenfalls Gewinn gemacht.
23Der Kläger beantragt,
24unter Abänderung des am 29.11.2011 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Dortmund – 2 Ca 3282/11 – die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.714,46 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2011 abzüglich gezahlter 2.559,71 EUR netto zu zahlen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Sie trägt vor, sie sei aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten, der Manteltarifvertrag nachfolgend durch den Arbeitgeberverband gekündigt worden, ohne dass es zu einem Neuabschluss gekommen sei. Der Manteltarifvertrag für das Kfz-Gewerbe im Land NRW in der Fassung ab 01.06.2004 wirke daher nach. Der Kläger habe seine Ansprüche für die Vorjahre immer rechtzeitig gemäß Tarifvertrag geltend gemacht. Es sei daher widersprüchlich, ihr gegenüber unredliches Verhalten einzuwenden. Das Weihnachtsgeld 2009 sei erstmals mit ihr am 18.03.2010 zugegangenem Schreiben, und damit nicht rechtzeitig geltend gemacht worden. Bei der Berechnung des Urlaubsgelds für 2008 habe sich in dem Schriftsatz vom 19.08.2011 (Bl. 16 d.A.) der Fehlerteufel eingeschlichen. Der Kläger habe tatsächlich 1.756,49 EUR erhalten, wie sich aus der Abrechnung 07/2011 (Bl. 88 f. d.A.) ergebe. Der Vortrag bezüglich der angeblichen Zusage ihres Geschäftsführers sei gänzlich unsubstantiiert.
28Wegen des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird verwiesen auf deren wechselseitige Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der öffentlichen Verhandlungen, die insgesamt Gegenstand der letzten mündlichen Verhandlung waren.
29Entscheidungsgründe
30Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.
31I.
32Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29.11.2011 ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 Buchst. b), 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517, 520 ZPO an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist somit zulässig.
33II.
34In der Sache ist die Berufung nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010 abgewiesen. Das Berufungsgericht folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung, § 69 Abs. 2 ArbGG. Die Berufung gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
351. Die Ansprüche auf tarifliches Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010 sowie der Anspruch auf Urlaubsgeld für das Jahr 2009 sind verfallen.
36a) Für die Ansprüche des Klägers auf das tarifliche Urlaubsgeld 2009 und das tarifliche Weihnachtsgeld 2009 ergibt sich der Verfall aus § 9 Ziff. 2 MTV für das Kfz-Gewerbe in NRW in der ab 01.06.2004 gültigen Fassung in Verbindung mit der schriftlichen Vereinbarung der Parteien vom 26.11.2002.
37Der das Erlöschen von Ansprüchen regelnde § 9 Ziff. 2 MTV hat folgenden Wortlaut: "Die Ansprüche des Arbeitgebers und Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen, wenn sie nicht spätestens drei Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, spätestens aber zwei Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt nicht für Ansprüche aus unerlaubter oder strafbarer Handlung."
38aa) Der Kläger hat den Anspruch auf das Urlaubsgeld für 2009 mit Schreiben vom 08.03.2010 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Da der Urlaubsgeldanspruch unstreitig spätestens mit der jeweiligen Juli-Abrechnung zur Zahlung fällig ist, erfolgte die Geltendmachung unter dem 08.03.2010 nicht mehr rechtzeitig mit der Folge des Erlöschens des Anspruchs gemäß § 9 Ziffer 2 MTV.
39bb) Gleiches gilt für den Anspruch auf ein tarifliches Weihnachtsgeld für das Jahr 2009. Die erstmalige Geltendmachung durch das klägerische Schreiben vom 08.03.2010 erfolgte nicht unter Einhaltung der tariflichen Verfallsfrist des § 9 Ziff. 2 MTV. Denn das Weihnachtsgeld 2009 war unstreitig mit der November-Abrechnung 2009 zur Zahlung fällig. Die Geltendmachung hätte daher bis spätestens zum 28.02.2010 erfolgen müssen.
40b) Für den Anspruch auf Weihnachtsgeld 2010 folgt der Verfall aus § 12 Ziffer 2 MTV für das Kfz-Gewerbe in NRW in der ab 01.06.2010 geltenden Fassung, der wortgleich mit der tariflichen 2004er-Fassung ist.
41Der Kläger hat das tarifliche Weihnachtsgeld für das Jahr 2010 erstmals mit Schreiben vom 09.05.2011 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch jedoch bereits erloschen (§ 12 Ziff. 2 MTV), denn das Weihnachtsgeld 2010 war mit der November-Abrechnung 2010 zur Zahlung fällig.
42c) Rechtlich nicht relevant ist, darauf hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen, ob in den Jahren 2007 – 2010 der Arbeitgeberverband mit der CGM Tarifverträge abschloss. Zum einen ist das Vorbringen des Klägers hierzu ohne Substanz geblieben. Welchen Tarifvertrag, welche Tarifverträge schloss wer wann mit wem? Befand sich darunter ein eine Ausschlussfrist enthaltender Tarifvertrag/Manteltarifvertrag? Es kann insoweit unentschieden bleiben, ob gegebenenfalls ein Manteltarifvertrag CGM mit einer dort geregelten Verfallfrist Anwendung fände.
43Sollte zudem, wie der Kläger meint, ein entsprechender Tarifvertrag mangels Tariffähigkeit der CGM rechtsunwirksam sein, bliebe es in jedem Fall bei der Anwendung des MTV für das Kraftfahrzeuggewerbe in der Fassung von 2004 bzw. 2010 durch Bezugnahme in der einzelvertraglichen Vereinbarung der Parteien vom 26.11.2002.
44d) Der Kläger kann gegen den Verfall nicht den Einwand eines unredlichen Verhaltens der Beklagten erheben.
45Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann es von Bedeutung sein, ob den Verpflichteten der Vorwurf eines unredlichen oder mindestens die Belange des Berechtigten schuldhaft außer Acht lassenden Verhaltens trifft (vgl. OLG Köln vom 21.02.2012 – 18 U 107/11 juris). Niemand soll nämlich aus seinem eigenen unredlichen Verhalten rechtliche Vorteile ziehen dürfen (BGHZ 122, 163). Deshalb kann ein Arbeitgeber, der sich selbst unredlich verhalten und dadurch die verspätete Geltendmachung des gegen ihn gerichteten Entgeltanspruchs veranlasst hat, sich zur Abwehr eines gegen ihn gerichteten Anspruchs nicht auf den Einwand des Verfalls berufen.
46Die Beklagte hat sich nicht unredlich verhalten.
47Es erschließt sich der Berufungskammer insoweit nicht, warum die Entgegennahme der Geltendmachung tariflicher Ansprüche die Entgegennahme der Geltendmachung tariflicher Ansprüche in der Vergangenheit, hier in den Jahren 2007/2008, ein Signal der Beklagten darstelle, sich in Zukunft auf den Einwand des Verfalls nicht berufen zu wollen. Der Kläger hat, wie die Beklagte unbestritten vortragen konnte, in den Vorjahren seine Ansprüche durchgehend rechtzeitig im Sinne des Tarifvertrages geltend gemacht. Eines Hinweises der Beklagten dahin, dass bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung Verfall eingewandt werde, bedurfte es unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
48Auch die Mitteilungsinfo der IG Metall Dortmund vom 24.02.2011 weist ausdrücklich darauf hin, dass für den Fall der Nichtzahlung tarifvertraglicher Leistungen empfohlen werde, "aus Fristwahrungsgründen die Beträge schnellstens schriftlich geltend zu machen".
492. Keinen Anspruch hat der Kläger auf Urlaubsgeld für das Jahr 2008, da die Beklagte den Anspruch in Höhe von 1.756,49 EUR brutto erfüllt hat.
50Nachvollziehbar konnte die Beklagte insoweit darlegen, dass die Abrechnung des Entgelts des Klägers für den Monat Juli 2011 einen Gesamtbruttobetrag von 4.742,36 EUR aufweist. Hierin enthalten ist das Urlaubsgeld für das Jahr 2008 in Höhe von 1.756,43 EUR brutto. Das folgt aus der Addition der Positionen des Schriftsatzes der Beklagten vom 19.08.2011 (Bl. 16 d.A.), die zu einem Betrag von (nur) 4.542,36 EUR führt. Tatsächlich abgerechnet wurde jedoch ein um 200,00 EUR höherer Betrag, wie die Entgeltabrechnung Juli 2011 (Bl. 19 d.A.) belegt.
513. Ein Anspruch des Klägers auf die begehrten tariflichen Leistungen folgt schließlich nicht aus einer Zusage des Geschäftsführers der Beklagten auf der Betriebsversammlung im Juni 2008.
52Der Vortrag des Klägers zu einer solchen Zusage ist auch in der Berufungsinstanz unsubstantiiert geblieben.
53Die Voraussetzungen für eine Zahlung werden nur sehr pauschal vorgetragen mit den Worten "wenn es der Beklagten wieder besser geht". Für die Kammer nicht nachvollziehbar legt der Kläger diese Formulierung in der Weise aus, dass insoweit zumindest eine schwarze Null vorliegen müsse. Darüber hinaus ist unklar geblieben, ohne dass es darauf noch ankäme, welcher der beiden Geschäftsführer der Beklagten die Zusage gegeben haben soll.
54III.
55Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
56Gründe für eine Zulassung der Revision sind gem. § 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben.